Profilbild von Viv29

Viv29

Lesejury Star
offline

Viv29 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Viv29 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.05.2021

Unangenehmer Schreibstil, Geschichte tritt zu sehr auf der Stelle

Hotel Weitblick
0

Der Klappentext des Buches verspricht: „ein bitterböser Roman über das Leistungsdenken“ und einen „entlarvenden Blick auf die erlernten Handlungsweisen unserer Gesellschaft“ und deren „zutiefst beunruhigende ...

Der Klappentext des Buches verspricht: „ein bitterböser Roman über das Leistungsdenken“ und einen „entlarvenden Blick auf die erlernten Handlungsweisen unserer Gesellschaft“ und deren „zutiefst beunruhigende Ursprünge“. Die Handlung beschreibt ein dreitägiges Assessment Center, auf dem ein Geschäftsführer für eine Werbeagentur gefunden werden soll. Dies sprach mich an, ungesunde Firmenkulturen und ihre zerstörerische Wirkung habe ich in meinen Jahren bei zwei der sog. „Big Four“ zu Genüge erlebt. Ich freute mich auf einen psychologisch raffinierten Blick hinter die Kulissen sowohl solcher Veranstaltungen und Firmen als auch der selbsternannten Leistungsträger.

Das Lesen fiel mir leider von Beginn an schwer, denn die Autorin tut alles, um ihren Text möglichst unübersichtlich zu machen. Lange, vor Kommata wimmelnde Sätze, der völlige Verzicht auf Anführungszeichen (ganz oben auf meiner Liste unerfreulicher Stilmittel) und häufig auch auf notwendige Fragezeichen. Dazu abrupte Perspektivwechsel und gleichlautende Erzählstimmen. Solche Stilmittel sind für mich bei Büchern eher ein Warnzeichen, weil sie auf mich den Eindruck machen, daß hier Unkonventionalität und Tiefgang suggeriert werden sollen, und der Textinhalt mich häufig enttäuscht. Es war nicht anregend oder erfreulich, sich durch diesen unübersichtlichen Text zu arbeiten und er lohnte die Mühe jedenfalls für mich nicht, auch wenn es zwischendurch gelungene und treffende Sätze gibt.

Wie bereits erwähnt, klingen die fünf Erzählstimmen völlig gleich. Während der Seminarleiter sich wenigstens inhaltlich ein wenig abhebt, versinken die vier Teilnehmer in einem Einheitsbrei, so daß ich sie – bzw. ihre Hintergrundgeschichten & Probleme – kaum auseinanderhalten konnte. Es wird sehr tief in die Klischeekiste gegriffen. Die einzige Frau der Runde ist natürlich auch diejenige, deren psychische Probleme dazu führen, daß sie im mittleren Alter plötzlich ein Kind möchte, als ob bei Frauen alles auf einen Kinderwunsch hinführt. Sie ist auch diejenige, die sich ihre zukünftige Führungstätigkeit vorwiegend so ausmalt, daß sie die Agentur hübsch kuschelig einrichten möchte, mit Pflanzen, gemütlichen Sesseln etc., außerdem ist ihre Designerhandtasche ein wichtiges Identifikationsobjekt für sie. Auch die Männer entsprechen den gängigen Klischees, die uns zudem innerhalb der ersten Seiten schon auf dem Silbertablett serviert werden. Ein Teilnehmer berichtet uns von seiner Freude über seine Familie und ich war gespannt, wie wir nun allmählich die Maske des begeisterten Familienvaters fallen sehen werden. Auf der nächsten Seite erklärt er uns schon, daß ihm seine Familie auf die Nerven geht. In dieser Manier ist eigentlich alles über das Innenleben der Protagonisten bereits gesagt, bevor es richtig losgeht. Die Hoffnung, daß sich Weiteres allmählich enthüllt, erfüllt sich nicht.

