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Veröffentlicht am 08.03.2017

Die Irak-Mission

Die Irak-Mission
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Der Roman ist im Präsens geschrieben, und diese Schreibweise bringt mir eine Geschichte immer besonders nahe. Bildhaft und sehr authentisch schildert die Autorin die Ereignisse im Nordirak, wohin die Chirurgin ...

Der Roman ist im Präsens geschrieben, und diese Schreibweise bringt mir eine Geschichte immer besonders nahe. Bildhaft und sehr authentisch schildert die Autorin die Ereignisse im Nordirak, wohin die Chirurgin Claire dem Hilferuf eines alten Freundes folgt. Als sie nach Ibrahims Anruf aufbricht, um ihn in Kirkuk bei der Versorgung der vielen verletzten Kinder zu unterstützen, weiß sie noch nicht, auf was sie sich da einlässt, denn ihre Mission ist einerseits wichtig, aber auch sehr gefährlich.
Drei Frauen begleiten sie, um mit ihr zu arbeiten. Doch bereits auf dem Weg nach Kirkuk ergeben sich ungeahnte Hindernisse und Gefahren.
Zur gleichen Zeit ist auch ein Mitarbeiter des BND unterwegs in den Irak. Robert hat eine besondere Mission zu erfüllen und spielt eine wichtige Rolle im Roman.
Und da ist dann noch Gulala, die ebenfalls einige Zeit in Deutschland lebte und seit dieser Zeit mit Ibrahim befreundet ist. Gulala ist eine sympathische, intelligente Frau, aber seit ihrer Heirat lebt sie weitgehend isoliert. Rizgar, ihr Mann, ist nicht an ihrer Meinung interessiert und sieht ihren Platz einzig und allein im Haus. So ist sie in erster Linie für ihre Söhne da und schreibt heimlich brisante Berichte, die jedoch nicht zur Veröffentlichung kommen, da im Nordirak ein absoluter Funkstopp herrscht, denn der Flugzeugabsturz soll unter allen Umständen vertuscht werden.

Die Autorin hat einen sehr fesselnden, eindringlichen Schreibstil. Kirkuk ist in der Handlung ein Brennpunkt, wo viele verschiedene Interessen aufeinanderprallen. Die Protagonisten arbeiten unter Lebensgefahr, sitzen quasi ständig wie auf einem Pulverfass, das jeden Moment explodieren kann. Dass sie trotzdem tun, was getan werden muss, setzt ungeheuer viel Mut und Idealismus voraus. Sehr plastisch wird die Lage beschrieben, indem man Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der verschiedenen Charaktere erhält. Die Geschichte ist so packend dargestellt, dass sie mich bis in meine Träume verfolgte.
Sie bietet jede Menge Stoff zum Nachdenken. Man erfährt hier eine Welt der Männer, die getrieben sind von Ehre, Rache und Machthunger und dies alles mit Brutalität und Waffengewalt erzwingen wollen. Obwohl Frauen in diesem Gefüge nach außen hin wenig zu sagen haben, liegt doch bei ihnen, in ihrem Wunsch nach Frieden, die wahre Stärke, eine große, unerschütterliche Kraft, die alles vorantreibt und tatsächlich etwas bewirkt.

Diese weibliche Urkraft, die Carola Wegerle in ihrem Roman sehr deutlich zum Ausdruck bringt, ist für mich die schlüssige und wichtige Aussage der Geschichte. Aus diesem Grund ist meines Erachtens heute, am internationalen Frauentag, der perfekte Zeitpunkt, meine Rezension zu veröffentlichen.

Veröffentlicht am 02.03.2017

Bartleby, der Schreiber

Bartleby, der Schreiber
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Diese kleine Geschichte spielt an der Wallstreet. Es sind keine Zeitangaben gemacht, aber die Erzählung wurde im Jahr 1853 veröffentlicht, und ich vermute, dass auch die Handlung ungefähr Mitte des 19. ...

Diese kleine Geschichte spielt an der Wallstreet. Es sind keine Zeitangaben gemacht, aber die Erzählung wurde im Jahr 1853 veröffentlicht, und ich vermute, dass auch die Handlung ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts spielt. „Bartleby, der Schreiber“ entstammt der Feder von Herman Melville, dem Verfasser des weltberühmten Klassikers „Moby Dick“.

