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Veröffentlicht am 17.02.2021

Eine fesselnde Familiensaga, voller Überraschungen und wunderbar geschrieben.

Die vier Gezeiten
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Eine fesselnde Familiensaga, voller Überraschungen und wunderbar geschrieben.

Die Familie Kießling betreibt das Hotel de Tiden auf der Insel Juist, Patriarch Eduard Kießling hat sich viele Jahre als Bürgermeister ...

Eine fesselnde Familiensaga, voller Überraschungen und wunderbar geschrieben.

Die Familie Kießling betreibt das Hotel de Tiden auf der Insel Juist, Patriarch Eduard Kießling hat sich viele Jahre als Bürgermeister für die Belange der Insel eingesetzt, nun soll er das Bundesverdienstkreuz erhalten. Zu diesem Ereignis muss auch die Familie dabei sein: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Als plötzlich Helen aus Neuseeland in die Generalprobe hinein platzt und behauptet, mit den Kießlings verwandt zu sein, bekommt die Familiengeschichte langsam Risse. Es kommen viele Wahrheiten ans Licht, die jahrelang im Verborgenen blieben.

"Liebe und Tod, mein Mädchen, sind wie Ebbe und Flut... In dem Moment, in dem die Liebe beginnt, wartet auch schon der Tod." Zitat Seite 281

Die Geschichte beginnt 1978 mit einem Tagebucheintrag, der davon erzählt, dass eine Frau ihrem Leben im Watt ein Ende setzen möchte. Dann gibt es einen Zeitsprung und wir befinden uns im Jahr 2008, Adda erzählt von der bevorstehenden Generalprobe der Feier anläßlich der Überreichung des Bundesverdienstkreuzes an ihren Mann Eduard. Er ist keine sympathische Figur, um es mal positiv auszudrücken. Das unerwartete Auftauchen der jungen Helen sorgt für Aufregung in der Familie, zudem sie Adda auch noch sehr ähnlich sieht. Es wird ein Stein ins Rollen gebracht, der die verschiedenen Charaktere der Familie näher beleuchtet und mehr aus ihrem Leben verrät und den Leser damit unweigerlich in einen Lesesog mitnimmt, der wie bei Ebbe und Flut Höhen und Tiefen zeigt in menschlichen Gefühlen wie Zuneigung, Liebe und Verlust.

Anne Prettin Schreibstil hat mich begeistert, sie schreibt sehr schön, lebendig und bildhaft und dadurch wird das Lesen einfach zu einem Vergnügen. Ihre Charaktere hat sie mit großer Ausdrucksstärke versehen, die Gefühle und Erlebnisse sind so nachfühlbar und vielseitig beschrieben wie im echten Leben. Ich habe alle Figuren direkt beim Lesen vor Augen gehabt und bin tief in die Geschichte mitsamt seinen Geheimnissen und Wendungen eingetaucht.

Die Inhalte eines Tagebuchs lassen Stück für Stück immer mehr hinter die bröckelnde Fassade der Familie blicken. Dabei werden Abgründe familiärer Autorität und menschliche Dramen entlarvt, die für emotionale Momente sorgen und mich bis zum Ende nicht losgelassen haben. Sehr stimmungsvoll sind auch die Beschreibungen des Meeres mit Strandspaziergängen und der lauernden Gefahr des Watt, wo Priele und Untiefen für Gefahr sorgen.

"Die vier Gezeiten" ist ein wunderbar unterhaltsamer Roman über eine Familie, die mit facettenreichen Charakteren, zu lüftenden Geheimnissen sowie einiges an Spannung aufwarten kann.

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Veröffentlicht am 07.02.2021

Ein großartiger Fotobildband zum Staunen und Entdecken!

Aves | Vögel. Charakterköpfe
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Das Sachbuch "AVES - Vögel Charakterköpfe" enthält Fotografien von Tom Krausz und Texte von Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni, es erscheint im Dölling und Galitz Verlag.

»Noch nie habe ich in so viele ...

Das Sachbuch "AVES - Vögel Charakterköpfe" enthält Fotografien von Tom Krausz und Texte von Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni, es erscheint im Dölling und Galitz Verlag.