Das Buch tritt fast überwiegend auf der Stelle, wiederholt die bereits gemachten Punkte immer wieder, ob nun in zähen Unterhaltungen, langatmigen Gedankengängen in Bandwurmsätzen oder Träumen. Die Konflikt zwischen Teilnehmern und Seminarleiter, bzw. den einzelnen Teilnehmern ist vom Anfang da, wird schnell auf plumpe Art hochgeschraubt und richtet sich dann ebenfalls in der Endlosschleife ein.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sind – das kann man ohne Spoilergefahr schreiben, denn auch das wird schon auf den ersten Seiten dargelegt – die NS-Erziehungsprinzipien, damals niedergelegt von Johanna Haarer und noch bis in die 1980er als Ratgeber erhältlich. Wenn man bedenkt, daß das Buch 2020 spielt und die Protagonisten in ihren 30ern/40ern sind, also zu einer Zeit aufwuchsen, in der sich die Erziehung extrem gewandelt hat, ist dieser Aufhänger für mich nicht realistisch. Hätte das Buch zwei Jahrzehnte zuvor gespielt, wäre es glaubhafter gewesen. So aber konnte ich nur ziemlich befremdet den Kopf schütteln. Es gibt im Buch ein paar psychologisch gut dargestellte Momente, aber größtenteils war es mir zu plump und klischeebeladen. So waren also leider weder der Stil, noch der Inhalt, noch die Protagonisten mein Fall.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.12.2020

Originelle Idee, deren Umsetzung mich enttäuschte

Tödliche Gemälde
0

Dieses Buch hat mich gleich neugierig gemacht - ein Kunstkrimi, in dem ein Lebemann und Kunsthändler zugleich ein Serienmörder ist und mit seinen Morden Kunstwerke nachstellt. Das alleine gefiel mir schon, ...

Dieses Buch hat mich gleich neugierig gemacht - ein Kunstkrimi, in dem ein Lebemann und Kunsthändler zugleich ein Serienmörder ist und mit seinen Morden Kunstwerke nachstellt. Das alleine gefiel mir schon, dann kommt laut Klappentext noch hinzu, daß ausgerechnet sein mit ihm verfeindeter Zwillingsbruder der Ermittler in diesen Fällen ist und es zu einem "psychologisch raffinierten" Verwirrspiel kommt. Das versprach eine ausgefeilte Geschichte. Meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt.

John Blumenstein, der Lebemann und Kunsthändler, wird uns erst einmal sehr ausführlich vorgestellt. Mehr als fünfzig Seiten lang begleiten wir ihn dabei, wie er nach Handbuch den Bonvivant gibt. Sein Dasein als Lebemann wird uns nämlich vorwiegend durch ausführliche Passagen mit seinen Gedanken zu Weinen und ausführlichen Beschreibungen seiner Menüs geschildert. Die Weinpassagen lesen sich wie aus dem Weinführer und auch bei den Menüs liest es sich wie eine Speisekarte. Später kommen vermehrt Rezepte hinzu - eine Frau, mit der John Essen geht, erklärt ihm bei jedem Gericht, wie sie es zubereiten würde, und auch mitten in einer Mordserie findet sich Zeit, genüßlich zu kochen und dem Leser seitenlang die Zubereitungsweise zu schildern. Da zudem ständig erwähnt wird, wie teuer dies und jenes ist, hat John, genau wie die Erzählweise, einen deutlichen Anklang von nouveau riche. Wir lesen, daß John Bonvivant ist, aber wir erleben es nicht. Außerdem wird hier sehr mit dem Holzhammer gearbeitet.

Auch sonst macht es der Schreibstil schwer, irgendetwas in der Geschichte zu erspüren, zu erleben. Der Großteil des Buches wird ohne literarische Finesse als Bericht heruntererzählt. Es gibt kaum Dialoge, welche aber ohnehin keine Lesefreude sind. Sie wirken manieriert. Beispiel: "Ha, du feinster aller Brüder! Hab ich dich!" Der Leser liest und bleibt unbeteiligt. Nur in einigen wenigen Szenen habe ich das Gefühl gehabt, die Szene wirklich vor mir zu sehen. Diese Szenen sind gut und zeigen, was aus dem Buch hätte werden können. Da erleben wir dann auch John als Mensch, nicht nur als Schablone. Dieser charakterliche Einblick ist auf gelungene Weise grausig. Sonst haben alle Charaktere etwas Schablonenhaftes, sie sind nicht sorgfältig ausgearbeitet und nicht überzeugend. Johns Bruder Martin bleibt völlig blass, bis er dann plötzlich durchdreht und überzogen wird. Die weiblichen Charaktere scheinen einer Wunschphantasie entsprungen - gleich vier von ihnen befinden sich in Ehen/Beziehungen, in denen der Partner sie körperlich nicht befriedigt und so springen sie lustvoll den nächstbesten Mann an, gerne auch mitten im Park oder bewaffnet mit einer Reisetasche voller erotischer Spielsachen oder mit einem Würgefetisch ausgestattet.

