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Veröffentlicht am 26.05.2021

Autorinnenduo mit Potenzial

Forever and ever
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Während Samantha Young für mich definitiv eine Bank ist, zu der ich ohne einen zweiten verschwendeten Gedanken greifen würde, ist mir Kristen Callihan natürlich namentlich ein Begriff, aber gelesen habe ...

Während Samantha Young für mich definitiv eine Bank ist, zu der ich ohne einen zweiten verschwendeten Gedanken greifen würde, ist mir Kristen Callihan natürlich namentlich ein Begriff, aber gelesen habe ich noch nichts von ihr. Warum? Manchmal macht es einfach nicht klick, vielleicht umso besser, dass sie mit „Forever and ever“ nun gemeinsam ein Buch mit Young veröffentlicht hat, denn wie gesagt, bei der greife ich immer zu, ob da nun ein zweiter Name draufsteht oder nicht, ist dann auch egal.

Auch wenn für mich bei „Forever and ever“ natürlich nicht ersichtlich ist, wer von den beiden Autorinnen was geschrieben hat und wie insgesamt der Schreibprozess erfolgt ist, so habe ich für mich dennoch die Handschrift von Young erkennen können. Möglicherweise hat Callihan ja einen ganz ähnlichen Stil und es ist eine absolute Verschwendung, dass ich bislang noch nichts von ihr gelesen habe, oder sie hat sich da einfach durchsetzen können. Andererseits habe ich aber auch Elemente entdeckt, bei denen ich einiges Young-untypisch empfunden habe. Aber der Reihe nach. Was definitiv hervorragend in diesem Buch klappt, ist die grandiose Chemie, die Rhys und Parker schnell entwickeln. Ich habe bislang noch nicht ein Buch von Young gelesen, wo ich dachte, dass es zwischen den Protagonisten nicht stimmt. Und seien wir ehrlich, in Liebesgeschichten, vor allem heißen Liebesgeschichten, ist das nun mal das A und O. Dementsprechend bin ich wirklich sehr glücklich mit dem hier dargebotenen Pärchen gewesen, denn sie sind wirklich sehr gegensätzlich und dennoch teilen sie von Anfang an die Anziehung füreinander und da hat es schon gewaltig geprickelt.

Was ich tatsächlich eher ungewöhnlich fand, war die drum herum konstruierte Geschichte. Vom Prinzip her finde ich dieses „Ich kaufe mir einen Freund“ sogar ganz nett, weil es einfach zu solchen Geschichten passt, aber es passt meiner Meinung nach nicht unbedingt zu Parker und wie sie dargestellt wird. Ich fand nämlich, dass sie für das Genre überraschend modern, feministisch und umweltbewusst wirkte. Das findet man tatsächlich nicht regelmäßig in erotischen Liebesgeschichten, weil dort eher ältere Rollenbilder noch bedient werden, aber Parker ist das Hirn und das in einem Thema mit erneuerbaren Energien, wo man auch den Hut ziehen muss. Ich fand diese Ausgangslage für Parker echt spannend, aber letztlich wurde nicht sonderlich viel daraus gemacht und dann kommt eben hinzu, dass sie in ihrem Willen, unbedingt in dieser einen Firma arbeiten zu wollen, alle Prinzipien über Bord wirft. Das hätte ich aber gut wegschieben können, wenn dieser ekelhafte Chef nicht die komplette weitere Handlung auch dominiert hätte. Dessen Bestreben fand ich extrem widerlich und deswegen war er in dieser Geschichte, die ansonsten viel Witz und Charme hatte, völlig deplatziert. Ich habe ihn definitiv als kurzweiligen Gegenspieler akzeptiert, aber nicht so dominant, wie es letztlich aber der Fall war.

