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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2020

Es gibt nur einen Ozean

Unter uns das Meer
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Michael Partlow hat einen großen Traum: er will für ein Jahr durch die Karibik segeln. Seine Frau Juliet, die an Depressionen leidet und mit ihrer Dissertation über Literatur nicht vorankommt, ist zunächst ...

Michael Partlow hat einen großen Traum: er will für ein Jahr durch die Karibik segeln. Seine Frau Juliet, die an Depressionen leidet und mit ihrer Dissertation über Literatur nicht vorankommt, ist zunächst äußerst ablehnend, nicht zuletzt, weil sie zwei kleine Kinder haben. Auch der Freundeskreis reagiert skeptisch: ist so eine Reise nicht viel zu gefährlich, zumal Michael wenig und Julie keinerlei Segelerfahrung hat? Doch trotz aller anfänglicher Bedenken lässt sich Julie umstimmen und das Abenteuer beginnt.
Von Anfang an ist klar, dass etwas Schreckliches passiert und Michael von der Reise nicht mehr nach Hause kommt. Was genau geschieht, erfährt man erst im Lauf des Buchs.
Obwohl das Leben an Bord ihnen einiges abverlangt, lieben die Partlows ihr neues Leben. Sie beobachten die Natur, die Sterne, die Gezeiten und müssen lernen, was es heißt, bei Sturm mitten auf dem Ozean zu segeln. Dabei lernen sie ständig neue Dinge hinzu. Natürlich kommt es auch zu Konflikten.
In einem Logbuch hält Michael seine Gedanken fest. Die Geschichte wechselt zwischen Michael und Julie als Erzähler hin und her, was teilweise sehr verwirrend ist. Michaels Teil ist zwar fett gedruckt, aber ich kam trotzdem öfters durcheinander und mir war nicht klar, wer gerade spricht. Um es noch zu verkomplizieren, kommt auch die Tochter Sybil manchmal zu Wort. Es wäre eine gute Idee gewesen, den einzelnen Absätzen die Namen des jeweils Erzählenden voranzustellen.
Das Buch ist stellenweise ungeheuer spannend, aber es kommen auch Passagen vor, mit denen ich rein gar nichts anfangen konnte, beispielsweise das letzte Kapitel, "Bruchstücke für ein Ganzes". Alles in allem ein gutes Buch, das ich gern gelesen habe, das mich jedoch etwas ratlos und mit unbeantworteten Fragen zurücklässt.

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Ein wildes Leben

City of Girls
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Die 19jährige Vivian hat kein Interesse daran, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen und einen Abschluss an einem Elite-College zu machen. Zur Strafe schicken die Eltern sie nach New York zu ihrer extravaganten ...

Die 19jährige Vivian hat kein Interesse daran, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen und einen Abschluss an einem Elite-College zu machen. Zur Strafe schicken die Eltern sie nach New York zu ihrer extravaganten Tante Peg, die dort ein kleines Theater betreibt. Für das behütete Mädchen aus gutem Haus eröffnet sich eine ganz neue Welt. Sie freundet sich mit dem Revuegirl Celia an und zieht mit ihr Nacht für Nacht durch die Stadt und reißt Dutzende von Männern auf. Tagsüber schneidert sie mit viel Geschick Kostüme für die Schauspieler des Theaters. Eines Nachts geschieht etwas, das potentiell ihr Leben zerstören könnte und sie muss New York fluchtartig verlassen.
Nach einem kurzen Intermezzo in ihrer Heimat, bei einer Mutter, die mehr Interesse an ihren Pferden als an Vivian hat und einem Vater, den sie als „politischen Kommentator am Ende des Tischs“ bezeichnet, holt ihre Tante Peg sie nach New York zurück. Doch nichts ist mehr wie zuvor. Die USA befinden sich im Krieg, alles ist rationiert, vorbei ist die Zeit der Nachtclubs und Vergnügungen. Vivian eröffnet gemeinsam mit ihrer Freundin Marjorie ein Schneideratelier für Brautkleider, wie sich herausstellt, mit viel Erfolg. Sie hat nach wie vor Liebhaber, doch sie heiratet nie.
Der Roman ist als Briefroman gestaltet. Erst ganz am Schluss erfährt der Leser, um wen es sich bei der Person handelt, an die der Brief sich richtet. Im übrigen empfinde ich dies als eine der Schwachstellen des Buchs, denn mir erschließt sich nicht, weshalb sie ausgerechnet dieser Person ihr Leben in allen Details schildern sollte.
City of Girls ist flüssig geschrieben und kurzweilig. Es ist zwar nicht ganz so sensationell wie angekündigt und manche Szenen ziehen sich für meine Begriffe sehr in die Länge, aber ich habe das Buch trotzdem mit Interesse gelesen.