Wirklich interessant dagegen ist der Einblick in den Kunsthandel - hier merkt man, dass dies das Metier des Autors ist und hier geht die Erzählung dann auch meistens weg vom Handbuchartigen und wird echt. Die Kunstwerke, um die es in den Morden geht, werden dem Leser überwiegend gelungen nahegebracht (im letzten Drittel des Buches werden leider auch die Beschreibungen wieder handbuchartig). Auch die Auswahl jener Gemälde, die John dann durch seine Morde nachstellt, ist gelungen. Man kann Johns Begeisterung für manche Gemälde absolut nachempfinden, erfährt interessante Hintergründe und betrachtet die Gemälde selbst genauer - sie sind nämlich im Buch abgebildet, was eine hervorragende Idee ist. Überhaupt ist das Buch optisch sehr schön gestaltet. Leider erstreckt sich diese Sorgfalt nicht auf das Korrektorat, es sind mir doch zu viele fehlende Worte, zusätzliche Worte, falsche Worte oder grammatikalische Fehler aufgefallen.

Leider aber wurde neben diesem interessanten Kern in die Geschichte noch viel zu viel hineingepackt - zusätzlich zu den lustvollen Frauen, den ausgiebigen Menüs und teuren Weinen hat John nämlich auch noch mit einem Geheimdienst zu tun. Das wirkte von Beginn an auf mich etwas deplatziert und sorgt für einige absurde Szenen. So sind die Geheimdienstmitarbeiter nicht nur in einem Fall unrealistisch vertrauensselig, sondern lassen sich auch von einer italienischen Hausfrau deftig die Leviten lesen. So ein Verhalten ginge ja gar nicht, wirft sie den toughen Agenten vor, und man möge sich doch bitte besser benehmen. Was die Agenten dann auch brav beherzigen. Auch sonst fehlt der Geschichte überwiegend der Realismus. John kommt ein praktischer Zufall nach dem anderen zur Hilfe, alles funktioniert reibungslos, alles läuft glatt. Noch nie hatte ein Serienmörder es so komfortabel. Das nimmt der Geschichte, ebenso wie die ausführlichen Essens- und Weineinschübe, die Spannung.

Von der versprochenen psychologischen Raffinesse habe ich, wenn überhaupt, nur leichte Ansätze gefunden. Die Holzhammermethode zieht sich durch alle Themen und durch diese ständigen Übertreibungen, dazu zahlreiche Wiederholungen, wird die Wirkung der Geschichte geschwächt und die guten Ansätze gehen unter. Letztlich hatte ich das Gefühl, eine Ansammlung von Auszügen aus Weinführern, Kochbüchern, Reise- und Kunstführern zu lesen, die mit der überzogenen Handlung eines James-Bond-Filmes angereichert wurden. Schade, denn aus der Idee hätte wirklich ein tolles Buch werden können und die Ansätze waren defintiv vorhanden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.01.2020

Zwischen Holzhammer und Zuckerguß

Das Knistern der Sterne
0

Das Buch beginnt, trotz etwas holpriger Sätze, recht vielversprechend. Stella wacht im Zimmer einer Jugendherberge auf und begegnet einem freundlich-geheimnisvollen älteren Mann, der sich Balthasar nennt ...

