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Veröffentlicht am 27.07.2017

Witzige Idee mit Schwächen in der Umsetzung

In der Liebe ist die Hölle los
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Von diesem witzigen Liebesroman hat man in den Sozialen Netzwerken in den letzten Monaten viel gehört und so konnte auch ich der Versuchung nicht widerstehen, es mir näher anzuschauen. Auch das Cover hat ...

Von diesem witzigen Liebesroman hat man in den Sozialen Netzwerken in den letzten Monaten viel gehört und so konnte auch ich der Versuchung nicht widerstehen, es mir näher anzuschauen. Auch das Cover hat direkt meinen Geschmack getroffen, ein Hinweis, den ich normalerweise in Rezensionen nicht bringe, aber hier ist die Gestaltung in meinen Augen einfach herausragend.

Der Roman ist größtenteils aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Catalea Morgenstern geschrieben, welche die Tochter des Teufels ist und recht widerwillig in seiner Firma hilft. Die Hölle hat sich in diesem Universum der Moderne angepasst, so dass sie tatsächlich stark bürokratisch aufgebaut ist und eine unfassbare Menge an Regulierungen zu besitzen scheint. Zunächst verwirrend, dann aber zunehmend erheitern bekommt der Leser dafür Auszüge aus einem Hilfebuch für frisch Verstorbene zu lesen. Diese Abschnitte sind trocken und sachlich formuliert, gerade in der Präsentation diverser Statistiken und Umfragen bietet sich großartiges Potential für augenzwinkernden Humor.

Der Plot selbst erschien mir über weite Strecken ein wenig konstruiert und damit nicht immer logisch. Ein Mordfall, der Catalea in die Schuhe geschoben werden soll, setzt eine ganze Reihe von ungewöhnlichen Ereignissen in Gang, doch nie bekommt man den Eindruck, dass Catalea sich wirklich für den Toten oder den wahren Mörder zu interessieren scheint. Auftritt Timur, der für ihren Schutz zuständig ist, aber selbst Geheimnisse hat, die er lieber vor der Welt der Firma verschweigt. Catalea findet ihn gutaussehend, so tut man es als Leserin auch, und tatsächlich erschien er mir stets charismatisch, stringent und authentisch. Zwischen ihnen findet die Liebesgeschichte statt und vom ersten Treffen an versteht der Leser, was Catalea an ihm findet.

Umgekehrt kann ich leider selbiges nicht bestätigen. Was genau Timur in Catalea sieht, blieb mir bis zum Schluss verborgen. Das liegt in meinen Augen daran, dass der gewählte Stil – die Ich-Perspektive – genau das Gegenteil dessen zur Folge hat, was man erwarten würde: Statt sich tief in die Hauptperson einfühlen zu können, bleibt Catalea flach, erscheint jünger als angegeben und handelt häufig so deutlich im Sinne des Plots, dass einem schwindelig wird. Gewiss, sie stellt sich gerne quer und will ihre eigenen Entscheidungen treffen, während sie genauso häufig einfach dem zustimmt, was auch immer Timur oder andere Personen für sie geplant haben. Leider konnte ich darin nie eine einheitliche Linie erkennen, die auf einen Charakter schließen lassen würde, sondern lediglich eine Figur, die den Plot vorantreiben soll. Entsprechend konnte ich auch keine echte Charakterentwicklung bei ihr entdecken, auch wenn man zugestehen muss, dass sie sich zunehmend für das Schicksal einiger weniger anderer Figuren zu interessieren beginnt.

Die Welt, die Benne Schröder erschaffen hat, ist faszinierend, auch wenn wir in diesem ersten Band ganz offensichtlich nur an der Oberfläche kratzen. Genügend Details lassen ein Glöckchen in uns ringen, wenn wir uns an den Religionsunterricht oder andere Bibelstunden erinnern. Die grundsätzliche Idee ist innovativ und extrem lustig. Ich persönlich denke, dass ein wenig mehr Fokus auf die einzelnen Figuren und ihre Verbindung zum Universum der Geschichte gut tun würde, da man zumindest in diesem ersten Teil manchmal ein kleines Schleudertrauma davon trägt, so rasant und nicht immer logisch aufeinander aufbauend entwickelt sich der Plot.


