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Veröffentlicht am 26.06.2020

Hulda, starke Frau und tragische Heldin

DUNKEL
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Kommissarin Hulda Hermannsdottir sieht ihrer Pensionierung mit Schrecken entgegen. Anstatt in ihrem letzten Ermittler-Jahr noch einmal ihre ganze Energie und Erfahrung einbringen zu können, wird sie von ...

Kommissarin Hulda Hermannsdottir sieht ihrer Pensionierung mit Schrecken entgegen. Anstatt in ihrem letzten Ermittler-Jahr noch einmal ihre ganze Energie und Erfahrung einbringen zu können, wird sie von ihrem Vorgesetzten gedankenlos aus ihrem Büro gedrängt. Ein jüngerer Mann, der im Gegensatz zu Hulda die Karriereleiter in großen Schritten überwindet, soll in zwei Wochen ihre Position übernehmen.

Einen einzigen sogenannten „Cold Case“-Fall, den sie sich aussuchen kann, ist ihr bis zum Abschied gestattet worden. Verbissen macht sie sich ans Werk.


Ragnar Jónasson, 1976 in Reykjavik geboren, Mitglied der britischen Crime Writers’Association und Mitbegründer des „Iceland Noir“, dem Reykjavik International Crime Writing Festival war mir bis dato kein Begriff.

„Dunkel“, der erste Teil einer Trilogie über Hulda Hermansdottir, hat mich tief beeindruckt.

Da ich im gleichen Alter wie Hulda bin, kann ich ihre Gedanken und Bewertungen sehr gut nachvollziehen. Was aber auch daran liegt, dass Jónasson einfühlsam und detailverliebt Hulda und die anderen Protagonisten skizziert. Ihr gesamtes Leben wird von ihm aufbereitet. Jede Zurückweisung, schon bereits in ihrer Kindheit geschehen und sich ihr ganzes Berufsleben durchziehend, wird aufgezeigt. Er zeigt, wie sie sich gegen die Zurückweisungen wehrt, Karrierebremsen wegarbeitet, junge Kolleginnen fördert, damit ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie Hulda. Trotzdem wird sie abgeschoben und verbeißt sich in ihren letzten Fall.

Der Schreibstil ist flüssig, aber auch dunkel und bedrückend. Nahezu deprimierend ist, mit anzusehen, wie Hulda sich bemüht und dabei Fähigkeiten entwickelt, die viele ihrer Kollegen nie erreichen können, und trotzdem immer wieder scheitert.

Dieser erste Teil ist richtig spannend. Man hofft und hofft und………….


Ich bin begeistert von diesem Buch, von diesem Schreibstil, bin aber auch davon überzeugt, dass ich alles über Hulda in diesem Buch erfahren habe. Somit wollte ich eigentlich nicht den zweiten Teil, der 15 Jahre früher spielt, lesen, aber die Leseprobe des neuen Buchs am Ende von „Dunkel“ hat mich eines Besseren belehrt. Das war schon wieder so spannend……….

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Veröffentlicht am 19.06.2020

Dramatische Famieliengeschichte

Die verlorene Frau
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Seaview Cottage 1960, Familiendrama im Elternhaus der 13-jährigen Rebecca Waterhouse. Draußen wütet ein kräftiger Sturm, aus dem Wohnzimmer glaubt sie eine zornige Stimme, Schmerzensschreie ihrer Mutter ...

Seaview Cottage 1960, Familiendrama im Elternhaus der 13-jährigen Rebecca Waterhouse. Draußen wütet ein kräftiger Sturm, aus dem Wohnzimmer glaubt sie eine zornige Stimme, Schmerzensschreie ihrer Mutter und einen Schuss zu hören. Nachdem Rebecca ins Zimmer gestürmt ist, stirbt ihre Mutter in ihren Armen.

Chichester 2014, Rebeccas älteste Tochter Jessy bekommt ihr erstes Kind. Ihre Tochter, Elizabeth, die einen Monat zu früh zur Welt gekommen ist, benötigt dringend Antibiotika, aber Jessy fühlt sich und ihre Tochter bedroht. Bei erst bester Gelegenheit flüchtet sie mit Elizabeth aus dem Krankenhaus. Eine dramatische Suchaktion beginnt.


Dramatisch und spannend wird diese Familiengeschichte vor uns ausgebreitet.

Themen wie Kriegstraumata, Familien bzw. Eherecht in Großbritannien der 50er Jahre, Treue, Solidarität der Dienerschaft, Mutterliebe, Eifersucht, Selbstständigkeit bzw. Berufstätigkeit von Muttern und noch mehr werden in diesem Buch verarbeitet. Die Geschichte ist fiktiv, aber nachvollziehbar aufgebaut. Beim Lesen wird schnell klar, dass es genauso hätte sein können.

