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Veröffentlicht am 06.04.2021

Warmherzige Geschichte über einen schwierigen Neuanfang mit vielfältigen Charakteren und einem bildhaften Inselfeeling - spannend wie ein Krimi

Das Leuchten der Inselblumen
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Anna lebt seit einigen Monaten mit ihrem Dackel Harry auf der niederländischen Nordseeinsel Texel, liebt ihren Freund Ole, hat Freundschaften geschlossen und fühlt sich inzwischen angekommen und Zuhause. ...

Anna lebt seit einigen Monaten mit ihrem Dackel Harry auf der niederländischen Nordseeinsel Texel, liebt ihren Freund Ole, hat Freundschaften geschlossen und fühlt sich inzwischen angekommen und Zuhause. Die Vergangenheit kann sie jedoch nicht hinter sich lassen. Sie weiß immer noch nicht, wie ihre Schwester ums Leben gekommen ist, welche Schuld der Enkel ihrer inzwischen verstorbenen Nachbarin Roos trägt und wer sie auch weiterhin auf der Insel zu bedrohen scheint. Die Beziehung zu Ole ist wacklig, denn beide sind geprägt von schmerzhaften Erfahrungen und können ihre Eifersucht nicht unterdrücken.
Annas Blumencafé hat sich bislang nicht etabliert, denn die Kunden bleiben aus. Die unerwartete Erbschaft von Roos ist deshalb eine beruhigende Unterstützung. Das alte Rezeptbuch von Roos hat Anna schon länger bei sich und so versucht sie, die Kuchen und Torten nach Originalrezept nachzubacken und das Café neu zu eröffnen.

"Das Leuchten der Inselblumen" ist der zweite Band der Inselblumen-Trilogie und die Fortsetzung von "Der Sommer der Inselblumen".
Das Buch schließt nahtlos an den ersten Teil an und durch kurze Rückblicke und Erinnerungen ist man als Leser wieder sofort mitten im Geschehen und angekommen auf der heimeligen Nordseeinsel.
Anna ist eine liebenswürdige Figur, die etwas chaotisch und ungeschickt ist, eine ausgesprochene Tierliebe hat und sich auch stets um die Menschen in ihrer Umgebung sorgt und sich selbstlos kümmert. Die Beziehung zu Ole hat sich weiterentwickelt und wirkt authentisch, gerade da die sie nicht immer einfach und harmonisch ist. Die beiden lieben sich, aber Eifersucht und Misstrauen stehen ihnen immer wieder im Weg.
Doch nicht nur in der Partnerschaft hat Anna Probleme, auch das Blumencafé und sein geringer Umsatz machen ihr Sorgen, die unverhoffte Erbschaft sorgt für Streit und der Geist ihrer verstorbenen Schwester Anouk lässt ihr keine Ruhe. Es ist nur zu verständlich, dass sie endlich wissen möchte, wie Anouk ums Leben gekommen ist, ob es ein Unfall war oder ob sie auf der friedlichen Insel tatsächlich getötet wurde. Hoffnung, endlich Gewissheit zu bekommen, entsteht, da der Todesfall als Cold Case wieder aufgerollt werden soll.

Wie Band 1 ist auch die Fortsetzung unterhaltsam geschrieben, selbst wenn häufig nur Szenen aus dem Alltag von Anna und ihrem quirligen und leicht übergewichtigem Dackel Harry geschildert werden. Anna hat mit vielen Problemen zu kämpfen, aber es gibt auch viele schöne, sonnige Momente um Freundschaften und die Zuneigung zu den Tieren.
Spannung wird weiterhin durch den unaufgeklärten Tod von Anouk und einem Gefühl der Angst erzeugt, denn Anna und ihr Erbe werden bedroht.

"Das Leuchten der Inselblumen" ist ein abwechslungsreicher Roman über einen Neuanfang auf der beschaulichen Insel Texel, bei dem Anna jedoch zahlreiche Steine in den Weg gelegt werden. Doch sie ist nicht allein und kann stets auf Unterstützung von Nachbarn und Freunden hoffen. Es ist eine warmherzige Geschichte, die durch die Vielfalt der Charaktere und das bildhafte Setting der Nordseeinsel mit ihrer Fauna für Unterhaltung sorgt und durch die Krimielemente zusätzlich Spannung erzeugt.
Auf den Abschluss der Trilogie muss man noch bis ins Jahr 2023 warten, was in Bezug auf die offenen Fragen, die auch nach diesem Band wieder bleiben, die Geduld etwas strapaziert.

