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Veröffentlicht am 07.05.2017

Die fremde Königin

Die fremde Königin
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In „Die fremde Königin“ widmet sich Rebecca Gablé zum zweiten Mal der deutschen Geschichte zur Zeit Ottos I. Seit dem Ende des vorherigen Romans „Das Haupt der Welt“ sind zehn Jahre vergangen. Bei der ...

In „Die fremde Königin“ widmet sich Rebecca Gablé zum zweiten Mal der deutschen Geschichte zur Zeit Ottos I. Seit dem Ende des vorherigen Romans „Das Haupt der Welt“ sind zehn Jahre vergangen. Bei der „fremden Königin“, um die es in diesem zweiten Buch geht, handelt es sich um keine geringere als um Adelheid von Burgund,die später eine Ehe mit Otto I. eingeht.

Alles beginnt mit Adelheids Flucht aus der Gewalt des Markgrafen Berengar von Ivrea, der sie, nach dem Tod ihres Mannes Lothar von Italien, gefangen hielt, weil er beabsichtigte, die junge Witwe mit seinem Sohn Adalbert zu verheiraten.
Die Handlung des Romans dreht sich in erster Linie um die Entstehung dieser mächtigen Verbindung und um das Leben und Wirken des Königspaars und hält sich eng an die historischen Tatsachen. Die Leser begleiten Otto und Adelheid über einen Zeitraum von knapp elf Jahren, bis zu ihrem Italienzug und der Krönung zum Kaiserpaar. Es ist eine ereignisreiche Zeit bis dahin, denn Otto muss nicht nur die Grenzen seines Reichs gegen immer wiederkehrende Einfälle der Ungarn und slawischer Volksstämme schützen, sondern es kommt auch ständig zu Spannungen innerhalb der Familie, denn durch die Heirat mit Adelheid sieht Ottos ältester Sohn Liudolf sein Anrecht auf die Thronfolge gefährdet. Gefahr droht ihm in dieser Hinsicht auch durch Ottos Bruder Heinrich, der ständig intrigiert und einen viel zu starken Einfluss auf den König hat. Diese politischen Geschehnisse und Verwicklungen sowie Ottos Beschlüsse und Reaktionen darauf kann der Leser aus nächster Nähe mitverfolgen. Nicht nur im Roman, sondern auch von Historikern belegt, ist bei vielen Entscheidungen Ottos ein maßgeblicher Einfluss Adelheids anzunehmen. Sie ist eine starke, interessante Persönlichkeit und ging nicht umsonst als eine der mächtigsten Frauen in die deutsche Geschichte ein.

Aber wie man es von Frau Gablé gewohnt ist, hat auch ihr neuester Roman wieder einen fiktiven, ganz besonderen Helden. Diesmal ist es Gaidemar, der Bastard, der zu Ottos Panzerreitern gehört und ausgesandt wurde, um Adelheid bei ihrer Flucht vor Berengar zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen. Von da an ist er der Vertraute der Königin und ihr treuester Gefolgsmann, nicht gerade zur Freude Ottos, dem der junge Mann ein Dorn im Auge zu sein scheint. Was dahinter steckt und dass diese Vorbehalte ihren Ursprung in familiären Verbindungen haben, erfährt man erst im Lauf der Geschichte ausführlicher. Gaidemar vereint alle Eigenschaften, die man sich von einem Helden der damaligen Zeit erwartet. Er ist bescheiden und tapfer, ein Raubein mit einem großen Herzen, kurz gesagt, ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Er ist im Roman meine Sympathiefigur, und sein Schicksal ging mir stets besonders nahe.
Wie meist in den Romanen der Autorin, so sind die fiktiven Charaktere neben den historischen Persönlichkeiten in der Minderzahl. Die Kombination aus Realem und Erdachtem ist wieder bestens gelungen, und entstanden ist ein mitreißender Roman mit hohem Unterhaltungswert, zugleich aber auch mit einem großen Fundus an geschichtlichem Wissen. Wie die Teile eines großen Puzzles, so greifen auch hier wahre und erfundene Begebenheiten harmonisch ineinander und bilden ein perfektes Ganzes, und so kommt es nicht von ungefähr, dass Gaidemar mit den Großen der Geschichte auf Du und Du ist und sich sein Lebensweg mit den realen historischen Daten perfekt ergänzt.