Ob diese nicht immer zusammenpassenden Elemente daran liegen, dass zwei Autorinnen am Werk waren? Schwierig. Fakt ist für mich dennoch, dass die Geschichte von Rhys und Parker für mich stark genug war, dass ich dieses Buch sehr flott und definitiv begeistert konsumiert habe. Vor allem fand ich es mal interessant, dass das Ende der Geschichte im Verhältnis sehr ruhig und durchdacht herbeigeführt wurde. Young kann am Ende gerne mal eine Dramaqueen sein, aber hier stimmte für mich die Dosierung seht gut, denn das letzte Hindernis hatte das Pärchen schon längst beseitigt, so dass es am Ende nur noch um ihren gemeinsamen Kampf gegen viele Faktoren ging. Das war wirklich nett und hat dann auch eher wieder die Ausgangslage getroffen, die mit Parker und den erneuerbaren Energien angestoßen worden ist.

Fazit: Das gemeinsame Schreibexperiment von Young und Callihan muss man meiner Meinung nach als gelungen einstufen. Zwar gab es kleinere Brüche in der Geschichte, die möglicherweise eine Folge von unterschiedlichen Stilen ist, aber ich habe eine prickelnde Liebesgeschichte bekommen, was für mich hier ein Muss war. Zudem wurde ein Ende geboten, da gut durchdacht war, ohne es übertreiben zu müssen. Bei dem Autorinnenduo würde ich also jeder Zeit wieder zugreifen.

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Veröffentlicht am 04.05.2021

Tatsächlich Umarmung für die Seele

Soul Food
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Ich lese definitiv zu wenig Bücher von People of Color. Das kann man auf der einen Seite so auslegen, dass ich von der Hautfarbe unabhängig zu einem Buch greife, aber man kann es auch deutlich negativer ...

Ich lese definitiv zu wenig Bücher von People of Color. Das kann man auf der einen Seite so auslegen, dass ich von der Hautfarbe unabhängig zu einem Buch greife, aber man kann es auch deutlich negativer auslegen, dass es auf den deutschen Buchmarkt immer noch nicht genug Stimmen von People of Color schaffen. Da ich von Angie Thomas im Jugendbereich schon sehr begeistert, aber thematisch auch erschüttert werden konnte, wollte ich nun Elizabeth Acevedo eine Chance geben, die nach „Poet X“ mit „Soul Food“ zum zweiten Mal in Deutsch veröffentlicht wurde.

Bei „Soul Food“ musste ich mich definitiv erst an den Erzählstil gewöhnen, denn es gibt immer wieder sehr kurze Kapitel. Dazu werden zwischendurch Kapitel eingeschoben, die nicht die Handlung voranbringen, sondern vielmehr als Erklärung dienen. Das ist definitiv ein seltener Stil, den ich zu lesen bekomme. Auch wenn ich ihn nach Beendigung des Buchs nicht als Favorit sehen würde, so muss ich doch zumindest gestehen, dass es dem Geschehen eine eigenwillige Dynamik gegeben hat. Zudem gewöhnt man sich beim Leben definitiv an die Stilistik und findet gut hinein.

Durch die recht knappe Erzählweise ist auch eine gewisse Oberflächlichkeit nicht zu leugnen. Man kommt als Leser*in definitiv nicht so nah an die Figuren rund um Emoni dran, wie man das aus anderen Lektüren kennt, aber dafür ist mir auf der anderen Seite aufgefallen, dass es Acevedo an vielen Stellen gelungen ist, mit nur wenigen Worten eine Atmosphäre zu kreieren, die Verständnis und Mitgefühl erzeugt. Deswegen hatte ich letztlich definitiv das Gefühl, dass ich verstanden habe, wer Emoni ist und wer die ihr lieben Menschen sind. Es hat sicherlich auch geholfen, dass die aufgegriffenen Themen nahbar waren. Für mich persönlich ist Kochen ein riesiges Thema. Ich bin zwar keine so intuitive Köchin wie Emoni, aber dennoch konnte ich ihr Bedürfnis sehr gut nachvollziehen, über ihr Gekochtes etwas beim Esser zu erzeugen. Es ist auch absolut rübergekommen, dass es ihr Traum ist und das konnte berühren.

