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Veröffentlicht am 29.11.2020

Annas Wille zu überleben

Trümmermädchen
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Köln 1941 Mitten im Krieg wächst die 8jährige Anna trotz allem beschützt bei ihrer Tante Marie und deren Mann Matthias, der eine Bäckerei betreibt, auf. Das ändert sich über Nacht, als Matthias an die ...

Köln 1941 Mitten im Krieg wächst die 8jährige Anna trotz allem beschützt bei ihrer Tante Marie und deren Mann Matthias, der eine Bäckerei betreibt, auf. Das ändert sich über Nacht, als Matthias an die Ostfront versetzt wird. Gemeinsam mit dem polnischen Fremdarbeiter Joseph versucht Marie die Bäckerei am laufen zu halten. Doch das Haus wird durch Bomben zerstört. Noch schlimmer wird es nach Kriegsende, als Hunger und ein unerbittlicher Winter Köln fest im Griff haben. Nur durch Annas Schwarzmarktgeschäfte bleibt die Familie, zu der mittlerweile auch der kleine Karl, Marie Sohn, gehört gerade so am Leben. Zu allem Unglück erkrankt Karl an Tuberkulose und das lebensrettende Penicillin ist nicht verfügbar. Wenn nur Matthias aus dem Krieg zurück wäre, doch der ist in Russland verschollen. Auch Anna wartet sehnsüchtig auf die Liebe ihres Lebens.
Die Autorin erzählt die Geschichte abwechselnd aus Maries und Annas Sicht. Das fand ich gelungen, da ich so die Ereignisse sowohl aus Sicht der Erwachsenen als auch der eines Kindes erleben durfte. Der Beginn ist geradezu heiter. Marie, Matthias und Anna sind eine glückliche Familie trotz des Krieges. Um so härter schlägt das Schicksal zu, als Matthias an die Front muss. Und als wäre der Krieg nicht genug, macht der Innungsmeister Büll Marie das Leben schwer, da Marie sich seinen Annäherungsversuchen widersetzt. Während des Krieges ein überzeugter Nazi, ist ihm auch nach Kriegsende das Glück hold. Er nutzt Maries Notlage erbarmungslos aus. Ich habe Büll von Herzen gehasst. Interessant war die Entwicklung der beiden Frauen. Zuerst ist Marie diejenige, die sich aufopferungsvoll um die beiden Kinder kümmert. Das ändert sich nach Kriegsende. Marie scheint allmählich die Hoffnung zu verlieren. Der Kampf um etwas Nahrung kostet ihre ganze Kraft. Die Kinder beginnen, sich ihr zu entfremden. Anna übernimmt immer mehr Verantwortung, kümmert sich um Karl und stellt sich den Gefahren des Schwarzmarktes. Beide Figuren sind mir dennoch ans Herz gewachsen, wobei ich ein wenig mehr mit Marie gelitten habe. Anna war manchmal ein sehr pubertierender Teenager.
Insgesamt muss ich der Autorin ein aufrichtiges Kompliment machen für ihre anschaulichen Schilderungen des Hungerwinters. Durch eindringliche Bilder und wenige Sätze war auch für mich der Schrecken dieser Zeit gegenwärtig und nachvollziehbar. Die Sprache war nie pathetisch und ich hatte auch nie das Gefühl, die Autorin würde zu sentimental werden.
Von mir für diesen bewegenden und historisch interessanten Roman 5 Sterne und eine überzeugte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 22.11.2020

Schuld und Sühne

Ein Lied in der Nacht
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Raja findet nach dem Unfalltod seiner Frau Sita wieder zurück ins Leben. Eine große Hilfe hierbei sind die Bewohner des Kinderheims Dar-as-Salam. Als Moussa, eines der Kinder, auf einem Zeitungsbild seinen ...

Raja findet nach dem Unfalltod seiner Frau Sita wieder zurück ins Leben. Eine große Hilfe hierbei sind die Bewohner des Kinderheims Dar-as-Salam. Als Moussa, eines der Kinder, auf einem Zeitungsbild seinen Peiniger aus der Vergangenheit erkennt, sind sich Raja und Vikram sofort einig, die Schuldigen der gerechten Strafe zuzuführen. Gemeinsam mit Vikrams Frau Sameera begeben sie sich in die Schlangengrube der Verbrecher und geraten in Lebensgefahr. Nicht genug erhebt Vikrams dunkle Vergangenheit ihr hässliches Haupt. Das feste Band der Freundschaft zwischen Vikram und Raja steht vor einer großen Zerreißprobe.

