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Veröffentlicht am 07.12.2021

Eine überaus spannende Zeitreise, noch fesselnder und aufregender als die Vorgänger

Flüsterwald - Durch das Portal der Zeit: Ausgezeichnet mit dem LovelyBooks-Leserpreis 2021: Kategorie Kinderbuch (Flüsterwald, Staffel I, Bd. 3)
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Lukas, Ella und ihre Flüsterwaldfreunde haben eine wichtige Mission. Sie wollen Ellas Großvater, den Professor, aus seinem Gefängnis befreien. Dazu müssen sie in die Vergangenheit reisen, um dem jüngeren ...

Lukas, Ella und ihre Flüsterwaldfreunde haben eine wichtige Mission. Sie wollen Ellas Großvater, den Professor, aus seinem Gefängnis befreien. Dazu müssen sie in die Vergangenheit reisen, um dem jüngeren Ich des Professors einen Tropfen Blut zu entnehmen und diesen sofort in die Gegenwart zurückzubringen. Doch Zeitreisen sind generell eine komplizierte Angelegenheit und solche im Flüsterwald erst recht. Sofort stecken die Freunde im nächsten nervenaufreibenden Abenteuer.

Autor Andreas Suchanek formuliert klar, kindgemäß, flüssig, abwechslungsreich und gut verständlich. Timo Grubings gezeichnete Vignetten sind schön anzusehen, detailliert ausgearbeitet und machen neugierig auf den weiteren Verlauf der Handlung.
Die Geschichte richtet sich an Mädchen und Jungen ab neun Jahren. Die Zusammenhänge und Entwicklungen sind insgesamt recht komplex, so macht die Reihe auch Erwachsenen noch Spaß.

Das Besondere an der Flüsterwald-Reihe sind nach wie vor die Figuren. Lukas ist ein „normaler“, aber aufgeweckter, abenteuerlustiger Junge, mit dem sich die jungen Leserinnen und Leser sicher gut identifizieren können. Wer hat nicht schon mal davon geträumt, in eine andere Welt abtauchen zu können? Lukas macht es vor. Mit Ella hat er nun eine sehr patente, zupackende, selbstbewusste und clevere Freundin an der Seite. Elfe Felicitas ist herzensgut, möchte immer alles richtig machen, aber manchmal geht ihr beim Zaubern eben doch etwas schief. Die Streitereien zwischen ihr und dem Menok Rani sind schon fast Kult und sehr unterhaltsam. Überhaupt ist Rani die unterhaltsamste Figur. Er schätzt sich selbst nicht immer ganz realistisch ein, hat ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und sorgt mit seinen Ungeschicklichkeiten immer wieder für Chaos. Felicitas treue Begleiterin die Katze Punchy, die stets den Überblick zu behalten scheint, komplettiert die wunderbare Figurentruppe. Im Hintergrund agiert der weise Professor, der leider nicht so kann, wie er will, steckt er doch in einem Gefängnis fest.
Natürlich gibt es auch einen ausgewachsenen Bösewicht in der Reihe, den dunklen Magier. Bekannt ist, dass er dem Flüsterwald sehr gefährlich werden kann, um ihn ranken sich viele mysteriöse Geheimnisse.

Immer wenn man denkt, es kann gar nicht mehr spannender werden, kommt ein neuer Band der Reihe und beweist das Gegenteil. Eine Zeitreise im Flüsterwald mit Elfen, Blinzelbahnen, Schemen, Feuer, Schattenzwillingen und vielen weiteren Ungewöhnlichkeiten, das ist schon ein besonders aufregendes, actionreiches Abenteuer. Da stockte mir beim Lesen mehrmals der Atem, gegen Ende überrascht der Autor zudem mit einer sehr unerwarteten Wendung. Und bei all der Spannung bleibt auch noch Zeit für Komik. Ich kann einfach nicht anders, als mich immer wieder über Ranis neueste Missetaten zu amüsieren.
Immer noch sind nicht alle Fragen beantwortet und der Cliffhanger am Ende, das neue Rätsel um die Identität des Gegenspielers, machen es mir unmöglich, nicht weiterzulesen. Eine wirklich packende Fantasyreihe, die zum Glück noch nicht zu Ende ist. Unbedingt mit Band eins starten!