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Veröffentlicht am 02.04.2021

Der aufregendste Band der Reihe, mit dem alle Unklarheiten der Vorgängerbände um die getarnte Blumenhändlerin beseitigt werden

VANITAS - Rot wie Feuer
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Nachdem Carolins Tarnung als Blumenhändlerin in Wien aufgefallen ist, flüchtet sie vor dem russischen Karpin-Clan und der österreichischen Polizei, die sie wegen Mordes sucht nach Frankfurt. Von ihrem ...

Nachdem Carolins Tarnung als Blumenhändlerin in Wien aufgefallen ist, flüchtet sie vor dem russischen Karpin-Clan und der österreichischen Polizei, die sie wegen Mordes sucht nach Frankfurt. Von ihrem Beschützer, dem BKA-Beamten Robert Lesch kann sie keine Unterstützung mehr erwarten. Auf sich alleingestellt, beschließt sie, die Flucht nach vorn anzutreten. Sie möchte sich an den Karpins rächen, indem sie die Clan-Fehde mit der Konkurrenz, den albanischen Malakyans weiter anheizt. Sie beherrscht ihre Codes und verschickt Botschaften um die Karpins zu provozieren. Dabei muss sie auch selbst getarnt in diversen Verkleidungen in Erscheinung treten, um ihren Plan zielgerichtet umzusetzen.

"Rot wie Feuer" ist der abschließende dritte Band der "VANITAS"-Trilogie. Im Gegensatz zu den beiden ersten Bänden, die durch polizeiliche Ermittlungen wie Kriminalromane aufgebaut sind, ist der dritte Teil ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel m Umfeld der Organisierten Kriminalität von Drogendealern und Schutzgelderpressern.
Carolin wirkt nahbarer und man erfährt noch mehr Details aus ihrer Vergangenheit als Dokumentenfälscherin bei den Karpins, die sie endlich hinter sich lassen möchte, um wieder frei zu leben. Statt sich ins Ausland abzusetzen, schwört sie auf Rache und spielt den russischen Clan gegen den albanischen aus. Dabei entwickelt sie unaufhörlich neue Ideen, wodurch sich der Thriller rasant entwickelt. Spannung und Nervenkitzel sind durchgängig hoch, da sich Carolin in ständige Gefahr begibt. Ihr Wunsch nach Vergeltung ist jedoch größer als ihre Angst - und das in einem Umfeld von äußerster Brutalität und Gewalt, die zwar nicht im Detail, aber dennoch grausam beschrieben wird. Weder die Karpins, noch die Malakyans schrecken vor Folter oder Mord zurück, Gewalttaten werden von ihnen geradezu zelebriert.
Auch wenn man nachvollziehen kann, dass Carolin einen Weg der Gewalt gehen muss, um sich von ihren Peinigern endgültig zu befreien, geht sie doch ein enormes Risiko ein und hat bei ihren gefährlichen Aktionen unwahrscheinlich viel Glück, was den dritten Teil am wenigsten realitätsnah macht. Die Mitglieder der Clans empfand ich zudem etwas plump und stereotyp dargestellt.

"Rot wie Feuer" ist der aufregendste Band der Reihe, mit dem alle Unklarheiten der Vorgängerbände beseitigt werden und der die Geschichte um die getarnte Blumenhändlerin in sich stimmig und rund macht.

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Veröffentlicht am 25.03.2021

Eine Mutter auf der Suche nach der Tochter und die Frage, wie weit darf man für die Rettung des Planeten gehen? Heiligt der Zweck die Mittel?

Ungehorsam
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Als die fünfzehnjährige Lara spurlos verschwindet, macht sich ihre Mutter Rebekka auf eigene Faust auf die Suche nach ihrer Tochter, nachdem sie von der Berliner Polizei keine Unterstützung erhält. Ein ...

