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Veröffentlicht am 20.10.2020

Ein Cold Case, der Aufsehen erregt

Wenn das Licht gefriert
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Roman Klementovic ist für mich ein "alter" Bekannter. Ich habe alle seine Thriller, die im Gmeiner Verlag erschienen sind, gelesen und habe ihn auch bei einer Lesung in der Stadtbücherei St. Pölten kennengelernt. ...

Roman Klementovic ist für mich ein "alter" Bekannter. Ich habe alle seine Thriller, die im Gmeiner Verlag erschienen sind, gelesen und habe ihn auch bei einer Lesung in der Stadtbücherei St. Pölten kennengelernt. Umso mehr habe ich mich auf seinen neuen Thriller "Wenn das Licht gefriert" gefreut. Schon der Klappentext klingt unheimlich gruselig und hat mich total gefesselt...

Als der an Alzheimer erkrankte Friedrich vor dem Fernseher im Wohnzimmer sitzt, wird die reißerische Sendung "Mörder im Visier" gerade gesendet. Diesmal wird über den brutalen Mord an der besten Freundin von Friedrichs und Elisabeths Tochter Valerie berichtet, der 22 Jahre zurückliegt. Elisabeth bleibt fast das Herz stehen, als Friedrich plötzlich etwas von der Unterwäsche des Opfers vor sich hin brabbelt....ein Detail, das weder in der Sendung erwähnt wurde, noch er kennen dürfte. In Elisabeth beginnt ein fürchterlicher Verdacht aufzukommen...

Schon von der ersten Seite an packt dem Leser die düstere und subtile Stimmung. Der Prolog beginnt mit dem Verschwinden von Anna im Jahr 1997 und wird aus der Sicht ihrer Eltern Thomas und Monika erzählt. Danach springen wir 22 Jahre später in die Gegenwart. Der Fall wurde nie aufgeklärt und wird durch die TV-Sendung "Mörder im Visier" wieder "aktuell". Als die Sendung ausgestrahlt wird, ist in der Kleinstadt nichts mehr, wie es war....

Gekonnt setzt der Autor wieder seine sehr bildhaften Beschreibungen der Umgebung und des Wetters ein. Nebel, Nieselregen und das fallende Laub....dazu die immer wieder schrecklichen Gedanken, die Elisabeth beunruhigen, halten den Leser sofort gefangen. Sie liebt ihren Mann nach vierzig Jahren Ehe noch immer, obwohl ihr seine Krankheit schwer zu schaffen macht. Elisabeth kann ihn kaum aus den Augen lassen und muss seine Launen und Gemeinheiten ertragen.
Klementovic gelingt es hervorragend diese schlimme Krankheit realitätsnah darzustellen. Sie ist sowohl für den Kranken, der zu Beginn noch mitbekommt, wie er langsam sein Gedächtnis verliert, als auch für seine Angehörigen, die besonders an den Folgen leiden müssen und plötzlich einen ganz anderen Menschen gegenüberstehen, einfach nur schrecklich. Oftmals kommt auch Elisabeth an die Grenze ihrer Belastbarkeit.
Ihr lässt Friedrichs Aussage keine Ruhe und sie beginnt Nachforschungen anzustellen. Sie muss wissen, ob Friedrich der Täter ist oder an der Tat beteiligt war. Dabei gerät sie bald selbst in Gefahr, denn der Täter läuft nach wie vor noch unbehelligt herum...
Obwohl der Personenkreis sehr klein gehalten wird, hatte ich mehr als eine Person in Verdacht und musste meine Theorie kurze später wieder völlig verwerfen. Der Autor spielt mit der Psyche des Lesers und führt ihn immer wieder gekonnt auf falsche Fährten. Das Tatmotiv bleibt lange Zeit völlig unklar.

