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Veröffentlicht am 15.09.2016

100 % Witz, Sarkasmus und Gesellschaftskritik

Die Känguru-Chroniken (Känguru 1)
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Erst mal vorneweg: Ich habe zwar das Buch, aber am besten ist es, sich das Ganze als Hörbuch anzuhören. Marc-Uwe Kling liest selbst, und er liest grandios. Und jetzt zu der schwierigen Aufgabe zu beschreiben, ...

Erst mal vorneweg: Ich habe zwar das Buch, aber am besten ist es, sich das Ganze als Hörbuch anzuhören. Marc-Uwe Kling liest selbst, und er liest grandios. Und jetzt zu der schwierigen Aufgabe zu beschreiben, WAS er eigentlich liest. Nun ja, es sind alles mehr oder weniger zusammenhängende, extrem amüsante, manchmal auch in der Kehle steckenbleibende Lacher verursachende Kurzgeschichten von vielleicht maximal zwei, drei Seiten.

Kling erzählt von seinem Mitbewohner, eben diesem Känguru, das den Chroniken seinen Namen gab. Es stand eines Tages vor seiner Tür (Allein schon die erste Geschichte: Es klingelt ... Zum Brüllen komisch!) und wollte sich eigentlich nur Mehl ausleihen. Und Eier. Und Butter. Und ... eine Pfanne. Ein Bett. Ach, es zog einfach mal bei ihm ein. Ist sehr links angehaucht, zumindest meistens und kann aber auch den Kapitalisten raushängen lassen, wenn es will. Kling erzählt diese Geschichten so leicht und locker, dass man sich selbst wünscht, bei jedem Klingeln möge ein Känguru vor der Tür stehen und sich irgendwas ausleihen wollen. Er gibt sowohl dem Känguru als auch sich selbst sehr gute Stimmen, die sich hervorragend voneinander unterscheiden lassen und auch eventuell auftretende andere Personen erhalten ihre eigene Person und Stimme.

Er macht sich lustig über diverse Angewohnheiten, Meinungen, Personengruppen, doch nie unter der Gürtellinie (und wenn, dann war's das Känguru!). Seine Gesellschaftskritik geht unter die Oberfläche, und noch während man lacht, denkt man sich manchmal: F...k, eigentlich sollte ich weinen. Aber es ist dann doch zu witzig, als dass man sich mehr als Lachtränen abwischen müsste.

Also: kaufen, hören, amüsieren und vielleicht manchmal sogar durchdenken.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Im Wilden Westen ist die Hölle los!

Revolver Tarot
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Golgotha, am Rande der 40-Meilen-Wüste. Keine Westernstadt wie jede andere. Wer hierher kommt, ist mit Sicherheit etwas Besonderes. Zumindest besonders zäh, denn die ausgebleichten Knochen, die in der ...

Golgotha, am Rande der 40-Meilen-Wüste. Keine Westernstadt wie jede andere. Wer hierher kommt, ist mit Sicherheit etwas Besonderes. Zumindest besonders zäh, denn die ausgebleichten Knochen, die in der Wüste leuchten, erzählen die Geschichte all derer, die es nicht geschafft haben. Einer von ihnen wäre beinahe Jim geworden, ein 15jähriger, der sich auf der Flucht vor dem Gesetz befindet. Dass ausgerechnet Mutt, der Hilfssheriff von Golgotha ihn findet und rettet, ist alles andere als Zufall. Überhaupt bleibt in Golgotha, 1869, nur wenig dem Zufall überlassen. Der Sheriff, Highfather, kann nicht sterben, denn seine Zeit ist noch nicht gekommen. Mutt ist nicht nur Mensch oder Halbindianer. Maude Stapleton, die Frau des Bankers, ist weitaus mehr als nur Ehefrau und Mutter. Und einer, sagen wir zwei Bewohner von Golgotha sind übermenschlicher, als man ihnen ansieht.

Und sie alle sind die letzte Hoffnung der Menschheit, denn unter ihrer Stadt regt sich etwas, etwas, das älter und böser ist als die Menschen, ja, älter als Gott selbst. Seine Diener sind schon aktiv und nicht jeder wird die letzte Nacht überleben ...

