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Veröffentlicht am 18.05.2023

Ur-Wiener Roman

Das Café ohne Namen
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Die meisten würden wohl sagen, Robert Seethaler erzählt in seinem Roman "Das Café ohne Namen" die Geschichte von Simon. Ich bin jedoch der Meinung, er erzählt uns die Geschichte des Cafés. Nicht nur beginnt ...

Die meisten würden wohl sagen, Robert Seethaler erzählt in seinem Roman "Das Café ohne Namen" die Geschichte von Simon. Ich bin jedoch der Meinung, er erzählt uns die Geschichte des Cafés. Nicht nur beginnt der Roman mit der Idee für das Café. er endet auch mit dessen Schließung. Und dazwischen erfahren wir viele Lebensgeschichten, nicht nur die von Simon. Im Roman fühlt man sich, ähnlich wie die Gäste im Café ohne Namen, schnell zuhause, denn die Belegschaft und die Stammgäste sind wie eine große Familie, in die die Leser:innen eingeladen werden. Alle kennen einander, wissen wann die anderen normalerweise erscheinen und können sich gegenseitig ihre Sorgen erzählen. Das alles bei einem schönen Glas Wein (Gumpoldskirchner). Die etwas andere Wiener Kaffeehauskultur, denn es geht nicht um ein Literatencafé, die Gäste des Cafés ohne Namen werden wohl nicht später weltberühmt sein, sondern sie sind ganz normale Menschen und das Café ist ein Ort, wo sie zusammen kommen können. Das schöne Gefühl, das während des Lesens aufkommt, rührt auch daher, dass es diese Orte in Österreich fast überall gibt.
Seethaler erzählt diese Geschichte trotz ernster Themen mit einer Ruhe, die sonst kaum ei Autor erreicht. Trotzdem möchte man weiterlesen und auch die angesprochenen Themen verlieren nicht an Bedeutung. Seethaler macht auch der Geschichte einfacher Menschen etwas ganz Besonderes!

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Veröffentlicht am 01.09.2022

Schwierig

Die Stimme meiner Schwester
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"Die Stimme meiner Schwester" klang dem Klappentext nach sehr interessant, dazu versprach es, dass die Stimme erhoben wird, gegen die "alte Welt Brasiliens"... Teilweise hat der Roman diese Versprechen ...

"Die Stimme meiner Schwester" klang dem Klappentext nach sehr interessant, dazu versprach es, dass die Stimme erhoben wird, gegen die "alte Welt Brasiliens"... Teilweise hat der Roman diese Versprechen gehalten, an anderen Stellen hätte ich mir mehr erwünscht.
Natürlich kann man an ein Buch, dass aus einer ganz anderen Kultur kommt und auch für diese geschrieben wurde, nicht vergleichen mit Romanen die von Europäer:innen für Europäer:innen geschrieben wurden. Dementsprechend ist es bei diesem Roman wichtig, sich erst einmal auf eine neue Leseerfahrung einzulassen. Trotzdem war der Roman einsteigerfreundlich und meist einfach zu lesen und zu verstehen. Er zeigt den Leserinnen eine neue Welt, ohne dass man sich beim Lesen als "Fremde:r" fühlt. Hier auch ein großes Lob an die Übersetzung!
Der Roman zeigt eine Seite Brasiliens, die vielen Leser
innen vermultich unbekannt war, für mich erschreckend, aber nicht überraschend. Die versprochene Handlung scheint nur Mittel zum Zweck ein Gesellschaftsporträit zu zeichnen und die erhobenen Stimmen wirken leise.

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Veröffentlicht am 18.07.2022

Anstrengender, aber liebenswerter Protagonist

Samson und Nadjeschda
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Andrej Kurkow präsentiert wieder einmal ein interessantes Kapitel der ukrainischen Geschichte. Nach "Graue Bienen" war ich schon sehr auf "Samson und Nadjeschda" gespannt, der neue Roman Kurkows, bei dem ...

