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Veröffentlicht am 05.02.2023

Mit Herz und Verstand auf den Spuren der Bloomberries

Die Liebenden von Bloomsbury – Virginia und die neue Zeit
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Mit Wehmut habe ich gerade 29, Fitzroy Square, London verlassen und muss erst langsam wieder im Hier und Jetzt Fuß fassen. Hinter mit liegen schwierige und glückliche Zeiten der Schwestern Virginia und ...

Mit Wehmut habe ich gerade 29, Fitzroy Square, London verlassen und muss erst langsam wieder im Hier und Jetzt Fuß fassen. Hinter mit liegen schwierige und glückliche Zeiten der Schwestern Virginia und Vanessa Stephens (später Virginia Woolf und Vanessa Bell) und je mehr Einblick ich in ihr Leben, ihre Familie und ihren Freundeskreis erhielt desto mehr fühlte ich mich zugehörig.

Erst hatte ich den Eindruck, die vielen Perspektiven würden mich zu weit von den Schwestern wegführen, im Nachhinein waren Sie aber notwendig, um zu zeigen wie vielen Einflüssen sie in ihrer Entwicklung ausgesetzt waren, und ließen mich ein Teil dieses bunten Leben in Bloomsbury werden und gaben einen Einblick in das gesellschaftliche Standesdünkel bis hinein ins Schlafzimmer.

Der Roman malt ein realistisches Bild dieser Zeit und der patriarchalen Strukturen, gegen die die Schwestern aufbegehrten. Damit wurde mir eine emotionale Achterbahn beschert. Mit welcher Selbstverständlichkeit Männer Frauen für Ihre Bedürfnisbefriedigung benutzten, hat mich so wütend gemacht, dass ich manches Mal nicht weiterlesen konnte. Dagegen haben die Szenen, in denen sich die bessere Gesellschaft echauffierte, sowie die Ironie der Konversationen mich oftmals breit grinsen lassen.

Begeistert haben mich besonders die inneren Einblicke während Virginias psychotischer Phase, ihre Briefe und die psychologischen Einblicke in das geschwisterliche Beziehungsspiel. Diese diffizile Wahrnehmungen fließen mühelos durch sprachliche Bilder und Textzeilen, banden mich ein und haben eine ganz eigene Spannungskurve.

Mein Fazit: Eine wunderbare Romanbiographie, die sich an die historischen Fakten hält, und es schafft Dramatik und Emotionen zu transportieren, ohne unglaubwürdig zu werden. Wirklich großes Kino!

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Veröffentlicht am 22.01.2023

Der Tod gehört zum Leben

Marianengraben
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Eine wunderschöne Geschichte, die bei mir viel zu lange auf dem SuB lag.

Tod und Trauer scheinen soweit vom glücklichem Leben entfernt, wie soll man dahin zurückfinden? Paula sinkt nach dem Tod ihres ...

Eine wunderschöne Geschichte, die bei mir viel zu lange auf dem SuB lag.

Tod und Trauer scheinen soweit vom glücklichem Leben entfernt, wie soll man dahin zurückfinden? Paula sinkt nach dem Tod ihres Bruders immer tiefer in die Dunkelheit und scheint sich aufgegeben zu haben. Doch die skurrile Begegnung mit dem achtzigjährigen Helmut reißt sie aus ihrer Lethargie.

Eine feinfühlige Erzählung, die nicht schwermütig macht, und mich einige Male laut lachen ließ. Ich hätte niemals erwartet, dass das Thema so leicht und spannend erzählt werden kann. Ich habe das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollen.

Für mich ein Jahreshighlight!

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Veröffentlicht am 23.12.2021

Mutig entgegen aller Regeln

Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz
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Zelda ist eine dieser Menschen, die sich in Herz schleichen und darin festsetzen. Sie erzählt ihre Geschichte selbst – eine legendäre Geschichte. Sie handelt von einer jungen Frau mit Handicap, die mutig ...

Zelda ist eine dieser Menschen, die sich in Herz schleichen und darin festsetzen. Sie erzählt ihre Geschichte selbst – eine legendäre Geschichte. Sie handelt von einer jungen Frau mit Handicap, die mutig ihr Leben angeht, für ihre Lieben einsteht und der Welt beweist, was in ihr steckt. Von Zelda können wir - mit unseren Vorurteilen und vorgefertigten Meinung – eine Menge lerne.