Das ist bereits der 5. Band der beiden Autorinnen, der mich in das faszinierende Kashmir entführt. Es ist mittlerweile beinahe wie ein Nach-Hause-Kommen, auf die vertrauten Figuren zu treffen. Dabei gefällt mir gut, dass die Handlung verhalten beginnt. Es ist eine gelungene Mischung aus Rückblicken auf Vergangenes, um in die Handlung rein zu finden und neuen Informationen. Im weiteren Verlauf der Ereignisse merkt man schnell, dass die Autorinnen auch hervorragende Krimischriftstellerinnen sind. Die Ermittlungen von Raja und Vikram, um den Kinderschänderring zu Fall zu bringen, sind sehr spannend, wobei die in meinen Augen exotischen Rahmenbedingungen gekonnt mit einfließen. Ein anderes großes Thema des Romans ist Schuld und Vergebung. Nach welchem Maßstab beurteile ich einen Menschen ? Nach seinen Taten in der Vergangenheit oder würdige ich sein aufrechtes Bemühen um Wiedergutmachung ? Auch diese elementaren Fragen werden unterhaltsam präsentiert, ohne zu langweilen. Im Gegenteil aus ihnen ergibt sich ein neues dramatisches Element der Erzählung.

Für mich war der Roman beste Unterhaltung und eine überzeugende Mischung aus spannender Krimihandlung und den kleinen und großen Nöten der beiden Freunden Raja und Vikram mit ihren Familien, eingebettet in den besonderen Zauber Kashmirs.

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Veröffentlicht am 19.11.2020

Hamburg im 1. Weltkrieg

Die Hafenschwester (2)
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Martha hat ihren Platz im Leben gefunden. Ihr, ihrem Mann Paul und den Kindern geht es gut. Zu ihrer Freude klappt es mit einem Besuch in Amerika bei ihrer Freundin Milli, die ebenfalls ihr Glück gefunden ...

Martha hat ihren Platz im Leben gefunden. Ihr, ihrem Mann Paul und den Kindern geht es gut. Zu ihrer Freude klappt es mit einem Besuch in Amerika bei ihrer Freundin Milli, die ebenfalls ihr Glück gefunden hat. Doch dann ziehen schwarze Wolken auf. Der 1. Weltkrieg beginnt. Paul wird eingezogen und schwer verletzt. Auch andere Familienmitglieder trifft es hart. Als der 1. Weltkrieg mit den Matrosenaufständen endet, sind alle froh, diese entbehrungsreichen Jahre überstanden zu haben. Die Zukunft erscheint nun in goldenem Licht.

Das Buch bietet in meinen Augen den besten und unterhaltsamsten Geschichtsunterricht, den ich je hatte. Die Autorin lässt mich viele wichtige Ereignisse und deren Auswirkungen auf das tägliche Leben des Einzelnen durch Marthas Familie miterleben. Dabei sind die Erlebnisse vielfältig wie das Leben selbst. So durfte ich mit Paul das Dampfschiff Imperator, das größte Passagierschiff der Welt, besichtigen .Ich wusste nicht, dass es in Hamburg bereits einen Vergnügungspark ähnlich der heutigen gab. Dann erlebe ich die Schrecken und Einschränkungen des Krieges. Die Autorin widmet breiten Raum den Entwicklungen der Medizin auf dem Gebiet der Prothetik und der Gesichtschirurgie . Das fand ich sehr spannend. Was mich zudem fasziniert hat, waren die Einblicke in die chinesische Lebensweise zur damaligen Zeit. Die Autorin macht das geschickt, in dem sie Marthas Bruder Heinrich eine Chinesin heiraten lässt. Der Roman endet hoffnungsfroh mit dem Ende des Kaiserreiches.

Ich bin vom Buch aufrichtig begeistert. Fast jeder Satz bietet eine geschichtliche Information, aber immer unterhaltsam verpackt. In der Gesamtschau entwirft die Autorin ein lebendiges, interessantes Bild der damaligen Zeit mit abwechslungsreichen Einblicken in das Leben einer politisch interessierten Familie.

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Nieder mit Herzog Ulrich !

Tribut der Schande
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Der Konflikt zwischen der Bewegung "Armer Konrad" und Herzog Ulrich spitzt sich weiter zu. Der Gaispeter, einer der Anführer des "Armen Konrads" ruft zum offenen Widerstand und zum Marsch nach Untertürkheim ...

Der Konflikt zwischen der Bewegung "Armer Konrad" und Herzog Ulrich spitzt sich weiter zu. Der Gaispeter, einer der Anführer des "Armen Konrads" ruft zum offenen Widerstand und zum Marsch nach Untertürkheim auf. Franziska und Jakob unterstützen die Widerstandsgruppe weiterhin. Franziska hofft dadurch, Rache für die zu Unrecht erfolgte Hinrichtung ihres Vaters und ihres Verlobten Martin nehmen zu können. Sie hält den Herzog für den wahren Mörder. Doch Herzog Ulrich ist nicht gewillt, sich vom Böfel Vorschriften machen zu lassen. Er schlägt den Aufstand blutig nieder und nimmt furchtbare Rache an den Beteiligten. Währenddessen bangt Franziska um Jakob, der Ludwigs Soldaten in die Hände gefallen ist.