»Noch nie habe ich in so viele faszinierende Vogelgesichter geblickt wie in diesem Buch. Wir sehen sprechende Gesichter, Charakterköpfe: Rechtsanwälte, Mafiosi, Hausfrauen, Charmeure, Betrüger und Naive - wie im richtigen (Menschen-)Leben -, wir sehen den Punk und den strengen Gelehrten. Und wir begreifen die Individualität jedes einzelnen dieser Tiere wie die jedes einzelnen Menschen«, schreibt Elke Heidenreich in diesem ungewöhnlichen Fotobuch.

Aves, lateinisch für Vögel, sind eine Klasse der Wirbeltiere, deren Vertreter Flügel, Federn und einen Schnabel aufweisen.

Dieser Bildband enthält Schwarz-Weiß-Fotografien von den Porträts einzelner Vögel aus rund 60 Vogelarten. Dabei werden Lebensräume und Umgebung ausgeblendet, es gibt nur den direkten Blickkontakt mit dem einzelnen Indiviuum. So wird der Blick auf die jeweilige Physiognomie des einzelnen Vogels gelegt.

Doch nicht nur die Fotografien begeistern, auch die Texte, die Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni auf humorvolle, ernste und immer der Vogelgattung spezifizierte Weise beisteuern, lassen sich unterhaltsam und lehrreich lesen.

Interessant ist auch ein Essay zur Physiognomie der Vögel von Literaturwissenschaftler Dietmar Schmidt. Zu allen Vogelarten gibt es einen Überblick der biologischen Kurzmerkmale, mit Angaben zum Vorkommen, zur Lebensweise und dem Status auf der Roten-Liste der gefährdeten Arten.

Wir befinden uns Auge in Auge mit verschiedenen Vögeln, alles unterschiedliche Gattungen und individuelle Charakterköpfe, die mit ihrem Blick den Betrachter anvisieren. Was geht dabei wohl in ihnen vor? Jeder einzelne Vogel ist vor den Menschen auf der Hut, ist mit seinem Überlebenskampf beschäftigt und der Mensch zerstört den natürlichen Lebensraum.

Was macht das Verhältnis zwischen Mensch und Vogel aus? Wir betrachten sie, lauschen ihrem Lauten und bestenfalls ihrem Gesang und erleben sie in ihrem Lebensraum, den sich der Mensch immer mehr zu eigen macht. Bei diesen Auge-in-Auge-Porträts scheint es so, als ob die Vögel uns betrachten und man bemerkt ihre individuellen Charakterzüge.

Diese ausdrucksstarken Vogelporträts zeigen die Persönlichkeit jeden Vogels und das ist nicht nur für Hobbyornithologen ein großes Vergnügen. Bei Elke Heidenreichs Texten kann man schmunzeln, sie erwähnt neben allerlei Erbaulichem auch kleine Kurzgedichte. Auch Urs Heinz Aerni weiß einige Anekdoten zum Besten zu geben und so bilden die Texte den passenden Rahmen für die Vorstellung der Vogelgesichter.

Ob exotisch oder einheimisch, hier zeigen Spatz, Meise, Mönchsgeier, Andenkondor, Harpyie, Schuhschnabel und Schleiereule aus nächster Nähe ihre Vogelgesichter und mit scheinbar großer Würde. Sie haben fast menschliche Ausdrücke und wirken neugierig, ängstlich, skeptisch, verletzlich, kämpferisch und bemerkenswert sonderbar. Es sind verletzbare Individuen, die von ihren Lebensräumen abhängig sind. Wir müssen uns ihrer annehmen, um die Arten erhalten.

Auge in Auge mit einzelnen Vögeln, so sieht man sich sonst nie. Ein wunderbarer Fotoband zum Staunen, Freuen, Wundern oder Entdecken. Für Vogelfreunde ein ganz besonders schönes Geschenk!

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Veröffentlicht am 06.02.2021

Fesselnde, facettenreich erzählte Nachkriegsgeschichte

Glückskinder
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Der Roman "Glückskinder" von Teresa Simon alias Brigitte Riebe erscheint im Heyne Verlag.