Zelda hat eine einzigartige Sprache und Weltanschauung, die sehr von ihrer Schwärmerei für die Wikinger und deren Legenden geprägt ist. In Zeldas Leben gibt es viele Regeln. Regeln, die ihr Sicherheit geben – aber auch immer wieder ihre Freiheit beschränken. Erst habe ich nur gelächelt, weil ihre kindliche Naivität so rührend ist. Schon nach wenigen Seiten nahm sie mich gefangen, beeindruckte mich mit ihrer Art, sich die Welt zu erklären und sich darin zurechtzufinden. Doch Seite um Seite wurde mir klar, wie ernsthaft und ernstzunehmend Zeldas Blick auf die Welt und wie „normal“ ihr Handeln und Sehnen ist.

Manchmal schämte ich mich, weil sie mich in meiner vorgefertigten Meinung erwischt hat und gleichzeitig machte sie es mit so viel Charme, dass ich mich von ihr gerne vorführen ließ.

Zelda ist bezaubernd und schwierig - mutig und ängstlich - leichtgläubig und weise. Sie ist ein Mensch wie wir alle und keiner sollte überlegen oder abwertend auf den anderen blicken. Wir alle tragen etwas mit uns herum, wir alle können manche Dinge gut und manche weniger gut und wir alle werden auf besondere Art gefordert. Durch Zeldas Augen zu blicken war überraschend, manchmal komisch und oftmals sehr berührend. Sie hat mich wachgerüttelt, allen Menschen mit mehr Achtung gegenüber zu treten. Was weiß ich schon, wie das Leben durch ihre Augen ausschaut.

Ich werde Zelda vermissen. Aber ihr Buch bleibt bei mir. So kann ich immer mal wieder hineinlesen und mir einen Schubs geben lassen. Am besten immer dann, wenn ich den Blick auf meine eigene Legende verloren habe.

Fazit: Ein Herzensbuch - das jeder gelesen haben sollte. Das Leben wäre schöner, wenn wir alle ein wenig wie Zelda sind.

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Veröffentlicht am 09.12.2021

Unausgesprochenes bindet

Loyalitäten
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Théos Geschichte ist aufwühlend, erschreckend und gleichzeitig so menschlich. Ich fliege nur so durch die Seiten, hoffe inständig, irgendjemand möge doch einschreiten. Irgendjemand möge sich gegen all ...

Théos Geschichte ist aufwühlend, erschreckend und gleichzeitig so menschlich. Ich fliege nur so durch die Seiten, hoffe inständig, irgendjemand möge doch einschreiten. Irgendjemand möge sich gegen all seine Konventionen und Bedenken, dieses Kindes annehmen...

Delphine de Vigan zeigt Théos Leben mit schonungslosem Blick und weckt gleichzeitig Verständnis für all die Verfehlungen der Erwachsenen. Jeder ist gebunden in seinem System, gehorcht den unausgesprochenen Regel, muss Zugeständnisse machen, damit das Leben weiter funktioniert.

Ich werde Zeuge, wie Théo sich immer mehr Aufgaben auflädt, um all die Erwartungen zu erfüllen - um ein guter Sohn zu sein, ein guter Schüler, ein guter Freund – alles, um geliebt zu werden. Alles, um die Eltern vor sich selbst zu schützen.

Er stellt sie lange Zeit zufrieden, die Menschen um ihn herum, hat Antworten auf ihre Fragen, kann ihr Misstrauen zerstreuen ... solange bis seine Kraft am Ende ist.

Nach der Lektüre bleibe ich sehr nachdenklich zurück. Was bürden wir unseren Kindern auf? Wie verstricken wir sie in unsere Probleme und Ängste? Welchen großen Einfluss hat all das Unausgesprochene? Wie schaffen wir es, die Kinder zu schützen, wenn das Leben all unsere Energie bindet?