Roman Klementovic schreibt im Präsens und die meiste Zeit aus der Sicht von Elisabeth. Man erhält dabei einen tiefen Einblick in ihre Gefühlswelt und ihre Gedanken. Die Sätze und Kapitel sind eher kurz gehalten. Die unterschwellige Spannung ist immer spürbar und bleibt bis zur letzten Seite aufrecht, fällt aber in der Mitte etwas ab. Die Figuren sind facettenreich.
Der Schreibstil ist temporeich und oftmals hat man am Ende des Kapitels einen kleinen Cliffhanger, der dazu führt, dass man unbedingt noch ein weiteres Kapitel lesen "muss".
Das Ende hält einige Überraschungen für den Leser bereit und erklärt den Titel des Buches.

Fazit:
Wieder ein Thriller des Autors, der mit der Psyche des Lesers spielt und eine sehr düstere Grundstimmung hat. Spannend und beklemmend erzählt und mit einem Finale, das einem sicherlich in Erinnerung bleiben wird. Ich freue mich schon auf den nächsten Thriller des sympathischen Autors.

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Wie Maria Montessori das Bildungssystem reformierte

Lehrerin einer neuen Zeit
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Hinter dem Pseudonym Laura Baldini versteckt sich die österreichische Autorin Beate Maly, die ihrem Roman "Lehrerin einer neuen Zeit" Maria Montessori gewidmet hat. Man glaubt gar nicht, was sie alles ...

Hinter dem Pseudonym Laura Baldini versteckt sich die österreichische Autorin Beate Maly, die ihrem Roman "Lehrerin einer neuen Zeit" Maria Montessori gewidmet hat. Man glaubt gar nicht, was sie alles reformiert hat, das für uns heute bereits selbstverständlich ist. Ich habe ganz schön gestaunt!

Rom 1896. Maria Montessori ist eine der ersten Frauen, die zum Medizinstudium zugelassen wurden. Vor 124 Jahren alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Ihre Professoren legen ihr mehr Steine in den Weg als ihren männlichen Kommilitonen. Sie hat es schwer sich zu behaupten, obwohl sie als eine der Besten des Jahrgangs abschließt und die erste Ärztin Italiens wird. Doch Maria hat Disziplin und Ehrgeiz und sie liebt ihren Beruf. Ihr Praktikum führt sie in eine psychiatrische Klinik in Rom. Sie ist entsetzt über die Art, wie die Menschen dort behandelt werden, vorallem aber die Kinder.

Zutiefst schockiert haben mich die Einblicke in die Kinderpsychatrie. Damals wurden Waisenkinder, die verhaltensauffällig oder einfach zu quirlig (heute würde man ADHS diagnostizieren) in diese Heime gesteckt, wo sie tagein und tagaus stumpfsinnig in ihren Betten saßen. Dazwischen wurden sie geschlagen, gequält oder misshandelt. Niemand befasste sich mit ihnen und sie wurden als schwachsinnig abgestempelt. Maria erkannte, dass jeder Mensch bei dieser Behandlung verkümmert. Sie versucht mit einfachen Holzklötzchen oder mit alltäglichen Kleinzeug die Kinder zum Spielen zu animieren und später ihnen einfache Rechenaufgaben zu stellen. Wir wissen heute, wie wichtig diese Methode, die sie entwickelt hat, wurde. Anhand eines fiktiven Kindes, Luigi Tassilo, der als geisteskrank abgestempelt wurde, erleben wir von Beginn an, wie Marias Ideen greifen.

Laura Baldini vulgo Beate Maly umfasst in ihrem Roman über Maria Montessori den Zeitraum von 1884 bis 1902. Marias Studium und ihre Gabe sich als junge Dottoressa Gehör zu verschaffen, stehen dabei im Mittelpunkt. Maria Montessori war eine begnadete Rednerin und Feministin. Sie ist ehrgeizig und stellt schlussendlich ihr eigenes Leben in den Hintergrund, um sich der Wissenschaft und der Karriere zu widmen. Ihr Einsatz für die Ärmsten, für Kinder und Frauen, wird sehr authentisch dargestellt.
Die Charaktere wurden sehr lebendig gezeichnet. Marias Eltern waren zuerst nicht begeistert von ihrem Berufswunsch. Ihr Vater, ein konservativer Finanzbeamter, gab zwar das Einverständis zum Studium, dachte aber, dass sie es nie beeenden würde. Mutter Regine steht hingegen hinter ihr und unterstützt sie sehr. Manchmal fand ich sie allerdings zu beherrschend. Ihre beste Freundin Anna bringt etwas Spaß in Marias sehr diszipliniertes Leben. Später schließt sie sich auch der Feministin Rina Facchio an und setzt sich für Gleichberechtigung ein. Fehlen darf auch nicht Dr. Giuseppe Montesano mit dem sie zusammenarbeitete und den sie liebte.