Andrej Kurkow präsentiert wieder einmal ein interessantes Kapitel der ukrainischen Geschichte. Nach "Graue Bienen" war ich schon sehr auf "Samson und Nadjeschda" gespannt, der neue Roman Kurkows, bei dem der kürzlich zum Waisen gewordene Samson plötzlich in der neu gegründeten Sowjetunion bei der Miliz angestellt wird.
Die Zeit kurz nach der russischen Revolution und die Unsicherheiten in Kiew werden, wie nicht anders erwartet, von Kurkow sehr eindrucksvoll und realistisch dargestellt. Die Leser*innen können sich gut in die Zeit einfühlen und bekommen einen Einblick in die Geschichte, der sonst kaum möglich wäre.
Ein Problem stellt eher der Protagonist Samson dar: Dieser wirkt oft unbeholfen und kindlich. Das wird auf fast 400 Seiten jedoch irgendwann anstrengend, auch wenn er liebenswert ist. Als Kriminalpolizist wirkt er einfach nicht überzeugend, auch wenn er am Ende den Fall ganz alleine löst und das auf die humanste mögliche Weise. Wäre Samson am Ende nicht so anstrengend zu lesen gewesen, hätte es auch eine bessere Bewertung gegeben und ich hätte überlegt, die Reihe weiterzulesen.

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Veröffentlicht am 23.09.2021

Porträt Harlems

Harlem Shuffle
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Colson Whitehead zeichnet ein Porträt Harlems, wie es kaum ein anderer kann. Er nimmt die Leser:innen mit auf eine Reise in eine den meisten wohl fremde Welt, die zwar schon oft dargestellt wurde, aber ...

Colson Whitehead zeichnet ein Porträt Harlems, wie es kaum ein anderer kann. Er nimmt die Leser:innen mit auf eine Reise in eine den meisten wohl fremde Welt, die zwar schon oft dargestellt wurde, aber noch nie so realistisch und lebensnahe wirkte. Er schafft es zu zeigen, wie hart der Alltag in den Straßen dieses Stadtteils ist, in dem Gangs über das Leben aller herrschen und ihre Finger sogar in der Wirtschaft mit drin haben. Dabei schafft er es, dass es nicht, wie so viele andere Werke, nur schockierend und "mitleidssuchend" wirkt, sondern gleichzeitig auch positive Aspekte dieses Lebens zeigt - den Zusammenhalt unter der schwarzen Bevölkerung und vieles mehr.
Whitehead weckt mit diesem Buch gemischte Gefühle in den Leser:innen, am Ende möchte man dieses Harlem selbst erleben, gleichzeitig ist man froh, dass man all das nicht erleben muss. Eine Stimmung, die schwierig zu erreichen ist, aber umso schöner und magischer auf die Leser:innen ist. Eine Stimme, die scheint, als würde sie genau aus diesem Harlem kommen.
Harlem Shuffle schlägt vielleicht nicht so ein wie "Die Nickel Boys" und lässt die Leser:innen nicht so geschockt zurück, ist aber auf jeden Fall auch wichtig und lesenswert.

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Veröffentlicht am 18.12.2023

Innovativer Roman, der Zeit braucht

Die sieben Monde des Maali Almeida
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Maali Almeida ist tot. Weshalb er sich auf am Anfang des Romans an den Toren des Jenseits wiederfindet. Nun muss er innerhalb von sieben Monden seine letzten Angelegenheiten klären, damit er nicht für ...

Maali Almeida ist tot. Weshalb er sich auf am Anfang des Romans an den Toren des Jenseits wiederfindet. Nun muss er innerhalb von sieben Monden seine letzten Angelegenheiten klären, damit er nicht für immer und ewig als Geist auf der Erde wandeln muss.
Shehan Karunatilaka, Booker-Prize Gewinner aus Sri Lanka, entführt die Leser:innen in seinem Roman "Die sieben Monde des Maali Almeide" ganz tief in die Geschichte und Kultur Sri Lankas. Das ist an sich sehr interessant, aber komplett ohne Vorwissen etwas viel auf einmal und manchmal nur schwierig zu verstehen. Man hat (natürlich) nicht den alten, weißen Mann, der einen an der Hand nimmt und durch diese Fremde führt. Wenn man wirklich etwas mitnehmen möchte aus dem Roman, muss man eben selbst diese Extrameile gehen.
Abgesehen davon ist der Roman innovativ und spannend erzählt. Die Leser:innen werden auf Maalis Reise mitgenommen, indem sie selbst zu Maali werden. Sie werden mit "du" angesprochen und bauen so eine unglaubliche Nähe auf. Maali, also wir, versucht nicht nur, die Umstände seines Todes zu klären, sondern spricht auch mit vielen anderen Geistern, die noch auf der Erde weilen.
Ein Roman mit viel Potenzial, für den man sich aber Zeit nehmen muss.

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