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Veröffentlicht am 11.09.2020

Wortwitz und schwarzer Humor

Helga räumt auf
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“Große Einhelligkeit löst bei ihr eben reflexartig eine gewisse Skepsis aus, fast schon aus Trotz. Da ist es dann nämlich oft zur Dunkelheit nicht weit. Und allein die Tatsache, wem alles in diesem Land ...

“Große Einhelligkeit löst bei ihr eben reflexartig eine gewisse Skepsis aus, fast schon aus Trotz. Da ist es dann nämlich oft zur Dunkelheit nicht weit. Und allein die Tatsache, wem alles in diesem Land schon mit großer Mehrheit zugejubelt wurde, gibt Grund genug, sich so einen kollektiven Jubel ganz genau anzuschauen.”

Ich habe mich so auf diese Fortsetzung gefreut. Teil eins “Walter muss weg” hat mich sehr begeistert und die Protagonistin hat sich in mein Herz geschlichen, auf leisen Sohlen, mit Gehstock, Stützstrümpfen und ihrer ruppigen, eigenen Art. Hannelore Huber ist eine großartige Romanfigur und nun in Teil zwei konnte ich sie und die weiteren Glaubenthaler noch besser kennenlernen und ich feier die Huberin.

Thomas Raab nimmt Leser*innen wieder mit in diesen beschaulichen und fiktiven Ort Glaubenthal. Die Beschreibung ähnelt Oberösterreich, Richtung Bayern, viel Wald, Ruhe und vermeintliche Idylle. Teil zwei dieser Krimireihe ist wieder kurzweilig und sehr unterhaltsam, ich bin abgetaucht in diese Familienfede und habe mit Hanni versucht den Überblick über all die Leichen zu behalten,sowie versucht zu verstehen welche Rolle die junge, mysteriöse Helga in dem ganzen Drama spielt. Durch den großartigen Erzählstil des Autors war es mir ein Vergnügen diesen ganzen Verstrickungen und Ereignissen zu folgen. Ich hoffe für den Friedhof und die Friedhofsmitarbeiter Glaubenthals, dass sie die Arbeit und den ordentlichen Nachschub bewältigt bekommen.

“Es schützt Bildung eben vor Dummheit nicht. Dummheit vor Bildung hingegen sehr wohl.”

Seine Fabulierkunst zeigt Thomas Raab auch hier wieder gekonnt,er bewegt sich zielsicher zwischen den größtenteils unsympathischen, skurrilen und verbitterten Personen und dem Hass, der Aggressionen und Ereignissen. Die ganze Geschichte ist wieder gespickt mit viel Sarkasmus, Ironie, Wortwitz und schwarzem Humor. Nicht unerwähnt soll auch das absurde Polizeiduo bleiben, ich habe mich wieder königlich amüsiert und war ganz kurz vor Fremdscham.

“Es gibt keine Ausrede für freiwillig gewählte Wehrlosigkeit. Keine einzige.”

Skurrile Personen, viele Leichen, eine über siebzigjährige Protagonistin, die unfreiwillig Miss Marple in einem kleinen Dorf spielt mit allerlei Durcheinander und von Hass getriebenen Familienfehden plus großartige Fabulierkunst und gediegener Erzählstil, schwarzem Humor und viel Wortwitz sind ein garantiertes Rezept für tolle Lesestunden und eine große Leseempfehlung! Ich will bitte mehr.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Beste Unterhaltung

Liebe ist die beste Therapie
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"Hätte, würde, könnte. Sie beide immer mit Ihren Moralprinzipien!"

Kurz: Großartige Sache! "Liebe ist die beste Therapie" hat mir sehr gefallen und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen, Zeit und Seiten ...

"Hätte, würde, könnte. Sie beide immer mit Ihren Moralprinzipien!"