Der Schreibstil ist fesselnd und lebendig. Die Autorin hat hervorragend recherchiert und Maria Montessori lebendig gemacht. Im Nachwort erklärt sie welche Begebenheiten historisch belegt sind und was schriftstellerische Freiheit ist. Zusätzlich informiert sie den Leser warum sie sich für den Zeitraum von 1884 bis 1902 entschieden hat und nicht zu viel auf die eigentlichen Methoden eingegangen ist. Diese kann man in vielen anderen Büchern zum Thema Montessori lesen, während hier Maria und ein Teil ihres Lebens im Mittelpunkt steht.

Was mir nicht so gefallen hat war die Diskrepanz zwischen Marias Hingabe und Einsatz für die Heimkinder und ihr Verhalten gegenüber ihrem eigenen Kind. Dabei hat sie bei mir viele Sympathiepunkte verloren.
Auch die zeitlichen Sprünge waren mir manchmal groß und das Ende kam fast zu abrupt. Trotz der kleinen Kritikpunkte fand ich diesen Roman wirklich gelungen und empfehle ihn gerne weiter.

Fazit:
Eine gelungene Romanbiografie über Maria Montessori, die ihr Leben den Kindern und der Wissenschaft widmete. Eine außergewöhnliche Frau, die das Bildungssystem weltweit reformiert hat.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Spannendes Debüt

Belgische Finsternis
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Mein erster belgischer Krimi nach all den vielen Lesejahr(zehnten)! Wow! Und gleich vorab: Ich kann ihn weiterempfehlen!

Piet Donker, ein Ermittler aus Brüssel, wird in die deutschsprachige Kleinstadt ...

Mein erster belgischer Krimi nach all den vielen Lesejahr(zehnten)! Wow! Und gleich vorab: Ich kann ihn weiterempfehlen!

Piet Donker, ein Ermittler aus Brüssel, wird in die deutschsprachige Kleinstadt Raaffburg versetzt. Sein letzter Fall lief nicht so gut und auch im Privatleben sieht es mau aus. Er steht kurz vor der Trennung zu seiner Frau. Durch die Versendung in die Provinz hat er nun noch weniger Zeit für sie und die gemeinsame Tochter Liv. In Raaffburg wartet ein Cold Case auf ihn. Zwei Kollegen werden Piet Donker zur Seite gestellt: Vanderhagen, ein sehr unmotivierter und ungehobelter Mann und der blutige Neuling Benker. Einzig Lechat, der bereits pensionierte Ermittler von damals, ist ihm eine Hilfe. Er kennt den Ort und die Einwohner. Als Fremder kommt Piet nur schwer bei den Bewohnern an.
Vor 15 Jahren hat ein Serienmörder zehn Pärchen ermordet: immer Mutter und Sohn. Der Täter wurde überführt und verurteilt. Doch bis heute bestreitet er den letzten Mord begangen zu haben. Ella Weber, die damals Mutter und Bruder verloren hat, kehrt in ihrem ehemaliges Heimatort zurück, als sie von der Polizei vorgeladen wird. Es gibt eine neue Spur in den Vermisstenfall Felix Riegen....ein Jugendlicher, der damals zeitgleich mit dem letzten Mordfall verschwand und ein Freund ihres Bruders...

