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Veröffentlicht am 12.11.2020

Gemeinsam statt einsam

Bergsalz
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In dem kleinen Dorf im Voralpenland kennen sich die Alten seit Jahrzehnten, aber sie sind nicht befreundet. Die Kinder sind längst aus dem Haus, viele Männer schon tot und die Witwen fristen ein einsames ...

In dem kleinen Dorf im Voralpenland kennen sich die Alten seit Jahrzehnten, aber sie sind nicht befreundet. Die Kinder sind längst aus dem Haus, viele Männer schon tot und die Witwen fristen ein einsames Dasein. Fast jeder Tag verläuft gleich, man besorgt Haus und Garten und kocht sich ein einsames Mittagessen. „Die Rezepte ihres grünen Ringbuches … fingen in kleinster Größe an mit: für zwei Personen. Für eine allein war dort nicht vorgesehen, gab´s nicht, auch wenn es gang und gäbe war, dass eine für sich allein kochte oder eine allen für sich kochte, wie man es nahm – in beiden Fällen sachlich richtig und grundfalsch zugleich.“ (S. 18)
Diese Routine wird durchbrochen, als Johanna ausgerechnet zur Mittagszeit bei Franzi klopft – angeblich, um sich Mehl zu borgen, in Wirklichkeit aber, weil sie die Einsamkeit nicht mehr aushält. „Wennst einsam bist, hast immer noch dich selbst, aber von allen verlassen darfst nicht sein. Dann bist verraten und verkauft.“ (S. 159) Eine weitere Nachbarin kommt dazu, im Laufe der Zeit werden es immer mehr, man bekocht sich abwechselnd. Dann werden die Küchen allmählich zu klein. Könnten sie ihre gemeinsamen Mittagessen und das Kochen nicht vielleicht in die seit 20 Jahren stillgelegte Küche des Wirtshauses verlegen? Das „Rössl“ ist zwar eine Flüchtlingsunterkunft, aber für die Bewohner würde man eben einfach mitkochen …

Karin Kalisa erzählt in ihrem neuen Buch von einer geschlossenen, lange gewachsenen Gemeinschaft, die doch keine ist. Die Einwohner werden immer älter, die jüngeren sind fast alle weggezogen. Jeder kocht – im wahrsten Sinne des Wortes – sein eigenes Süppchen. Als ausgerechnet die Witwen entdecken, dass sie ihre Freiheit und Eigenheiten ja gar nicht aufgeben müssen, nur um mit und für andere zusammen zu Kochen und zu Essen. Die einsamen Küchentische werden wieder zum Mittelpunkt des Lebens und der Gemeinschaft. Und bald fangen sie an, über den Tellerrand zu sehen. Ihre selbstgesteckten Grenzen zu überwinden. Von „>füreineallein< zu >mitanderenzusammen<“ (S. 43) Die Wiederbelebung der Gasthausküche ist nur der Anfang. Es folgen weiter Pläne und deren Umsetzung, das Dorf wird wieder fit und für seine Bewohner und Gäste attraktiv gemachen.

Ich habe das Buch als Überraschungspost vom Verlag zugeschickt bekommen, doch schon bei den Worten „Küche“ und „Salz“ hatte es mich, da ich selbst eine leidenschaftliche Köchin und Bäckerin bin und gern Familie und Freunde bewirte.

Karin Kalisa schreibt sehr poetisch vom ursprünglichen Leben im Augenblick und Einklang mit dem Wind, der Natur und den Jahreszeiten. Ich konnte mich zum Teil in dem Buch richtiggehend verlieren. Sie sinniert darüber, wieviel Platz und was ein Mensch wirklich zum Leben braucht, regt den Leser damit zum Nachdenken an.
Allerdings gab es an den Kapitelenden eigenartige kursive Einschübe, die völlig losgelöst von der Handlung scheinen und deren Bedeutung sich erst am Ende des Buches aufklärt. Auch die Traumsequenz (?) von Franzi kann ich nicht deuten oder einordnen, darum leider nur 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Tolle Gerichte für jeden Tag mit internationalem Flair

Zufällig vegan – International
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Marta Dymek ist eine polnische Köchin und Foodbloggerin und hat in ihrer Heimat sogar eine Fernsehsendung, trotzdem hatte ich bisher noch nicht von ihr gehört. In ihrem neuen Kochbuch „Zufällig vegan – ...