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Veröffentlicht am 15.11.2021

Lesenswerte Fortsetzung mit atemberaubendem Finale

Die Früchte, die man erntet
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„Er hatte nicht alles zerstört. Doch das war reines Glück gewesen, und deshalb hatte er beschlossen, sein Leben von Grund auf zu ändern.“

Drei Jahre mussten sich die Fans gedulden, jetzt ist endlich ...

„Er hatte nicht alles zerstört. Doch das war reines Glück gewesen, und deshalb hatte er beschlossen, sein Leben von Grund auf zu ändern.“

Drei Jahre mussten sich die Fans gedulden, jetzt ist endlich die langersehnte Fortsetzung der Reihe erschienen. Und die bietet allerhand Zündstoff: Ein Heckenschütze hält die schwedische Kleinstadt Karlshamn in Atem, schon drei Opfer wurden hinterrücks erschossen. Vanja hat bei der Reichsmordkommission Torkels Nachfolge angetreten und ist somit für die Ermittlungen verantwortlich. Ihr Vater Sebastian Bergmann unterstützt sie privat und kümmert sich liebevoll um seine Enkelin Amanda. Sebastian arbeitet mittlerweile als Therapeut, sein neuer Patient, der Australier Tim Cunningham stellt ihn vor eine große Herausforderung. Billy, Vanjas Kollege und bester Freund, wird bald Vater und freut sich sehr darauf. Doch dann holt ihn seine Vergangenheit wieder ein und all sein Glück droht zusammenzubrechen. Billy will das um jeden Preis verhindern.

Die Autoren Michael Hjorth und Hans Rosenfeld schreiben flüssig und klar in kurzen Kapiteln. Auch wenn seit dem letzten Band der Reihe eine längere Zeit vergangen ist, war ich dank des unkomplizierten, angenehmen Sprachstils sofort „drin“ im aktuellen Geschehen. Abwechslungsreich wird die Geschichte vor allem durch die ständigen Perspektiv- und Schauplatzwechsel, verschiedene Handlungsstränge werden immer weiter gesponnen und schließlich zusammengeführt.

Sebastian Bergmann, so unangenehm wie er oft sein mag, ist eine meiner literarischen Lieblingsfiguren. Er ist durch schlimme persönliche Erfahrungen, den Verlust seiner Frau und seiner Tochter, zu einem gebrochenem Mann geworden. Sebastian verhielt sich in der Vergangenheit häufig wie ein rücksichtsloses, manipulatives Ekel. Doch in diesem neuesten Band wirkt er „zahm“, fast geläutert, scheint mit seinem aktuellen Leben zufrieden. Er lebt nun mit Ursula zusammen, die in Vanjas Team arbeitet, und darf seine Enkelin Amanda regelmäßig treffen, was ihn glücklich macht. Doch ihm droht in Gestalt verschiedener Personen große Gefahr. Dass die Beziehungen der Figuren sich mit jeder Fortsetzung verändern, man beim Lesen die Charaktere immer besser kennenlernt, ihre Geschichten kontinuierlich weitergeführt werden, gefällt mir sehr gut. Ich habe mir im Verlauf der Reihe von den verschiedenen Figuren ein ausführliches Bild machen können. In diesem Band scheinen alle Charaktere, auch Sebastian etwas weniger komplex und tiefgründig und nicht mehr ganz so sorgfältig ausgearbeitet. Auch wenn es in der Reihe für mich keine absoluten Sympathieträger gibt - alle Figuren haben ihre Ecken und Kanten - bin ich von den Figuren dennoch gefesselt. Ich möchte unbedingt wissen, wie es für jeden einzelnen weitergeht. Keiner der Mitwirkenden kann sich in dieser Reihe sicher fühlen, alle bewegen sich auf dünnem Eis, sind verwundbar.