FAZIT

Der romantische Fantasy-Roman „In der Liebe ist die Hölle los“ von Benne Schröder erfüllt über weite Strecken alle Erwartungen. Der Plot und der Schreibstil sind so witzig, wie die Grundidee des Klappentextes vermuten lässt, und die verschiedenen Figuren sind manchmal grandios absurd. Trotzdem konnte ich persönlich nie eine echte Bindung zur Hauptperson Catalea aufbauen, auch wenn mir ihre Liebesgeschichte mit Timur gefallen hat. Zu häufig hatte ich den Eindruck, dass die Figuren dem Plot dienen und dadurch Handlungen nicht mehr authentisch wirkten. Trotzdem hat mir die Lektüre viel Spaß bereitet und ich spreche gerne eine Kaufempfehlung auf.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Humor
  • Spannung
  • Thema
Veröffentlicht am 04.07.2017

Solide Story, mäßige Übersetzung

Verflucht – Nacht der Toten (Mystery-Thriller)
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Die beiden Hauptfiguren Quinn und Kate sind von ihrem ersten Auftreten an sympathisch. Quinn könnte eigentlich ein gutaussehender Kerl sein, doch die Alpträume, die ihn im Oktober heimsuchen, zehren an ...

Die beiden Hauptfiguren Quinn und Kate sind von ihrem ersten Auftreten an sympathisch. Quinn könnte eigentlich ein gutaussehender Kerl sein, doch die Alpträume, die ihn im Oktober heimsuchen, zehren an seinen Nerven und das wirkt sich auch auf sein Äußeres aus - welch' willkommene Abwechslung zu den stets schönen Männern der New-Adult-Welt! Quinn steht dauerhaft unter Strom und rechnet jederzeit damit, endgültig dem Wahnsinn anheim zu fallen. Dennoch erledigt er die Aufgaben innerhalb der Redaktion gewissenhaft, wenn auch nicht mit allzu viel Begeisterung. Das ändert sich, als er Kate trifft: Kate erscheint wunderschön, beinahe zerbrechlich in ihrem Auftreten, doch es dauert nicht lange, bis sie in der Redaktionskonferenz trotz ihrer gerade erst erfolgten Anstellung dem Besitzer der Zeitung lautstark Kontra gibt. Sie hat einen eigenen Willen und ist entschlossen, ihr Ziel zu erreichen.

Interessanterweise weiß Kate gar nicht so genau, was ihr Ziel eigentlich ist. Sie will nicht länger davonlaufen, deswegen ist sie nach Loudon gekommen, doch einen genauen Plan hat sie nicht. Es ist Schicksal, dass sie gemeinsam mit Quinn die Ermittlungen zu den neuen Serienmorden aufnimmt und so kommt die Geschichte ins Rollen. Wir erfahren stetig mehr über beide, der gutherzige, aber schräge Kollege Janus kommt mit ins Team und je weiter man liest, umso klarer wird: Hier ist etwas Übernatürliches im Gange. Oder ist Quinn einfach nur wahnsinnig? Die journalistische Arbeit der drei wird nah an der Realität, aber literarisch ansprechend und wohl dosiert übertrieben dargestellt, so dass man als Leser tatsächlich das Gefühl bekommt, man könnte mit rätseln, wer der Mörder ist. Das macht Spaß und ich glaube fast, wenn man wirklich aufmerksam ist, ist der Plot-Twist am Ende nicht mehr überraschend. Ich war jedoch zu abgelenkt von anderen Geschehnissen, als dass ich den Mörder erahnt hätte. Ich glaube, jeder ist zu abgelenkt von jenen Geschehnissen.

In die Kapitel eingestreut sind Briefe des Serienmörders, die er vor zwölf Jahren an einen Journalisten schrieb. Sie sind ein deutlicher Hinweis auf seinen Gemütszustand und können helfen, die Identität zu entschlüsseln. Ebenfalls finden sich viele kurze Passagen über die Legende von Sleepy Hollow (welche am Ende des Buches in deutscher Übersetzung vollständig abgedruckt ist) sowie zunächst mysteriös wirkende und verwirrende Schnipsel über einen eher unbekannten, verstorbenen Autor. Das hilft, die Geschichte mit historischem Hintergrund und übernatürlichen Andeutungen zu unterfüttern, welche die aktuellen Geschehnisse nur noch spannender machen.