Ein wichtiges Thema war natürlich auch ihre Herkunft, als halbe Puerto Ricanerin und als Kinder einer schwarzen Mutter, die sie nie persönlich kennengelernt hat, und dass sie damit kulturell oft zwischen den Stühlen steht. Ebenso die Schwangerschaft in der Jugend, die Liebe in der Jugend. Das Buch hat definitiv vieles geboten, das nachdenklich macht. Bei all dem war es mir vor allem wichtig, dass ich Emoni verstehen kann und dass sie dabei durchweg sympathisch rübergekommen ist, war dann ein netter Bonus. Ich habe es auch genossen, dass die Handlung trotz eingestreuter schwerer Thematik nie auf übermäßige Dramatik gesetzt hat. Sei es der Vater ihrer Tochter Emma, sei es die abgehobene Oma und seien es die Geldsorgen, all das hätte dafür sorgen können, dass die Handlung in ein tiefes emotionales Loch abdriftet, aber stattdessen war die Handlung stets von Hoffnung geprägt. Deswegen war das Buch definitiv auch Nahrung für die Seele, weil es mitten in der Realität wie eine warme Umarmung war.

Fazit: Ich habe mein erstes Buch von Elizabeth Acevedo sehr genossen, weil es thematisch mit Kochen und vielem mehr meine eigene Lebenswelt getroffen hat und somit berührt hat. Es war eine Geschichte mitten aus dem Leben, die trotz des zeitweiligen Ernst der Lage stets Hoffnung versprüht hat. Einzig der Erzählstil war etwas gewöhnungsbedürftig, hat aber für Dynamik gesorgt.

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Vertraut und doch einzigartig wie immer

Durch die kälteste Nacht
5

Brittainy C. Cherry schreibt ihre Bücher zwar in Reihen, aber das war nur selten eine Garantie dafür, dass diese auch inhaltlich einen Zusammenhang haben. Für mich persönlich ist das aber immer ein unschlagbares ...

Brittainy C. Cherry schreibt ihre Bücher zwar in Reihen, aber das war nur selten eine Garantie dafür, dass diese auch inhaltlich einen Zusammenhang haben. Für mich persönlich ist das aber immer ein unschlagbares Argument, weil ich Figuren gerne über einen längeren Zeitraum begleite. Nun scheint mit der Compass-Reihe aber genau das geliefert zu werden, weswegen ich mich auf „Durch die kälteste Nacht“ besonders gefreut haben. Aber wem mache ich eigentlich etwas vor? Ich hätte das Buch natürlich so oder so gelesen!

Die Bücher von BCC sind der Autorin immer schnell eindeutig zuzuordnen, was einerseits für Qualität steht, weil sie eine ganz eigene Art des Schreibens hat, aber es bietet leider auch die Gefahr zu ähnlich zu sein. Bei „Durch die kälteste Nacht“ kann man leider nicht verheimlichen, dass sich einige parallele Elemente zu Romance Elements, aber auch den Einzelbänden ergeben. Dennoch ist es mir wichtig zu betonen, dass letztlich doch jede Geschichte ihren eigenen Charme entwickelt. Seien sich die Figuren oder auch Handlungsmomente manchmal ähnlich, so sind die Entwicklungen zwischendurch gänzlich anders. Dennoch erwische ich mich inzwischen schon mal bei dem Gedanken, dass ich BCC gerne mal ganz anders erleben würde, denn sie hat so schöne Sachen zu sagen, das sollte doch auch in einem anderen Rahmen möglich sind. Ich denke da beispielsweise an Colleen Hoover, die ebenfalls grandios mit der Sprache umzugehen weiß und sich ständig neu erfindet.