„Die Früchte, die man erntet“ ist sehr ungewöhnlich aufgebaut. Der Anfang und der Mittelteil lesen sich zwar kurzweilig und flüssig, aber im Vergleich zu den früheren Büchern fast „gemächlich“. Nach der Auflösung des dramatischen, aber wenig rätselhaften Heckenschützenfalls, bei dem der Täter recht bald bekannt ist, geht es erst richtig los. Der Krimi macht eine absolut erstaunliche Wendung, die Handlung nimmt enormes Tempo auf, steigert sich zum Finale noch einmal fulminant. Die letzten Seiten hatten auf mich eine extreme Sogwirkung, das Ende markiert ein „doppelter“ Cliffhanger, der dem aus dem letzten Band in nichts nachsteht. Einen Aspekt der Handlung empfand ich bis jetzt als nicht ganz nachvollziehbar, aber ich kann die Erklärung im nächsten Band kaum abwarten. Hoffentlich dauert es nicht erneut drei Jahre bis zur Auflösung. Ich bin auch nach dem neuesten Band, der meine Erwartungen durchaus erfüllt hat, mich gut unterhalten hat und eine zum Ende hin unfassbar aufregende, wahnsinnig fesselnde Geschichte erzählt, weiterhin ein großer Fan der Reihe. Neulinge sollten meiner Meinung nach allerdings mit dem ersten Band beginnen, um die Entwicklung der Figuren vollständig zu erfassen und die Geschehnisse besser einordnen zu können.

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Veröffentlicht am 11.11.2021

Unsichtbare Heldin trifft auf schüchternes Mädchen: turbulent, originell und sehr witzig

Isa und die wilde Zorra 1: Sei mutig wie ein Puma!
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Isa ist schrecklich schüchtern und unsicher, sie hasst es, im Mittelpunkt zu stehen. Jeden Abend liest ihr Vater ihr Geschichten von Zorro, dem berühmten Helden vor. Gerne wäre Isa selbst so mutig wie ...

Isa ist schrecklich schüchtern und unsicher, sie hasst es, im Mittelpunkt zu stehen. Jeden Abend liest ihr Vater ihr Geschichten von Zorro, dem berühmten Helden vor. Gerne wäre Isa selbst so mutig wie Zorro, dann würde sie aktiv gegen Ungerechtigkeit kämpfen. In ihrer Klasse, in der die Zwillinge Anne und Anna das Sagen haben, ist Isa nicht sonderlich beliebt. Vor der morgigen Klassenfahrt auf den Ponyhof graut es ihr daher sehr, zumal sie nicht reiten kann und sogar Angst vor Pferden hat. Doch dann springt auf einmal ein Mädchen mit schwarzem Umhang, Degen und Maske durchs Fenster ins Klassenzimmer: Zorra, Zorros kleine Schwester, ist gekommen, um Isa zu helfen. Isa ist allerdings die einzige, die sie sehen kann…

Autor Rüdiger Bertram erzählt kindgemäß, abwechslungsreich und sehr humorvoll. Das Buch ist ein Comic-Roman, häufig zeigen Heribert Schulmeyers dynamische, treffende Comicbilder meist mit Sprechblasen, wie es nach einem Textabschnitt weitergeht. Die witzigen Illustrationen machen Spaß und motivieren.
Kinder ab acht Jahren können das Buch sicher selbstständig lesen. Die Schrift ist ein bisschen größer, der Zeilenabstand zur besseren Lesbarkeit etwas weiter.