Die Ereignisse sind aus der Sicht eines älteren Notars geschildert. Der Ich-Erzähler hat seine Kanzlei an der Wallstreet. Die Aussicht aus seinem Büro ist trist, denn man starrt auf die Mauern der umstehenden Hochhäuser. Der Notar, der durchgehend anonym bleibt, hat mehrere angestellte Schreiber, deren Charakterzüge und Eigenheiten er zuerst ausführlich darlegt. Da die Arbeit im Büro ständig zunimmt, sieht sich der Notar genötigt, einen weiteren Schreiber bzw. Kopisten einzustellen. Auf seine Anzeige hin meldet sich ein junger Bewerber namens Bartleby, und er nimmt den stillen Mann auch gleich unter Vertrag. Bartleby erweist sich in der ersten Zeit als fleißig und gewissenhaft. Aber als der Notar ihn eines Tages bittet, eine extra Aufgabe für ihn zu erfüllen, antwortet Bartleby: „Ich würde vorziehen, das nicht zu tun.“ Im ersten Augenblick ist sein Chef empört, dann verstört, denn mit einer Weigerung hat er nicht gerechnet. Allerdings erfolgte diese so sanft und leise, dass dem Notar der Wind aus den Segeln genommen wurde. In der folgenden Zeit werden derartige Weigerungen Bartlebys häufiger und erfolgen immer mit den Worten: „Ich würde vorziehen, das nicht zu tun“. Sie führen letztendlich zur völligen Selbstaufgabe des Schreibers.

Der Notar weiß nicht, was er tun soll, denn irgendwie hat Bartlebys Verhalten etwas Anrührendes. Wie sich herausstellt, verlässt er die Kanzlei nicht, sondern lebt in seinem Büro. Einerseits hat sein Chef Mitleid, und doch möchte er ihn am liebsten loswerden, aber etwas hält ihn davon ab, den Mann auf die Straße zu setzen. Bartleby widersteht allen Überredungskünsten, die Kanzlei mit einer Abfindung zu verlassen. Der Inhaber sieht keine andere Möglichkeit, als sein Büro zu verlegen. Die Folgen dieses Umzugs sind fatal. Der Notar kann zwar Bartleby damit aus seinem Gesichtsfeld bannen, aber nicht aus seinen Gedanken, und immer noch fühlt er sich für den einsamen, stillen Mann verantwortlich.

Die Geschichte umfasst gerade einmal siebzig Seiten, und doch schafft es dieses kleine Büchlein, mehr Emotionen freizusetzen als so mancher Wälzer. Ich habe Bartlebys Schicksal mit sehr gemischten Gefühlen verfolgt und wurde ständig hin und her gerissen zwischen Unverständnis und Mitgefühl. Der Ich-Erzähler bleibt anonym und gesichtslos bis zuletzt, und doch gelingt es dem Leser, sich in den Notar hinein zu versetzen. Man kann seine Zweifel und Befürchtungen gut verstehen. Es spricht für ihn, dass er sich so lange um Bartleby bemüht. Man kann nur erahnen, was in dem stillen Schreiber vorgeht. Seine ganze Erscheinung wirkt so einsam und anrührend. Obwohl man nur wenig über ihn erfährt, hofft man auf eine Wendung zum Guten. Erst ganz zuletzt erfährt man ein wenig über Bartlebys Vorgeschichte, die wohl sein Leben geprägt hat.

Die Person Bartlebys mutet einerseits grotesk an, aber dabei ist diese Erzählung so dicht und ergreifend geschrieben und so eindrucksvoll, dass sie einen einfach berühren muss. Ich für meinen Teil werde Bartleby sicher so schnell nicht vergessen.

Veröffentlicht am 02.03.2017

Atlas - frei zum Abschuss

Atlas – Frei zum Abschuss
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Dies ist bereits der zweite Band um den BKA-Zielfahnder Andreas Atlas. Den ersten Teil habe ich nicht gelesen, hatte aber keinerlei Probleme, mich in die Handlung hinein zu finden. Trotzdem kann dieses ...