Die Bewegung des "Armen Konrad" stellt das erste Mal in der deutschen Geschichte dar, dass sich der gemeine Mann gegen die Obrigkeit erhoben hat. Dank der mitreißenden Erzählweise der Autorin hatte ich das Gefühl, ich würde an den Ereignissen teilnehmen. Ich habe die Verzweiflung der Aufständischen geteilt, die nicht wussten, wie sie bei all den Abgaben überleben sollen. Ich habe den Versprechungen des Herzogs hoffnungsvoll geglaubt und war entsetzt ob der Grausamkeit und Rachsucht mit der Ulrich den "Armen Konrad" regelrecht vernichtet hat. Dieses Miterleben war mir vor allem deswegen so gut möglich, weil ich mich mit Franziska und Jakob identifizieren konnte, die sich beide immer mitten im Geschehen bewegen. Zwar blitzt der Handlungsstrang, in dem Franziska nach Gerechtigkeit für das von ihr erlittene Unrecht sucht, immer wieder auf, aber der Schwerpunkt des Romans liegt für mich eindeutig auf den historischen Ereignissen. Die waren aber für sich schon unglaublich spannend, dass sie mich völlig in ihren Bann zogen und ich nichts vermisst habe.

5 Sterne für einen begeisternden historischen Roman, der in meinen Augen in dankenswerter Weise den gemeinen Mann in den Fokus stellt.

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Veröffentlicht am 08.11.2020

Zwei unterschiedliche Frauen und der Wunsch nach Glück

Sturm über Formosa
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Die Händlertochter Griet lebt 1659 in Rotterdam. Während sie von der großen Liebe und Abenteuer träumt , scheint ihr Weg in eine Zweckehe vorgezeichnet. Doch Griet gelingt es den wesentlich älteren verwitweten ...

Die Händlertochter Griet lebt 1659 in Rotterdam. Während sie von der großen Liebe und Abenteuer träumt , scheint ihr Weg in eine Zweckehe vorgezeichnet. Doch Griet gelingt es den wesentlich älteren verwitweten Kaufmann Aert zum Mann zu bekommen, in den sie sich verliebt hat. Aus wirtschaftlichen Gründen muss die Familie kurz nach der Heirat nach Formosa auswandern. Endlich findet Griet das gesuchte Abenteuer und verliebt sich in einen Fremden.

Zur selben Zeit lebt die junge Chinesin Qianquian das beschützte Leben einer Tochter aus reichem Hause. Aus heiterem Himmel zwingen kriegerische Auseinandersetzungen das junge Mädchen zur Flucht nach Formosa. Dort hofft Qianquian auf ein sicheres Leben und findet ihre große Liebe. Aber der Überfall des chinesischen Feldherrn Koxinga auf Formosa wirbelt das Leben der beiden Frauen durcheinander.

Mich hat das Buch von der ersten Seite an gefesselt, dank dem unterhaltsamen und spannenden Erzählstil der Autorin. Abwechselnd konnte ich am Leben von Griet und Qianquian teilnehmen, wobei mich Qianquians exotischen Lebensumstände zu Beginn mehr fesseln konnten. Beide Frauen verlassen die ihnen von der Gesellschaft vorgegebenen Lebenswege und entwickeln sich zu starken Persönlichkeiten. Besonders Qianquian habe ich bewundert, denn sie wird durch die Umstände dazu gezwungen und war durch ihre Erziehung für ein Leben außerhalb der Familie völlig unvorbereitet. Griet war mir zu Beginn eher unsympathisch. Ich fand sie sehr egoistisch, verzogen und naiv. Diese Einschätzung änderte sich mit der Ankunft auf Formosa und ihrer Bereitschaft, auf andere Kulturen und Menschen offen zuzugehen. Auch ihr Verantwortungsgefühl für ihre Familienangehörigen hat mich überzeugt. Die Geschichte der beiden Frauen ist eingebettet in sehr anschauliche Schilderungen der damaligen Lebensverhältnisse. Gefangen genommen haben mich die historischen Ereignisse auf Formosa, die mir bis dahin unbekannt waren. So wusste ich nicht, dass Formosa eine holländische Kolonie mit eigenen Ureinwohnern war.

5 Sterne für einen tollen historischen Roman, der in unterhaltsamer Weise ein eher unbekanntes Geschichtskapitel beleuchtet und dieses mit der bewegenden Lebensgeschichte zweier starken Frauen verknüpft.

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