Als die fünfzehnjährige Lara spurlos verschwindet, macht sich ihre Mutter Rebekka auf eigene Faust auf die Suche nach ihrer Tochter, nachdem sie von der Berliner Polizei keine Unterstützung erhält. Ein fehlender Rucksack sowie eine Isomatte deuten darauf hin, dass Lara freiwillig abgehauen ist, schließlich hatten sich die Streitigkeiten mit ihrer Mutter gehäuft.
Bei ihren Nachforschungen findet Rebekka heraus, dass sich Lara militanten Klimaschützern angeschlossen hat und sich vermutlich bei einer Gruppe von Aktivistinnen versteckt hält. Doch selbst als Rebekka es schafft, sich der Gruppe anzunähern und eine Freundin von Lara kennenlernt, findet sie den Aufenthaltsort ihrer Tochter nicht heraus. Durch den Kontakt zu der Gruppe und einem Aufkommen von Verständnis für das Ziel, für das sie kämpfen, reflektiert Rebekka ihr Verhalten gegenüber ihrer Tochter und bereut, wie wenig Mühe sie sich gegeben hat, Verständnis für deren Ängste um die drohende Klimakatastrophe aufgebracht zu haben. Auf ihrer Suche kommt sie Lara damit zumindest mental näher.

Der Roman beginnt mit der Sorge einer Mutter um ihre verschwundene Tochter. Dabei wird die Entfremdung der beiden deutlich, denn Rebekka hat keine Ahnung, mit welchen Freunden sich Lara umgeben hat und eine falsche Erwartungshaltung an den Tag gelegt, indem die Schule und ein gutes Abitur wichtiger waren, als ein Engagement für Umwelt- und Tierschutz.
Bei der Suche nach Lara rückt der Fokus des Romans bald auf die die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen, auf den Klimawandel und die Angst um die Zukunft des Planeten. Die junge Generation geht erschrocken von den Bränden in Brandenburg auf die Straße, um ein Zeichen zu setzen und durch einen friedlichen Protest, Menschen zum Nachdenken und Umdenken zu bewegen und von den Politikern Maßnahmen statt alleiniges Lamentieren zu fordern. Rebekka ist plötzlich mittendrin - nicht bei den friedlich Protestierenden sondern bei einer Gruppe extremer Klimaschützer, die in den Medien bereits als Ökoterroristen bezeichnet werden. Sie schüren durch Gewalt Ängste, um Aufmerksamkeit für ihre Sache zu erlangen.

"Ungehorsam" ist das Verhalten der Extremisten. Ihr Ziel - die Rettung des Planeten - ist für uns alle relevant und ohne Frage bedeutungsvoll und unterstützenswert. Ihre Aktionen, bei denen unschuldige Menschen gefährdet werden, sind es dagegen nicht.
Der Roman dreht sich um die Entfremdung der Generationen von einander, aber auch um die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt. Er handelt vom Loslassen können und zeigt auf, dass es ausreichend sein kann, seinen Kindern den Weg zu ebnen, sie letztlich aber ihren eigenen Weg gehen zu lassen.
Es ist ein aktueller, aufwühlender Roman, der zum Nachdenken anregt und die Umweltzerstörung anprangert. Er zeigt dabei, wie weit Menschen für ihre Ideale gehen und dass im Kleinen und im Großen ein Umdenken geschehen muss, um die Generationen nicht weiter auseinanderdriften zu lassen und Maßnahmen zu ergreifen, damit die Generation Z noch eine Zukunft hat, die erstrebenswert ist. Eine derart massive Vorgehensweise, wie sie in dem Roman beschrieben ist, kann nicht die Lösung sein.
Während die Umweltthematik und die damit verbundene Gewalt eindringlich dargestellt sind, hatte ich mir die Suche nach Lara spannender vorgestellt. Sie als Person, ihre Motivation, Wut und/ oder Verzweiflung, die sie dazu veranlasst haben, ihr Elternhaus klammheimlich zu verlassen, bleiben etwas außen vor.

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Veröffentlicht am 23.03.2021

Authentischer Roman, der die Metoo-Thematik von drei Seiten beleuchtet und erschütternd rau, aber auch feinfühlig-empathisch geschrieben ist

Das Licht ist hier viel heller
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Maximilian Wenger ist Schriftsteller, dessen letzte Erfolge lange zurückliegen. Inzwischen ist er von seiner Ehefrau getrennt, wohnt in einer Junggesellenwohnung und bemitleidet sich selbst. Seine fast ...