1945 direkt nach Kriegsende begegnen sich Toni und die Niederländerin Griet in München. Toni hat ihr Zuhause verloren ...

Der Roman "Glückskinder" von Teresa Simon alias Brigitte Riebe erscheint im Heyne Verlag.

1945 direkt nach Kriegsende begegnen sich Toni und die Niederländerin Griet in München. Toni hat ihr Zuhause verloren und wohnt bei Tante Vev, auf dem Schwarzmarkt beschafft sie notwendige Güter, um ihrer Familie das Überleben zu sichern. Griet hat eine schwere Zeit als Zwangsarbeiterin hinter sich, sie wird von den Amerikanern befreit und bekommt bei Tante Vev ein Zimmer zugewiesen. Anfangs können sich beide nicht leiden, doch dann entsteht so etwas wie Freundschaft.

Griet van Mook war als Zwangsarbeiterin in einem KZ-Außenlager und litt sehr an Hunger und den Drangsalen ihrer Bewacher. Ihr eiserner Überlebenswillen half ihr durch diese schwere Zeit. Immer wieder spricht sie sich mit ihrem Motto Mut zu: "Ich. Bin. Griet. Van. Mook. Ich. Werde. Leben. "

Toni und Griet sind ungefähr gleich alt. Die Wohnung von Tonis Tante wurde vom Bombenhagel verschont, insofern hat Toni Glück, denn sie hat eine Bleibe. Auch Griet empfindet ihre Befreiung durch die Amis und ein eigenes Zimmer als großes Glück, wobei die Zwangszuweisung nicht unbedingt gern gesehen ist. Doch die Bewohnerinnen arrangieren sich und merken bald, jede hat ihre persönlichen Narben auf der Seele. Auch wenn die Nazi-Zeit und der Krieg vorbei sind, gibt es Lebensmittel- und Wohnungsknappheit, die den Menschen zu schaffen machen. Umso schöner sind die kleinen Freuden, wie die durch den Schwarzmarkt ertauschten Waren, eine Nähmaschine oder die Wohttaten der Amerikaner. Es sind Hoffnungsschimmer in dieser schweren Zeit.

Teresa Simon hat ein Händchen für die Charakterisierung ihrer Figuren. Es entstehen lebendige Personen, die sie mit Hoffnungen, Emotionen und Erlebnissen füllt, die anrührend wirken und mich komplett gefesselt haben. Fast hatte ich das Gefühl, selbst dabei zu sein. Ihr einnehmender Erzählstil ist von Anfang bis Ende fesselnd und die Handlung ist sehr abwechslungreich gestaltet. Interessant zu beobachten sind auch die gezeigten Schauplätze wie der Schwarzmarkt in der Möhlstraße und die neu erwachende Musik- und Kulturszene, die die junge Generation mit neuem Lebensmut füllen konnte.

Ganz besonders habe ich die ausführlichen Beschreibungen der Kleidung und die Ernährung der "guten Kost aus mageren Zeiten" verfolgt. Im Anhang gibt es einige abgedruckte Rezepte zu Kartoffelgerichten, Süßspeisen und Geflügelgerichten, die zeigen, wie die Not erfinderisch machte.

Sehr deutlich zeigt dieser Roman auf, wie grausam diese Zeit die Menschen mit Entbehrung und Sorgen peinigte. Trotzdem ließen sich Toni und Griet nicht unterkriegen und haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und ihr Leben mit Mut und Tatkraft in eine hoffnungsvolle Zukunft gelenkt.


"Glückskinder" fesselt mit einer emotionalen Geschichte über den täglichen Überlebenskampf der Menschen in der Nachkriegszeit. Es ist ein zutiefst ergreifendes Buch, das bis zur letzten Seite fesselt.

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Veröffentlicht am 25.01.2021

Wunderbar erzählter Auftaktband und ein echter Lesegenuß

Elbleuchten
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Miriam Georg ist die Autorin des Romans "Elbleuchten", der im Rowohlt Verlag erscheint.

1886: Lily Karsten lebt als privilegierte Tochter eines Hamburger Reeders in einer Villa an der Bellevue. Sie möchte ...

Miriam Georg ist die Autorin des Romans "Elbleuchten", der im Rowohlt Verlag erscheint.