Die einzelnen Charaktere sind liebevoll bis ins Detail gezeichnet. Man wird förmlich in die Geschichte hineingezogen und fühlt sich mittendrin bei der Suche nach Jessy und ihrem Baby. Stück für Stück kriegen wir mehr Einblick in die Vergangenheit der ganzen Familie. Erst ganz zum Schluss werden alle Geheimnisse offenbart.

Ein leichter und flüssiger Schreib-bzw. Erzählstil machen es fast unmöglich, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Und am Ende des Buchs fällt es schwer sich von den Protagonisten zu trennen.

Das Cover finde ich sehr gelungen. Es weist auf den Originaltitel „The Lost Child“ hin, den ich auch passender finde.

Ansonsten kann ich nur wiederholen, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat. Es war zeitweise so spannend, dass ich es viel zu schnell gelesen habe. Auf den Inhalt bin ich jetzt weniger eingegangen, da jedes Wort zu viel, die Spannung und Überraschung bei den Wendungen und gefundenen Puzzleteilen zerstören würde.

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Veröffentlicht am 11.06.2020

Atemberaubend gelöst

Die Taten der Toten
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Ein kleines Mädchen wird im Wald auf einer Lichtung von einem Mann, namens Rune, angegriffen. Mit abgeschnittenem Zopf bleibt sie bewusstlos zurück.

Schweden 2019, die Kommissarin Stina Forss flüchtete ...

Ein kleines Mädchen wird im Wald auf einer Lichtung von einem Mann, namens Rune, angegriffen. Mit abgeschnittenem Zopf bleibt sie bewusstlos zurück.

Schweden 2019, die Kommissarin Stina Forss flüchtete aus einem Hotel, entwendet ein Auto, verlässt Schweden und täuscht ihren Selbstmord auf einer Fähre vor. Sie hat schwere Zeiten hinter sich und sie beschäftigt der Verdacht, dass ihr Vater vor über 30 Jahren Olaf Palme erschossen hat. Seit sie die mögliche Mordwaffe gefunden hat, wurden mehrere Mordanschläge auf sie verübt.

Stina sucht Antworten und wird dabei von Ingrid Nyström und ihren Kollegen inoffiziell unterstützt.


Sagenhaft gut recherchiert und über 8 Bücher/Jahre durchgezogen. CHAPEAU !!!

Dieser vielleicht letzte Band hat noch einmal alles an Dramatik, Tragik und Hartnäckigkeit herausgearbeitet. Die Charaktere, die wir bereits aus den Vorgängerbüchern kennen, werden noch einmal schärfer bzw. tiefer beleuchtet.

Ich kann nicht beurteilen, ob die Recherche der beiden Autoren jetzt die Wahrheit ans Licht gebracht hat, aber genauso hätte sie aussehen können. Besonders die Tatsache, dass vier verschiedene Ermittlungsansätze zur gleichen Personengruppe führen, ist beeindruckend.

Ich möchte mich eigentlich noch nicht von Stina Forss, Ingrid Nyström, Knutson, Hultin und Delgado trennen. Mich würde interessieren, wie sie letztlich mit den Taten und der Wahrheit umgehen. Auf jeden Fall bin ich neugierig auf das, was jetzt kommt.



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Veröffentlicht am 11.06.2020

Beängstigend

Die Patientin
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Vor vier Jahren hat Nathaniel Brenner die hochschwangere Caroline Stein mit seiner Beharrlichkeit gerettet. Nathaniel ist blind. Er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um dem telefonischen Hilferuf ...

Vor vier Jahren hat Nathaniel Brenner die hochschwangere Caroline Stein mit seiner Beharrlichkeit gerettet. Nathaniel ist blind. Er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um dem telefonischen Hilferuf der schwangeren nach zu kommen. Er konnte die Journalistin Milla Nova und deren Partner, Kriminalkommissar Sandro Bandini davon zu überzeugen, dass Ermittlungs-und Handlungsbedarf besteht. In letzter Minute wurde Caroline gerettet.

Jetzt besucht er Caroline, die nach der Geburt ihres Sohnes ins Wachkoma gefallen ist, einmal monatlich mit ihrem kleinen Sohn, seinem Patenkind, in der Koma-Klinik. Heute erleben sie allerdings eine Überraschung. Caroline ist nicht mehr in ihrem Zimmer. Auf Nachfrage wird ihnen anfänglich mitgeteilt, Caroline sei verlegt worden. Später heißt es, sie sei gestorben und irgendwo begraben, aber man weiß nicht wo.

Alarmiert ruft Nathaniel Milla Nova zu Hilfe.


Mich hat dieser etwas andere Folge-Krimi wieder begeistert.

Der blinde Nathaniel, der wieder einer der drei Helden in diesem Krimi ist, wird so natürlich beschrieben, dass der Leser ihn sofort annehmen kann, ohne Mitleid und falschen Pathos. Auch wenn er blind ist, findet er sich zurecht in seiner Welt. Er stößt hin und wieder an seine Grenzen, aber er hadert nie lange, holt sich Hilfe und geht seinen Weg.