Maximilian Wenger ist Schriftsteller, dessen letzte Erfolge lange zurückliegen. Inzwischen ist er von seiner Ehefrau getrennt, wohnt in einer Junggesellenwohnung und bemitleidet sich selbst. Seine fast erwachsenen Kinder kommen notgedrungen alle vierzehn Tage am Wochenende zu Besuch und würde sich seine Schwester nicht um Wenger kümmern, würde er komplett verwahrlosen.
Wenger blüht erst wieder auf, als er Briefe von einer Frau erhält, die an den Vormieter der Wohnung schreibt. Diese inspirieren ihn zu einem neuen Roman, der den Nerv der Zeit trifft. Was er nicht ahnt, ist, dass auch seine Tochter Zoey die Briefe heimlich gelesen hat und von den Inhalten erschüttert ist - denn sie hat ähnliches erlebt, wie die fremde Frau.

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Wenger und seiner 17-jährigen Tochter Zoey geschrieben, so dass man einen Einblick in beide Leben erhält. Beide machen im Verlauf der Geschichte eine Entwicklung durch. Während man Wenger zunächst noch aufgrund seiner Arbeitslosigkeit und dem Verlust seiner Familie bemitleiden mag, zeigt sich bald, dass er doch noch Biss hat, Ehrgeiz entwickelt und von einem Comeback träumt. Dabei ist ihm jedes Mittel recht - über Plagiate oder Ideenraub denkt er gar nicht nach, auch ist seine abwertende Einstellung gegenüber Frauen äußerst fragwürdig.
Zoey ist eine Einzelgängerin, die sensibel ist und künstlerisch begabt ist. Sie möchte Fotografin werden und arbeitet ehrgeizig an ihrem Ziel, ohne dass ihre Eltern eine Ahnung davon haben. Ein Ereignis wirft sie dann jedoch zurück und scheint all ihre Träume zu vernichten sowie ihre negative Einstellung gegenüber ihren Eltern zu manifestieren. Doch auch Zoey lernt zu kämpfen und lässt sich weder von ihrem übergriffigen Chef kleinkriegen, noch von Eltern, die sie nicht verstehen und nicht für sie da sind, wenn sie sie einmal braucht.

Der Schreibstil ist direkt und rau. Die Protagonisten sind frech und nehmen kein Blatt vor den Mund. Während Wenger sarkastisch ist und selbstverliebt nur auf sich und seinen eigenen Vorteil bedacht ist, ist Zoey rebellisch und trotzig gegenüber ihren Eltern, aber feinfühlig in Bezug auf ihren Bruder, mit dem sie ein enges Band verbindet.
Durch die drei unterschiedlichen Erzählstränge um Wenger, Zoey und die anonyme Verfasserin der Briefe ist der Roman abwechslungsreich gestaltet und zieht in seinen Bann. Dabei stellt sich erst im Laufe der Geschichte heraus, was die drei Handlungsstränge mit einander verbindet.

In Zeiten von #metoo-Debatten greift der Roman ein aktuelles Thema auf und zeigt es schonungslos aus Sicht der Opfer. Erschreckend dabei ist, wie schnell Grenzen verschwimmen können und wie wenig Handlungsspielraum bei der Verteidigung oft bleibt. Es ist ein Roman mit polarisierenden Charakteren, der gerade deshalb so einnehmend ist und nachdenklich macht.
Etwas einseitig empfand ich jedoch das vermittelte Männerbild. Bis auf Zoeys homosexuellen Bruder und seinen Freund, erscheinen alle anderen männlichen Protagonisten unsympathisch und frauenfeindlich.

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Veröffentlicht am 20.03.2021

Lebensnahe Geschichte über den Mut, sein Leben in Frage zu stellen, sich mit Problemen zu konfrontieren und eine Veränderung herbeizuführen

Schwester
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Iulia ist Mutter eines 15-jährigen Sohnes, verheiratet mit einem evangelischen Pastor und arbeitet in Teilzeit als Bankerin. Als ihre Stiefschwester Lone, zu der sie früher einmal so ein inniges Verhältnis ...