Das Buch beginnt, trotz etwas holpriger Sätze, recht vielversprechend. Stella wacht im Zimmer einer Jugendherberge auf und begegnet einem freundlich-geheimnisvollen älteren Mann, der sich Balthasar nennt und sie auf eine Kreuzfahrt einlädt. Das hat genug Ungewöhnliches, um neugierig zu machen. Wir erhalten einige Andeutungen, daß Stella in einer Lebenskrise ist und erfahren nach und nach etwas mehr über sie. Das ist unterhaltsam und natürlich möchte man auch wissen, was es mit Balthasar und der Kreuzfahrt auf sich hat. Dieser möchte die Kreuzfahrt nämlich komplett abgeschieden in seiner Kabine verbringen, während Stella die Reise praktisch stellvertretend für ihn erleben und ihm jeden Abend beim Essen Bericht erstatten soll. Das Erzähltempo ist recht flott und es werden mehrere Themen angeschnitten, so daß man sich beim Lesen gut unterhalten fühlt. Irritierend fand ich lediglich Stellas sogenannte "Gabe". Sie muss jemanden nur berühren, um dessen Befinden, Probleme, Gefühle, etc. zu spüren, und zwar erscheinen ihr diese Informationen in Farben, Formen und Klängen. Das ist mir zu abgedreht, störte aber an der Stelle noch nicht weiter. So vergeht das erste Viertel des Buches nicht spektakulär, aber angenehm und macht gespannt auf diese Kreuzfahrt. Bewertungsmäßig hätte ich hier 3, eventuell knappe 4 Sterne vergeben.

Als die Kreuzfahrt beginnt, sinkt das Erzähltempo rapide ab. Wir entdecken mit Stella das Schiff, was zu Beginn noch Spaß macht, weil vieles ihr so ungewohnt ist und sie sich ein wenig fehl am Platz fühlt. Das Schiffsleben ist recht authentisch beschrieben. Stella beschließt nun, an jedem Tag der Reise einem Mitmenschen etwas Gutes zu tun. Das hätte das Potential einer interessanten Rahmenhandlung gehabt, uns unterschiedliche Schicksale nahegebracht und Stella bei ihrer eigenen Lebenskrise geholfen. Allerdings wird dieses Thema nicht wirklich durchgezogen. Stella setzt ihr Vorhaben auf der zweiwöchigen Reise insgesamt gerade mal viermal um und das auch eher nebenbei; man erfährt wenig über die Menschen und kann auch über Stellas Methoden manchmal nur den Kopf schütteln - in einem Fall besteht ihre "Hilfe" darin, den Gegenüber nach Kräften vor Kopf zu stoßen. So tröpfelt die "Gutes tun"-Geschichte ein wenig uninspiriert dahin und verliert sich in langatmigen Beschreibungen des Bordalltags. Stella geht frühstücken, steht an Deck, macht rum, liegt in der Sonne, geht zum Kochkurs, zum Yoga, zum Tanzkurs... dieser Mittelteil des Buches schleppt sich ziemlich und ich konnte hier nie mehr als 20 Seiten am Stück lesen, weil ich mich, ehrlich gesagt, einfach gelangweilt habe.

Auch der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt hier sehr viele richtig schöne Formulierungen, die herrlich bildhaft sind, manchmal gelungen humorvoll. Es gibt aber auch viele holprige Sätze und auch die ständige Verwendung des Namens "Stella" an Stellen, wo ein "sie" angenehmer gewesen wäre, wirkt unbeholfen. Beispielsatz: "Stella bekam den Zuschlag sofort, und obwohl sie sich trotz der (...) Klientel, die sie dort erwartete, freute, blieb Stella ganz ruhig."
Eine stilistische Schwachstelle waren für mich die täglichen Abendessen, die Stella mit Balthasar in dessen Kabine einnimmt. Diese sind geschrieben wie ein Tonbandprotokoll, also ausschließlich mit wörtlicher Rede. Das ist nicht mein Fall, kann aber angenehm lesbar sein, wenn es gut gemacht ist. Hier ist es für meinen Geschmack nicht gut gemacht. Die Dialoge beinhalten viel Nebensächliches und auf Dauer war es anstrengend, ständig den Austausch über das Essen zu lesen, der in der Art von "Was ist das? Oh Fisch. Den kenne ich nicht." - "Das ist xy-Fisch, der ...." - "Es schmeckt ungewöhnlich, aber gut." (Kein Zitat, sinngemäßes Beispiel). Dialoge in Büchern sollen entweder relevante Informationen vermitteln oder die Handlung voranbringen. Diese Dialoge tun das zum einem Großteil nicht und lesen sich auch nicht sehr flüssig, auch sonst sind die Dialoge insgesamt keine Stärke des Buches.

Ein Lichtblick war Stellas Freundschaft mit dem Jungen Luis. Diese ist eine Art roter Faden, wirkt nicht so sprunghaft wie viele andere Themen, und es gibt hier rührende Momente. Diese Freundschaft ist auch die einzige Beziehung des Buches, die mich überzeugen konnte.

