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Veröffentlicht am 18.04.2021

Bojen im Nebel

Der Erlkönig
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ISBN 9783548063751
Sprache Deutsch
Ausgabe Taschenbuch, 400 Seiten
ebenfalls erhältlich als ebook
Erscheinungsdatum 29.3.2021
Verlag Ullstein Taschenbuch
Originaltitel Les Refuges
Uebersetzer Alexandra ...

ISBN 9783548063751
Sprache Deutsch
Ausgabe Taschenbuch, 400 Seiten
ebenfalls erhältlich als ebook
Erscheinungsdatum 29.3.2021
Verlag Ullstein Taschenbuch
Originaltitel Les Refuges
Uebersetzer Alexandra Baisch


Bojen im Nebel

2019 – eine Vorlesung im Anatomischen Theater der Universität Tours.
1949 – ein Strand, ein grausiger Fund.
1986 – Journalistin Sandrine recherchiert bei einem Bauern, dessen Kühe mit Hakenkreuzen besprüht wurden und wird unmittelbar darauf vom Notar über den Tod ihrer Großmutter Suzanne informiert, die sie nie kennengelernt hat.

Unterschiedlichste Puzzleteile werden hier von Autor Jérôme Loubry vorgestellt, eingerahmt und verknüpft mit Zeilen aus Goethes Ballade vom Erlkönig. Obwohl man nichts weiß, keinen Zusammenhang herstellen kann, so wird man doch sofort neugierig und immer mehr mitgerissen von einer Handlung, die gespenstisch und nebulos ist. So hantelt man sich von Boje zu Boje, ohne recht zu wissen, welch Rettungsanker dies ist. Nur langsam lichtet sich der Nebel, blitzt da und dort ein kleines Detail aus dem Wald von Erlen, steigt Erkenntnis aus den Tiefen von Wasser. Kaum glaubt man, zu verstehen, so wechselt die Szene, ändert sich das Bild. Virtuos spielt Loubry mit Reaktionen der menschlichen Psyche, zeigt, welche Auswirkungen ein Trauma über Jahre hinweg nach sich ziehen kann.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Sandrine, die die Verlassenschaft ihrer Großmutter regeln soll und dafür deren Haus auf einer kleinen Insel aufsucht. Wenige Tage später findet man sie besudelt mit fremdem Blut am Strand. Auch Kommissar Damien Bouchard kann sich keinen Reim bilden auf ihre wirren Erzählungen. Erschwerend für ihn kommt hinzu, dass er selbst von bösen Geistern verfolgt zu sein scheint.

Atmosphärisch perfekt eingebettet in das düstere Umfeld des Jünglings, den der Erlkönig zu sich lockt, präsentiert sich dieser Thriller mit vielen Facetten der Psychologie, verwebt geschickt unterschiedliche Handlungsstränge zu einem perfekten Ganzen, dessen Ausmaß immer unglaublicher wird. Trauer und Hoffnung bekommen eine ganz neue Note, die sich widerspiegelt in der Natur, deren leuchtende Farben zu einem eintönigen Grau changieren und dann doch wieder von Neuem in satten Tönen erstrahlen. Die Hoffnung stirbt zuletzt – oder stirbt sie nie?

„Er kommt des Nachts - und nimmt dich mit“ – ebenso wie dieses Buch: virtuos in Worte gefasste Schicksale reißen den Leser mit und schaffen einen unfassbar packenden Thriller, den man einem Rutsch verschlingt. Ein Meisterwerk!

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Nachbarn

Vanitas - Schwarz wie Erde
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Am Wiener Zentralfriedhof arbeitet Carolin als Blumenhändlerin. Aber sie ist nicht die Frau, die sie zu sein scheint. Eigentlich steckt hinter Carolin ein ehemaliger Polizeispitzel, einst eingeschleust ...

Am Wiener Zentralfriedhof arbeitet Carolin als Blumenhändlerin. Aber sie ist nicht die Frau, die sie zu sein scheint. Eigentlich steckt hinter Carolin ein ehemaliger Polizeispitzel, einst eingeschleust in eine brutale Bande des organisierten Verbrechens und offiziell inzwischen tot. Als sie sich langsam an ihr neues Leben in Wien gewöhnt und nach wie vor stets wachsam ist, wird sie für einen weiteren Auftrag nach München geholt. Obwohl ihr von Anfang an nicht wohl ist bei der Sache, unternimmt sie bald mehr Nachforschungen als aufgetragen.