Ich habe schon viele Romane von Rebecca Gablé gelesen, und ich liebe sie alle, denn von ihrem eindrucksvollen Schreibstil bin ich immer wieder fasziniert. Sie haucht den Charakteren Leben ein, und für trockene Geschichtsdaten schafft sie eine farbige Atmosphäre. Da gibt es bewegende Momente, aber auch der für die Autorin typische feine, hintergründige Humor kommt nicht zu kurz. Einfach nur von „Kopfkino“ zu sprechen, wäre bei Frau Gablés Romanen stark untertrieben, denn hier bekommt man einen wahren Monumentalfilm für die Phantasie geliefert und sitzt quasi in der vordersten Reihe.

Wie schon von früheren Romanen der Autorin gewohnt, findet man auch diesmal eine lange Personenliste im Buch. In einem ausführlichen Nachwort geht Frau Gablé noch auf ein paar Besonderheiten ein und informiert über Dichtung und Wahrheit. Jürgen Speh hat auch diesmal die ausdrucksvollen Illustrationen gezeichnet, die eine Bereicherung des Buchdesigns darstellen und mittlerweile einfach dazu gehören.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Gefühle
  • Recherche
  • Schreibstil
Veröffentlicht am 18.04.2017

Die heimliche Heilerin

Die heimliche Heilerin
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Heidelberg 1388: Die Hauptperson des Romans ist die junge Madlen. Sie ist Halbwaise, denn die Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben. Sie und ihr Bruder leben bei ihrem Vater, der Madlen möglichst gewinnbringend ...

Heidelberg 1388: Die Hauptperson des Romans ist die junge Madlen. Sie ist Halbwaise, denn die Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben. Sie und ihr Bruder leben bei ihrem Vater, der Madlen möglichst gewinnbringend verheiraten möchte, denn er hat Geldsorgen.
Madlens große Leidenschaft ist es, anderen Menschen zu helfen. Bei der Hebamme Clara , die ihr ein wenig die Mutter ersetzt, lernt sie alles über Geburten, Frauenleiden und Heilkräuter. Zufällig entdeckt Madlen, dass sie die Gebärenden mit Hilfe gesprochener Psalmen und Kerzenlicht beruhigen kann. Sie und Clara bewahren jedoch Stillschweigen über diese Methode, denn würde dies öffentlich, könnte es der jungen Frau als Hexenwerk ausgelegt werden.
Als ihre Mentorin durch einen tragischen Unglücksfall ums Leben kommt, vergräbt sich Madlen in ihrer Trauer, bis sie eines Tages gebeten wird, einer Patrizierin zu helfen. Als sie die Frau untersucht, wird ihr schnell klar, dass Adelhaid Trauenstein misshandelt wurde, wie es aussieht, von ihrem eigenen Ehemann. Sie tut ihr Möglichstes, und Adelhaids Leben kann Madlen retten, das Kind wird jedoch tot geboren.
Wenig später wird sie zum Stadtvogt gerufen und fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass Matthias Trauenstein Madlen angeklagt hat, sie hätte das neu geborene Kind mit Kräutern vergiftet. Von Seiten des angesehenen Patriziers schlägt ihr blanker Hass entgegen, und sie muss vor Gericht für die Wahrheit, Gerechtigkeit und ihr Ansehen kämpfen. Aber auf dem langen, beschwerlichen Weg, der vor ihr liegt, begegnet sie nicht nur Misstrauen und Vorurteilen, sondern sie lernt auch Menschen kennen, die ihre heilerischen Fähigkeiten ehrlich schätzen, ihr Zuneigung entgegenbringen und denen sie vertrauen kann.

Mit Madlen hat dieser Roman eine starke Frauenfigur, deren größter Wunsch ist, anderen Menschen zu helfen. Sie hat die Fähigkeit zu heilen und setzt diese ohne zu zögern ein. Ihre Gutmütigkeit wird ihr dabei mehrmals fast zum Verhängnis.
Sehr plastisch ist die Situation der Frauen im 14. Jahrhundert dargestellt. Man erfährt viel über die damaligen Heilmethoden und auch über das Rechtssystem, insbesondere die Rechte der Frauen, zur damaligen Zeit. Man erkennt, wie schwierig es für eine Frau war, damals einen Beruf auszuüben. In manchen Städten war dies schier unmöglich, wenn man keinen Ehemann hatte, der die Geschäfte offiziell führen konnte.
In der Handlung geht es daher stark um Fragen der Emanzipation zu dieser Zeit. Die Probleme, die sich ergaben und der Zwiespalt, in den die betroffenen Personen kamen, werden lebendig und glaubwürdig dargestellt. Aber es ist nicht nur ein fesselnder historischer Roman um eine Heilerin, die sich behaupten muss, sondern es ist zugleich ein mittelalterlicher Krimi, der viel Spannung zu bieten hat.
Ich hatte im Vorfeld schon viel Positives über „Die heimliche Heilerin“ gehört, und auch mich konnte dieser Roman von Ellin Carsta überzeugen. Er liest sich flüssig und kurzweilig, und ich kann ihn allen Liebhabern historischer Romane empfehlen.