1886: Lily Karsten lebt als privilegierte Tochter eines Hamburger Reeders in einer Villa an der Bellevue. Sie möchte Schriftstellerin werden und hat einen Verlobten Henry, den sie zu lieben glaubt. Anläßlich einer Schifftaufe im Jahr 1886 wird ihr Hut ins Wasser der Elbe geweht, ein Arbeiter versucht ihn zu holen. Dabei geschieht ein schrecklicher Unfall, doch für das Schicksal des Mannes und seiner Familie scheint niemand die Verantwortung übernehmen zu wollen, bis auf Lily.
Jo Bolten wuchs in armen Verhältnissen im Altstädter Gängeviertel auf und arbeitet im Hafen für Ludwig Oolkert, den mächtigsten Kaufmann der Stadt. Jo bittet bei den Karstens für seinen verletzten Freund um Hilfe, doch damit hat er keinen Erfolg. Lily und Jo lernen sich durch den Unfall kennen, sie kommen sich näher und an Jos Seite erlebt sie das Elend der Menschen und ihren täglichen Überlebenskampf und erfährt die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie

Dieser Auftaktband der Familiensaga hat mich von Anfang an mit seinen Figuren gefesselt. Ich konnte mit den unterschiedlichen Schicksalen mitfiebern, habe mich über die fehlende Geschlechter-Gleichberechtigung aufgeregt, konnte mitfiebern, hoffen und mich auch über einige Dinge freuen.

Die Themenbreite ist weit gefächert, es geht um die Rolle und die Rechteder Frau, um den Kampf für soziale Gerechtigkeit in der Arbeiterschaft, um die großen Reedereien und den Import von Opium. Es machte mich betroffen zu lesen, wie wenig entwickelt die Frauenrechte damals noch waren und wie abhängig die Arbeiter vom Wohlwollen ihrer Arbeitgeber.

Auch wenn die Romanfiguren fiktiv angelegt sind, orientieren sie sich dank der Recherche der Autorin an historisch belegten Vorbildern. Insgesamt wird uns hier ein stimmiges Bild vom Leben im 19. Jahrhundert in Hamburg dargelegt, bei dem die handelnden Charaktere mit vielschichtigen Facetten sehr authentisch zum Leben erweckt werden.

Lily ist meine Sympathieträgerin, sie besucht ein Lehrerinnen Seminar und ist eine Frau, die Rollenbilder kritisch hinterfragt, sehr empathisch um das Wohl ihrer Mitmenschen besorgt ist und damit in ihrer althergebracht handelnden Familie nicht gerade auf Gegenliebe stösst. Der Unfall mit dem Arbeiter hat ihr die Augen für die Realität geöffnet, die sie vorher in ihrer behüteten Welt gar nicht wahrgenommen hat. Durch Jo lernt sie die Elendsviertel Hamburgs kennen und ihren Auszug aus dem Elternhaus habe ich bewundert. Doch von einem selbstbestimmten Leben kann keine Rede sein. Ihre Schweizer Freundin Emma ist Ärztin, ebenfalls selbstbewusst und führt Lily in einen Frauenkreis ein, der für Gleichberechtigung und soziale Rechte kämpft. Lily verliebt sich in Jo, eine Liebe, die in ihrer Familie nicht geduldet wird. Nicht einmal ihre Mutter Sylta kann für Lily kämpfen, schliesslich ist sie selbst gefangen in ihrer Rolle, die dem guten Ruf der Familie verpflichtet ist.

Dieser Roman bekommt seine besondere Würze durch die Darstellung der gesellschaftlichen Unterschiede und lebt vom Handeln der guten und bösen Menschen. Es ist eine Gefühlsachterbahn an Erlebnissen, die die Lektüre zu einem Pageturner werden lassen. Daran hat natürlich auch Miriam Georgs mitreißender und bildhafter Schreibstil seinen Anteil, der mir das Leben in Hamburg authentisch aufgezeigt hat und mich gespannt in die Szenerie eintauchen ließ.

Am Ende wartet ein Cliffhanger wie in einem Thriller, der umso gespannter auf den Folgeband warten lässt.