Nun aber konkret zu „Durch die kälteste Nacht“. Ich mochte Kennedy und Jax auf Anhieb und das aus unterschiedlichen Gründen. Sie will man am liebsten ständig nur in den Arm nehmen, weil man miterlebt, wie sie von ihrem Ehemann behandelt wird und was für Dämonen sie heimsuchen, während bei ihm der weiche Kern, der nach außen hin harte Schale zeigt, durch seinen Kollegen Connor immer wieder deutlich wird. Die beiden alleine, aber auch zusammen bekommt schnell eine ganz neue Dimension, denn wir dürfen miterleben, wie sie sich als Kinder kennengelernt haben. Die Szenen sind zuckersüß, aber vor allem grandios einzigartig, weil gerade bei der kindlichen Kennedy deutlich wird, was für seltene Figuren sie schaffen kann. Diese sind unangepasst, mutig und so mitten im Leben, wie man sich das immer wünschen würde, weswegen ich sie immer gerne erlebe. Zwar ist somit der Kontrast zur heutigen Kennedy extrem, aber man spürt, dass ein Teil von ihrem kindlichen Selbst noch da ist und den will man endgültig wieder zum Vorschein bringen. Mit dieser gemeinsamen Vergangenheit im Hinterkopf ist es dann auch leichtes Spiel in der Gegenwart, wo die Funken nur so sprühen.

Dennoch wird „Durch die kälteste Nacht“ nicht als mein Liebling in Erinnerung bleiben. Zuletzt habe ich von BBC die Chances-Reihe gelesen und habe „Wie die Stille vor dem Fall. Erstes Buch“ heiß und innig geliebt. Das muss ich dann auch nicht rational begründen, denn es ist oft ein Bauchgefühl, welche Figuren, welche Paarung mich einfach noch intensiver auf ihre Reise mitnimmt. Und bei so vielen schon veröffentlichen Büchern ist wohl auch völlig klar, dass ich nicht alle Werke gleich lieben kann, aber ein Leseerlebnis sind sie wirklich immer wert! Bei „Durch die kälteste Nacht“ habe ich aber dennoch ein paar Argumente, um diesen eher durchschnittlichen Eindruck zu unterfüttern. Das ist zum einen das Erzähltempo. Am Anfang zieht sich vieles, während am Ende alles Schlag auf Schlag geht. Ich finde es normalerweise packender, wenn es immer mal wieder Höhepunkte gibt, um den Leser so gleichmäßig bei der Stange zu halten. Und ein zweites Argument ist sicherlich, dass einiges sehr intensiv, anderes eher lasch auserzählt wurde. Da haben wir grandiose Nebencharaktere wie Joy oder Connor, die mit wenigen Sätzen ein Eigenleben entwickeln, aber dann haben wir auch eher Antagonisten wie Derek, Cole oder auch Penn, die sehr stereotyp und manchmal auch nicht nachvollziehbar gestaltet sind. Auch inhaltlich hat das dann Auswirkungen, weil manche Entwicklungen mich tief innen drin berühren, während andere wie lästige Schikane wirken.

Fazit: „Durch die kälteste Nacht“ hat zwar recht penetrant zwischendurch mich denken lassen „Kenne ich!“ und dennoch entwickelt die Geschichte letztlich noch ihren ganz eigenen Charakter. Dennoch nicht mein Liebling von BCC, weil der Funke nicht so überspringen wollte, wie bei vorangegangenen Paarungen. Dennoch wie immer eine bedingungslose Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Macht sich als Serie sicher fantastisch

Goldene Flammen
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Ende April wird auf Streamingdienst Netflix die Serie "Shadow and Bone – Die Legenden der Grisha" starten, die zu gleichen Teilen auf der Grisha- als auch auf der Krähen-Reihe von der Autorin Leigh Bardugo ...