Isa ist eine prima Identifikationsfigur für schüchterne, ängstliche Kinder. Sie hat ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, kann es nicht leiden, wenn sich andere falsch und fies verhalten, traut sich aber nicht, einzugreifen. Zorra ist genau das Gegenteil von Isa. Unerschrocken, mutig, tatkräftig, spontan und sehr selbstbewusst. Von ihr kann Isa noch sehr viel lernen. Zorra bringt Isa oft ziemlich in die Bredouille, aber das ist genau der Schubs, den die ruhige Isa gebraucht hat. Zorra zeigt Isa auf ihre unkonventionelle eigene Art, dass auch in ihr eine Heldin schlummert, sie muss sie nur wecken. Die beiden entwickeln sich zu einem unterhaltsamen Gespann, das mit den bösartigen Zwillingen Anne und Anna ernstzunehmende gemeine Gegenspielerinnen hat.

Viele Kinder haben unsichtbare Freunde, Isas neue unsichtbare Freundin ist aber eine waschechte Heldin. Eine Klassenfahrt auf den Reiterhof mit Superheldin im Gepäck ist nicht nur aufregend, sie kann auch ganz schön gefährlich werden. Isa vorherige Bedenken waren durchaus berechtigt, aber sie kann sich dem Abenteuer einfach nicht entziehen und galoppiert mitten hinein. Und plötzlich ist Zorra nicht mehr die einzige Heldin. Heldinnen können nämlich ganz unterschiedlich sein.
Vor allem ist diese Freundschaftsgeschichte aber irre witzig: wenn die betreuenden Lehrkräfte Frau Bade und Herr Wanne heißen, da muss Spaß vorprogrammiert sein. Als Running Gag taucht immer wieder eine ebenfalls unsichtbare Band auf, die Zorra besingt, sich aber partout nicht merken kann, dass Zorra „die Rächerin der Armen“ und nicht etwa „die Sprecherin der Aale“ ist. Da kommt es zu allerlei lustigen Wortverwechslungen, die meine Mitleser stets zum Lachen brachten. Und dass Zorra mit ihrem Lasso Rache an den Hinterteilen von Bösewichten übt und zielgenau trifft, oder mit ihrem Degen auf Hosenrückseiten ihr Z hinterlässt, das ist ebenfalls eine ziemlich lustige Vorstellung.
Das Dreamteam Rüdiger Bertram und Heribert Schulmeyer hat erneut ein unterhaltsames, schräges, komisches Freundschaftscomicabenteuer voller Phantasie geschrieben, das großen Spaß und Mut macht. Die Zwei können es einfach, hoffentlich arbeiten sie noch lange zusammen.

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Veröffentlicht am 10.11.2021

Chaotischer, schräger und sehr witziger Hörspaß

Niemals den roten Knopf drücken
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Nach ihrem Vulkanabenteuer und der Sache mit den Robotern machen sich die Freunde Egon und Jojo nun auf die Suche nach Dinosauriern. Bei einem Forscherausflug finden sie einen riesigen Knochen, der bestimmt ...

Nach ihrem Vulkanabenteuer und der Sache mit den Robotern machen sich die Freunde Egon und Jojo nun auf die Suche nach Dinosauriern. Bei einem Forscherausflug finden sie einen riesigen Knochen, der bestimmt von einem echten Dinosaurier stammt und dann tauchen im Düsewäldchen auch noch mysteriöse, gigantische Fußspuren auf. Echte Dinos in Düsedau? Klar, dass der Forscherclub nicht ruhen kann, bis die Wahrheit ans Licht kommt.

Kathi Naumann erzählt aus Egons Sicht, in Form eines Forschertagebuch. Die Geschichte ist lebendig, abwechslungsreich, kindgemäß und vor allem sehr witzig formuliert. Zwischendrin gibt es auch etwas zu lernen, schließlich sind die Jungs ja echte Forscher. Sprecherin Tanja Bunke liest verständlich, für mich aber ein wenig überbetont und etwas unnatürlich. Ihr Vortrag erinnerte mich an einen Zeitungsjungen aus dem letzten Jahrhundert, der permanent lauthals und aufgeregt die neuesten sensationellen Schlagzeilen verkündet. Im Hintergrund sind immer wieder Geräusche zu hören, die zur Handlung passen: Fernsehmusik, Gequassel, Morsezeichen oder Gebell.
Das Hörbuch richtet sich an Kinder ab sieben Jahren.