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Veröffentlicht am 19.06.2020

Kleinstadtpastor

Bleib bei mir
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Pastor Tyler Caskeys Leben schien perfekt: er hatte eine Stelle in einer amerikanischen Kleinstadt bekommen, in der ihn die Leute für seine passionierten Predigten und sein offenes Wesen schätzten, er ...

Pastor Tyler Caskeys Leben schien perfekt: er hatte eine Stelle in einer amerikanischen Kleinstadt bekommen, in der ihn die Leute für seine passionierten Predigten und sein offenes Wesen schätzten, er war verheiratet mit der bildhübschen Lauren, der Liebe seines Lebens, sie bekamen zwei Kinder, doch dann der Schock: Lauren wird krank und stirbt. Nichts ist mehr, wie es war. Das Haus ist zu groß, die rosa Wände, auf die Lauren bestanden hatte, erdrücken Tyler, und seine ältere Tochter Katherine hört auf zu sprechen und ist in der Schule auffällig.
Tyler, der immer für die Sorgen und Nöte anderer da war, weiß bald nicht mehr, wie es weitergehen soll. Zum Glück hat er eine Haushaltshilfe, die ihn im Alltag unterstützt, doch eines Tages verschwindet sie spurlos. Auch ihr Ehemann weiß nicht, was los ist. Dann beginnen Gerüchte in West Annett zu kursieren, Tyler habe eine Affaire mit seiner Haushälterin gehabt. Die Stimmung im Ort dreht sich gegen ihn und seine Verzweiflung wächst bis zu jenem verhängnisvollen Sonntag, an dem er nicht mehr weiter weiß.
Elizabeth Strout beschreibt, ähnlich wie Kent Haruf, die Menschen einer Kleinstadt mit all ihren Stärken und Schwächen. Sie beobachtet, aber wertet nicht. Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, einzig die vielen Bibeltexte nahmen mir etwas zu viel Raum ein. Für Leser, die Kent Harufs Bücher schätzen.

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Der neuroatypische Alemão

Schwarzer August
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Leander Lost ist mittlerweile ein geschätztes Mitglied der Polícia Judicária in Fuseta. Anstatt nach dem einen Jahr, für das er ursprünglich als Austauschpolizist an die Algarve geschickt wurde, nach ...

Leander Lost ist mittlerweile ein geschätztes Mitglied der Polícia Judicária in Fuseta. Anstatt nach dem einen Jahr, für das er ursprünglich als Austauschpolizist an die Algarve geschickt wurde, nach Deutschland zurückzukehren, wurde in Fuseta eine Planstelle für ihn geschaffen. Auch auf der persönlichen Ebene läuft alles gut für ihn, denn er ist glücklich verliebt in Soraia, die Schwester seiner Kollegin Graciana, die sich dazu entschließt, mit Leander Lost zusammenzuziehen.
Mitten in diese Idylle hinein geschieht ein Bombenanschlag auf eine kleine Bankfiliale im Hinterland von Fuseta. Menschen werden keine verletzt, doch die Schließfächer und das darin gelagerte Schwarzgeld fliegen in die Luft. Bald gehen weitere Bombendrohungen ein und Miguel Duarte, der einen Lehrgang zur Entschärfung von Bomben belegt hat, kann sein Können unter Beweis stellen, wobei nicht alles so läuft, wie er gern hätte. Leander Losts Asperger hilft auch in diesem Fall bei der Aufklärung des Falls, erkennt er doch als Einziger, dass eine vom Bombenleger hinterlassene Nachricht ein Palindrom ist, ein Satz, der von vorne und hinten gelesen gleich lautet. Besser als seine Kollegen schafft er es, sich in die Beweggründe des Bombenlegers hineinzuversetzen.
Wie schon die Vorgängerbände lebt auch „Schwarzer August“ von der Mischung aus sympathischen Charakteren, allen voran Leander Lost, dem es unmöglich ist zu lügen, was oft zu komischen Situationen führt, der Beschreibung der portugiesischen Landschaft und Lebensart und dem – allerdings nicht allzu spannenden – Kriminalfall. Lost kommt dabei manchmal ein wenig naiv daher. Würde ein Mensch mit Aspergersyndrom wirklich fragen, ob ein goldenes Visum aus Blattgold besteht? Ich bezweifle es. Aber es tut der Unterhaltung keinen Abbruch, im Gegenteil.
Ich habe das Buch als Hörbuch gehört und es genossen, der angenehmen Stimme des Erzählers zu lauschen. Mit Leander Lost hat Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt einen außergewöhnlichen und sympathischen Ermittler geschaffen, der hoffentlich bald in einem fünften Fall an der Algarve ermittelt.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Außerhalb der gesellschaftlichen Norm