Ich muß zugeben, daß ich ab der Mitte oft abbrechen wollte, insbesondere als Stella dann auch noch anfängt, sich selbst zu finden und die ersten gewollt philosophischen Kalendersprüche auftauchen, Stella eine tiefe Krise innerhalb von zwei Tagen bewältigt. Das zweite Drittel des Buches zog die Wertung auf 3 wackelige Sterne, aber ich hoffe noch auf einen interessanten letzten Teil und mehr Informationen über Balthasar.

Den letzten Teil fand ich aber leider geradezu unangenehm. Dank Stellas "Gabe" hat sie es geschafft, das Leben aller Leute, denen sie geholfen hat, völlig umzukrempeln und alle danken ihr überschwänglich und halten ausführliche Selbstfindungsmonologe mit Stilblüten wie: "Ich fühle mich, als hätte ich längst überflüssigen Ballast abgeworfen. Und wäre jetzt in der Lage, endlich loszufliegen." Eine zuckersüße Begegnung folgt der andern und die Botschaft ist ebenso süßlich: innerhalb von wenigen Tagen kann man alles ändern, wenn man denn nur will und den richtigen Stups bekommt. Da reicht ein Maskenball von wenigen Stunden, um einen Betrüger dazu zu bringen, sein Leben künftig der Hilfe für Suchtkranke zu widmen. Und wer diese einfache Botschaft noch nicht verinnerlicht, seine Persönlichkeit durch Teilnahme an einem Kochkurs nicht innerhalb von zwei Tagen komplett umgekrempelt hat, bekommt von Stella den Rat mit: "Am Ende ihres Lebens bereuen die Menschen nur eins. Das, was sie alles nicht getan haben." Stella fühlt sich beim Verteilen solcher Allgemeinplätze, die manche Leute als Wandtattoo haben, übrigens tatsächlich "weise". Wir lernen dann noch "Es gibt auf Erden keine größere Macht als einen glücklichen Menschen," und ganz am Ende des Buches, als Stella sich aus Büchern "kluge" Sätze heraussucht, werden wir mit diesen Kalendersprüchen geradezu überschüttet. Das war mir alles viel zu gewollt tiefgründig und dabei so simpel. Das in mehreren Zuckergussschichten dick aufgetragene "Alles wird gut und zwar ganz schnell und beim kleinsten Gedankenanstoß" war viel zu viel, zu übertrieben, zu unecht. Nachdem dann auch das Ende hoffnungslos in heile-Welt-Kitsch versank, konnte ich nur noch den Kopf schütteln.

Am Anfang war noch eine erfrischend freche Note im Buch, dann wurde es belanglos, um dann leider in einer rosa Zuckerwattewolke zu enden. Wer Märchen für Erwachsene mag, wird sich hier vielleicht wohlfühlen, aber ich fühlte mich eher verulkt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.12.2019

Sehr enttäuschend

Glück am Morgen
0

Die im Klappentext erwähnte Thematik des Buches ist ausgesprochen interessant: "Das erste Jahr der jungen Ehe von Annie und Carl ist nicht leicht - ständig fehlt es an Geld, obwohl Carl neben seinem Jurastudium ...

Die im Klappentext erwähnte Thematik des Buches ist ausgesprochen interessant: "Das erste Jahr der jungen Ehe von Annie und Carl ist nicht leicht - ständig fehlt es an Geld, obwohl Carl neben seinem Jurastudium noch mehrere Jobs hat." Ich war gespannt darauf, wie die jungen Leute mit dieser Situation zurechtkommen und freute mich dann auch, als ich beim Lesen festsstellte, daß das Buch Ende der 1920er spielt und hoffentlich Einblicke in das Leben der Zeit gegeben würden.

Leider aber ist die Umsetzung gleich aus mehreren Gründen meines Erachtens völlig mißlungen. Der Hauptgrund ist der ausgesprochen schlechte Schreibstil. Ich konnte es kaum glauben, daß diese Autorin renommierte Preise gewonnen hat, denn das Buch liest sich, als ob es ein Schulmädchen verfaßt hätte. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein so schlecht geschriebenes Buch gelesen habe.