Ende April wird auf Streamingdienst Netflix die Serie "Shadow and Bone – Die Legenden der Grisha" starten, die zu gleichen Teilen auf der Grisha- als auch auf der Krähen-Reihe von der Autorin Leigh Bardugo beruhen wird. Grund genug, endlich in diese literarische Fantasywelt einzutauchen, die bei mir schon lange genug auf dem Stapel ungelesener Bücher ruht. Zudem muss man bedenken, dass die Grisha-Reihe beinahe schon zehn Jahre alt ist und nun – vermutlich wegen der Ankündigung der Serie – von Knaur noch einmal neu aufgelegt worden ist. Seitdem ist das Genre dank Erfolgen von Reihen wie "Harry Potter" oder "Game of Thrones" regelrecht überflutet worden und fällt schwer, noch wirklich Neues zu entdecken. Wie fällt also mein Eindruck zu "Goldene Flammen" aus?

Ich habe beim Lesen relativ schnell gemerkt, dass meine Bewertung des Auftaktbandes vermutlich ganz anders aufgefallen wäre, wenn ich die Grisha-Reihe im Rahmen ihrer Erstveröffentlichung gelesen hätte. Seitdem habe ich weitere Fantasyreihen entdeckt, obwohl Fantasy gar nicht mein bevorzugtes Genre ist, und so kann ich nun wahrlich nicht behaupten, bei Bardugo das Rad neu entdeckt zu haben. Aber es bleibt das Argument, dass sie vor einigen anderen veröffentlicht hat und dass ich ihre Bücher nun nur nach anderen lese. Deswegen darf das Wiederentdecken von altbekannten Elementen hier die Bewertung nicht gravierend beeinflussen. Zumal man beim Lesen auch schnell merkt, dass die dargestellte Welt sehr detailverliebt gestaltet worden ist. Es wurde eine ganz eigene Landschaft mit zahlreichen Städten aufgebaut, dazu gibt es ganz eigene Begriffe und Weltordnungen. Und das ist bei Fantasy komischerweise keine Selbstverständlichkeit. So habe ich einige Reihen gelesen, in denen das World Buildung nur mit mangelhaft bewertet werden kann und das kann man Bardugo nun wahrlich nicht vorwerfen.

Trotz abgebildeter Landkarte und trotz erster begrifflicher Einordnungen vorweg ist es keine einfache Aufgabe, sich in der Welt der Grishas auf Anhieb zurechtzufinden. Aufgrund vieler neuer Begrifflichkeiten muss man diese zunächst im Hinterkopf behalten und sich damit abfinden, dass man gleich mitten im Geschehen ist. Aber man wird als Leser*in nicht zurückgelassen, denn nach und nach klären sich Fragezeichen auf. Da Fantasy aber noch nie ein Genre zum Abschalten war, ist das ein ganz logischer Prozess. Hat man erst einmal die Basics der Grisha-Welt beisammen, kann man sich auch völlig auf das Lesen und damit Erleben einlassen. Dabei wurde mir schnell deutlich, dass mir die Grundidee des Buchs sehr gut gefällt. Zudem ist mit Alina eine Protagonistin geboten, die zwar als typische Retterin dargestellt wird, die charakterlich aber erst noch ordentlich in diese Rolle hineinwachsen muss und diese Reise erweist sich als sehr spannend, zumal sie mit dem Ende des Buchs auch definitiv noch nicht fertig vollzogen ist.

