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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.10.2020

Ein Märchen, eine Sage, eine Art literarisches Versprechen

Was der Fluss erzählt
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Der Fluss, um den es hier geht, ist aber nicht aus einem Märchen, sondern es ist die Themse in einem eher ländlichen Gebiet, nämlich zwischen Cricklade und Oxford. Dort betritt an einem Winterabend des ...

Der Fluss, um den es hier geht, ist aber nicht aus einem Märchen, sondern es ist die Themse in einem eher ländlichen Gebiet, nämlich zwischen Cricklade und Oxford. Dort betritt an einem Winterabend des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein Mann mit einem vierjährigen Mädchen auf dem Arm einen Pub. Beide sind verletzt, das Mädchen stirbt - um wieder zum Leben zu erwachen. Ab dann steht es im Zentrum des Interesses der Bewohner - so viele würden es gerne bei sich aufwachsen sehen! Es sind viele Geschichten, die hier zusammengebracht werden, von starken, mutigen, aber auch schwachen und verführbaren Menschen. Sie alle haben mit dem Fluss zu tun - und irgendwo fließen sie dann auch alle zusammen. Ich habe diesen Roman mit großem Vergnügen und noch größerem Genuss gelesen - es ist fast eine Art literarisches Statement zum Leben und zur Gesellschaft und ermuntert die Leser, sich auf schwer bis gar nicht erklärbare Lebenserfahrungen einzulassen und diesen bis zu einem gewissen Grad zu vertrauen.

Diane Setterfield hat mit "Was der Fluss erzählt" einen sehr lebensklugen Roman verfasst, der aus meiner bescheidenen Sicht von

Nach der Lektüre komme ich mir groß und klein gleichermaßen vor - klein, weil sehr deutlich wird, dass jeder Mensch, egal wie viel Macht er ausüben mag, doch nur ein kleines Rädchen im Gefüge der Zeitabläufe der Welt ist und groß, weil ich finde, dass die Autorin ganz klar macht, dass der Wert jeden Lebens davon abhängt, was für Fußabdrücke, welches ideelle Erbe ein jeder von uns auf der Erde hinterlässt.

Ein wahrlich in jeder Hinsicht sagenhafter Roman in einer wundervollen Aufmachung. Man sollte ihn nicht wie einen Fluss an sich vorbeiziehen lassen, sondern unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 17.10.2020

Unterhaltsam und vielseitig

Uri Buri - meine Küche
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Dazu garniert mit tollen Fotos führt Uri Jeremias aka Uri Buri in die Geheimnisse der Fischküche ein - und auch, wenn diese sich in Israel um einiges von der hiesigen unterscheidet, gibt es für europäische ...

Dazu garniert mit tollen Fotos führt Uri Jeremias aka Uri Buri in die Geheimnisse der Fischküche ein - und auch, wenn diese sich in Israel um einiges von der hiesigen unterscheidet, gibt es für europäische Leser eine Menge zu erfahren, zu lernen und vor allem: nachzukochen.

Denn nach dem mehr als ausführlichen Einführungsteil kommt die Belohnung: tolle Rezepte mit und - für mich überraschenderweise - auch ohne Fisch. Neben Fischgerichten gibt es tolle Hauptgerichte, Beilagen und sogar Nachtische zum Nachkochen. Sogar Fleischgerichte enthält das Buch, wenngleich sie eine ausgesprochen untergeordnete Rolle spielen.

Ich habe mich von Uris Begeisterung für Fisch bereits anstecken lassen - zumal nicht nur Israel Küche darin eine Rolle spielt, sondern auch die seiner Vorfahren, von denen einige auch aus Polen stammen, also gar nicht so weit von uns entfernt und ich generell nach einem kurzen Check der Ansicht bin, dass sich da was machen lässte, nämlich gerade auch hinsichtlich der Zutaten. Ich liebe sowieso Fisch und bin sehr gespannt auf meine nach Uris Rezepten bereiteten Gerichte, wobei ich gestehen muss , dass ich mit Sicherheit nicht die Fischrezepte als erstes nachkochen werde, sondern eine Kiwisuppe zum Nachtisch! Andere Rezepte - sowohl mit als auch ohne Fisch - sind ähnliche Mischungen zwischen innovativ und vertraut und lassen mich mehr als gespannt auf weitere Versuche werden!

