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Veröffentlicht am 13.09.2020

Lässt mich unschlüssig zurück

Volkswagen Blues
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Als Jack Waterman, ein eher unbekannter Autor mit mäßigem Erfolg, vierzig wird, stellt er fest, dass ihm etwas in seinem Leben fehlt. Womit könnte er also besser beginnen als mit der Suche nach seinem ...

Als Jack Waterman, ein eher unbekannter Autor mit mäßigem Erfolg, vierzig wird, stellt er fest, dass ihm etwas in seinem Leben fehlt. Womit könnte er also besser beginnen als mit der Suche nach seinem Bruder Theo, von dem er seit etwa 20 Jahren nichts mehr gehört hat? Mit seinem alten Bulli macht Jack sich also auf den Weg und begegnet unterwegs Pitsémine, die in Begleitung ihres kleinen schwarzen Katers per Anhalter unterwegs ist. Schon bald stellen die beiden fest, dass sie ein gutes Team sind, und so suchen Jack und Pitsémine, die auch die "Große Heuschrecke" genannt wird, von nun an gemeinsam nach Theo. Dabei führen sie die Spuren, denen sie folgen, einmal quer durch die USA.

Das Buch hat mich etwas unschlüssig zurückgelassen. Im Großen und Ganzen hat es mir gut gefallen, Reisebücher sind toll und bei diesem hier verspürt man sofort die Lust, sich ebenfalls in einen alten Bus zu setzen und sich in Richtung Oregon Trail aufzumachen. Trotzdem haben mir verschiedene Dinge gefehlt. Zum Beispiel wurden zwar viele Orte und Schauplätze erwähnt, die Jack und die Große Heuschrecke bestaunen dürfen, mir waren da aber tatsächlich die Beschreibungen ein wenig zu knapp. Natürlich sind seitenlange Landschaftsbeschreibungen auch nicht gerade spannend, aber in den allermeisten Fällen wurde hier irgendwie vorausgesetzt, dass man im Kopf schon die passenden Bilder parat hat; was bei mir leider nicht immer der Fall war, und das hat es mir schwieriger gemacht, mich wirklich in die Umgebung hineinzufühlen. Ebenso dazu beigetragen hat der Schreibstil, der nicht schlecht ist, mich aber auch nicht überzeugen konnte. Ich konnte keine Nähe zu den Figuren aufbauen, und obwohl ich die beiden als Leser ja gewissermaßen auf ihrem Roadtrip begleitet habe, blieben sie mir merkwürdig fremd. Vielleicht hat da auch mit reingespielt, dass über Jack häufig nur als "der Mann" gesprochen wurde, und auch "Jack" ist eigentlich nur ein Pseudonym; wer er wirklich ist erfährt man nicht wirklich, auf seine Vergangenheit wird nur ganz knapp angespielt; vielleicht sollte das so, aber bei mir hat es verhindert, dass ich eine Beziehung zu den Figuren aufbauen konnte.

Pluspunkte gibt es dafür, dass Bücher eine große Rolle spielen, es werden einige Werke amerikanischer und kanadischer Autoren erwähnt, das hat mir gut gefallen. Auch, dass immer wieder über die Geschichte bzw den Untergang der Indianerstämme gesprochen wurde, war spannend.

Mein Fazit also - ich weiß nicht. Ich glaube, das Buch hätte deutlich mehr Potenzial gehabt, als hier ausgeschöpft wurde. Das Ende lässt mich unbefriedigt zurück, denn die Botschaft wurde mir einfach nicht klar, ich weiß nicht, was mir dieses Buch sagen wollte. Um ein paar Stunden mal abzuschalten und sich auf einen kleinen gedanklichen Roadtrip zu begeben, ist es dennoch gut. Man kann es lesen, muss man aber auch nicht.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Wie wurde der Wolf zum Hund?

Der Hund und sein Mensch
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Jeder weiß, dass der Hund ein Nachfahre des Wolfes ist. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass unsere heutigen Hunde nicht mehr wie einst in Rudeln durch die Wälder streifen und gemeinsam von der Jagd leben? ...

Jeder weiß, dass der Hund ein Nachfahre des Wolfes ist. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass unsere heutigen Hunde nicht mehr wie einst in Rudeln durch die Wälder streifen und gemeinsam von der Jagd leben? Wann wurde der Wolf "zahm" und weshalb lässt er sich heute vergleichsweise einfach dressieren und trainieren?