Egon und Jojo sind zwei wunderbare, sympathische Hauptfiguren. Egon ist selbstbewusst, spontan, neugierig, wissbegierig und abenteuerlustig. Sein Freund Jojo möchte auch gerne den Dingen auf den Grund gehen, gerät aber leicht in Panik und ist sehr ängstlich, ein Running Gag, der vielmehr witzig als beängstigend wirkt. Während Opa Erwin die Kinder in ihrem Forscherdrang unterstützt und ihnen zuverlässig mit Rat und Tat zur Seite steht, ist Jojos Mutter Frau Haase eine Helikoptermutter wie sie im Buche steht. Sie macht sich ständig übertriebene Sorgen um Jojo und sorgt so immer wieder für absurd-komische Momente.

Ob Jojo und Egon den Dinos auf die Spur kommen? Schaffen sie es gar, die Dinos in ihrer Falle zu fangen? Und werden sie den roten Knopf drücken?
Ziemlich spannend, turbulent, chaotisch, schräg und phantasievoll geht es im neuesten Abenteuer des Forscherclubs zu. Auch wenn ich die Sprecherin als etwas anstrengend und teils penetrant empfand, ist „Niemals den roten Knopf drücken oder die Dinos drehen durch“ ein gelungener, origineller Hörbuchspaß. Hoffentlich forschen Egon und Jojo noch lange weiter.

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Veröffentlicht am 10.11.2021

Die Anfänge des Kinos in Deutschland und eine besondere Liebesgeschichte

Der Traumpalast
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„Das ist die Kunst des Regisseurs“, erwiderte Tino. „Er schafft in unseren Köpfen eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. So ähnlich wie der liebe Gott. Der gaukelt uns ja manchmal auch Dinge vor, die ...

„Das ist die Kunst des Regisseurs“, erwiderte Tino. „Er schafft in unseren Köpfen eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. So ähnlich wie der liebe Gott. Der gaukelt uns ja manchmal auch Dinge vor, die nicht existieren. Zum Beispiel im Traum. Oder in der Liebe“.

Konstantin Reichenbach, der aus einer erfolgreichen Bankiersfamilie stammt, kehrt 1917 aus dem Krieg zurück. Mit einer Vision. Er möchte in Deutschland eine Filmgesellschaft gründen, eine Traumfabrik, die Hollywood Paroli bieten kann. Doch die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland ist nicht stabil, Tino braucht einflussreiche Verbündete.
Rahel Rosenberg will unbedingt Journalistin werden, doch ihre Texte werden bisher immer von dem verantwortlichen Redakteur abgelehnt. Rahel arbeitet daher als Krankenpflegerin in einem Lazarett, wo sie Konstantin Reichenbach kennenlernt. Beide mögen sich auf Anhieb, aber ihre Beziehung verläuft nicht ohne Komplikationen.

Peter Prange schreibt abwechselnd aus der Sicht seiner Protagonisten Konstantin „Tino“ Reichenberg und Rahel, aber auch aus der Perspektive von Tinos Mutter Constanze Reichenberg oder Tinos Freund und Geschäftspartner Erich Pommer. Pranges Schreibstil ist klar strukturiert, gut verständlich und lässt sich flüssig lesen. Der Text ist in viele kurze Kapitel unterteilt, die oft genau dann enden, wenn es besonders spannend wird. Danach findet meist ein Schauplatz-, Perspektiv- oder Situationswechsel statt. Die äußere Aufmachung des sehr dicken „Wälzers“ finde ich gelungen. Das Cover zeigt ein „Filmtheater“, wie es typischerweise in den Zwanziger Jahren aussah, auf dem Vorsatzpapier ist der Traumpalast, der UFA-Palast am Zoo in Berlin abgebildet.