Veröffentlicht am 12.10.2020

Die Leichtigkeit des Todes

Die Gespenster von Demmin
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Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und ...

Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und trainiert schon mal für gewisse Situationen, in die sie möglicherweise geraten könnte. Vor allem Gefangenschaft inklusive Folter: darauf bereitet man sich wunderbar mit Übungen wie Kopfüber vom Baum hängen oder Waterboarding vor. Fär Einsätze unter schwierigen Bedingungen, bei denen eine gewisse Balance erforderlich, ist ein stundenlanges Auf-dem-Stuhl stehen eine gute Vorbereitung. Unter anderem. Dass ihre Mutter das nicht so sieht und am besten gar nicht mitbekommt, daran hat Larry sich längst gewöhnt. Überhaupt ihre Mutter: sie nervt durch ständig wechselnde Männerbekanntschaften, die den Mädelshaushalt gehörig durcheinander bringen. Wobei sie sich fast danach zurück sehnt: ist doch die neueste Errungenschaft offenbar etwas für länger, wenn nicht für die Ewigkeit: er zieht schon bald mit in den Haushalt ein, ohne dass Larry so richtig gefragt wird.

Ihren Vater sieht sie nur selten, der hat nämlich bereits kurz nach ihrer Geburt die Flucht ergriffen - und das nicht wegen Larry, sondern aus einem wirklich tragischen Grund: Larrys älterer Bruder verunglückte, während ihre Mutter mit ihr schwanger war: eine Tragödie, die auch Larry spürt. Und zwar bereits ihr ganzes Leben lang.

Wobei das Sterben insgesamt eine große Rolle spielt in diesem Roman, der in Demmin angesiedelt ist, einer Stadt, in der vor dem Anrücken der Roten Armee ein Massenselbstmord stattfand: vor allem Frauen mit Kindern ertränken sich im Fluss oder erhängten sich.

Es gibt einen zweiten, wesentlich kürzeren Erzählstrang aus der Sicht einer alten Dame, einer Überlebenden dieser Tragödie. Auch für sie ist der Tod ein lebenslanger Begleiter gewesen.

Auch wenn der Tod über allem schwebt und sozusagen das verbindende Element der beiden Handlungsstränge ist, erzählt Autorin Verena Keßler mit leichter Hand, die jedoch alles andere als oberflächlich wirkt. Im Gegenteil, die junge Autorin offenbart ein Talent, ihr Sujet mit knappen Worten lebendig darzustellen, das seinesgleichen sucht. Sowohl Handlung als auch Setting und Figuren wirken kraftvoll und lebendig. Es bleibt genug Raum für den Leser, um eigene Bilder zu entwickeln. Und auch, um den subtilen Humor, der sich durch den Roman zieht, zu genießen.

Ein großartiger Coming-of-Age-Roman, ebenso eindringlich wie ungewöhnlich. Eine neue Autorin, die zu begeistern vermag - mich jedenfalls!

Veröffentlicht am 07.10.2020

Leckeres und problemloses Essen

MODERN AYURVEDA
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Die Bloggerin Katharina Döricht aka Tasty Katy hat hier ein ganz besonderes Kochbuch geschaffen, eines, das ich nicht so schnell vergessen werde! Sie wenden - ganz zurecht - ein, dass es dazu ja auch gar ...

Die Bloggerin Katharina Döricht aka Tasty Katy hat hier ein ganz besonderes Kochbuch geschaffen, eines, das ich nicht so schnell vergessen werde! Sie wenden - ganz zurecht - ein, dass es dazu ja auch gar keine Möglichkeit gibt, wenn ich regelmäßig Rezepte daraus nachkoche (was ich mir tatsächlich ganz fest vorgenommen habe)?