Auf diese und viele weitere Fragen wird in diesem Buch eingegangen. Dabei wird die Geschichte des Hundes und des Wolfes nacherzählt, der Leser begleitet den Wolf durch die Eiszeit bis heute und schaut dabei auch auf die Entwicklungsgeschichte des Homo Sapiens, die eng mit der Hundwerdung zusammenhängt. Dabei werden verschiedene Hypothesen beleuchtet - hat der Mensch irgendwann Wolfswelpen adoptiert und aufgezogen und so die Entwicklung zum Hund in Gang gesetzt? Das scheint bei genauerer Betrachtung unplausibel, und so widmet sich der Großteil des Buches einer sehr viel wahrscheinlicheren These: der Selbstdomestikation der Hunde. Denn das Zusammenleben von Wolf und Mensch bot für alle Beteiligten viele Vorteile, auf die im Buch ausführlich eingegangen wird und die eine solche Annahme sehr wahrscheinlich machen.

Neben dem Wolf wird auch auf viele andere Tierarten innerhalb der Hundeartigen und auch der Katzenartigen eingegangen. Im Fokus liegt zunächst Afrika, denn von dort kam Homo Sapiens auf den eurasichen Kontinent, doch auch die Entwicklungen etwa in Australien, das sich lange Zeit sehr isoliert von der restlichen Welt entwickelt hat, werden näher betrachtet.

Im zweiten Teil des Buches zieht der Autor seinen eigenen Hund Branko als Fallbeispiel heran und geht an dessen Entwicklung und Eigenarten näher auf die Verhaltensweisen von Hunden ein. Selbstverständlich muss, wie Reichholf auch selbst betont, bedacht werden, dass jeder Hund verschieden ist und sich die Beobachtungen eines einzelnen Individuums keinesfalls auf die Gesamtheit, sehr wahrscheinlich nichteinmal auf die Mehrheit aller Hunde übertragen lässt.

Dennoch hat mir auch dieser Teil sehr gut gefallen, wie auch schon der erste Teil, der sehr informativ gestaltet und auch gut verständlich geschrieben war. Interessante Fakten, die sich nicht nur auf die Hundwerdung allein beziehen, sondern etwa auch auf das große Massenaussterben von Arten gegen Ende der Eiszeit, werden gut und nachvollziehbar dargestellt.

Einzig regelmäßige Verweise à la "Darauf gehe ich später ein", "...wie wir gleich sehen werden" oder "...worauf ich an anderer Stelle zurückkommen werde" haben mich nach einer Weile etwas gestört, da solche Formulierungen sich doch ziemlich gehäuft haben. Nicht dramatisch, aber schöner hätte ich es gefunden, wenn stattdessen ein solcher Satz einfach weggelassen worden wäre, denn meistens hat es mich gar nicht gestört, dass auf einen bestimmten Punkt nicht sofort näher eingegangen wird - eher haben diese Formulierungen den Fokus unnötig darauf gelenkt. Teilweise hatte es etwas von dem Versuch, den Leser zu beschwichtigen und sich zu entschuldigen für etwas, was ohne eben diese Entschuldigung gar nicht aufgefallen wäre. Wie gesagt, nur ein kleiner Kritikpunkt und nichts Dramatisches, es hat mich bloß einfach ein bisschen gestört.

Nichtsdestotrotz habe ich das Buch gerne gelesen und es hat mir insgesamt gut gefallen. Es ist sicherlich lesenswert für alle Hundebesitzer und alle, die sich für die Entwicklung von Arten bis zur heutigen Zeit hin interessieren!

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Veröffentlicht am 19.08.2020

Ein melancholischer Rückblick

Der letzte Satz
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Gustav Mahler blickt während seiner letzten Schiffreise auf sein Leben zurück. So wie sein Blick über das endlose Meer schweift, schweifen seine Gedanken zurück und ermöglichen dem Leser einen Einblick ...

Gustav Mahler blickt während seiner letzten Schiffreise auf sein Leben zurück. So wie sein Blick über das endlose Meer schweift, schweifen seine Gedanken zurück und ermöglichen dem Leser einen Einblick in verschiedenste Episoden seines Lebens. All die Momente, die er mit seiner Frau Alma verbringen durfte, welche er so sehr liebt, das Glück, das er empfindet, wenn er seiner Tochter beim Spielen zusieht. Seine Zeit als Dirigent bei der Wiener Oper, verschiedene Reisen. Es ist ein wenig, als zöge sein Leben schon hier nochmals an ihm vorbei, denn Mahler ahnt, dass er nicht mehr lange zu leben hat.