Stephan Haas erzählt in der Ich-Form aus der Sicht von Piet. Zuerst dachte ich: Schon wieder ein Ermittler mit einem Knacks und privaten Problemen. Doch sein Privatleben rückt mit der Zeit mehr in den Hintergrund und das ist gut so. Schon bald ist mir Piet ans Herz gewachsen und ich habe mit ihm mitgerätselt.
Der Fall ist von Beginn an spannend und gut durchdacht. Lange tappt Piet im Dunkeln und gerät selbst in Gefahr. Es gibt jede Menge Verdächtige und es scheint, als hätten hier so einige Einwohner etwas zu vertuschen. Da passiert ein weiterer Mord...

Das Ende konnte mich überraschen und ich muss zugeben, dass ich wirklich auf dem Holzweg war. Der Plot ist vom Autor wirklich gut durchdacht. Für ein Erstlingswerk ist dieser Regioanlkrimi äußerst gelungen, auch wenn ein paar Klischees ausgepackt wurden. Auch dnr Lokalkolorit habe ich etwas vermisst. Falls es eine Reihe werden sollte, werde ich auf jeden Fall weiterlesen. Ich kann "Belgische Finsternis" auf jeden Fall weiterempfehlen!

Fazit:
Ein spannender Erstling, der mich richtig fesseln und überzeugen konnte. Ein paar kleine Klischees werden bedient, aber der Fall ist fesselnd und das Ende perfekt gelöst und eine wahre Überraschung.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Let's go Tibet!

Let's go Himalaya!
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Die deutsche Ärztin Katja Linke steht kurz vor einem Burnout und verordnet sich eine 3-monatige Auszeit. Schon lange hegt sie den Wunsch nach Tibet zu reisen. Das Ziel soll das Basiscamp am Mount Everest ...

Die deutsche Ärztin Katja Linke steht kurz vor einem Burnout und verordnet sich eine 3-monatige Auszeit. Schon lange hegt sie den Wunsch nach Tibet zu reisen. Das Ziel soll das Basiscamp am Mount Everest sein. Gemeinsam mit ihrer elfjährigen Tochter Julia macht sie sich auf eine Reise voller Überraschungen und wunderbaren Eindrücke.

Das erzählende Sachbuch habe ich bei einer You Tuberin gesehen und es hat sofort mein Interesse geweckt. Als es bei Lovelybooks eine Leserunde mit Katja Linke gab, habe ich mich beworben und hatte Glück.

Die Ärztin hat sich nach einer überstandenen Krebserkrankung den großen Traum erfüllt Tibet und seine Menschen kennenzulernen und bis zum Dach der Welt zu reisen. Es gelingt ihr unvergessliche Erlebnisse zu sammeln und hat diese in ihrem Reisetagebuch festgehalten. In erzählender Form nimmt sie uns mit auf die Reise in dieses ferne Land.

Die Mischung aus Sachbuch und Roman beginnt mit den Reisenvorbereitungen. Nicht nur die gesundheitlichen Aspekte müssen erfüllt werden, sondern auch die Ausrüstung und ein erfahrener einheimischer Begleiter sind ein Muss. Zusätzlich hat Katja Llinke noch einen Höhentauglichkeitstest absolviert. Julia möchte auf ihrer Reise einen für sie ganz besonderen Stein aus dem Garten ihrer Oma mitnehmen, den sie im Basislager hinterlegen möchte.

Doch schon bei der Einreise stellen sich die ersten Schwierigkeiten ein. Die äußerst strengen Konrollen der Chinesen und die darauffolgende Überwachung gehen den Beiden bald an die Nieren. Nach ihrer Ankunft in Lhasa stellt Katja Linke fest, dass fast alles, was fest geplant und vorbereitet wurde, teilweise vor Ort nicht eingehalten wurde. Doch so schnell geben Mutter und Tochter nicht auf. An ihrer Seite ist ein chinesischer Fahrer und der tibetische Führer Pubu, der ihnen wissenswertes über Land und Leute und der traditionellen Lebensweise erzählt. Weitere Themen sind die Politik, die Geschichte Tibets und der Dalai Lama, sowie der Buddhismus. Vieles davon war sehr interessant, wird aber sehr sachlich berichtet und die persönlichen Erfahruneg treten etwas in den Hintergrund. Man hat in diesen Abschnitte das Gefühl ein Geschichtsbuch oder reines Sachbuch zu lesen. Katja Linke ist vorallem auch an der tibetischen Medizin und dem Gesundheitssystem interessiert. Letzteres ist mit unserem westlichen System überhaupt nicht zu vergleichen und hat mir selbst beim Lesen (ein Zahnarztbesuch Pubus) Gänsehaut bereitet.