Damit liegen Sie natürlich ganz und gar richtig, allerdings kann ich oft gekochte Rezepte (mit eigenen Abwandlungen natürlich) ganz schnell auswendig und zudem blättere ich das Kochbuch ja nicht jedes Mal von neuem durch.

Was ich hier aber ganz oft machen werde. Denn Katharina Döricht stellt ihren Rezepten ihre eigene Geschichte voran. Und obwohl sie locker meine Tochter sein könnte, kann ich daraus eine Menge lernen. Sie hat nämlich genau wie ich vieles nicht vertragen können, war sogar ernsthaft krank und hat - ganz zufällig - zu Ayurveda gefunden.

Wovon sie nicht mehr loskam, da es tatsächlich half. Aber natürlich nicht so, wie es in den Lehrbüchern steht, sondern die junge Frau musste sich ihren eigenen Weg bahnen. Und hat dazu eine Menge Tipps in petto sowohl zu den einzelnen Ayurveda-Typen als auch zum Abwandeln ihrer Rezepte.

Ein so kluges, warmherziges und mitreißendes Kochbuch, wie ich es selten erlebt habe! Ich bin sehr begeistert von Tasty Katies Buch, das mich nun fast täglich begleitet. Und das ich jedem empfehle, der gerne isst, der es damit aber nicht ganz einfach hat!

Veröffentlicht am 25.09.2020

Mittelalterliche Gestalten der besonderen Art

Der Halbbart
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Sebi, der Erzähler und maßgebliche Protagonist dieses Romans wächst in einem kleinen Dörfchen nahe Schwyz auf und lernt früh, dass das Leben hart ist. Er ist der jüngste von drei Brüdern, der Vater stirbt ...

Sebi, der Erzähler und maßgebliche Protagonist dieses Romans wächst in einem kleinen Dörfchen nahe Schwyz auf und lernt früh, dass das Leben hart ist. Er ist der jüngste von drei Brüdern, der Vater stirbt früh an einem Arbeitsunfall, Geni, der älteste Bruder, verliert bei einem ebensolchen sein Bein. Als auch noch die Mutter dahin scheidet, wird Sebi ins Kloster verbracht - das war sowieso eine Überlegung für seine Zukunft - aber nicht mehr. Und so fühlt er sich dort auch nicht wohl, da er den Glauben dort nicht als warm und behütend erlebt, sondern als Machtspiel. Als der Prior Unglaubliches von ihm verlangt, nimmt er Reißaus.

Sein Beschützer wird der Halbbart, ein Mann, der sich außerhalb des Ortes angesiedelt hatte und dessen Nähe Sebi bereits vorher gesucht hatte - als einer der Wenigen im Dorf, da der Halbbart als Ausgestoßener gilt: sein Gesicht ist nämlich halb verbrannt, weswegen sein Bart auch nur auf der Hälfte des Gesichts wächst. Dadurch hat er seinen Namen weg, den er auch selbst gern verwendet.

Er bringt Sebi zu einem Schmied ins Nachbardorf, der ihn als seinen Verwandten ausgibt und gewinnt seinerseits an Ansehen, als sich der einbeinige Geni, der im Dorf respektiert wird, für ihn stark macht.

Ein Roman, in dem dem Leser sowohl die Brutalitäten des Mittelalters vorgeführt als auch der Zusammenhalt und die Stärke von Menschen mit gemeinsamen Zielen dargelegt werden. Die leider auch schnell wieder brechen können aus dem ein oder anderen Grund.

Charles Lewinsky hat mit Sebi einen wachen Geist geschaffen, der hinterfragt, staunt, erschrickt - und "seine" Welt des frühen 14. Jahrhunderts in Frage stellt. Auf eine wunderbar anrührende Art und Weise, die sicher nicht typisch fürs Mittelalter ist, die es jedoch dem Leser ermöglicht, ihm aus der Gegenwart dorthin zu folgen.

Ein Roman mit starken Figuren, heftigen, aber auch warmherzigen Szenen, bei dessen Lektüre mir warm ums Herz wurde!