Dies ist bereits der zweite Band um den BKA-Zielfahnder Andreas Atlas. Den ersten Teil habe ich nicht gelesen, hatte aber keinerlei Probleme, mich in die Handlung hinein zu finden. Trotzdem kann dieses Buch nicht für sich allein stehen, worauf ich am Ende der Rezension noch eingehen werde.
Atlas ist ein sympathischer Charakter, wirkt aber, bedingt durch seine Vergangenheit, etwas verloren in seiner alten Heimatstadt. Aber er hat auch Freunde wiedergefunden und lebt mit Grete, einer Lehrerin und ihrem autistischen Sohn zusammen auf einem alten Gutshof. Er hätte nie gedacht, dass er sich in der Gegend seiner Kindheit jemals wieder so wohl fühlen könnte. Eigentlich möchte er nur das Leben mit seiner Grete und mit Lars genießen und in Ruhe gelassen werden. Aber da gibt es noch das Problem mit den Millionen, die er bei seiner Flucht aus Mexiko zur Seite geschafft hatte. Sie waren seine Sicherheit, um irgendwo ein neues Leben anfangen zu können. Der autistische Lars, der sehr an Andreas hängt, hat jedoch den Koffer mit dem Geld versteckt, und Atlas weiß nicht, wohin.
Nun ist ihm auch noch das Drogenkartell auf den Fersen und bedroht nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das der Menschen, die ihm nahe stehen. Eigentlich will er Grete nicht verlassen, aber um ihrer Sicherheit willen sieht er sich dazu gezwungen, denn das Drogenkartell hat einen Mann auf ihn angesetzt, der ihm bedrohlich nahe kommt und bei seinem Job über Leichen geht.

Martin Calsows Schreibstil ist sehr einnehmend und fesselnd. Dabei bringt er ab und zu auch eine Portion trockenen Humor in die an sich ernste Handlung ein. Man hat sehr intensives Kopfkino, wenn der Autor diverse Situationen so lebendig beschreibt, und bei manchen Szenen bleibt einem glatt vor Spannung die Spucke weg. Atlas, der nach außen hin gerne sein Pokerface aufsetzt und auf den ersten Blick knallhart wirkt, was er in der Vergangenheit, in einer Welt der Drogenkriminalität durchaus sein musste, hat jedoch auch eine sensible Seite und trägt jede Menge Ängste mit sich herum. Das nimmt man ihm auch jederzeit ab, und besonders sein gutes Verhältnis zu Lars, dem autistischen Sohn seiner Partnerin, wie er auf ihn eingeht und sich für ihn einsetzt, hat ihn mir sehr sympathisch gemacht. Auch die weiteren Charaktere in seinem Umfeld haben etwas Liebenswertes.
Dieser Krimi ist gut und kurzweilig geschrieben und bringt jede Menge Spannung mit. Auch wenn man so manches über die Gegend um den Teutoburger Wald erfährt und stellenweise die Atmosphäre direkt spüren kann, würde ich ihn nicht unbedingt als typischen Heimatkrimi sehen.

Die Geschichte hat einerseits ein gutes Ende, aber im Epilog geschieht etwas, das mich auf eine Fortsetzung hoffen lässt, denn ich empfand das als starken Cliffhanger, der geradezu nach einem weiteren Band schreit.

Veröffentlicht am 12.02.2017

Die Flügel der Freiheit

Die Flügel der Freiheit
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Die Geschichte behandelt die Ereignisse im Zeitraum zwischen 1522 und 1525, von dem Zeitpunkt an, als Luther sein Exil auf der Wartburg verließ, weil ihm zu Ohren kam, dass radikale Kräfte der Reformation ...

Die Geschichte behandelt die Ereignisse im Zeitraum zwischen 1522 und 1525, von dem Zeitpunkt an, als Luther sein Exil auf der Wartburg verließ, weil ihm zu Ohren kam, dass radikale Kräfte der Reformation in Wittenberg überhand nahmen und dem dramatischen Höhepunkt des Deutschen Bauernkriegs, der Schlacht bei Frankenhausen, die für die Aufständischen so tragisch endete.
Im Großen und Ganzen geht es im Roman um das Verhältnis zwischen Martin Luther und seinem früheren Mitstreiter Thomas Müntzer. Aus den ehemaligen Brüdern im Geiste sind mittlerweile erbitterte Gegner geworden.
Man erfährt ausführlich über die Beweggründe, die zu dem tiefen Zwist führten. Besonders Thomas Müntzers Rolle bei den dramatischen Entwicklungen wird deutlich aufgezeigt. Man erfährt, was Müntzer antreibt. Im Gegensatz zu Luther wählt er den radikalen Weg, die offene Konfrontation, fernab von jeglicher Diplomatie, und man vernimmt, wie ihm sein verbissener Fanatismus letztendlich zum Verhängnis wurde. Liest man ein wenig in Geschichtsbüchern über die damalige Zeit nach, dann wird einem bewusst, wie detailliert Tilman Röhrig auch für diesen Roman wieder recherchiert hat. Dies war nicht meine erste Begegnung mit den Werken des Autors. Was seine Bücher gemein haben, ist der bildhafte, außergewöhnliche und sehr markante Schreibstil, den ich bereits in seinem Roman „Die Könige von Köln“ schätzte und den ich auch hier wieder sehr genossen habe.