Veröffentlicht am 09.04.2017

Unsere Hälfte des Himmels

Unsere Hälfte des Himmels
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Die Rahmenhandlung dieses Romans spielt im Jahr 1971. Lieselottes Leben gleicht einem alten, abgetragenen Kleidungsstück. Es ist langweilig und farblos geworden. Mit ihrem Ehemann hat sie eigentlich nichts ...

Die Rahmenhandlung dieses Romans spielt im Jahr 1971. Lieselottes Leben gleicht einem alten, abgetragenen Kleidungsstück. Es ist langweilig und farblos geworden. Mit ihrem Ehemann hat sie eigentlich nichts gemeinsam. Sie und Eduard leben mehr oder weniger desinteressiert nebeneinander her. Manchmal fragt sich Lieselotte, wie es so kommen konnte und ob sie ihren Mann eigentlich einmal wirklich geliebt hat. Immer häufiger hört oder liest sie, dass andere Frauen für ihre Rechte auf die Straße gehen und demonstrieren. Sie selbst hat nicht den Mut dazu.
Als Lieselotte einen Anruf erhält, dass ihre Mutter einen schweren Unfall hatte und im Koma liegt, ist sie völlig aufgelöst und fährt am nächsten Tag mit der Bahn nach Frankfurt. Ihr Mann bleibt in Kassel zurück. Ihm scheint die ganze Angelegenheit gleichgültig zu sein.
In Frankfurt wohnt Lieselotte in der Wohnung ihrer Mutter Amelie. Dabei lernt sie sehr bald die Nachbarin kennen, Marga, eine junge Stundentin, die mit ihrem Kater „Cat Balou“ gleich nebenan wohnt und mit der sich Lieselotte schnell anfreundet. Bei Marga findet sie Verständnis, und sie hofft, von ihr mehr über Amelie zu erfahren. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter war immer distanziert, und für Lieselotte ist es kaum vorstellbar, dass die stets so starke Amelie nun hilflos und ohne Bewusstsein im Krankenhaus liegt. Als Lieselotte ein altes Foto entdeckt, hofft sie, mehr über die Vergangenheit und über das Schicksal ihres Vaters zu erfahren, worüber ihre Mutter nie gesprochen hat. Ihre Recherchen, die sie mit Margas Hilfe unternimmt, führen sie 36 Jahre zurück, und die Erkenntnisse, die sie über diese Zeit gewinnt, versetzen sie in Erstaunen. Nie hätte sie hinter Amelies kühler Art diese Lebensfreude und Leidenschaft zur Fliegerei erwartet, von der sie nun erfährt.
In diesen Rückblicken ins Jahr 1935 lernt man eine völlig andere Amelie kennen, eine junge Frau mit Träumen und Lebensplänen. Sie und ihre beste Freundin Hanni möchten Pilotinnen werden, was zur damaligen Zeit, unter dem Naziregime, nicht gerade einfach zu erreichen war. Aber die Freundinnen haben feste Vorsätze, die sie sich von niemandem zerstören lassen wollen. Als Amelie sich in Hannas Fluglehrer verliebt, gerät die Freundschaft der beiden jungen Frauen in eine Krise, die alle Beteiligten auf eine Tragödie zusteuern lässt.