Poznanskis prägnanter Schreibstil nimmt den Leser schnell gefangen, insbesondere, da weder Carolins Vorgeschichte noch ihre künftige Aufgabe klar sind. Nur sehr langsam ergeben sich bruchstückhafte Informationen und so entsteht ein Sog, immer weiter lesen zu wollen, um Details zu erfahren und der Geschichte auf den Grund zu gehen. Einziger Fixpunkt in München ist die Nachbarin Tamara, der Carolin bestimmte Auskünfte entlocken soll. Der Spannungsbogen steigt nur allmählich, aber stetig voran. Etliche Figuren betreten die Bühne und scheinen schwer zu durchschauen, bis sich eine unfassbare Erkenntnis ergibt und zu einem fulminanten Ende führt. Die Autorin kommt ohne scheußliche Blutgemetzel aus und komponiert auf ganz andere, sehr subtile Art und Weise eine mitreißende Atmosphäre, die diesen Thriller schlussendlich zu etwas ganz Ungewöhnlichem werden lässt. Bis zuletzt bleibt vieles im Ungewissen und darüber hinaus weisen uns Blumen den Weg zu Band 2: „Grau wie Asche“. Es bleibt also spannend …

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Veröffentlicht am 10.04.2021

Fortsetzung folgt

Die Perlenprinzessin. Rivalen
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Durch eine infame Verleumdung gewinnt Jörgen Mensing die Hand der jungen Reederstochter Mina Thadde, während Simon Simonsen vorerst geächtet wird und der Stein für einen generationenübergreifenden Familienzwist ...

Durch eine infame Verleumdung gewinnt Jörgen Mensing die Hand der jungen Reederstochter Mina Thadde, während Simon Simonsen vorerst geächtet wird und der Stein für einen generationenübergreifenden Familienzwist zwischen den beiden Hamburger Handelsfamilien gelegt wird. Der Auftakt zu Iny Lorentz‘ „Perlenprinzessin-Saga“.

Der Hamburger Hafen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, reiche Kaufleute, einfache Steuermänner, Matrosen, die Kisten verladen. Mitten in der alltäglichen Geschäftigkeit lernen wir Erna Lüders kennen, ebenso wie Simon Simonsen und die hübsche Mina Thadde. Rasch ist der Leser im Bilde über Liebschaften und notwendige „Ränge“, um als Heiratskandidat überhaupt in Frage zu kommen, schnell sind Sympathien und Abneigungen vergeben.

Iny Lorentz versteht es wie immer, eine vergangene Zeit voller Bilder und Düfte wieder aufleben zu lassen und einen von Anfang an zu fesseln. Mit kurzen Kapiteln wechseln stets die Szenen, wir begleiten die Protagonisten in der belebten Hafenstadt und auf stürmischer See, besuchen die ferne Karibik und das herrschaftliche London. Schnell fliegen die Jahre dahin, schon begegnen wir Kindern und Enkeln. Ebenso wie die Seemänner selbst verpassen wir einige Jahre Kindheit und müssen uns erst wieder ins Familiengefüge einfinden. Kaum blüht der Handel auf höchstem Niveau, besetzen Franzosen unter Napoleon Hamburg und wir sehen uns Elend und Not gegenüber.

Natürlich gibt es Verstrickungen und mehr als zufällige Glücksfälle, dennoch ist ob der passenden Sprache (Seemannsausdrücke, historische Begriffe – Glossar!) und vieler historischer Details die Spannung hoch und der Leser kann in etlichen Szenen mitfiebern mit seinen Lieblingsfiguren. Da dieser erste Band der Reihe „Perlenprinzessin“ nicht wirklich abgeschlossen ist, darf man schon neugierig sein, wer in „Die Kannibalen“ überleben wird.

Für Iny Lorentz-Freunde ein empfehlenswerter Serienauftakt!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Zwei Frauen

Die Roseninsel
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Nach einem traumatischen Erlebnis will Liv nur mehr weg, weg aus Berlin, weg aus ihrem gewohnten Leben. Passend ergibt sich eine freie Vertretungsstelle am Starnberger See: die Verwaltung der kleinen Roseninsel ...

Nach einem traumatischen Erlebnis will Liv nur mehr weg, weg aus Berlin, weg aus ihrem gewohnten Leben. Passend ergibt sich eine freie Vertretungsstelle am Starnberger See: die Verwaltung der kleinen Roseninsel scheint wie geschaffen für die junge Frau, obwohl sie über keinerlei einschlägige Erfahrung verfügt. Die Abgeschiedenheit, das Alleinsein in der alten Villa inmitten von Rosengärten ist ihr mehr als willkommen. Mit der Außenwelt verbindet sie nur Johannes, der ihr gelegentlich Lebensmittel liefert, aber schnell fasziniert ist von der zurückgezogenen und wortkargen Liv. Zufällig findet diese ein altes Tagebuch und versinkt in eine Schrift über vergangene Zeiten, drei Frauen auf der Roseninsel und eine Verbindung zu Bayerns Königen.