Leider weist das Buch jedoch handwerkliche Mängel auf, über die ich nicht hinweg sehen kann. Einerseits ist der Stil von Rob Blackwell noch nicht geschliffen genug. Die Anfänge nimmt dieser Roman laut Blackwells eigenen Notizen im NaNoWriMo 2001, also schon eine ganze Weile her. Trotz der diversen Überarbeitungen seitdem stören mich einige Kleinigkeiten, insbesondere, dass er quasi durchgängig "head-hopping" betreibt: Das Buch wird größtenteils aus der Sicht von Quinn oder Kate erzählt, doch innerhalb diverser Szenen bekommen wir sowohl Einblicke in Quinns als auch in Kates Gedanken. Wenn während eines Dialogs mehrfach die Perspektive wechselt, ist das für den Leser unangenehm und verwirrend, und außerdem, zumindest in meinen Augen, schlechter Stil. Entweder wir betrachten die Szene aus Quinns Augen, dann sind uns Kates echte Gefühle verborgen, oder umgekehrt. Deswegen haben wir beim Schreiben Perspektiven: Damit wir die Welt aus der Sicht der Charaktere wahrnehmen. Das hat mich leider öfter gestört.

Noch negativer fällt jedoch die Übersetzung ins Gewicht. An wirklich unzähligen Stellen bin ich über Wörter gestolpert, die wortwörtlich ins Deutsche übersetzt wurden, obwohl sie dadurch sinnentstellt werden. Regelmäßig gehen in Dialogen Sie/sie/ihr/ich durcheinander. Teilweise machen ganze Gespräche keinen Sinn, weil irgendetwas so falsch übersetzt wurde, dass ich nicht einmal mehr aufs Original schließen konnte. Es ist wirklich bedauernswert, dass der Zustand der Übersetzung so schlecht ist, dass man auch als Hobby-Leser nicht anders kann, als es zu bemerken. Besonders überrascht mich das, da eine der beiden Übersetzerinnen (Andrea Blendl) auch "Der Nekromant - Totennacht" übersetzt hat, welches zwar ebenfalls nicht fehlerfrei war, aber bei Weitem nicht so auffällig wie dieses Buch. Ich habe das Buch mehrfach mit frustrierten Flüchen aus der Hand gelegt.



Fazit:

Der Horror-Mystery-Thriller "Verflucht - Nacht der Toten" von Rob Blackwell ist ein angenehm gruseliger, durchaus spannender erster Band der Sanheim Chronicles und verspricht, dass wir noch eine Menge Spaß mit Quinn und Kate haben werden. Die Suche nach dem Mörder ist ausführlich genug geschildert, dass der geneigte Leser mit rätseln kann, während das Übernatürliche so nebenher einschleicht, dass man bis zum Schluss am Verstand der Hauptcharaktere zweifelt. Das ist durchaus gut gelungen. Leider holpert der Schreibstil hier und da und die deutsche Übersetzung weist deutliche Mängel auf, die einfach nicht übersehen werden können.

Veröffentlicht am 27.08.2021

Atemlos, aber auch ermüdend

Eskalation
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Die Leseprobe zu diesem Buch hat mich sofort in den Bann gezogen, da ohne lange Vorrede der Plot beginnt. Wir sehen ein Opfer, wir bekommen einen winzigen Blick auf den Täter und erfahren zugleich, dass ...

Die Leseprobe zu diesem Buch hat mich sofort in den Bann gezogen, da ohne lange Vorrede der Plot beginnt. Wir sehen ein Opfer, wir bekommen einen winzigen Blick auf den Täter und erfahren zugleich, dass das Buch aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Der Stil fesselt von der ersten Seite, doch das hohe Tempo, das bis zum Ende durchgezogen wird, hat mich am Ende ermüdet und unzufrieden zurück gelassen.

Klassische Polizeiarbeit gemischt mit dem Horror einer Entführung

In diesem Buch lernen wir viele Personen kennen. Einerseits natürlich das Entführungsopfer, zu dem wir immer wieder zurückkehren. Wir erleben hautnah mit, wie traumatisch und verzweifelt diese Situation ist. Gleichzeitig erleben wir auch ihr Umfeld und wie Familie und Freunde reagieren, währen die Polizei ermittelt und die Medien mal mehr, mal weniger hilfreich Bericht erstatten. Das alles ist gerade zu Beginn sehr spannend und sorgt für einen Rundumblick, den man selten erhält.