In die Rahmengeschichte, die in den frühen 70er Jahren spielt, konnte ich geistig sofort eintauchen. Die Atmosphäre und den Zeitgeist von damals hat die Autorin wunderbar treffend dargestellt. Ich selbst habe das Jahr 1971 als Teenager erlebt und mich beim Lesen direkt wieder in diese Zeit zurück versetzt gefühlt, so gut und farbig ist sie beschrieben. An die erwähnten Musikstücke habe ich noch lebhafte Erinnerungen, und auch die Themen rund um die Frauenbewegung haben mich damals bereits beschäftigt. Wie stark beschränkt die Rechte einer Ehefrau damals noch waren, das wusste ich jedoch bisher nicht und habe es erst jetzt durch diesen Roman erfahren. Lieselottes Wandlung im Verlauf der Geschichte hat mir sehr gefallen, denn die Protagonistin steht für viele Frauen ihrer Zeit. Es musste erst einiges geschehen, sie aus ihrem Alltagstrott zu reißen und wachzurütteln.

Richtig dramatisch wird es jedoch in der Vergangenheit. Hier hat die Autorin einige äußerst brisante Themen verarbeitet. Die Fliegerei in der Geschichte ist ein faszinierendes Thema, das hier im Roman vielschichtig und mit all seinen Problemen dargestellt ist. Weibliche Berufsflieger entsprachen so gar nicht dem nationalsozialistischen Idealen, sondern wurden wohl eher als Exoten angesehen. Das Regime sah für Frauen eher ein gemütliches Heim, Mann und Kinder vor.
So gesehen kann ich mir schon vorstellen, dass Hanna den Weg zu ihrem Lebenstraum nicht in dieser Männerdomäne alleine gehen wollte. Erschütternd ist jedoch die Art und Weise ihres Vorgehens und die Erkenntnis, wie schnell freundschaftliche Verbundenheit und Zuneigung in besitzergreifende Eifersucht und sogar in Hass umschlagen kann.
Eigentlich nicht neu für mich, aber doch immer wieder bestürzend ist die Tatsache, wie wenig die Menschen zur Hitlerzeit über ihr eigenes Leben bestimmen konnten, wie stark sie unter Beobachtung standen, nicht nur Angehörige von „Randgruppen“ der Gesellschaft, sondern ganz normale Bürger. Es war eine Zeit, in der es schon gefährlich war, jemanden zu kennen, der dem Regime ein Dorn im Auge war, in dem schon ein einziges Wort todbringend sein konnte.

Dies ist ein vielschichtiger Roman, denn er beleuchtet nicht nur zwei interessante Zeitabschnitte des 20. Jahrhunderts, sondern greift viele besondere Themen auf. Hier erfährt man über ein schwieriges Mutter-Tochter-Verhältnis, das von der Vergangenheit belastet ist, und man erlebt eine junge Frau, die hin und her gerissen ist, zwischen der besten Freundin, ihrem Zukunftstraum und der Liebe ihres Lebens und wie sie an dieser Zerrissenheit fast zerbricht.

Somit bietet dieser Roman nicht nur beste, hochwertige Unterhaltung, sondern daneben auch viel Gesprächsstoff und Themen, über die man noch lange nachdenkt. Da es bei beiden Handlungssträngen sehr stark um die Frauenbewegung geht, denn auch die mutigen Fliegerinnen aus den 20er und 30er Jahren sind bereits Vorreiter der Emanzipation gewesen, passt dieses Buch für mich besonders gut in den März, den Monat, in dem auch alljährlich der Weltfrauentag begangen wird.

Veröffentlicht am 09.04.2017

Die Nachtigall

Die Nachtigall
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Der Roman schildert das Schicksal zweier Schwestern während der Zeit des zweiten Weltkriegs. Vianne und Isabelle sind Französinnen und müssen miterleben, wie ihr Heimatland immer mehr von den Deutschen ...