Was sich das Buch aber vorwerfen lassen muss, ist die Oberflächlichkeit bei Handlungsentwicklungen. Dass sich die Geschichte bei elendigen Beschreibungen nicht aufhält, ist lobenswert, aber wenn es dann ums Eingemachte geht, dann darf sich nicht alles so schnell ereignen, dass man logisch nicht mehr mitkommt. Alinas Ausbildung bei den Grishas verläuft beispielsweise auf der Überholspur. Während sie sich zunächst vergeblich abmüht und nur Zufallstreffer mit ihren Fähigkeiten landet, sorgt ein Wendepunkt für eine regelrechte Offenbarung, die ich aber nicht als realistisch empfand. Dieses Bild zeigt sich gleich mehrfach. Die Hektik in den Entwicklungen wird aber immer dadurch aufgewertet, dass sich dadurch immer neue spannende Wendungen ergeben. Selbst wenn mir manchmal etwas gefehlt hat, ohne es genau auf den Punkt bringen zu können, habe ich auch keine Zeit gehabt, darüber zu lange nachzudenken, denn es passiert schon wieder genug Neues.

Blickt man mit dieser Ausgangslage nun noch schnell auf die Adaption für den TV-Bildschirm, dann darf man sicherlich hoffnungsfroh sein. Die Welt der Grishas bietet jedenfalls genug faszinierende Elemente, die visuell umgesetzt sicherlich ein Highlight werden. Zudem kann eine Serie, die auch sicherlich nicht nur auf eine Staffel beschränkt sein will, die fehlenden Zwischenmomente vielleicht wieder bieten. Da die Autorin selbst an der Produktion beteiligt gewesen ist, müsste man sich auch nichts aus den Fingern saugen, denn sie dürfte ihre Welt und Figuren kennen.

Fazit: "Goldene Flammen" ist als Auftaktband einer neuen Fantasyreihe durchaus gelungen, denn man merkt, dass die Darstellungen liebevoll durchdacht wurden. Trotz anfänglicher Probleme, sich inhaltlich einzufinden, wird das doch schnell aufgelöst und man kann sich bedenkenlos auf das Lesevergnügen einlassen. Dabei wird viel Spannung, viele Wendungen, aber leider auch fehlende Konsequenz in einigen Bereichen geboten. Das Interesse ist in der Summe angeheizt und ist angesichts der angekündigten Serienadaption und den noch genug zu entdecken Büchern von Bardugo auch für die Zukunft gesichert.

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Echt, echter, Lily

Die Liebesbriefe von Abelard und Lily
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In den letzten Jahren ist es fahrlässig wenig geworden, was an klassischen Jugendbüchern noch bei mir einzieht, dabei waren diese in meiner eigentlichen Jugend und auch in den ersten Studienjahren noch ...

In den letzten Jahren ist es fahrlässig wenig geworden, was an klassischen Jugendbüchern noch bei mir einzieht, dabei waren diese in meiner eigentlichen Jugend und auch in den ersten Studienjahren noch mein absolutes Lebenselixier. Vielleicht ist das schlichtweg ein Zeichen, dass ich (zu) erwachsen geworden bin und dass mich deswegen andere Genres einfach mehr reizen. Und dennoch sind die Erinnerungen noch da, wie gut verstanden ich mich gefühlt habe, wenn ich über andere jugendliche Figuren ein Teil von etwas sein durfte. Vielleicht war in genau dem Moment, als ich das Cover von „Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ sah, die Sehnsucht nach diesem Gefühl besonders groß, jedenfalls habe ich zugegriffen und hier ist meine Einschätzung.

Was das Buch von Laura Creedle so besonders macht, ist vorrangig, dass es sich um eine höchst authentische Lektüre handelt, denn wir erleben die Geschichte durch die Augen der 16-jährige Lily, die an ADHS leidet und zudem Legasthenikerin ist. Die Autorin selbst hat auch beide Diagnosen gestellt bekommt und das merkt man beim Lesen überdeutlich. Wenn man in jedem Bekanntenkreis einmal herumfragt, dann wird man immer auf mindestens eine Person stoßen, die vermeintlich ADHS diagnostiziert bekommen hat, was aber einfach nur die heißgeliebte Begründung ist, sich für aktive Kinder zu rechtfertigen. Was ADHS bedeutet, wird meiner Meinung nach in dem Buch hervorragend transportiert, ebenso die Legasthenie. Oft hat man Bücher in denen etwas dargestellt wird, aber da wird nur darüber gesprochen, richtig gelebt wird es nicht. Aber was mit Lily los ist, merkt man schon an ihrer Art, wie sie die Geschichte erzählt und wie Creedle dementsprechend ihren Erzählstil gewählt hat. Sicherlich ist das nicht 100% konsequent umgesetzt, weil es eine anstrengende Lektüre ergeben hätte, aber wenn Lily die Sätze anderer mit vielen Fremdworten nicht versteht oder Untertitel nicht verfolgen kann, da wird vieles konsequent angesprochen und umgesetzt.