Die rührige Milla und der besonnene Sandro unterstützen ihn und nehmen ihn erst.

Auch diese beiden Charaktere sind sehr genau gezeichnet. Man möchte sie immer weiter begleiten. Im Wesen sind sie sehr unterschiedlich, aber sie reflektieren ständig ihre Einstellungen und Arbeitsweisen. Beide fragen sich zeitweise, warum sie sich den jeweiligen Partner „antun“, aber irgendwie brauchen sie einander und bereichern sich.

Der Kriminalfall ist erschreckend. Besonders erschrecken daran ist, dass ich mir vorstellen kann, dass diese Verbrechen möglich sind. Verbitterte und verblendete Wissenschaftler, die glauben, alles was wissenschaftlich erreicht werden kann auch erforscht und realisiert werden muss, können nicht nur Komapatienten ohne Familie für ihre Zwecke missbrauchen. Insbesondere die Wehrlosigkeit von Nathaniel während seines 2-tägigen Tiefschlaf halte ich für sehr bedenklich.

Dieser Kriminalroman ist fiktiv und ich will da auch nicht weiter hinterfragen. Er ist spannend, geradezu packend und er verlangt nach mehr.

Nathaniel, Milla und Sandro haben bestimmt noch viele spannende Erlebnisse in Petto.

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Überzeugender Krimi mit geschichtlichem Hintergrund

Nordlicht - Die Spur des Mörders
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Hauptkommissarin Vibeke Boisen, Leiterin der Mordkommission K1 in Flensburg, und ihr dänischer Kollege Kommissar Rasmus Nyborg, ermitteln wieder in einem grenzüberschreitenden Fall. Der pensionierte Lehrer, ...

Hauptkommissarin Vibeke Boisen, Leiterin der Mordkommission K1 in Flensburg, und ihr dänischer Kollege Kommissar Rasmus Nyborg, ermitteln wieder in einem grenzüberschreitenden Fall. Der pensionierte Lehrer, Karl Bentien, der sich vorwiegend mit der deutsch-dänischen Geschichte nach dem 2.Weltkrieg beschäftigt, wird ausgerechnet am Sockel des Idstedt-Löwen (Symbol der deutsch-dänischen Freundschaft) ausgeraubt und zu Tode getreten aufgefunden.

Unverzüglich wird eine Sondereinheit aus dänischen und deutschen Kommissaren gebildet mit der Zentrale in Padberg, Dänemark. Diese Sondereinheit hat sich bereits bei einer vorherigen Mordermittlung bestens bewährt, so dass Vibeke und Rasmus auf schnelle Ergebnisse hoffen.

Doch die Brisanz der unterschiedlichen Erlebnisse in der jüngeren Geschichte im Grenzgebiet Dänemark/Deutschland droht die friedliche Zusammenarbeit zu boykottieren.


Der zweite Nordlicht-Krimi von Anette Hinrichs hat mich voll überzeugt.

Schon das maritime Cover lässt die Sehnsucht nach Meer, Boote und Brandung wachsen. Im vorderen Einband werden eine Übersichtskarte der Region sowie eine Detailkarte für die Flensburger Innenstadt abgebildet. Im hinteren Einband geben vier Fotos einen Eindruck der Örtlichkeiten. Somit ist der Leser bestens gerüstet, einen spannenden und geschichtsträchtigen Krimi zu genießen.

Ich lebe nahe der deutsch-niederländischen Grenze und weiß daher um die Brisanz der jeweiligen Grenzgebiet-Geschichte. Von der deutsch-dänischen Problematik, ja eigentlich Tragödie, hatte ich bis heute nichts wahrgenommen.

Frau Henrichs hat auf geniale Weise einen packenden Krimi mit gut recherchierten geschichtlichen Ereignissen verknüpft. Ich konnte mich nicht nur von einem spannenden Krimi fesseln lassen, sondern habe viel Hintergrundinformationen zum deutsch-dänischen Zusammenleben bekommen. Es wurde auch deutlich, dass die Wunden auch siebzig Jahre nach Kriegsende weder verheilt noch verarbeitet worden sind.

Wie mag es mit den Wunden der heutigen Flüchtlinge aussehen?

Mich hat dieser Krimi deshalb so begeistert, weil ich auf Missstände und mir unbekannte Verhaltensweisen gegenüber Flüchtlingen aufmerksam gemacht wurde, ohne mahnendem Fingerzeig, sondern einfach nur, so war’s und jetzt kann man daraus resultierende Taten nachvollziehen.

Vielleicht hört man bei den Nachrichten über deutsche und europäische Flüchtlingspolitik in Zukunft etwas aufmerksamer zu.

Ich freue mich schon jetzt auf den dritten Nordlicht Krimi und bin gespannt, welches Problem Frau Hinrichs dieses Mal anspricht.

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