Um die historisch belegten Fakten, die diesen Roman ausmachen, rankt sich auch noch eine fiktive Geschichte um ein junges Paar. Barthel, ein Formenschneidergeselle bei Lucas Cranach, ist verliebt in die hübsche Imkerin Dorothea Gerlach. Bei ihrem Vater hält er um die Hand seiner Geliebten an, doch der Spenglermeister Konrad Gerlach gerät immer mehr in Thomas Müntzers Bann und tut alles, um dem radikalen Geistlichen zu gefallen, und so lässt er sich schnell überzeugen, Dorlein anderweitig zu verheiraten. Durch Konrad Gerlachs Vereinbarung mit Müntzer stürzen die verbohrten Männer gleich mehrere junge Menschen ins Unglück.

„Die Flügel der Freiheit“ ist ein ausdrucksstarker Roman, der einem die Geschichte der Reformation in sehr lebendiger Weise nahe bringt und auch die Hintergründe beleuchtet. Die eingeflochtene Liebesgeschichte zwischen Barthel und Dorlein bringt neue Aspekte in die Handlung und lockert diese auf.

Ein ausführliches Personenverzeichnis und eine Aufstellung der erwähnten Handlungsorte runden das Buch sehr gelungen ab. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die wunderschöne Einbandgestaltung und hochwertige Ausstattung, mit Lesebändchen und einer übersichtlichen Karte von Thüringen auf den inneren Buchdeckeln, die ich gerne zwischendurch zu Rate gezogen habe. Alles in allem ist dies ein großartiger Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte und noch lange in meinem Gedächtnis nachhallt. Gerade heuer, im fünfhundertsten Jubiläumsjahr der Reformation, ist dieser Roman besonders passend.

Veröffentlicht am 26.01.2017

Großartiger dritter Teil der Fleury-Saga

Das Gold des Meeres
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„Das Gold des Meeres“ ist der dritte Teil der Fleury-Saga. Diesmal lernt man auch bereits die dritte Generation der Fleurys kennen. Die Handlung beginnt im Jahr 1256, hier wird im Prolog die Vorgeschichte ...

„Das Gold des Meeres“ ist der dritte Teil der Fleury-Saga. Diesmal lernt man auch bereits die dritte Generation der Fleurys kennen. Die Handlung beginnt im Jahr 1256, hier wird im Prolog die Vorgeschichte erzählt. Drei Jahre später steht das erfolgreiche Handelshaus Fleury vor dem Ruin. Vom Großvater Michel Fleury gegründet und zu wahrem Wohlstand gebracht, ist die Firma nun am Ende. Balian Fleury musste nach dem gewaltsamen Tod seines Bruders die Geschäfte alleine weiterführen, aber im Gegensatz zu seinem verstorbenen Bruder hat er die kaufmännischen Fähigkeiten seines Großvaters nicht geerbt.
Um nicht im Schuldturm zu landen, sieht Balian nur eine Möglichkeit, um das Handelshaus und die Familienehre zu retten. Zusammen mit seiner Schwester Blanche schließt er sich einer Gruppe von Kaufleuten an, die eine riskante Reise auf sich nehmen, um ihr Glück auf Gotland zu machen. Die langwierige Reise birgt viele Gefahren, und als die Gruppe in Varennes Saint Jacques aufbricht, haben die Kaufleute keine Ahnung, was unterwegs auf sie wartet. Ihre abenteuerliche Handelsfahrt führt sie von Lothringen aus quer durch das heilige römische Reich, bis weit in den Nordosten. Bereits unterwegs geraten sie nicht nur einmal in Situationen, wo sie gerade noch mit den nackten Leben davon kommen. Ihre Pläne und ihr Vorhaben, in Gotland Handel zu betreiben, ist so manchem ein Dorn im Auge, und so sehen sie sich mit mächtigen Gegnern konfrontiert, gegen die sie kaum gewinnen können. Unterwegs erhält Balian, der als Kaufmann keine Anerkennung erfahren hat, nun immer wieder die Gelegenheit, seine wahren Fähigkeiten gewinnbringend einzusetzen. Aber bei allen Bemühungen, das Handelshaus Fleury zu retten, gibt es noch etwas, das Balian antreibt, denn im Hinterkopf hat er den Wunsch, den Tod seines Bruders zu rächen.