Auch bei der Schilderung der Beziehung zwischen Carl und Annie wurde meistens zielsicher am Interessanten vorbei geschrieben. Das Buch beginnt mit ihrer Hochzeit und ich war von der Banalität der Dialoge bereits überrascht, habe es aber über gemächlicher Einführung verbucht. Allerdings ändert sich das Ganze nicht. Annie und Carl führen zum Großteil absolut uninteressante Dialoge, die nicht dadurch besser werden, daß die beiden sich in fast jedem Satz zwanghaft mit Vornamen ansprechen.
Ein Auszug:
"Hast du schon mal so viele Pee-wees gesehen, Carl?"
"Das sind Beanies."
"In Brooklyn heißen die Pee-wees."
"Ich bin aber nicht in Brooklyn."
"Aber trotzdem bist du noch Brooklyner."
"Das müssen ja nicht alle wissen, Annie."
"Das ist jetzt nicht dein Ernst, Carl."
"Ach, wir können sie doch einfach Beanies nennen, Annie."
Das ist keine unrühmliche Ausnahme, sondern Carl und Annie sprechen fast ständig so miteinander. Irgendwann merkt man auch, daß ihre begrenzte Themenauswahl sich immer wiederholt und wir lesen Varianten des Banalen immer und immer wieder.

Die Charaktere sind nicht gut gezeichnet. Annie ist manchmal erschreckend einfältig, an manchen Stellen ist es kaum glaubhaft. Dazu ist sie noch völlig distanzlos und launisch. Das macht die Szenen mit ihr unangenehm zu lesen. Carl ist farblos. Er lernt viel, er arbeitet viel und er wird ab und an etwas grob. Mehr erfahren wir nicht. Was diese beiden aneinander finden, erfahren wir auch nicht, meistens scheinen sie genervt voneinander. Manche Szenen sollen uns vermitteln, wie sehr sie einander lieben, aber man kann es nicht nachempfinden und versteht es auch nicht. Überhaupt ergeben die Beziehungen zwischen den Charakteren nur selten Sinn.

Interessante Aspekte, wie eben Carls finanzielle Nöte oder das gespannte Verhältnis zu den jeweiligen Eltern, werden leider kaum behandelt, stattdessen versinkt die Geschichte größtenteils in Banalitäten. Zudem kommt Carl ein glücklicher Zufall nach dem anderen zu Hilfe und sobald ein wenig Geld im Haus ist, wird es (vor allem von Annie) mit vollen Händen hastig ausgegeben, was der finanziellen Thematik Dringlichkeit und Glaubwürdigkeit nimmt.

Annie, wie gesagt von ausgesprochener Einfältigkeit und dazu mit gerade mal grundlegender Schulbildung, schreibt gerne, insbesondere Theaterstücke. Ihre ersten Versuche sind schmerzhaft schlecht, was verständlich ist - sie konnte es bislang nicht lernen. Nun reicht aber ihr Interesse an der Thematik aus, kostenlose Gasthörerin bei entsprechenden Vorlesungen zu werden und dort braucht sie nur ein paar Monate, um zu den drei Besten der Klasse zu zählen. Das ist völlig unglaubwürdig (auch wenn das Buch wohl autobiographische Züge hat) und wird noch unglaubwürdiger, als wir Annies spätere Schreibversuche zu lesen bekommen und sie immer noch schmerzhaft schlecht sind.

So las ich hier also ein schlecht geschriebenes Buch mit unsympathischen, teils überzeichneten Charakteren, dessen teils interessante Themen entweder unzureichend oder unglaubwürdig behandelt wurden. "Glück am Morgen" ist leider die Enttäuschung des Jahres für mich. Die zwei Sterne gibt es für einige informative Schilderungen von Stadt- und Universitätsleben und für durchblitzende Momente, in denen man von Carls Situation gerührt ist und merkt, daß hier eine gute Geschichte hätte drinstecken können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.10.2019

Überwiegend nicht plausibel, Erzählweise behäbig und distanziert

Die Hoffnung zwischen den Zeilen
0

Der Klappentext hat bei mir hohe Erwartungen an das Buch geweckt. Eine in der Nachkriegszeit spielende Geschichte, die bis in die Kriegszeit zurückgeht und sowohl Deutschland als auch Schweden behandelt ...