Mit der Sichtweise der damals erst elfjährigen Julia erhalten die öfters eher sachliche Erzählungen Witz und Lockerheit. Julia ist ein aufgewecktes Mädchen, das vieles hinterfragt und genau wissen möchte. Aus Kindersicht sind doch einige Themen erfrischend anders. Julia hat vorallem beeindruckt, dass die tibtischen Kinder für ihren Schulweg Tage benötigen und oftmals Monate von zuhause fort sind, um sich den Schulbesuch zu ermöglichen.
Julias blondes Haar hat immer wieder Aufregung hervorgerufen und den beiden auch einige Male aus brenzligen Situationen heraus geholfen.

Auf dem letzten Abschnitt lernen sie noch den Mönch Tashi kennen, der sie zum Basislager begleiten wird. Er versucht Katja von den Weisheiten des Buddhismus zu überzeugen und unterstützt Katja, als sie in eine Sinnkrise fällt, aber auch Julia, die das Heimweh plagt. Angekommen am Dach der Welt sind alle Strapazen vergessen und ein großes Glücksgefühl stellt sich ein.

Fazit:
Mit "Lets go Himalaya" - Wo bitte geht's nach Shangri-La? haben Katja Linke und ihre Tochter einen interessanten Reisebericht mit persönlichen Erlebnissen niedergeschrieben, der uns zeigt, wie froh wir sein können ein Gesundheitssystem, wie unseres zu haben und wir außerdem die Freiheit besitzen, sagen zu dürfen, was man denkt. Neben den Strapazen und den wundervollen Momenten der Reise wird auch die Mutter-Tochter-Beziehung gestärkt. Es bleibt ein unvergessliches Erlebnis!

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Veröffentlicht am 25.09.2020

Was hält ein Mensch alles aus?

Am Himmel drei Sterne
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1942. Siebenbürgen, Rumänien. Selma und ihre kränkliche Schwester Irma leben in Burgthal im deutschsprachigen Teil Rumäniens. Bei einem Tanzabend lernt Selma den deutschen Soldaten Johann kennen. Die beiden ...

1942. Siebenbürgen, Rumänien. Selma und ihre kränkliche Schwester Irma leben in Burgthal im deutschsprachigen Teil Rumäniens. Bei einem Tanzabend lernt Selma den deutschen Soldaten Johann kennen. Die beiden verlieben sich trotz Kriegszeiten ineinander. Ihnen ist nur wenig gemeinsame Zeit vergönnt, denn Johann wird an die Ostfront geschickt. Selma bleibt mit ihm in Kontakt und wartet auf seine Rückkehr. Doch dann wechseln die Rumänen die Seiten und verbünden sich mit den Alliierten. So kommt es, dass die deutsche Minderheit enteignet und junge Frauen und Männer von den Russen abgeholt und in Arbeitslager gebracht werden. Bereits der Transport in die Arbeitslager wird zum Überlebenskampf. So einige Stellen erinnerten mich an die Judentransporte, die ebenfalls in Viehwaggons Richtung Osten in die KZs gebracht wurden. In der Ukraine erleben Selma und Irma nicht nur grauenhafte Arbeitsbedingungen, sondern auch sibirische Kälte. Selma versucht alles um ihre kränkliche Schwester zu schützen und einen Weg zu finden sie nach Hause zu bringen....