Äußerlich passt sich auch dieser dritte Band perfekt den Vorgängern an. Das Cover ist ganz im Stil mittelalterlicher Buchmalerein gestaltet, indem die Initiale des Titels den Rahmen für eine Miniatur bildet. Diese Gestaltung passt wunderbar zur Saga um das Handelshaus Fleury, denn sowohl Balians Vater als auch seine Schwester üben den Beruf des Buchmalers aus.
Schon vorab und auch während des Lesens ist es interessant, immer einmal einen Blick auf die inneren Buchdeckel zu werfen. Diese können aufgeklappt werden, und vorne im Buch findet man den Stammbaum der Fleurys. Der hintere innere Buchdeckel zeigt eine Karte, auf der man die Reise der Händler aus Varennes Saint Jacques mitverfolgen kann. Hier sieht man die Ausdehnung des Heiligen Römischen Reiches, und man erkennt, wie groß der Machtkreis des Deutschen Ordens war, der im Roman auch eine große Rolle spielt. Dass einige der Gefährten sogar bis nach Nowgorod kommen, hätten sie sich vorher nicht träumen lassen. Sowohl bei der Reisegesellschaft als auch unterwegs begegnet man Charakteren ganz unterschiedlicher Art. Daniel Wolfs Protagonisten sind klar gezeichnet und vielschichtig dargestellt, und manch einer ist für eine Überraschung gut, sei es im Negativen oder im Positiven.
Was die Handlung insgesamt betrifft, unterscheidet sich dieser dritte Band gravierend von seinen Vorgängern, denn diese spielten weitgehend direkt in Varennes Saint Jacques oder der näheren Umgebung der Stadt. Diesmal hat die Heimatstadt der Fleurys eher eine untergeordnete Rolle, denn ein Großteil der Handlung dreht sich um die beschwerliche und äußerst gefährliche Reise der Geschwister Balian und Blanche und ihrer Handelsgefährten. Unterwegs müssen sie sich mit Wegelagerern und Raubrittern herumschlagen und werden für Angelegenheiten zur Rechenschaft gezogen, mit denen sie eigentlich gar nichts zu tun haben. Dies alles ist sehr authentisch und lebendig erzählt. Obwohl Varennes Saint Jacques und die Familie Fleury sowie die meisten Charaktere fiktiv sind, so lässt der Autor doch sehr viel wahre Geschichte in die Handlung einfließen. Besonders die Situation von Reisenden der damaligen Zeit ist sehr realistisch dargestellt. Durch die verschiedenen Handlungsorte ist der Roman überaus kurzweilig und mitreißend, denn man stürzt sich quasi von einem Abenteuer ins nächste. Der Schreibstil ist leicht verständlich, dabei aber der damaligen Zeit gut angepasst. Ich bin immer wieder fasziniert, mit welcher Leichtigkeit Daniel Wolf die überaus komplexe Handlung seiner Romane in Worte fasst. Wie bereits die Vorgänger, so habe ich auch diesen Band verschlungen. Die Bücher der Fleury-Saga sind nicht gerade dünn, aber sie haben die Eigenschaft, dass man sich regelrecht daran fest liest und erst hinterher staunend und mit Bedauern merkt, dass die Geschichte schon wieder zu Ende ist. Aber zu meiner großen Freude steht bereits fest, und der Autor hat es auch schon verraten: die Fleury-Saga geht weiter! Ich freue mich jetzt schon auf den vierten Band, der noch umfangreicher werden soll als die bisherigen Bücher und daher noch mehr Abenteuer und damit sicher auch jede Menge Lesespaß bieten wird.