So packend die Szenen des Entführungsopfers auch geschrieben sind, das Highlight für mich war stets, wenn wir den Polizisten bei der Arbeit zuschauen konnten. Das war solide erzählt und gleichzeitig spannend, gerade weil wir immer wieder gesehen haben, wie dünn die Luft für das Opfer wird. Interessant war hier, dass auch die Beziehung von Polizei und Medien beleuchtet wurde, wie schwierig das für den Pressesprecher sein kann und wie unerbittlich der Kampf verschiedener Zeitungen gegeneinander ist. Das hat insbesondere in der ersten Hälfte sehr viel Spaß gemacht.

Der Stil schafft sich selbst ab

Leider blieb der Stil bis zum Schluss gleich. Natürlich ist es auf der einen Seite konsequent, es durchzuziehen, doch für mich litt das Lesevergnügen darunter. Jedes Kapitel hat nur wenige Seite, wir wechseln immer wieder die Szene. Kaum sind wir in der einen angekommen, endet sie schon. Dabei ging für mich einerseits die Charaktertiefe verloren, weil ich nie wirklich bei einer Figur ankommen konnte. Gleichzeitig hatte ich leider auch das Gefühl, dass den Charakteren auf diese Art und Weise die agency genommen wurde – die Möglichkeit, den Plot zu bestimmen und Handlungsmotivation zu zeigen.

Je weiter wir uns dem Ende genähert haben, umso weniger interessiert war in an dem Buch. Die vielen Figuren, die allesamt in jeder Situation das taten, fühlten und dachten, was es gerade für den Plot braucht, ohne dabei einen eigenen Charakter zu haben, flossen ineinander. Die Auflösung war zwar ein interessanter Twist, doch die Aufarbeitung dessen bestand aus zu viel Monologen, die uns erzählt haben, was wir denken und fühlen sollen, ohne dass es uns gezeigt wurde.

Für mich leben Geschichten, insbesondere Thriller, davon, dass ich mit einer Figur wirklich mitfühle, egal welche das ist. Hier gab es zu viele Figuren und gerade das Entführungsopfer, das Dreh- und Angelpunkt des Plots war, blieb bis zum Schluss so charakterlos, dass mir ihr Schicksal zwar nicht egal war, aber ich trotzdem keine emotionale Verbindung spüren konnte. Das ist schade, denn es gab auch immer wieder Szenen, in denen ich wirklich dabei war, die ich spannend fand, die mich zum Nachdenken gebracht haben.

Fazit

Der Thriller „Eskalation“ von Nora Benrath beginnt atemlos und zieht das Tempo bis zum Schluss durch. Während dies gerade am Anfang für Spannung und Abwechslung sorgt, wird es in der zweite Hälfte leider ermüdend. Die ständig wechselnden Szenen und die vielen verschiedenen Charaktere haben es mir unmöglich gemacht, mit mir irgendeiner Figur zu identifizieren und wirklich mitzufiebern. So bleibt ein offensichtlich gut recherchierter und durchdachter Roman am Ende blass.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.07.2021

Solider Krimi mit schwachen Figuren

Hundstage für Beck
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„Hundstage für Beck“ ist der Auftakt einer Reihe um Nick Beck und Cleo Torner, die ein sehr gegensätzliches Ermittler-Duo abgeben. Als Reihenauftakt ist dieser Roman gelungen, da bei beiden Charakteren ...

„Hundstage für Beck“ ist der Auftakt einer Reihe um Nick Beck und Cleo Torner, die ein sehr gegensätzliches Ermittler-Duo abgeben. Als Reihenauftakt ist dieser Roman gelungen, da bei beiden Charakteren im Hintergrund Plots laufen, die in diesem einen Buch noch nicht aufgelöst wurden. Gleichzeitig hat mich der Kriminalroman mit gemischten Gefühlen hinterlassen, da zwar der Krimi selbst solide ist, die auftretenden Figuren aber oftmals nicht mehr als ein Klischee zu bieten haben.