Kurz: Großartige Sache! "Liebe ist die beste Therapie" hat mir sehr gefallen und ich habe es in einem Rutsch durchgelesen, Zeit und Seiten flogen.
Charlotte und Steve sind eine Ehepaar aus dem Leben. So oder ähnlich geht es vielen Paaren. Sie kennen sich aus dem Studium, sind mittlerweile Eltern, der Alltag wurde mit der Zeit immer grauer, Achtsamkeit und Miteinander nahmen ab, Entfremdung und mangelnde Kommunikation beherrschen die Tage. Tja, und irgendwann taucht dann auch noch ein dritter im Bunde auf und der Knall kommt. Mit Sandy haben sie eine besondere Therapeutin gefunden, ehrlich, offensiv, beobachtend und direkt mit einer interessanten Therapieform durch den leeren Stuhl, auf dem die Ehe sitzt.
Der Schreibstil ist flüssig und sehr kurzweilig, die Zusammenhänge schlüssig. Die Figuren sind sehr gut getroffen und prägen sich ein. Ich hatte das Gefühl in einer Ecke des Raumes zu sitzen, den dreien zuzuhören und die Ehe zu beobachten. Das Buch hat mich eingesogen und bestens unterhaltend zurückgelassen.
"Wenn Sie eine funktionierende Ehe führen wollen, müssen Sie aufhören, es anderen recht machen zu wollen."

Von der ersten Seiten beste Unterhaltung. Klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Großartig und Vielschichtig

Menschliche Dinge
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"Das Leben ist nur ein langsamer Verlust all dessen, was man liebt."

"Menschliche Dinge" hat mich an den Roman "Ich habe einen Namen" von Chanel Miller, ebenfalls aus der Verlagsgruppe Ullstein, erinnert. ...

"Das Leben ist nur ein langsamer Verlust all dessen, was man liebt."

"Menschliche Dinge" hat mich an den Roman "Ich habe einen Namen" von Chanel Miller, ebenfalls aus der Verlagsgruppe Ullstein, erinnert. Chanel Miller wurde Opfer einer Vergewaltigung nachdem die Party einer Studentenverbindung der Stanford-Universität aus dem Ruder geriet und erzählt in ihrem Roman von der Zeit davor und danach. Täter war ein Student aus reichem und einflussreichem Elternhaus. Dieser Fall sorgte weltweit für Aufsehen. In dem Roman von Karine Tuil gibt es kein Gut oder Böse, es gibt zwei Aussagen, zwei Wahrheiten und diese stehen sich gegenüber ohne Wertung der Autorin. Im ersten Teil des Romans stellt die Autorin die einzelnen Charaktere vor, auch das vermeintliche Opfer, denn die junge Frau ist die Tochter von Claires neuem Partner. Der zweite Teil zeigt die Chronologie des langen Gerichtsprozesses, welcher klären soll, was am Abend der Verleihung geschehen ist. "Menschliche Dinge" splittet sich in ein Davor und ein Danach und zeigt die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen auf.


Auf den knapp 400 Seiten geschieht sehr viel, einerseits viele politische und religiöse Themen, andererseits viele moralische Fragen. Bemerkenswert wie die Autorin den Spagat zwischen all diesen Bereichen schafft, ein Page-Turner, wie man so schön sagt, ein absoluter Sog, die Suche nach dem Grau in dem Schwarz und Weiß. Die Charakterisierungen der Personen ist absolut gelungen. Im Rahmen des zweites Teils, welcher den Prozess gegen Alexandre zeigt, seziert sie die Personen bis ins kleinste Detail, bricht selbst die dunkelsten Ecken der Persönlichkeiten auf.

Der Schreibstil ist distanziert und zugleich eindringlich, die Sprache ausgezeichnet und hervorragend. Teils bin ich atemlos durch die Seiten geflogen.

"Das war vielleicht die einzige Lektion, die er aus den schweren Zeiten mitgenommen hatte: Alles, ausnahmslos alles im Leben konnte von einem Moment auf den anderen aus den Fugen geraten."

Ein großartiger und vielschichtiger Roman der die Fragilität dessen, an was wir glauben, was wir lieben und des Lebens an sich aufzeigt. Ein bestechender und unbedingt lesenswerter Roman.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Wendezeit

Muldental
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Daniela Krien nimmt Leser*innen mit auf die Reise nach Muldental, in die ehemalige DDR um die Zeit der Wende. In zehn Kurzgeschichten erzählt sie uns von "Wendeverlierern", Menschen, welche durch die neuen ...

Daniela Krien nimmt Leser*innen mit auf die Reise nach Muldental, in die ehemalige DDR um die Zeit der Wende. In zehn Kurzgeschichten erzählt sie uns von "Wendeverlierern", Menschen, welche durch die neuen Strukturen, die neue Gesellschaftsordnung entkräftet und demoralisiert wurden, die scheiterten und für die es eher ein Ende, statt ein Anfang war, die strauchelten und ins Wanken gerieten.