Auf der anderen Seite haben wir Abelard, der Asperger diagnostiziert bekommen hat. Die Geschichte ist nicht aus seiner Sicht erzählt und Lily kann sich aufgrund ihrer eigenen Diagnose nicht völlig in die Idee reinhängen, wie Abelard ist und was das genau bedeutet. Dementsprechend ist er als Figur deutlich weniger greifbar, aber auch hier bemerkt man trotz größerer emotionalerer Entfernung, dass sich Creedle auch bei ihm um Authentizität bemüht hat. Die beiden sind nun wahrlich nicht die idealen Kandidaten für eine epische Liebesgeschichte, aber wie realistisch sind diese epischen Liebesgeschichten eigentlich? Wir wünschen uns sie alle, aber wer bekommt sie schon wirklich, wie sie wir uns in zuckerrosa ausmalen? Dementsprechend bin ich glücklich, hier eine so bodenständige und dadurch so realistische Liebesgeschichte gezeigt zu bekommen. Lily küsst impulsiv, während das für ihn eine riesige Überwindung ist. Er verlangt absolute Pünktlichkeit, die aber nicht einhalten kann. Sie macht alles kaputt, während er alles repariert sehen will. Und doch haben sie eins gemeinsam: sie mögen einander. So simpel und doch so schön.

Natürlich muss ich mir eingestehen, dass ich nicht restlos an den Seiten geklebt habe, weil die Geschichte eine gewisse Distanz aufrechterhält, aber das hat es mir andererseits auch erlaubt, auf diese konsequente Machart durch Creedle zu achten. Weiterhin gibt es auch kaum langatmige Gefühlsergüsse, weil Lily jeden Rückschlag in ihrer Denkart schnell abhakt, da sie eine intensive geistige Beschäftigung damit nicht durchhalten kann. All das sind normalerweise Aspekte, die ich ähnlichen Büchern vorwerfen würde, aber hier wäre das brutal falsch. Denn sonst wäre das nicht die Geschichte von Abelard und Lily. Zudem haben mir einige angestoßenen Themen sehr gut gefallen. Besonders ist dabei natürlich der Umgang mit Anderssein zu nennen, denn Lily würde sich manchmal wünschen, normal zu sein, aber gleichzeitig kennt sie es nicht anders und deswegen ist eine von ihrer Mutter angestoßene Hirnoperation für sie die Überzeugung, dass sie so nicht geliebt werden kann. Hier merkt man auch wieder eindeutig, dass Creedle ihre eigenen Erfahrungen hat einfließen lassen. Einzig richtig schade fand ich zum Abschluss das offene Ende. Das sollte sicherlich eine Botschaft haben, aber diese war für mich nicht eindeutig. Es wirkt ein wenig wie kurz vor dem Ende abgebrochen. Das war tatsächlich noch ein Dämpfer zum Abschluss.

Fazit: „Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ ist ein höchst authentisch gewordenes Jugendbuch, das erzählerisch, inhaltlich und stilistisch nahezu perfekt die an ADHS erkrankte Lily einfängt. So konsequent ein Buch zu schreiben, ist schon jedes Kompliment wert. Das macht es aber auch zu einer außergewöhnlichen Lektüre, die sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist. Aber wer etwas Echtes will, ist hier genau richtig.

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