Umfassend recherchiert und schlüssig dargelegter Kriminalfall

Der Aufhänger dieser Geschichte ist, dass der Ermittler Nick Beck selbst zunächst versucht, eine Leiche verschwinden zu lassen, weil er denkt, er hätte ihren Tod zu verschulden. Als dann die eigentlichen Ermittlungen beginnen, wird schnell klar, dass sehr viel mehr dahinter steckt. Es hat mir beim Lesen gut gefallen, dass hier die ganz klassische Ermittlungsarbeit gezeigt wird: Tatorte besichtigen, Zeugen befragen, Laborergebnisse auswerten. Das wird schlüssig erzählt und ist gleichzeitig spannend. Auch dass die Spuren in verschiedene Richtungen führen und die beiden Ermittler zunächst nicht wissen, welche die richtige ist, hat für viel Spannung gesorgt.

Interessant ist auch, dass der Autor immer wieder Sichtweisen jenseits der beiden Protagonisten einbaut. So erhalten wir als Leser teilweise Einblicke, die den beiden verborgen bleiben, und die doch nicht zu viel verraten, so dass die Spannung nicht verloren geht. Manche dieser Perspektivwechsel haben für mich nicht so gut funktioniert, aber grundsätzlich war das ein starkes Element des Romans.

Charaktere, denen die Komplexität fehlt

Mit Nick Beck haben wir einen Ermittler, der direkt zu Beginn eine schwerwiegende Straftat begeht und gleichzeitig mit Suchtproblemen zu kämpfen hat. Obwohl er immer wieder fragwürdige Dinge tut, merkt man, dass er eigentlich ein guter Kerl ist und vor allem ein guter Polizist. Nachdem er bei einem Fall ein Jahr zuvor ein Trauma erlitten hat, ist er nicht mehr derselbe und das zieht sich durch das ganze Buch. Fast immer ist das authentisch und einfühlsam geschildert, selbst wenn er sich sehr offensichtlich völlig falsch verhält. Das macht ihn zu einer angenehm komplexen Figur, die gerade deswegen spannend ist, weil sie nicht leicht zu mögen ist.

Fast alle anderen Figuren bleiben dagegen blass und sind kaum mehr als ein Klischee. Während das für jene, die wohl nur in diesem Band auftauchen, in Ordnung ist, hat es mich bei der zweiten Hauptperson, Cleo Torner, sehr gestört. Wir wissen praktisch nichts über sie, außer dass sie schwanger ist, heiraten wird und sehr perfektionistisch und ambitioniert ist. Wir sehen keine ihrer Fehler, aber wir sehen sie auch nicht wirklich bei der Arbeit. Jeder Schritt der Ermittlungen hätte ohne sie oder mit einem austauschbaren Gehilfen erledigt werden können. Genauso ist auch ihre Beziehung zu ihrem Verlobten nur von einer Sache bestimmt: dass sie sich dauernd nur streiten und unterschiedlicher Meinung sind.

Andere auftauchende Frauenfiguren, zum Beispiel die Quasi-Vermieterin, sind auf eine seltsame Weise geschrieben, die sie komplex erscheinen lässt, aber bei genauerem Hinsehen doch nur ein Klischee ist. Eine Frau als Opfer, dem die Opferrolle nicht abgenommen wird, weil sie illegale Dinge tut, ist für mich kein komplexer Charakter. Ebenso die Tatsache, dass Nick Beck hier sehr unempathisch reagiert und ihr abspricht, überhaupt ein Opfer sein zu können, hat mich gestört. Dass die Tote, die offenbar gut aussah und gerne mit Männern geflirtet hat und gerne Sex hatte, zunehmend in ein schlechtes Licht gerückt wirkt, hat auch einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlassen. Durch die Aussagen der anderen Charaktere wird sie als schlechter Mensch dargestellt, einfach nur, weil sie getan hat, was sie wollte, und dabei immer ziemlich genau gesagt hat, was sie will. Hier wäre an vielen Stellen die Möglichkeit gewesen, den Figuren mehr Tiefe, mehr Facetten zu geben, und es ist schade, dass das nicht geschehen ist.

Fazit

Mit „Hundstage für Beck“ gelingt Tom Voss ein solider Auftakt zu seiner neuen Krimireihe, die gut recherchierte Romane verspricht. Er versteht es, den Roman in der Region zu verankert und einen schlüssigen Mordfall zu präsentieren, während gleichzeitig die Spannung bis zu einem gekonnten Höhepunkt hin gesteigert wird. Leider bleiben insbesondere die weiblichen Haupt- und Nebencharaktere sehr blass oder erscheinen in einem schlechten Licht, was sie eindimensional wirken lässt. Gerade dass die weibliche Ermittlerin in diesem Fall so wenig zu tun hatte, ist schade, soll es doch im nächsten Buch mit dem Duo weitergehen. Trotz dieser Mängel macht der Reihenauftakt Lust auf mehr und ich freue mich auf den zweiten Teil im Dezember.