Wer gern historische Romane liest, wird "Elbleuchten" lieben. Hier bekommt man einen umfassenden Einblick in Stadtansichten, Lebens- und Arbeitsalltag, Frauenrechte und gesellschaftliches Leben mit unüberwindbaren Standesunterschieden in einer interessanten Personenkonstellation geboten, die für Lesegenuß sorgen. Ein Roman, den man nicht so schnell vergessen wird.

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Veröffentlicht am 10.01.2021

Eine klare Leseempfehlung für historische Romanleser:innen

Die Kannenbäckerin
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Annette Spratte ist die Autorin des historischen Romans "Die Kannenbäckerin", der im Francke Verlag erscheint.

Im 17. Jahrhundert während des 30-jährigen Krieges wütet im Westerwald die Pest. Die 13-jährige ...

Annette Spratte ist die Autorin des historischen Romans "Die Kannenbäckerin", der im Francke Verlag erscheint.

Im 17. Jahrhundert während des 30-jährigen Krieges wütet im Westerwald die Pest. Die 13-jährige Johanna verliert ihre ganze Familie an die Krankheit. Nun muss sie sich zu ihrem Onkel, einem Töpfer im Kannenbäckerland durchschlagen, in der Hoffnung, dass er sie bei sich aufnimmt. Um vor herumziehenden Soldaten geschützt zu sein, verkleidet eine Nachbarin Johanna als Junge.

Annette Spratte hat mich mit ihrer vom Schicksal gebeutelten Johanna von Anfang an in ihre lebendig erzählte Geschichte hineingezogen und ich konnte gar nicht anders als Johannas Erlebnisse gespannt zu verfolgen. Die Autorin spart nicht an realistisch klingenden Beschreibungen des Zeitgeschehens, man erlebt hautnah dass die grassierende Pest die Menschen massenhaft sterben ließ und wie herumziehende Soldaten die kleinen Dörfer skrupellos plünderten und die Bewohner ausraubten.

Als Johanna bei ihrem Onkel und ihrer Tante als vermeintlicher Neffe Johann unterkommen kann, entdeckt sie ihr Interesse und ihr Talent fürs Töpfern. Sehr interessant ist die Beschreibung der Arbeitsschritte rund um das Töpferhandwerk und ich habe die Probleme des Brennens und der Tonbeschaffung eindringlich miterleben dürfen und gehofft, dass die Tonwaren heil bleiben und gut verkauft werden können.

Zu dieser Zeit war die Hexenverfolgung ein grausames Werkzeug der Inquisition. Auch Johanna wird als Hexe angeklagt und muss sich einem solchen Verfahren unterziehen und wird gefoltert, um ihr ein Geständnis abzuringen. Mehr möchte ich zu dieser schrecklichen, aber auch fesselnden Szene nicht verraten.

Die Figuren sind detailliert gezeichnete Charaktere mit Persönlichkeit, die sehr lebendig und mit ihren Schwächen und Stärken sehr glaubwürdig wirken. Johanna ist eine echte Sympathieträgerin, fleissig, klug und sie entwickelt mit der Zeit einen Glauben zu Gott, der ihr Kraft bei der Bewältigung ihres Lebensweges gibt. Man leidet und fiebert mit ihr mit und freut sich über alle positiven Wendungen in der Geschichte, die auch von viel Leid und Existenzängsten erzählt.

Natürlich darf auch eine Romanze nicht fehlen, die durch verfeindete Lager gefährdet ist und wenig Aussicht auf ein positives Ende lässt.

Mir hat dieses Buch sehr eindringlich deutlich gemacht, wie stark Frauen im Spätmittelalter unterdrückt wurden und wieviel mehr Rechte den Männern zustanden. Obwohl Johanna das Töpferhandwerk geschickt beherrschte, wurde dies von den anderen Meistern nicht anerkannt und sie brauchte immer Fürsprecher in Männergestalt.

Dieser Roman ist eine gelungene Mischung aus Spannung, historischem Einblick, inhaltlicher Tiefe und etwas Romantik, die durch die interessanten Charaktere und die fesselnde Handlung zu einer lebendigen und unterhaltsamen Geschichte verschmelzen.


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