Die Tanzenden
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Das Leben im Paris des 19. Jahrhunderts ist ein hartes, vor allem für Frauen. Wer sich außerhalb der gesellschaftlichen Norm bewegt, landet schnell im berüchtigten Irrenhaus für Frauen, der Salpêtrière. ...

Das Leben im Paris des 19. Jahrhunderts ist ein hartes, vor allem für Frauen. Wer sich außerhalb der gesellschaftlichen Norm bewegt, landet schnell im berüchtigten Irrenhaus für Frauen, der Salpêtrière. Hysterikerinnen, Prostituierte, Vergewaltigungsopfer, sie alle werden hinter den Mauern dieser Anstalt verwahrt. Doch nicht nur Frauen und Mädchen aus der Unterschicht landen dort, auch Eugénie, die Tochter des angesehenen Notars Cléry wird von ihrer Familie eingeliefert, weil sie behauptet, mit Toten kommunizieren zu können. Darüber hinaus ist sie viel zu aufmüpfig und denkt gar nicht daran, sich mit einem Leben als Ehefrau zufrieden zu geben.
Es scheint eine Gesellschaft ohne Mitgefühl zu sein, die ihre Frauen solchermaßen entsorgt. Wenn man erst einmal hinter den Mauern der Salpêtrière verschwunden ist, scheint es fast unmöglich, die Anstalt jemals wieder zu verlassen. Und diejenigen, die entlassen werden sollen, leben schon so lange dort, dass sie Panik bei dem Gedanken verspüren, sich „draußen“ durchschlagen zu müssen.
Auch die Oberschwester Geneviève arbeitet schon so lange in der Klinik, dass ihr das Mitgefühl mit den Patientinnen abhanden gekommen ist. Doch die Begegnung mit Eugénie löst etwas in ihr aus und verändert ihr Leben.
Einmal im Jahr findet in der Salpêtrière ein großer Ball statt, vordergründig zur Zerstreuung der Patientinnen, doch eigentlich sind es die Pariser Bürger, die sich an diesem Abend amüsieren wollen und darauf hoffen, einen hysterischen Anfall oder ähnliches hautnah erleben zu dürfen. Ebenso voyeuristisch geht es bei den „Vorführungen“ der Patientinnen zu, bei denen es den Medizinstudenten großen Spaß bereitet, wenn Anfälle bewusst herbeigeführt werden und dann mittels fragwürdiger Methoden behandelt werden. Angeblich soll Druck auf die Eierstöcke einen solchen Anfall beenden.
Ich hätte mir gewünscht, dass diese Methoden nicht nur unkommentiert erwähnt werden, sondern in einem Anhang auf deren Sinn und Unsinn näher eingegangen worden wäre. Aber dies hätte vielleicht zu weit geführt.
„Die Tanzenden“ ist ein durchaus lesenswertes Buch, das einem die Grausamkeit der medizinischen Behandlungen und die Rolle der Frau vor nicht allzu langer Zeit eindrücklich vor Augen führt.

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