Rasch taucht man auch als Leser ein in ein Meer von Rosenblüten, während Kapitel um Kapitel flott dahinziehen und abwechselnd das Geschehen auf der bayrischen Insel einst und jetzt darstellen. Bezaubernd, aber nicht kitschig, erfährt man von zwei jungen Frauen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen zurückgezogen auf der Insel leben und doch verbindet sie so vieles. Wunderbar fügen sich die Jahrhunderte aneinander, lassen die Zeit des Kini wieder aufleben und die heutigen Strapazen spürbar werden. Sowohl Liv als auch ihre Vorgängerin sind so lebendig und glaubwürdig geschildert, dass man sich gut in die beiden hineinversetzen kann. Auch ihre Umgebung ist mit vielen Bildern dargestellt, man hat von Anfang an das Gefühl, selbst mitten im Geschehen zu sein. Dazu kommen noch interessante geschichtliche Details, die die Handlung passend abrunden und diesen Roman nicht als durchschnittliche Liebesromanze dastehen lassen.

Alles in allem birgt sich hinter der „Roseninsel“ ein lesenswerter Roman, durch den man rasch Abstand vom Alltag gewinnt und sich verlieren kann in einer Handvoll sympathischer Menschen und reizvoller Umgebung.

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Veröffentlicht am 25.03.2021

Zum Weinen schön

Fritz und Emma
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Als junger Mann muss Fritz Draudt noch in den letzten Tagen in den Krieg ziehen. Gezeichnet kehrt er 1947 aus der Gefangenschaft zurück. So wie einst, möchte er zu seinem alten Leben zurückkehren und Emma ...

Als junger Mann muss Fritz Draudt noch in den letzten Tagen in den Krieg ziehen. Gezeichnet kehrt er 1947 aus der Gefangenschaft zurück. So wie einst, möchte er zu seinem alten Leben zurückkehren und Emma heiraten, aber etwas Schreckliches verhindert diesen Schritt.

1918 kommen Pfarrer Jakob Eichendorf und seine Frau Marie in die idyllische, aber zunehmend verfallende Gemeinde Oberkirchbach. Einsame alte Menschen im Ortskern und abgeschiedene Zuzügler im Neubaugebiet prägen das Dorf, dem die junge Pfarrersfrau wieder frisches Leben einhauchen will. Und dann interessiert sie noch brennend, warum der kautzige Fritz und die am anderen Ende Oberkirchbachs lebende Emma seit fast siebzig Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt haben, wo doch die Hochzeit schon geplant war.

Abwechselnd erzählt Autorin Barbara Leciejewski in zwei Zeitebenen: einerseits beleuchtet sie die heutigen Ereignisse in Oberkirchbach mit dem sympathischen Ehepaar Eichendorf, andererseits rollt sie die Geschichte ab 1947 schrittweise auf, bis sie hier auf das aktuelle Geschehen trifft. Unglaublich lebendig werden dabei nicht nur Fritz und Emma geschildert, auch alle anderen Dorfbewohner zeichnen sich durch ganz individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten aus und mit viel Liebe zum Detail darf der Leser die bewegenden Veränderungen vom Krieg bis ins Jetzt mitverfolgen. Konkrete Bilder entstehen im Kopf, die erfüllt sind von mitreißenden Emotionen, von freudiger Geburt bis zum überraschenden Tod, von schreiendem pfälzischem Lachen bis hin zu stummen Tränen, von einer Liebe, die Jahrzehnte überdauert. Als ob man selbst mitten im Dorf lebt, so nah kommen einem die Menschen, so überzeugend vermittelt Marie ihre Ideen und Visionen.

Sowohl die Nachkriegsjahre wie das Heute berühren tiefe Gefühle, sodass man nicht umhin kommt, da und dort eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen, während man im nächsten Kapitel zum Glück schon wieder lachen kann, weil lustige Episoden und witzige Szenen eingeflochten werden. Diese Unmittelbarkeit ist es wohl, die das Buch so warmherzig klingen lassen und trotz all der Traurigkeit immer wieder Mut und Trost verspüren lassen. Auch wenn Maries Euphorie zuweilen ein bisschen übertrieben scheint, so fühlt man sich dennoch eine ganz reale Handlung hineinversetzt, die sich genauso zugetragen haben könnte. Das Leben ist nun einmal ein stetes Auf und Ab und ohne Tiefen gäbe es auch keine Höhen.

Aus jeder Situation das Beste herauszuholen und Frieden schließen mit Vergangenem, das man nicht mehr ändern kann, das ist die schöne Botschaft, welche die Autorin mit diesem wunderbaren Roman vermittelt. Weinen und Lachen, Verzeihen und Zusammenfinden – wer diese so berührende Geschichte gelesen hat, ist um eine phantastische Leseerfahrung reicher!

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