Das Buch lässt sich ganz wunderbar lesen, der Schreibstil Seethalers ist wirklich sehr angenehm. Auch das Episodenhafte des Buches, das Hin- und Herspringen zwischen Gegenwart und Vergangenheit mit einem fließenden Übergang gefiel mir gut. Warum ich dennoch nur drei Sterne vergebe: Es war mir tatsächlich zu kurz. Ich habe sehr lange gebraucht, um mich an die doch sehr exzentrische Art Mahlers zu gewöhnen, und ganz warmgeworden bin ich damit auch bis zum Schluss nicht. Vielleicht hätte ich einfach noch 100 Seiten mehr gebraucht, so aber habe ich mich nicht wirklich mit Mahlers Art anfreunden können. Es hat mich schlichtweg nicht so sehr berührt wie ich anfangs gehofft hatte, ich war beim Lesen eher ein neutraler Beobachter, der auf ein zweifellos interessantes Leben zurückschaut, an diesem aber nicht wirklich teilhaben kann.

Nichtsdestrotrotz hat mir das Buch gefallen, und wer Gustav Mahler besser kennt als ich (für mich war das komplettes Neuland), der wird sicherlich seine Freude an diesem Buch haben!

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Veröffentlicht am 18.08.2020

Auf der Suche nach Vinland

Die Saga von Vinland
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Der Sachse Andreas macht sich auf den weiten Weg nach Norwegen, um dort Ulfar, einem Freund seines Vaters, vor den Übergriffen Eyvinds beizustehen. Dieser versucht, Ulfars Tochter Sigrid zu rauben, um ...

Der Sachse Andreas macht sich auf den weiten Weg nach Norwegen, um dort Ulfar, einem Freund seines Vaters, vor den Übergriffen Eyvinds beizustehen. Dieser versucht, Ulfars Tochter Sigrid zu rauben, um sie zur Frau zu nehmen. Tatsächlich gelingt ihm dies mit einer List und dabei gelangen auch Andreas und dessen Gefährte Ailmar in seine Gewalt und müssen ihm fortan als Sklaven dienen. Doch damit nicht genug - denn Eyvinds Plan ist es, sich auf die Suche nach dem fernen, sagenumwobenen Vinland zu machen und sich dort mit seinen Siedlern zum Herrscher über ein neues Reich aufzuschwingen...

Die Geschichte hinter der Idee gefällt mir gut, gerade auch da die Entdeckung Amerikas durch Leif Erikkson ein spannendes Thema ist. Hier begiebt sich nun Eyvind auf dessen Spuren und versucht, das besser zu machen, was bei vorherigen weiteren Besiedelungsversuchen nicht gelungen ist. Er nimmt eine größere Anzahl an Bauern und Kriegern mit, auch für ausreichend viele Frauen soll gesorgt werden, um den Nachwuchs zu gewährleisten. Doch schon auf dem Weg nach Vinland muss die Truppe einige Schwierigkeiten bewältigen, Männer sterben und es zeichnen sich bereits hier erste Konflikte ab. Auch später noch kommt es immer wieder zu Streitereien, und bald zeichet sich ein weiteres Problem ab, dass die Siedler in zwei Gruppen spaltet - wie soll mit möglichen Einheimischen umgegangen werden?



Der Einstieg in die Geschichte ist spannend gestaltet, man lernt gleich eine Vielzahl an Personen kennen und kommt auch Allgemein gut in das Geschehen hinein. Der Schreibstil ist leicht verständlich, hat mich in einigen Punkten aber tatsächlich etwas gestört. Beispielsweise werden häufig sehr ähnliche oder teils sogar wortgleiche Formulierungen einige Seiten später nochmal verwendet, was vor allem auffällt, wenn man größere Abschnitte am Stück liest. Auch der sehr rasche Wechsel zwischen den verschiedenen Sichtweisen der Figuren hat mich mehr als einmal irritiert. So werden zum Beispiel zwei Sätze aus der Sicht von Andreas geschrieben, dann kommt ein Wechsel zu Sigrid und wieder ein paar Sätze später erfährt der Leser, wie sich alles aus der Sicht von Eyvind oder einem der anderen Norweger darstellt. Obwohl durchweg in der dritten Person geschrieben wurde, hat mich das so manches Mal irritiert. Auch scheinen einige der Figuren recht häufigen Stimmungsschwankungen zu unterliegen - im einen Moment ist Eyvind mit etwas zufrieden, drei Zeilen darunter ist er verärgert dass es nicht noch besser gelaufen ist, und im nächsten Abschnitt ist das aber bereits wieder vergessen und er berichtet stolz von seinen Erlebnissen.