Das Buch mutet fast wie eine Sozialstudie an, zeigt die Fehler der Systeme auf, aber verurteilt nicht. Wieder sind es die unhörbaren Hilferufe eines Kindes, die verkannt werden und selbst die, die hellhörig werden, sind dem System verpflichtet und müssen sich gut überlegen, ob sie gegen die Vorschriften verstoßen.

Die Geschichte zeigt, dass Eltern, Lehrer, Erwachsene... Menschen sind und dass Menschlichkeit fehlbar ist. Doch es rüttelt wach. Fordert auf, auf seinen Instinkt zu hören und nicht den einfache Ausreden zu glauben, wo es Auffälligkeiten gibt. Unsere Kinder dürfen wir nicht unseren Loyalitäten und unserer Bequemlichkeiten opfern.

Danke, Delphine de Vigan, fürs Wachrütteln.

Fazit: Must-Read! Ein Buch, das an die Substanz geht und gleichzeitig aufrüttelt: Wir tragen die Verantwortung für unser Leben und unsere Kinder - Lasst unsere Kinder, sich nicht zuständig für unsere Aufgaben fühlen!

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Veröffentlicht am 03.09.2021

Ein Kampf gegen die Gesellschaft und für einen Lebenstraum

Das Mädchen mit der lauternen Stimme
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Ein Buch, das bei mir Spuren hinterlassen hat. Es erzählt von einer patriarchalen Gesellschaft, von Misogynie und Hunger. Ein Beispiel aus Nigeria, das wachrüttelt.

Adunnis Traum zur Schule zu gehen und ...

Ein Buch, das bei mir Spuren hinterlassen hat. Es erzählt von einer patriarchalen Gesellschaft, von Misogynie und Hunger. Ein Beispiel aus Nigeria, das wachrüttelt.

Adunnis Traum zur Schule zu gehen und Lehrerin zu werden platzt, weil die Gesellschaft für sie als Frau andere Pläne bereithält. Ihre Wünsche und Träume haben im Alltag keinen Platz. Nach dem Tod der Mutter gibt der Vater sie für ein Brautgeld, das seinen Lebensunterhalt sichern wird, in eine Ehe mit einem viel älteren Mann. Als dritte Ehefrau erwartet sie ein schwieriger und brutaler Alltag. Die Geschichte erzählt von ihrem Leben und dem anderer nigerianischer Frauen, abseits von einer Chance auf Bildung und eigenen Einkommen, und Adunnis starkem Willen sich ein besseres Leben zu suchen.

Adunni erzählt ihre Geschichte in ihrer ganz eigenen Sprache, nicht immer fehlerfrei, dafür aber mit einer ergreifenden Einfachheit und Authentizität. Schon nach wenigen Seiten wächst einem diese mutige und fleißige Mädchen ans Herz. Es ist nicht einfach zu lesen, was sie ertragen muss und gleichzeitig so schön, zu sehen, wie sie jeden Tag als neue Herausforderung angeht und und auf ihre ganz eigene Art Lösungen für Probleme findet.

Ich habe viel gelernt über das Leben und die Gesellschaft in Nigeria und gleichzeitig war mir einiges nicht fremd. Die Position der Frau in der Gesellschaft ist dort sicherlich noch viel schwächer als hier und doch macht es die Dominanz der Männer in unserem Alltag bewusst. Besonders erschreckt hat mich wie vielen Frauen dieses System in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sie suchen ihr Glück in der Erfüllung einer Rolle, die ihnen zugewiesen wurde. Jede Ausbrecherin sehen sie als dumm und gefährlich an. Diese Frauen zementieren die Gesetzte einer Gesellschaft, die uns Frauen in Abhängigkeit, Gewalt und Ungleichheit hält.

Adunni auf ihrem Weg zu folgen war spannend und berührend. Ich mochte das Buch kaum aus den Händen legen. Ihre Geschichte macht Mut, einen Weg abweichend von der zugewiesenen Rolle zu suchen.

Der Plot tritt am Ende in den Hintergrund. Wichtig ist die Botschaft, die dieses Buch transportiert: Frauen haben das Recht, ihr Leben zu bestimmen.

Fazit: Ergreifender Coming-of-Age Roman, der gleichzeitig emotional und politisch ist.

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