Was für ein Ritt! Was für eine überbordende Phantasie! Was für Leute dieser Belcher entworfen hat! Mich hat es total erwischt, bereits mit den ersten Zeilen hat es mich in diese Welt geworfen, reingerissen, mitgerissen, ich habe mitgefiebert, gelacht, mich gewundert. Zugegeben, auf diesen Genremix muss man sich einlassen, gerade zu Beginn mag es etwas verwirren, wenn er plötzlich religiöse Aspekte einbringt, etwas über Engel und Gott schreibt, das man mit Sicherheit so noch nicht gelesen hat. Aber Geduld, das ist wichtig und notwendig, und vor allem ist diese Sichtweise amüsant. Selten habe ich in Fantasybüchern so hervorragend gezeichnete Charakter erlebt, sympathische Leute, die sich jedoch untereinander nicht unbedingt sympathisch sein müssen - wie im real life halt.

Nur eines noch: Ich weiß nicht, wer angefangen hat, dieses Buch als Steampunk anzupreisen. Es ist von Steampunk so weit entfernt wie die Erde vom Andromedanebel. Es gibt nicht mal eine Dampflok, die "steamen" könnte. Wenn man das weiß und abenteuerlich genug ist, sich auf einen Genremix an originellen Einfällen einlassen zu wollen, wird man mit einer Geschichte belohnt, die es locker geschafft hat, mein erstes Highlight dieses noch jungen Jahres zu werden.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein heftiger Ritt

Das Dickicht
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Osttexas, irgendwann nach 1916. Das Land ist noch dermaßen rückständig, dass die meisten Leute leben wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Sie reiten auf Pferden, haben kaum Technik, kriminelle Banden ...

Osttexas, irgendwann nach 1916. Das Land ist noch dermaßen rückständig, dass die meisten Leute leben wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Sie reiten auf Pferden, haben kaum Technik, kriminelle Banden halten die Bevölkerung in Atem, und die Pocken rotten ganze Ortschaften aus. In einer dieser winzigen, rückständigen Ortschaften leben Jack und seine Schwester Lula. Ihre Eltern haben sie soeben begraben (Pocken) und ihr Großvater will sie zu einer entfernten Tante bringen, als sie während eines Sturms auf einer Fähre überfallen werden, der Großvater getötet und Lula von Cut Throat Bill und seiner Bande entführt.

Jack ist verzweifelt, er muss um jeden Preis seine Schwester retten. Deshalb schließt er sich Shorty, einem schießwütigen Lilliputaner, und dessen schwarzen Freund Eustache samt dem "Haustier" von Eustache, einem wilden Keiler, an. Unterwegs gabeln sie noch einen Sheriff/Kopfgeldjäger und eine weggelaufene Hure auf, und diese mehr als ungleiche Truppe macht sich auf die Jagd nach den Desperados, dabei von einer heftigen und tödlichen Situation in die nächste stolpernd.

Meine Fresse, was für ein Buch. Dieser Lansdale kann schreiben, dass einem die Ohren schlackern! Seine Protagonisten sind gleichzeitig totale Ar... er und Helden, sie sind dreckig, stinken, haben nur Knete im Kopf und stehen trotzdem vor einem, als würde man einen Film schauen. Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund, da wird gemordet, geradezu gemetzelt, in den Straßen tappt man durch Jauche, das Wort "Nigger" kommt alle paar Seiten vor, aber nicht der Schockwirkung Willen, sondern weil die einfach alle so geredet haben. Das Schicksal von Jacks Schwester ist klar, ohne dass es großartig beschrieben werden muss, und die Kugeln pfeifen einem alle paar Minuten um die Ohren, wobei die Waffen damals scheinbar wirklich so miserabel waren, dass man schon zehn Meter vor einem Scheunentor stehen musste, um es überhaupt zu treffen.

Also: krass, übelst fesselnd, nicht mitreißend, eher an den Ohren packend und durch den Schlamm zerrend, während man selbst schreiend und Füße strampelnd versucht, dran zu bleiben. Genial! Ich muss unbedingt mehr von Lansdale lesen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Grauen, das zum Lachen bringt

Diner des Grauens
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Earl und Duke sind zwei amerikanische Typen, wie sie ... ja, wie sie typischer für Amerika kaum sein könnten. Earl ist ein magerer Kerl ohne Geld, Duke ist ein fetter Kerl ohne Geld, und beide sind mit ...