Unter dem Pseudonym Maya Freiberger versteckt sich ein deutsches Autorenpaar. Wer dahintersteckt weiß ich leider nicht ;) Aber ich weiß, dass diese Geschichte auf den Memoiren der Tante des männlichen Parts basiert. Leider wird im Nachwort nicht näher erläutert was wahr und was fiktiv an der Geschichte ist.
Der Roman beginnt mit einem Prolog im Jahr 2001 und endet auch in diesem Jahr. Dazwischen erzählt die mittlerweile alte Selma ihrer Tochter Karoline aus ihrer Zeit im Arbeitslager in der Ukraine. Der erste Teil des Romans spielt von 1942-1946 und Teil zwei von 1946-1948.
Mit Selma konnte ich mich sehr schnell anfreunden, auch wenn ich oftmals dachte sie sei zu gutgläubig. Sie gibt die Hoffnung nie auf Irma rechtzeitig aus dem Arbeitslager zu schaffen. Selbst in ihrem größten Feind fand sie noch etwas Gutes, was ich nicht wirklich nachvollziehen konnte...vorallem in ihrer Situation. Sie ist aber auch stark und setzt sich für andere ein.
Irma ist, im Gegenteil, zu Selma eher ruhig. Durch ihre immer wiederkehrenden Fieberschübe, deren Ursache man nie gefunden hat, musste sie bereits als Kind immer wieder zurückstecken. Doch auch sie ist zäh und bewundernswert. Auch Gisela, Efrem oder Marianne sind interessante Charaktere, die sich weiterentwickeln und auch andere Seiten an sich zeigen.

Durch die bildhafte Erzählweise lebt man mit den Figuren mit. Der Spannungsbogen bleibt die ganze Zeit über hoch und einmal angefangen, kann man das Buch schwer wieder aus der Hand legen. Trotzdem gefiel mit Teil Eins besser, als der Zweite, bei dem mir einige Sequenzen oftmals zu dramatisch und unglaubwürdig vorkamen. Maya Freiberger spart an zu brutalen Szenen, was ich einerseits gut finde, mir aber deswegen das Vorgehen im Arbeitslager zu unwirklich vorkam. Ich habe bereits einige Bücher in diese Richtung gelesen und da gab es gegenüber den Gefangenen keinerlei Pardon, wenn sie z. Bsp. bei einem Fluchtversuch erwischt wurden. Trotzdem kommen die unmenschlichen Zustände in den Gulags beim Leser an und man spürt die Machtlosigkeit der Gefangenen, sowie den Hunger und die Kälte. Man denkt der Krieg hat bereits genug angerichtet und Menschleben zerstört, doch die Russen üben Vergeltung an den hilflosen Frauen für die Gräuel der deutschen Soldaten in ihrem Land.

Maya Freiberger hebt vorallem die Schwesternliebe von Selma und Irma stark hervor. Zusätzlich erinnert sie immer wieder daran, dass es keine Rolle spielt, welcher Nationalität ein Mensch angehört, denn es gibt in jedem Land gute und böse Menschen. Zusätzlich wird mit dieser Geschichte daran erinnert, was auch noch nach Kriegsende passiert ist und wie viele Menschen damals auf der Flucht waren oder enteignet wurden...egal wo. Meine Vorfahren (mütterlichseits) wurden zum Beispiel aus Mähren (Tschechien) verjagt und enteignet. Der Brünner Todesmarsch zu uns nach Österreich hat Tausenden das Leben gekostet.

Der Titel "Am Himmel drei Sterne" vermittelt Hoffnung. Das idyllische Cover passt meiner Meinung nicht ganz zur Geschichte. Denkt man aber an eine Interpretation bei der sich die Schwestern auf einen neuen Weg in die Freiheit aufmachen, würde ich es als passend finden.

Fazit:
Ein Roman zum Nachdenken über Menschlichkeit, Zusammenhalt, Überleben in den sibirischen Arbeitslagern und die Hoffnung die Freiheit eines Tages wieder zu erlangen. Mit viel Gefühl erzählt, manchmal etwas zu dramatisch, aber auf jeden Fall eine weitere wichtige Geschichte #gegendasvergessen.

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