Der Klappentext hat bei mir hohe Erwartungen an das Buch geweckt. Eine in der Nachkriegszeit spielende Geschichte, die bis in die Kriegszeit zurückgeht und sowohl Deutschland als auch Schweden behandelt – das klingt vielversprechend. Ich weiß noch recht wenig über Schweden während des Zweiten Weltkrieges und war sehr gespannt, hier mehr zu lernen.

Leider aber wurden meine Erwartungen nicht getroffen. Das Buch wird als Historischer Roman kategorisiert, aber dafür ist recht wenig Historisches drin. Ja, es spielt zur Nachkriegszeit, es gibt einige Rückblicke, einige vereinzelte Informationen mit historischem Inhalt, aber letztlich hätte die Geschichte mit ein paar leicht veränderten Parametern zu jeder Zeit stattfinden können. Nachkriegsatmosphäre kam kaum auf – generell mangelte es an Atmosphäre. Über Schweden im Krieg habe ich so gut wie nichts erfahren (über Deutschland im Krieg ebenfalls nicht).

Es beginnt noch recht plastisch mit Uli, die in das schwedische Dorf Krokom reist. Es gibt einige Hinweise über die Meinung der Schweden über die Deutschen nach dem Krieg, ein paar Rückblicke Ulis in die Kriegszeit in Hamburg. Das bleibt aber leider kurz, oberflächlich und hinterläßt mehrere offene Fragen. Die beiden Hauptpersonen Uli und Elsa blieben mir das ganze Buch hindurch fremd, Uli wird zudem immer unsympathischer. Die Erzählweise der Autorin ist ausgesprochen distanziert. Das ist auch deshalb unerfreulich, weil es hier um durchaus gravierende Entscheidungen geht, die die Protagonistinnen treffen oder trafen, die uns aber überhaupt nicht plausibel gemacht werden. Das trifft insbesondere auf Elsa zu. Elsa hilft jemandem in einem Maße, das über einen kleinen Gefallen weit hinausgeht und auch für sie durchaus Folgen haben könnte. Dieses im Klappentext erwähnte „Geheimnis“ war mir übrigens schon ziemlich schnell klar, auch weitere Entwicklungen waren vorhersehbar.

Uli taucht also in Krokom auf, weil sie Briefe gefunden hat, die Elsa dem Deutschen Hans (lt Klappentext – im Buch heißt er Johann, bzw Hansi) schrieb, welcher mit Uli „verlobt“ war. Ich setze dies in Anführungsstriche, weil man die Liebe zwischen Uli und Hans zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen kann. Für Uli war es eine von mehreren Bettgeschichten und schon deshalb ist es nicht plausibel, daß sie Jahre später wegen dieses Mannes zu Elsa reist. Elsa hat ebenfalls Briefe mit Hans ausgetauscht. Warum? Das erschließt sich dem Leser leider nicht, insbesondere, da sie nur über Landwirtschaft geschrieben zu haben scheint. Somit sind für die Geschichte wesentliche Konstellationen und Motive nicht nachvollziehbar.

Im Klappentext wird erwähnt, daß Uli und Elsa „vorsichtig Freundschaft“ knüpfen. Auch das sah ich nicht. Uli trampelt in Elsas Leben, diese enthüllt der Unbekannten umgehend ihr Geheimnis, was dazu führt, daß Uli Elsa gegenüber mit größter Selbstverständlichkeit die dreistesten Forderungen stellt, Elsa diese – ohne daß der Leser versteht, warum – erfüllt und von Uli genervt ist.

Auch sonst gibt es mehrere Stellen, die nicht plausibel sind, zwei Aspekte würde ich sogar als falsch geschildert einstufen. Der letzte Teil des Buches enthält so viele schlecht durchdachte Aspekte, unglaubhafte Wendungen, praktische Zufälle und ein unrealistisches Ende, daß ich mich ein wenig verulkt fühlte.

Das Buch liest sich leicht, es gibt auch einige gut geschilderte Szenen (hauptsächlich am Anfang). Die Erinnerungen Ulis an frühere Jahre haben durchaus Interessantes, sind auch gut in den Text eingeflochten. Allerdings ist das Erzähltempo insgesamt äußerst behäbig, mit vielen unnötigen Details (besonders bedauerlich, da wichtige Details nicht vorhanden waren und zu viel offen blieb).

So muß ich also leider sagen, daß ich weder inhaltlich noch stilistisch von diesem Buch überzeugt wurde und es mir kein Lesevergnügen bereitete.