Etwa ab der Hälfte des Buches haben sich einige Längen eingeschlichen und die Handlung stagniert ein wenig; dank der recht kurzen Kapitel kann man da aber ganz gut drüber hinwegsehen. An anderen Stellen dafür hätte ich mir eine etwas ausführlichere Beschreibung gewünscht - so habe ich beispielsweise keine Ahnung, wie lange die Überfahrten nach Färöer, Island etc eigentlich gedauert haben, gefühlt waren es selten mehr als zwei Stunden, so kurz ist das meist abgehandelt worden. Auch wie viel Zeit insgesamt vergangen ist, lässt sich am Ende nur grob erahnen.



Ich will mich aber nicht nur beschweren. Denn insgesamt hat mir das Buch trotz einiger Schwächen, die wohl einfach auf persönlichen Geschmack zurückzuführen sind, gut gefallen. Spannung ist auf jeden Fall da und es ist wirklich interessant, wie die Figuren die Besiedelng eines ihnen fremden Landes angehen. Ich hatte einige unterhaltsame Lesestunden und vergebe daher 3 Sterne!

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Veröffentlicht am 31.07.2020

2045 kommt schneller als man denkt...

Im nächsten Leben wird alles besser
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Arnold hat bisher eigentlich ein recht durchschnittliches, beschauliches Leben geführt: Er besitzt eine kleine Buchhandlung, mit der er seinen knappen Lebensunterhalt verdient, hat zwei bereits erwachsene ...

Arnold hat bisher eigentlich ein recht durchschnittliches, beschauliches Leben geführt: Er besitzt eine kleine Buchhandlung, mit der er seinen knappen Lebensunterhalt verdient, hat zwei bereits erwachsene Kinder und ist verheiratet. Doch als Arnold eines Morgens aufwacht, kann er zunächst nicht glauben, wie sehr sich sein Leben über Nacht verändert haben soll. Denn es ist zwar wie erwartet der 16. Februar, jedoch nicht im Jahr 2020, sondern im Jahr 2045. Arnold ist nun 73 und muss sich nicht nur in seinem plötzlich um 25 Jahre gealterten Körper, sondern auch in einer hochtechnisierten Welt zurechtfinden. Fenster sind keine Fenster, sondern nur von Nanobots erzeugte Illusion, tägliches Einnehmen von Funktionstränken hält den Alterungsprozess auf und überall trifft man auf sogenannte synthetische Charaktere, nahezu perfekte künstliche Intelligenzen in exakten Nachbildungen von menschlichen Körpern. Einer dieser synthetischen Charaktere ist Gustav, Arnolds persönlicher Assistent, der ihm im Alltag zur Seite steht. Doch Arnolds scheinbar plötzlich und unerklärlich aufgetretene Amnesie erregt Aufmerksamkeit in einer Welt, in der alles kontrolliert abläuft und in der die Superreichen an der Macht sind. Da Arnold eine potenzielle Gefahrenquelle darstellt, soll er nach Times Beach umgesiedelt werden - an einen virtuellen Ort, in den das Bewusstsein der einzelnen Menschen eingespeist werden kann, sodass sie fortan in der Realität nur noch als Datensatz existieren...

Im ersten Moment denkt man vielleicht, diese Entwicklungen seien zu weit hergeholt. Doch es lässt sich nicht leugnen, dass gerade in der Technik die Fortschritte immer schneller aufeinanderfolgen, und so fragt man sich beim Lesen dieses Buches sicherlich mehr als einmal, ob so oder so ähnlich wohl tatsächlich unsere nähere Zukunft aussehen könnte. Denkbar wäre es zumindest in Teilen allemal. Ich fand diese Vorstellung einerseits irgendwie beklemmend, andererseits ist sie hochinteressant. Entwicklungen, die sich schon heute abzeichnen (etwa Fitnesstracker und Co), werden hier auf die Spitze getrieben und gleichzeitig aber auch so dargestellt, dass es durchaus vorstellbar bleibt und nicht zu abstrus wirkt. Der Schreibstil ist wie vom Autor gewohnt humorvoll, behält jedoch auch stets einen gesellschaftskritischen Unterton bei. Insgesamt lässt sich das Buch sehr gut lesen und lädt zum Nachdenken ein!

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