Marta Dymek ist eine polnische Köchin und Foodbloggerin und hat in ihrer Heimat sogar eine Fernsehsendung, trotzdem hatte ich bisher noch nicht von ihr gehört. In ihrem neuen Kochbuch „Zufällig vegan – international“ stellt sie 100 international geprägte Rezepte vor. Dabei nutzt sie regionale Gemüse, denen sie mit (internationalen) Gewürzen oder Soßen ihren landestypischen Geschmack verleiht.

Die Gerichte sind in „Frühstück“, „Kleiner Hunger“, „Suppen“, „Großer Hunger“, „Nachtisch“, Getränke“ und „Grundrezepte unterteilt und fast alle sind bebildert.

Wir haben inzwischen einige Rezepte probiert und mir ist positiv aufgefallen, dass sie oft einen besonderen Pfiff haben. Zum Beispiel werden die Süßkartoffeln für die Süßkartoffel-Cremesuppe nicht gekocht, sondern im Ofen gebacken. Und on top kommt noch eine Romescosoße, deren Zutaten ebenfalls im Ofen geröstet und danach zu einer Art cremigen Pesto gemixt werden (die auch super aufs Brot schmeckt). Der Kürbiskuchen hat als besonderen Clou Earl-Grey-Tee, Cranberries und geröstete Sonnenblumenkerne im Teig statt der üblichen Pumpkin-Spice-Würzmischung. Und auch in der Tomatensuppe wird Tee verarbeitet – Rauchtee. Durch ihn und geräuchertes Paprikapulver bekommt die Suppe ein tolles, ausgefallenes Aroma.

Allerdings gab es auch kleinere Abstriche. Ich finde die Mengenangaben der Rezepte in Tassen oder Dosen sehr gewöhnungsbedürftig, wobei 1 Tasse 250 ml und eine Dose 400 ml entspricht. Da hätte man die Mengen m.E. auch gleich umrechnen können.
Auch die Angabe, wie viel Portionen das Rezept ergibt, ist mir oft zu ungenau (z.B. 2-4). Zudem variieren die fertigen Portionen von „für 1-2“ bis „für 6-8“. Ich finde es besser, wenn die Rezepte nach Möglichkeit immer für die gleiche Personenanzahl sind und man nach dem Essen nicht noch 1-2 Portionen übrig oder hat oder vorher umständlich umrechnen muss. Auch Zeit- oder Nährwertangaben fehlen leider.

Davon abgesehen haben uns die ausprobierten Gerichte aber sehr gut geschmeckt, sie sind abwechslungsreich und nahrhaft.

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Veröffentlicht am 05.10.2020

Wie gut kennt man seine Heimat?

Lieblingsplätze rund um Dresden
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Da ich in Dresden geboren und aufgewachsen bin und wir in unsere Kindheit fast jedes Wochenende wandern waren, dachte ich, dass ich jede Ecke und jedes Plätzchen in Sachsen kenne. Doch „Rund um Dresden“ ...