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Gut recherchiert, mäßig umgesetzt

Die Architektin von New York
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Dies ist der zweite Roman, den ich zu der Frau, die mithalf, die brücke von Manhattan nach Brooklyn zu bauen, gelesen habe. Obwohl das Thema mir bekannt war, habe ich mich auf die Lektüre gefreut und war ...

Dies ist der zweite Roman, den ich zu der Frau, die mithalf, die brücke von Manhattan nach Brooklyn zu bauen, gelesen habe. Obwohl das Thema mir bekannt war, habe ich mich auf die Lektüre gefreut und war zu Beginn begeistert von den vielen Charakteren, die so frisch und authentisch geschildert werden. Leider ist das im weiteren Verlauf immer mehr erschlafft.



Gut recherchiert und aufgearbeitet

Die Figur von Emily Roebling ist nicht fiktiv, sie hat existiert und insbesondere über ihre späteren Jahre ist durch Briefwechsel und andere Quellen ein wenig bekannt. Wie viel sie tatsächlich in den Bau der Brooklyn Bridge involviert war, ist unklar, doch genau das macht den Reiz eines fiktiven Romans aus. Von Beginn an bekommt der Leser hier das Gefühl, hautnah beim Bau dazu zu sein. Ohne dass man Architektur oder Ingenieurwesen studiert haben muss, bekommt man Grundwissen vermittelt und wächst gemeinsam mit Emily an der Aufgabe.

Während die Brücke Stück für Stück wächst, sehen wir zudem auch das Leben in New York zum Ende des 19. Jahrhunderts. Wie leichtfertig mit Tod auf der Baustelle umgegangen wird, ist ebenso einfühlsam dargestellt wie der Kampf um das Frauenwahlrecht und die Unterschiede zwischen den sehr reichen und den sehr armen Bewohnern von Manhattan und Brooklyn. Die Grundlage dieses historischen Romans ist mehr als solide.



Charaktere ohne eigene Handlungsmotivation

Leider leiden die Charaktere zunehmend darunter, dass im Fokus die Brücke steht. Nicht nur wirft der Bau einen Schatten auf die Ehe von Emily und Washington, sie rücken zudem selbst immer mehr in den Hintergrund. Egal, was die beiden tun, der Bau der Brücke schreitet fort. Sie liefern zwar regelmäßig Berechnungen und Berichte, besichtigen die Baustelle und sprechen mit Sponsoren, doch nie scheint es so, als wäre das, was sie tun, wirklich bedeutend für den Fortgang des Baus.

Zudem wird der Bau der Brücke auch schnell zu einem Zwang. Zunächst will der Sohn die Brücke bauen, weil sein Vater es tun wollte, dann will die Ehefrau die Brücke bauen, weil ihr Ehemann es wollte. Dass diese Charaktere das auch selbst wollen oder warum, scheint beinahe nebensächlich. Und obwohl das Schicksal der kleinen Familie berührend und tragisch ist, fehlt doch emotionale Tiefe, um als Leser wirklich mitzufiebern. Emily und Washington werden mehr und mehr zu Zuschauern, während der Bau der Brücke in mehr und mehr Details geschildert wird.

Daraus ergibt sich ein hochspannendes Buch über das Brückenbauen, das aber als Geschichte, die uns das Leben von Menschen erzählen will, nicht gut funktioniert. Das ist schade, denn ich habe bei jeder Zeile gespürt, wie viel Herz die Autorin in ihre Recherche gesteckt hat.



Fazit

Mit dem historischen Roman „Die Architektin von New York“ gelingt es Petra Hucke, eindrucksvoll den Bau der Brooklyn Bridge zu schildern und den historischen Kontext greifbar aufleben zu lassen. Leider bleiben die Charaktere und ihre Entwicklung dahinter zurück, so dass echte Spannung und emotionale Involviertheit fehlen. So sehr mir der Schreibstil und das Material selbst gefallen haben, so wenig konnte mich das Buch am Ende als Geschichte überzeugen.

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