Iulia ist Mutter eines 15-jährigen Sohnes, verheiratet mit einem evangelischen Pastor und arbeitet in Teilzeit als Bankerin. Als ihre Stiefschwester Lone, zu der sie früher einmal so ein inniges Verhältnis hatte, nach einem Verkehrsunfall im Koma liegt, kümmert sich Iulia um deren Angelegenheiten und stellt fest, dass sie Lones Alltag überhaupt nicht kennt. Lone arbeitet freiberuflich als Hebamme, nachdem sie vor fünf Jahren ihre Stelle in einem Krankenhaus gekümmert hat. Durch die Schwangeren und jungen Mütter, die Lone bis zuletzt versorgte und die Iulia nun stellvertretend aufsucht, erhält Iulia nicht nur einen Einblick in die schöne, aber auch anstrengende Arbeit als Hebamme, sondern auch über Lone.
Iulia ist selbst eine empathische Frau, die anpacken kann und einen Draht zu den Patientinnen von Lone findet und unkonventionell Hilfe leisten kann. Dabei registriert sie, wie vergleichsweise unbedeutend ihre Arbeit als Bankerin ist und wie wenig Entscheidungsbefugnisse sie hat. Auch ihre Rolle als Frau eines Pastors stellt sie immer mehr in Frage, schafft es kaum mehr, den Gottesdiensten ihres Ehemannes beizuwohnen.

Der Roman ist etwas anders aufgebaut als gedacht - schon aufgrund des Titels hatte ich mir mehr über das Verhältnis der beiden Stiefschwestern zueinander erwartet. Dennoch konnte mich die Geschichte über Iulias Sinnsuche, bei der sich so viel über den Beruf der Hebamme erfahren habe, packen.
Das Buch ist aus wechselnden Perspektiven geschildert, so dass man sich gut in Iulia hineinversetzen kann, aber auch einen Eindruck von Lone und ihren Patientinnen erhält. Dabei zeigt das Buch einen umfangreichen Einblick in den Arbeitsalltag und den Druck, der auf Hebammen lastet: die Erwartungen der Schwangeren und jungen Mütter, die es zu erfüllen gilt, die permanente Verfügbarkeit und Erreichbarkeit, alleinige Verantwortung, die Frage nach einem ausreichenden Versicherungsschutz, finanzielle Nöte und unbezahlt geleistete Zusatzarbeit. Neben diesen beruflichen Schwierigkeiten, hatte Lone mit weiteren privaten Sorgen zu kämpfen, so dass sich unweigerlich die Frage stellt, ob es sich bei der Karambolage mit dem Trecker um einen Unfall handelte oder um einen selbst gewählten Ausweg.
Durch den Unfall und den Kontakt Iulias zu Lones Patientinnen wird bewusst, wie nah Leben und Tod beieinander liegen, denn nicht immer geht eine Schwangerschaft glücklich aus.

"Schwester" ist ein authentisch und ehrlich geschriebener Roman, bei der eine Frau in ein anderes Leben eintaucht und dabei ihr eigenes beruflich und privat reflektiert. Iulia empfindet keine Freude mehr an ihrer Arbeit in der Sparkassenfiliale, gesteht sich die Distanz zu ihrem Ehemann ein und erkennt, dass sie als Pastorsgattin neben den Gottesdienstbesuchen und dem wöchentlichen Sonntags-Sex nur noch die Erwartungen anderer erfüllt. Es ist eine in einem etwas nüchternen, aber dennoch berührenden Schreibstil erzählte, lebensnahe Geschichte über den Mut, sein eigenes Leben in Frage zu stellen, sich mit verdrängten oder unterdrückten Problemen zu konfrontieren und den Versuch zu wagen, eine Veränderung herbeizuführen.
Daneben sind es jedoch auch die einzelnen kurzen Geschichten über die Schwangeren und jungen Mütter, die mehr als nur physische Betreuung brauchen, frei über ihren Körper entscheiden möchten und nicht in der Masse untergehen wollen - egal ob es um die vor- oder nachgeburtliche Betreuung oder um Hausgeburten als solche geht.

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