Da ich in Dresden geboren und aufgewachsen bin und wir in unsere Kindheit fast jedes Wochenende wandern waren, dachte ich, dass ich jede Ecke und jedes Plätzchen in Sachsen kenne. Doch „Rund um Dresden“ von Jan Hübler und Kirsten Balbig hat mich eines Besseren belehrt. Ausgehend vom Rathausturm im Zentrum der Stadt, stellen die beiden Autoren bekannte und unbekannte Ausflugsziele der weiteren Umgebung Dresdens vor. Diese sind in die Regionen Norden, Osten, Süden und Westen unterteilt, dadurch kann man besser erkennen, welche Ziele näher beieinander liegen und deren Besuch evtl. verknüpfen.
Sie empfehlen z.B. die Senftenberger Seenplatte, natürlich das Elbsandtein- und Erzgebirge, zeigen Schlösser und Burgen, hohe Türme und tiefe Brunnen, schlagen Touren zu Fuß oder mit dem Rad vor, ausgewählte Lädchen und Restaurants, Orte zum Zurückziehen oder um in der Menge zu baden – es sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein.
Ich denke, gerade jetzt in der Corona-Zeit und den bevorstehenden Herbstferien ist man für jedes bisher unbekannte Ausflugziel dankbar und findet in „Lieblingsplätze rund um Dresden“ genügend Ideen, um seine Heimat (neu) zu entdecken. Aber auch Urlauber die mehr als nur die üblichen Sehenswürdigkeiten besichtigen wollen, werden in diesem Buch fündig.
Mir sind allerdings auch ein paar kleine Mankos aufgefallen. Die Wanderungen werden zwar beschrieben, aber eine Tourenkarte oder zumindest die Wanderzeichen sind leider nicht erwähnt. Vielleicht könnte man das in der nächsten Auflage ergänzen. Zudem sind einige der Ziele doch ziemlich weit von Dresden entfernt und damit nicht unbedingt für einen Tagesauflug geeignet. Und ich hätte mir bei einigen Ausflugszielen ein paar aussagekräftige Fotos gewünscht, die den Ort besser charakterisieren.

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Veröffentlicht am 23.09.2020

Ungewöhnliche Romanbiografie über eine außergewöhnliche Persönlichkeit

Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt
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„Alle, die vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren, machten sich erneut auf den Weg, um ihnen zu entkommen.“ (S. 31) Aristides de Sousa Mendes ist Portugals Generalkonsul in Bordeaux, als der 2. Weltkrieg ...

„Alle, die vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren, machten sich erneut auf den Weg, um ihnen zu entkommen.“ (S. 31) Aristides de Sousa Mendes ist Portugals Generalkonsul in Bordeaux, als der 2. Weltkrieg ausbricht. Schon lange weiß er von der Judenverfolgung der Nazis und welche Staaten sie dabei unterstützen. Er ist Katholik und nicht damit einverstanden, wie mit diesem Problem umgegangen wird – auch von Portugals Ministerpräsident Salazar, seinem direkten Vorgesetzten. Als die Deutschen die Maginot-Linie umgehen, beginnt die nächste Flüchtlingswelle. Mendes will ihnen helfen, aber Salazar verbietet es. Portugal soll neutral bleiben. Doch Mendes fühlt sich vom Heiligen Franziskus persönlich berufen und stellt in kürzester Zeit angeblich bis zu 30.000 Visa aus (eine andere Quelle spricht „nur“ von 1575), fälscht sie zum Teil, obwohl längst ein Disziplinarverfahren gegen ihn läuft, bis er nach Portugal zurückbeordert wird.

„Portugal ist abseits der diktatorischen Politik mein Traumland geblieben.“ (S. 71) Dort lebt die Familie zunächst im reich ausgestatteten Herrensitz in Cabanas de Viriat, schließlich gehören sie zum alten Adel und waren bisher immer reich. Doch aus Angst vor Salazars Rache verlassen die Kinder nach und nach das Land. Dann enthebt Salazar Mendes tatsächlich aller Ämter und entlässt ihn ohne Bezüge oder eine Pension aus dem Staatsdienst. Die Familie verarmt systematisch und wird zeitweise sogar von der jüdischen Gemeinde unterstützt – Mendes Frau kommt nur schwer mit dieser veränderten Lebenssituation klar, aber alle Schreiben und Einsprüche Mendes an Salazar ändern nichts.