Mir gefällt Daniela Krien's Sprache sehr. Ich habe mit Begeisterung ihren Debütroman gelesen und auch ihr Erzählband "Liebe im Ernstfall", ebenfalls bei Diogenes erschienen, hat mir gefallen. Das Leben ist nicht immer bunt und schön, und genau dies thematisiert die Autorin, sie gibt denen eine Stimme, die trotz stärkstem Gegenwind versuchen nicht aufzugeben, kämpfen um dem Wind zu trotzen, teils durch das Raster der Gesellschaft fallen. Authentische Personen, authentische Geschichten, die man sonst lieber nur am Rand wahrnimmt, weil sie unangenehm sind, schmerzhaft und aufwühlend.

Auch in "Muldental" bleibt Daniela Krien distanziert, aber stechend präzise, lässt die Personen lebendig werden und verleiht ihnen Platz und Raum.

Ein tolles Buch, tolle Geschichten einer talentierten und sprachlich großartigen Autorin über das Scheitern, das Kämpfen ums eigenes Leben, über Mut, Lebenswillen und Kraft zur Zeit der Wende

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Mutig und authentisch

Aufblühen
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“Wenn man Depression von außen betrachtet, ist sie schwer zu verstehen. Von innen aus gesehen ist sie schwer zu erklären.”

Depression und Zimmerpflanzen sind die zentralen Themen dieses Buches. Auf ehrliche, ...

“Wenn man Depression von außen betrachtet, ist sie schwer zu verstehen. Von innen aus gesehen ist sie schwer zu erklären.”

Depression und Zimmerpflanzen sind die zentralen Themen dieses Buches. Auf ehrliche, authentische und offen Art und Weise nimmt uns die Autorin mit in ihr Leben, erzählt uns von sich, ihren Gefühlen, von ihrem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik und wie sich auch dort Pflanzen in ihrem Leben Zutritt verschaffen, gewährt Leser *in so Einblicke in die menschliche Psyche, tabuisiert das Thema ‘psychische Erkrankungen’ nicht und lässt uns zugleich an all ihrem Wissen teilhaben. Als Ratgeber rund um Zimmerpflanzen perfekt, für absolute Anfänger, wie ich es selber vor diesem Buch war, aber auch für Fortgeschrittene, denn manch ein Hinweis kann Pflanzenleben retten (mir hat dieses Buch und ihre Tipps eine meiner Calatheas gerettet).
Der Titel ist hier in doppelter Hinsicht also Programm, einerseits das (Wieder-) Aufblühen ihrer mentalen Gesundheit, aber auch das Aufblühen der grünen Schönheiten und insbesondere der Zusammenhang zwischen mentaler Gesundheit mit Hilfe von Zimmerpflanzen.

Mir hat dieses Buch sehr viel Mut und Motivation gegeben endlich meinen vermeintlich schwarzen Daumen grün werden zu lassen und habe den Schritt gewagt neben einer Monstera und anderen sehr genügsamen Pflanzen das Haus weiter zu begrünen. Zuvor hatte ich “nur” wahnsinnig viele Kakteen und Sukkulenten, die seit Jahren prächtig gedeihen und zwischendurch Zuwachs bekommen, mir wirklich heilig sind, aber hauptsächlich natürlich im Garten stehen. Mittlerweile sind im Haus 18 Pflanzen verteilt, darunter ganz anspruchslose bis sehr fordernde, von 5 cm - 1,20m eine grüne Mischung. Ohne dieses Buch hätte ich mich diesen Schritt wohl nicht gewagt und ich bin unendlich glücklich darüber und meinen eigenen ‘urban jungle’ wachsen zu lassen.

Ein tolles Buch, mutig und authentisch, hilfreich in vielerlei Hinsicht, weit über Standort, Lichtverhältnisse, Erde, Gießen und Pflanzenkunde hinaus, mit ganz viel Herz und Leidenschaft, Herzblut und Appell zu mehr Achtsamkeit, sich selber und allen Lebewesen gegenüber. Dies alles wunderschön illustriert und gefüllt mit Fotos der Autorin, ihren über 100 Pflanzen und besonderen Orten ihres Lebens.

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