Peter Pranges Hauptfiguren sind interessant und alles andere als durchschnittlich, sie haben das Zeug für eine echte Hollywoodliebe. Dass sich beide auch als Verlobte noch siezen, spricht Bände. Rahel ist intelligent, gebildet, leidenschaftlich, ehrgeizig, stolz und schön. Auch Tino weiß genau, was er will. Er hat ein besonderes berufliches Ziel, für das er fast alles tun würde, privat droht er allerdings, „verloren“ zu gehen. Während Rahels Eltern ihre Tochter vergöttern, entspricht Tino nicht den Erwartungen seiner Eltern. Er muss es ohne ihre Unterstützung schaffen.
Rahel und Tino sind typische Prange-Charaktere, sie sind nachvollziehbar und authentisch gezeichnet, aber bleiben immer auch ein kleines bisschen unnahbar, werden eher auf nüchterne, sachliche als auf emotionale Art beschrieben, sind daher nicht durchweg sympathisch. Sie lassen der Phantasie noch etwas Raum.
Neben fiktiven Figuren wie die beiden Hauptfiguren oder Tinos „schwierige“ Mutter Constanze, wirken viele historische Figuren mit: Erich Pommer, Emil Georg von Stauß, Alfred Hugenberg, Major Alexander Grau und viele weitere. Dass fiktive Figuren auf real historische treffen, finde ich sehr spannend.

Peter Prange erzählt sehr ausführlich, wie es zur Entwicklung der UFA kam, dabei spielen aber eher das Geschäftliche, die Firma selbst, die politischen Entwicklungen Hauptrollen, die Leidenschaft für den Film und die Kunst ist nur ansatzweise zu spüren. Filme sind Träume, aber gleichzeitig eben auch knallhartes Geschäft. Den Konflikt zwischen Kunst und Wirtschaftlichkeit stellt ein Dialog zwischen Tino und Erich Pommer treffend dar:
„Geld regiert die Welt.“, erklärte er. „Film ist ein Geschäft wie alles andere auch.“
Pommer hatte dafür nur ein verächtliches Schnauben „Film ist kein Geschäft! Film ist Kunst!“
„Aber Kunst geht nach Brot. Sonst ist es zur Brotlosigkeit nur ein Schritt.“
Ich hätte mir an manchen Stellen gewünscht, dass die Filme inhaltlich noch etwas mehr in den Fokus gerückt werden, dass die Emotionen beim Filmemachen und Anschauen noch deutlicher durchkommen.

Im Nachwort erklärt der Autor, welche Frage ihn beim Schreiben umtrieb: „Wie war es möglich, dass die Generation meiner Großeltern, aufgewachsen in einer Kulturnation wie Deutschland und mit Goethe und Kant im geistigen Gepäck, in den zwanziger Jahren Hitler den Weg zur Macht ebnen und ihm in die Barbarei des Nationalsozialismus folgen konnte?“.
Diese Frage spielt in „Der Traumpalast- Im Bann der Bilder“ eine ganz entscheidende Rolle. Die komplexen politischen Zusammenhänge, die Anfänge der Entwicklungen, die Hitlers späteren Aufstieg ermöglicht haben, werden sehr genau geschildert, für mich manchmal zu detailliert und umfangreich. Mich erreicht Peter Prange vor allem dann, wenn er von Menschen erzählt, die durch die Geschichte beeinflusst werden, die konkret die Geschichte leben und erleben.
Auch wenn die Handlung mitunter etwas gestraffter hätte erzählt werden können - gerade wenn es ums nüchterne Geschäft, die komplexe Wirtschaftssituation und um Politik geht - hat mich der Roman durchaus gepackt und gut unterhalten. Nicht der beste Roman des Autors, „Eine Familie in Deutschland“ hat mich noch mehr überzeugt und emotional mitgenommen, aber eine durchaus interessante und lesenswerte Lektüre. Ich bin sehr gespannt, wie es mit Rahel und Tino weitergeht.

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