Dagmar Fohl hat eine ungewöhnliche Romanbiografie über eine außergewöhnliche Persönlichkeit geschrieben. Aristides de Sousa Mendes war ein sehr weltgewandter und charismatischer, weitgereister und weltoffener Mann. Er kann nicht verstehen, dass sich Salazar (und damit Portugal) aus allem raushalten will, während er täglich immer mehr verzweifelte Flüchtlinge sieht. Also handelt er einfach. „Draußen stehen Tausende von Menschen, sie waschen und rasieren sich nicht, sie essen und trinken nicht, sie vermeiden, auszutreten, aus Angst, ihren Platz in der Schlange zu verlieren, sie tun es für ein Visum, um den Nazis zu entkommen!“ (S. 39). Er geht damit an seine physischen und psychischen Grenzen. Dazu kommt die Angst vor Salazars Rache. Außerdem hat er ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Frau, weil er sich trotz 30 Jahre Ehe und 14 gemeinsamer Kinder in eine 20 Jahre jüngere Sängerin und Pianistin verliebt, die ihm hochschwanger nach Portugal folgt. Es ist die Geschichte eines in vieler Hinsicht zerrissenen und später gebrochenen Mannes.

Der Roman ist sehr bewegend und wichtig im Kampf gegen das Vergessen, allerdings hatte ich mit dem etwas hölzernen Schreibstil kleinere Probleme. Die Autorin hat ihn aus Mendes‘ Sicht in der Ich-Perspektive geschrieben und die Episode um die Erteilung der Visa liest sich zum Teil wie eine Ansammlung knapper Fakten – wahrscheinlich soll damit gezeigt werden, wie die Zeit immer knapper wurde. Zudem gibt es in der Handlung kleine Sprünge und ich konnte die Personen, mit denen er verkehrt nicht immer zuordnen.
4 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 28.08.2020

Mehr als nur die Tochter von …

Die Tochter des Zauberers - Erika Mann und ihre Flucht ins Leben
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„Wir haben uns das alle viel zu einfach vorgestellt. Den roten Teppich rollt uns hier niemand freiwillig aus. Dazu sind wir einfach zu viele, die plötzlich vor der Tür stehen und von hochdotierten Engagements ...

„Wir haben uns das alle viel zu einfach vorgestellt. Den roten Teppich rollt uns hier niemand freiwillig aus. Dazu sind wir einfach zu viele, die plötzlich vor der Tür stehen und von hochdotierten Engagements träumen.“ (S. 75) Erika und ihr Bruder Klaus reisen im Herbst 1936 nach Amerika, um alles für das politisches Kabarett „Pfeffermühle“ vorzubereiten. Sie sollen Visa, Auftritte und vor allem Geld für die restliche Truppe organisieren, die mit einem anderen Schiff folgen wird. Die „Pfeffermühle“ will Amerika aufrütteln und vor den Nazis warnen. „Wenn Amerika jetzt nicht aufwacht, um sich gegen Hitler zu stellen, werden wir uns eines Tages verwundert die Augen reiben, weil wir die Chance verpasst haben.“ (S. 67) Aber schon beim ersten Dinner mit potentiellen Geldgebern wird Erika klar, dass diese kein Interesse an Hitler und Europa haben und die Amerikaner die Texte der Pfeffermühle auch in Englisch nicht verstehen würden, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt. Die Leute wollen unterhalten werden, nicht belehrt. Außerdem werden sie und Klaus nur auf die Rolle der Kinder von Thomas Mann reduziert. Ein eigener Kopf oder gar eine Karriere wird ihnen nicht zugestanden. Man möchte familiäre Anekdoten über den Literaturnobelpreisträger hören, keine Warnung vor dem nächsten Krieg, an den sowie niemand glaubt. Dabei ist sie so viel mehr als nur die Tochter von …