Der Roman schildert das Schicksal zweier Schwestern während der Zeit des zweiten Weltkriegs. Vianne und Isabelle sind Französinnen und müssen miterleben, wie ihr Heimatland immer mehr von den Deutschen eingenommen wird.
Die Mutter der Schwestern ist früh gestorben, und der Vater hat seine beiden Töchter abgeschoben, möchte nichts von ihnen Wissen. Isabelle und Vianne sind zwei gegensätzliche Charaktere, und so verschieden wie sie sind, so unterschiedlich gehen sie auch die Probleme ihrer Zeit an.
Viannes Mann wird irgendwo in Deutschland in einem Kriegsgefangenenlager festgehalten. So ist sie auf sich allein gestellt und setzt ihre ganzen Bemühungen ein, die schwere Zeit zusammen mit ihrer Tochter zu überleben. Sie ist kein mutiger Mensch, sondern sehnt sich einfach nur nach Frieden und wünscht sich, ihr Mann möge zurück kommen. So versucht sie, sich anzupassen und möglichst unauffällig zu bleiben. Aber je länger der Krieg andauert, umso öfter gerät sie in brisante Situationen und macht auch Fehler im Umgang mit den deutschen Besatzern. Aber sie wächst letztendlich über sich selbst hinaus und beweist eine Stärke, von der sie selbst nicht gewusst hatte, dass sie in ihr steckt.
Ihre jüngere Schwester Isabelle ist eine Rebellin. Als sie, auf der Flucht vor den Deutschen, Paris verlässt, um zu Vianne zu gelangen, lernt sie Gäeton kennen. Der junge Mann ist ein Kämpfer der Résistance. Ohne zu zögern schließt sich Isabell dieser Bewegung an. Später macht sie als die „Nachtigall“ von sich reden. Sie führt abgeschossene Piloten der Alliierten über die Pyrenäen in die Freiheit. Keiner weiß, wer sich hinter dem Namen verbirgt, aber die Deutschen setzen alles dran, die geheimnisvolle Nachtigall zu finden.

Als ich das Buch zum ersten Mal in der Hand hielt und das Cover betrachtete, hatte ich noch eine völlig andere Vorstellung vom Inhalt. Der filigrane Zweig, auf dem die goldfarbene Nachtigall sitzt, deren Körper zugleich eine Ansicht von Paris im Sonnenuntergang zeigt, hat mich auf eine ganz andere Geschichte schließen lassen.
Erhalten habe ich das Buch überraschend, im Zuge einer Lovelybooks-Aktion, von der ich hier: http://klusiliest.blogspot.de/2016/08/uberraschungspost-von-lovelybooks-die.html berichtet habe.
Auch das ganze Beiwerk, die Goldplättchen im Paket, die goldene Feder als Lesezeichen, das alles deutete für mich eigentlich eher auf eine romantische Geschichte hin. Aber von Romantik ist im Roman ganz und gar nichts zu spüren. Zu hart und grausam ist die geschilderte Zeit, in der für die Liebe und für alles Schöne kein Platz war.
Anfangs hatte ich diverse Schwierigkeiten, in die Geschichte hinein zu kommen. Ungefähr das erste Drittel hat sich für mein Empfinden etwas gezogen. Aber dann passiert so viel, die Ereignisse überschlagen sich, und man möchte immer nur weiterlesen, wird völlig von der Handlung vereinnahmt. Die Charaktere der Schwestern haben mir beide sehr gut gefallen, obwohl (oder gerade weil) sie so unterschiedlich sind. Vianne ist eher zurückhaltend in ihrer Art. Sie versucht, ihre Tochter zu beschützen und schlägt sich durch, im täglichen Kampf um die notwendigsten Dinge zum Überleben. Ich konnte sie gut verstehen, und so wie ihr, ging es sicher vielen Frauen damals. Sie wagt nicht, aufzubegehren, als ein deutscher Hauptmann bei ihr einquartiert wird. Isabelle, die zu dieser Zeit gerade bei ihrer Schwester im Haus lebt, kann sich nicht damit abfinden und sucht ständig die Konfrontation. Ihr Benehmen macht Vianne Angst, denn sie befürchtet, ein falsches Wort könnte sie alle in Gefahr bringen.
Bei Isabelle wusste ich teilweise nicht, ob ich ihren ungeheuren Mut bewundern oder über ihre draufgängerische Art den Kopf schütteln sollte.
Zwar spielt auch die Liebe bei den Protagonisten eine Rolle, aber diese ist in Zeiten des Kriegs ungewiss. Besonders an Isabelles Beispiel zeigt sich das sehr deutlich. Gerade ihr Schicksal hat mich letztendlich tief berührt.
Über die Zeit des zweiten Weltkriegs aus dieser Perspektive hatte ich vorher noch nicht viel erfahren Die meisten Berichte, die ich vorher gelesen hatte, spielten direkt in Deutschland oder waren aus dem Blickwinkel von Menschen, die einer damals verfolgten Bevölkerungsgruppe angehörten. Das Ausmaß des Leidens und der Einschränkungen der Bevölkerung Frankreichs während des Kriegs war mir bisher nie so bewusst geworden.
Kristin Hannah hat in diesem Roman, der ihr eine Herzensangelegenheit war, wie sie selbst im Nachwort schreibt, all den Frauen ein literarisches Denkmal gesetzt, die sich damals für Frieden und Freiheit eingesetzt haben, jede auf ihre persönliche Art. Es gab sicher viele ähnliche Schicksale, denen dieser Roman ein Andenken setzt.