Earl und Duke sind zwei amerikanische Typen, wie sie ... ja, wie sie typischer für Amerika kaum sein könnten. Earl ist ein magerer Kerl ohne Geld, Duke ist ein fetter Kerl ohne Geld, und beide sind mit einem uralten Pick Up unterwegs, auf der Suche nach Arbeit. Ok, vielleicht sollte man das mit dem "tpyisch für Amerika" nicht ganz so genau nehmen, denn Duke ist ein Werwolf und Earl ein Vampir. Ganz echt, so ohne Glitzern oder einem Mädchen hinterherzustalken. Als ihr Benzin fast ausgeht, halten sie vor einem heruntergekommenen Diner mitten in einer heruntergekommenen Gegend, um ihre letzten paar Dollar in Essen zu investieren. Sie lernen dabei nicht nur Loretta kennen, die fast so fett und groß wie Duke ist (und sofort eine Schwäche für ihn entwickelt), sondern auch eine ganze Schar Zombies, die plötzlich durch die Tür bricht und alles dem Erdboden gleich machen will. Zombies vs. Werwolf/Vampir? Null zu Eins. Duke und Earl beschließen zu bleiben und der Sache auf den Grund zu gehen. Sie werden dabei auf eine Weltbeherrscherin in Ausbildung stoßen, auf Zombiekühe, "normale" Zombies, einen coolen Sheriff, auf alles, nur nicht auf Normales.

Und das ist gut so, wie Frau Merkel sagen würde, denn Martinez feuert hier tatsächlich großartig absurd-originelle Ideen im Sekundentakt ab. Dabei schafft er es tatsächlich, in diesem Fantasysetting alles gleichzeitig reell als auch magisch erscheinen zu lassen, er entwickelte seine beiden Helden so genial, dass sie wirklich die Kerle von nebenan sein könnten, sympathisch und doch mit vielen Macken, "kleinen" haarigen oder blutigen Problemen und einer Freundschaft, die dicker ist als Blut oder Duke. Das Ganze ist amüsant und gekonnt gelesen, so dass mir eigentlich nur übrig bleibt, volle Punktzahl zu geben und die Geschichte zu empfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Detektiv wider Willen

Oscar Wilde & Mycroft Holmes - Folge 01
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Die Geschichte lehrt uns, dass Oscar Wilde 1895 festgenommen wurde, für ein paar Jahre ins Zuchthaus kam und kurz nach seiner Freilassung an seiner dort zerstörten Krankheit starb. Doch was Maas hier mit ...

Die Geschichte lehrt uns, dass Oscar Wilde 1895 festgenommen wurde, für ein paar Jahre ins Zuchthaus kam und kurz nach seiner Freilassung an seiner dort zerstörten Krankheit starb. Doch was Maas hier mit seinem Hörspiel aus diesem Ansatz macht, gefällt mir viel besser und hätte ich mir auch eher für den Autor von Dorian Gray gewünscht.

Irgendwann mitten in der Nacht brechen Polizisten die Tür zum Anwesen Oscar Wildes auf, wo sie diesen mehr oder weniger in flagranti mit seinem Liebhaber, dem jungen Lord Alfred Douglas erwischen. Misshandelt und in einer dunklen Zelle erwachend, lernt Wilde einen Mann mit einem berühmten Namen kennen. Mister Holmes hat zwar nicht den gesellschaftlichen Status' seines jüngeren Bruders, des berühmten Detektivs, dafür jedoch die Macht, so ziemlich jeden zu erhöhen oder zu vernichten. Und Mycroft Holmes macht Wilde ein Angebot, das dieser nicht abschlagen kann: Dienst als Sonderermittler der Krone oder Zuchthaus. Wilde stimmt zu und bekommt es im ersten Fall gleich mit einem Gegner zu tun, der nichts weniger möchte als die wichtigsten Mitglieder der oberen Zehntausend zu vernichten ...

Ein sehr stark umgesetztes Hörbuch! Der Fall selbst mag jetzt nicht der grandioseste unter der Sonne sein, aber die Sprecher heben ihn mühelos in ihr Licht. Ganz klasse verleihen sie ihren Protagonisten die nötige Stimmgewalt, die leicht herablassende, sehr betonte Art von Wilde und die manchmal regelrecht cholerische von Holmes. Man merkt, dass die beiden Männer keine Freunde sind (und es wahrscheinlich auch nie werden), ganz im Gegensatz also zu dem "echten" Holmes, den ja eine tiefe Freundschaft mit seinem "Raumteiler" Watson verband. Trotzdem funktionieren sie gut zusammen, ergänzen sich, wobei ich mir Mycroft manchmal nicht so begriffsstutzig gewünscht hätte, denn Sherlock selbst behauptete ja mal irgendwann, dass sein Bruder noch cleverer und aufmerksamer wäre als er. Trotzdem: super Hörspiel, besonders für Leute, die zwar viel im Auto, aber nicht immer sehr lange unterwegs sind, denn es geht nur etwas über eine Stunde.