Eins vorweg, Erika und ich wären wahrscheinlich keine Freunde geworden. Dazu erscheint sie mir zu unsympathisch, manipulativ, vergnügungssüchtig, abgehoben und egoman. Sie ein echtes Luxusweibchen, hatte keine Probleme damit, sich von anderen aushalten zu lassen und im Restaurant das teuerste Gericht auf der Karte zu bestellen, auch wenn sie wusste, dass ihr Gegenüber sich das eigentlich nicht leisten konnte. Aber sie war auch sehr intelligent, leidenschaftlich, zielstrebig, selbstbewusst und durchsetzungsstark. „Meist haben zu Hause alle auf mein Kommando gehört, sogar die Eltern. Dabei musste ich nicht einmal selbst am Ruder stehen. Den Part habe ich Klaus überlassen. Mir hat das Schalten und Walten aus dem Hintergrund genügt.“ (S. 366) Sie wollte Hitler stoppen, die Welt wachrütteln und hat sogar ihren Vater dazu gebracht, endlich Stellung zu beziehen. Heidi Rehn zeichnet in „Die Tochter des Zauberers“ ein extrem vielschichtiges Bild von ihr und lässt den Leser an allen Facetten ihres Lebens teilhaben. Sie zeigt auch, wie umstritten Erika wegen ihres Lebensstils selbst innerhalb des Ensembles der „Pfeffermühle“ war und wie sie deswegen angefeindet wurde.

Erika scheint ein echter Freigeist gewesen zu sein: verheiratet mit einem Engländer wegen des Passes, lebt sie offen mit der Münchner Künstlerin Therese zusammen. Doch als sie in New York ankommt, lernt sie gleich zwei faszinierende Männer. Den Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert und den Bankier Maurice Wertheim. Beide machen ihr Avancen, Maurice wird ihr Förderer, finanziert die „Pfeffermühle“ und legt ihr jeden nur denkbaren Luxus und die Welt zu Füßen. Da kann Martin nicht mithalten, aber bei ihm findet sie Ruhe und Geborgenheit. Wenn es nach Klaus geht, soll sie sich natürlich für Maurice entscheiden, aber das Herz will, was es will – und auch Therese gibt nicht so leicht auf. Ein Liebestaumel beginnt.

Die symbiotische Beziehung des Geschwisterpaares spielt in diesem Buch eine sehr große Rolle. Erika ist nur ein Jahr älter als Klaus und hat eine extrem engere Bindung zum ihm. Sie will ihm zu seinem Durchbruch als Schriftsteller verhelfen. Er lebt und arbeitet wie im Rausch, flüchtet sich immer wieder in Drogenexzesse, unternimmt Selbstmordversuche. Klaus ist menschenscheu und kann nicht offen mit seiner Homosexualität umgeben. „Tut mir leid, dass ich anders bin. Es kann halt nicht jeder so erfolgreich wie du mit beiderlei Geschlecht turteln.“ (S. 37)
So unterschiedlich Erika und Klaus auch sind, eines haben sie gemeinsam. Sie wollen endlich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters treten und als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen werden. Allerdings erschien mir ihre Beziehung an einigen Stellen zu ungesund und zu eng – welches Geschwisterpaar küsst sich schon leidenschaftlich auf den Mund?!

Heidi Rehn gibt das Flair vom New York der 40er Jahre sehr anschaulich wieder, die Kunst- und Künstlerszene, in der sich Erika bewegt, den Broadway, die Shows, Kellerclubs und Nachbars, dazu kommen die vielen Berühmtheiten der damaligen Zeit (wie z.B. Vicky Baum, Billy Wilder, Kurt Weil oder die Roosevelts), denen sie begegnet. Auch das Hotel Bedford, die Sammelstelle und neuen Heimat der Emigranten (vor allem Juden), die Europa bereits verlassen hatten, wird sehr lebendig beschrieben.

Heidi Rehn zeichnet in „Die Tochter des Zauberers“ ein extrem vielschichtiges Bild von Erika Mann und lässt den Leser an allen Facetten ihres Lebens teilhaben. Sie zeigt deren umstrittenen Lebenswandel, ihren Kampf gegen Hitler und die symbiotische Beziehung mit ihrem Bruder Klaus, welche mir nicht immer gesund erschien. Und auch sonst war die bisexuelle Erika für jede Art von Beziehungen offen, konnte sich nur schwer für nur eine Person entscheiden …

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