Ich kann nicht sagen, dass mir der Roman „gefallen“ hat, zu schrecklich sind die damaligen Ereignisse, die geschildert werden und die leider einen nur allzu realen Hintergrund haben. Aber die Geschichte hat mich beeindruckt, erschüttert und mitgerissen, und sie klingt immer noch nach.

Veröffentlicht am 08.04.2017

Das Haupt der Welt

Das Haupt der Welt
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Man schlägt dieses Buch auf, bewundert gerade noch die hochwertige Ausstattung und den schönen Einband, versucht sich auf den ersten Seiten die fremdartigen Namen, besonders der slawischen Protagonisten, ...

Man schlägt dieses Buch auf, bewundert gerade noch die hochwertige Ausstattung und den schönen Einband, versucht sich auf den ersten Seiten die fremdartigen Namen, besonders der slawischen Protagonisten, einzuprägen, und ehe man sich versieht, findet man sich in einer fremden, alten Welt wieder, von der man gar nicht mehr lassen möchte.
Mit der Handlung ihres neuen Buches hat sich Rebecca Gablé in heimatliche Gefilde begeben. Ihre bisherigen historischen Romane spielten fast ausnahmslos in England, aber diesmal führt uns die Geschichte nach Sachsen und Ostfranken, zur Regierungszeit von König Otto I.
Schon das Bild der heiligen Lanze auf den Einband und der Buchtitel weisen auf Otto als Hauptperson hin, denn der König erhielt von Widukind v. Corvey damals wirklich den Beinamen „Haupt der ganzen Welt“, und die Lanze spielt eine gravierende Rolle in der Handlung. Es kommen im Verlauf der Handlung sehr deutlich die Probleme zutage, die Otto dabei hat, die Grenzen seines Reiches zu sichern und zu erweitern.
Für mich persönlich jedoch ist der eigentliche Held des Romans der slawische Prinz Tugomir, der von König Heinrichs Heer gefangen und als Geisel mitgenommen wurde. Auch später, unter Ottos Herrschaft, ist er lange Zeit ein Unfreier, der sich jedoch durch seine Heilkünste einen Namen und unentbehrlich macht. Nicht nur Otto rettet er durch seine Kenntnisse das Leben, sondern auch vielen seiner Untertanen, und doch begegnen ihm die Sachsen mit Vorurteilen und Arroganz, denn für sie sind die Angehörigen der östlichen Völker Ungläubige, die missioniert werden müssen. Tugomirs Gefühle dem Sachsenherrscher gegenüber schwanken zwischen Hass und Loyalität. Es dauert viele Jahre, bis König Otto in ihm den Freund erkennt und ihn um Hilfe bittet. Ein weiterer Lieblingscharakter von mir ist Ottos Halbbruder Thankmar, der durch Offenheit und einen gewissen Sarkasmus auffällt, in der historischen Entwicklung leider nicht gerade gut wegkommt und herbe Enttäuschungen und Schicksalsschläge einstecken muss.

Ein interessanter Aspekt dieses Romans ist, dass die meisten der beschriebenen Charaktere real existiert haben und die fiktiven Figuren deutlich in der Minderzahl sind. Über viele der historisch belegten Personen ist wenig bekannt, und Rebecca Gablé hat ihnen ein packendes Schicksal auf den Leib geschrieben, wobei sie stets möglichst nah’ den wirklichen Verlauf der Geschichte berücksichtigt. Dies tut sie mit einer Gründlichkeit und Detailtreue, dass man sich sehr gut in die damalige Zeit hineinversetzen kann und eine plastische Vorstellung davon hat, wie es damals gewesen sein könnte. Bei ihren Ausführungen spart die Autorin nicht an brutalen Szenen, ohne sie jedoch unnötig auszuschlachten. Sie passen einfach ins Bild, denn damals war das Leben sicher kein Honigschlecken, und Kriege waren schon immer grausam. Auf der Basis intensiver und ausgezeichneter Recherchen baut sich die Handlung faszinierend und lebendig auf. Mitreißend geschrieben und mit dem ihr eigenen feinen Humor gewürzt hat Rebecca Gablé wieder ein grandioses und absolut lesenswertes Epos geschrieben, das für mich zu den Highlights des Jahres 2013 zählt.