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Veröffentlicht am 01.02.2022

Ein liebenswerter Held wider Willen

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Angelegt ist die Geschichte einige Wochen vor dem 30jährigen Jubiläum anlässlich des Falls der Mauer. Ein Journalist spürt in Erwartung einer großen Story Michael Hartung auf, der 1983 als Eisenbahner ...

Angelegt ist die Geschichte einige Wochen vor dem 30jährigen Jubiläum anlässlich des Falls der Mauer. Ein Journalist spürt in Erwartung einer großen Story Michael Hartung auf, der 1983 als Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn gearbeitet hat und am Stellwerk Friedrichstraße einen mit 127 Personen besetzten S-Bahnzug unabsichtlich nach West-Berlin geleitet hat. Der Journalist macht aus ihm einen heldenhaften Fluchthelfer. Gegen einen kleinen Obolus ist Hartung schließlich selbst bereit, diese Rolle einzunehmen. Seine Geschichte wird publikumswirksam vermarktet. Höhepunkt soll eine Rede werden, die Hartung am 9. November im Bundestag halten soll. Doch er selbst hat bald die Nase voll, zumal er sich in eine Frau verliebt hat, die seinerzeit in dem Zug in die Freiheit gelangte und er ihr gegenüber ehrlich sein will. Doch Personen aus verschiedenen Kreisen – Bürgerrechtler, Stasi, Politiker – haben aus unterschiedlichen Beweggründen ein Interesse, über sein Outing mitzubestimmen. Wird Hartung noch die Kurve kriegen?
Dieser Roman widmet sich in satirisch-ironischer Art der Wiedervereinigung von Bundesrepublik und DDR und versucht humorvoll darauf hinzuweisen, dass Ost- und Westdeutsche gar nicht so unterschiedlich sind. Viele Klischees werden aufgenommen. Sehr unterhaltsam war es zu lesen, wie sich Hartungs vermeintliches Heldentum rasant verselbständigte und es gar nicht mal nur noch an ihm lag, alles aufzudecken. Alles lebt von den liebevoll gezeichneten Charakteren, allen voran dem charmanten Hartung.
Sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Interessante Familiengeschichte einer türkischen Gastarbeiterfamilie

Dschinns
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Die Bedeutung des Wortes „Dschinn“ aus dem Buchtitel sollte man vielleicht einmal googeln, wem sie noch nicht geläufig ist. Vereinfachend gesagt handelt es sich um eine Art Geist oder Dämon in der islamischen ...

Die Bedeutung des Wortes „Dschinn“ aus dem Buchtitel sollte man vielleicht einmal googeln, wem sie noch nicht geläufig ist. Vereinfachend gesagt handelt es sich um eine Art Geist oder Dämon in der islamischen Vorstellung. Genau solche Dämonen tragen die Mitglieder der türkischen Familie Yilmaz mit sich herum. Von ihnen erfahren wir in den sechs Kapiteln, von denen jedes einem anderen Familienmitglied gewidmet ist – das erste und letzte als eine Art Rahmen dem Vater Hüseyin und der Mutter Emine, die dazwischenliegenden den vier erwachsenen Kindern. Hüseyin ist einst als angeworbener Gastarbeiter aus einem türkischen Dorf nach Deutschland gekommen und hat später Frau und Kinder nachgeholt. Sein Traum war es stets, in die Türkei zurückzukehren. Nach fast dreißig Jahren und nur eine Woche vor dem Eintritt in die Rente ist es so weit. Er bezieht eine von seinen jahrelangen Ersparnissen erworbene Eigentumswohnung in Istanbul, erleidet aber am Tag seiner Ankunft einen tödlichen Herzinfarkt. Seine Familie reist sukzessive zu seiner Beerdigung an. Der Werdegang jedes einzelnen wird geschildert. Jeder von ihnen trägt sein besonderes Päckchen mit sich, das zum Teil mit der Herkunft als Gastarbeiter(kind) zusammenhängt, die weder im Aufnahmeland noch im Herkunftsland so recht erwünscht waren, zum Teil aber auch mit einem besonderen Familiengeheimnis, das erst recht spät in der Geschichte offenbart wird. Interessant fand ich besonders die Schilderungen des Lebens von Gastarbeitern. Selbst Kind während dieser Epoche, kann ich mich noch gut an die Lebensumstände der Türken erinnern.
Das Buch erhält von mir eine volle Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 12.01.2022

Roboter, Intelligenz und menschliche Gefühle

Klara und die Sonne
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Diesen Roman habe ich sehr gerne gelesen, obwohl er dem von mir eigentlich vernachlässigten Genre Science Fiction zuzuordnen ist. Zu einer nicht näher bestimmbaren Zeit in der Zukunft werden mit künstlicher ...

Diesen Roman habe ich sehr gerne gelesen, obwohl er dem von mir eigentlich vernachlässigten Genre Science Fiction zuzuordnen ist. Zu einer nicht näher bestimmbaren Zeit in der Zukunft werden mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Roboter jugendlichen, anscheinend aufgrund von Genmanipulation intelligent gemachten Amerikanern als Freunde und Wegbegleiter an die Seite gestellt. Klara aus dem gleichnamigen Buchtitel ist ein solcher Roboter. Sie hält Einzug bei der wegen ihrer Manipulation kränkelnden Josie. Klara entwickelt sich beständig fort und setzt alles daran, Josie vor dem Tod zu bewahren. Die im Mittelpunkt stehende Frage ist, ob Roboter zu menschlichen Gefühlen in der Lage sind, insbesondere lieben und geliebt werden können. Als Leser ist man oft geneigt, dass bei Klara zu bejahen, denn sie wird recht warmherzig und empathisch dargestellt im Gegensatz zu mancher menschlichen Romanfigur. Das Buch liest sich eher einfach, was an der steifen, gut zu Klara passenden Sprache liegt, die ihr unbekannte Gegenstände mit merkwürdigen Begriffen belegt; so wird aus einem „Wohnzimmer“ ein „Großraum“, aus einem „Laptop“ bzw. „Smartphone“ ein „Rechteck“.
Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 26.12.2021

Bewegende autobiografische Erzählung

Welten auseinander
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Das Buch ist die sehr bewegende Autobiografie der Autorin. Ihr Schicksal zu lesen, hat mich wirklich sehr berührt. Für mich, selbst nur wenige Jahre älter als die Autorin und sehr behütet aufgewachsen, ...

Das Buch ist die sehr bewegende Autobiografie der Autorin. Ihr Schicksal zu lesen, hat mich wirklich sehr berührt. Für mich, selbst nur wenige Jahre älter als die Autorin und sehr behütet aufgewachsen, ist eine solche Kindheit bis hin zum jungen Erwachsenenalter fast unvorstellbar. Sie wird als uneheliches Kind einer Mutter mit einer Reihe weiterer unehelicher Töchter in der ehemaligen DDR geboren. Die Mutter selbst ist Mitglied einer Großfamilie mit jüdischen Wurzeln, unterhält Kontakt zu Intellektuellen, Künstlern, Studenten und lässt sich um Ende der 1970er Jahre ausbürgern, um ein Leben als Hippie und Sozialfall in Schleswig-Holstein zu führen. Die Kinder werden stets sehr vernachlässigt. Die Autorin kehrt noch als Jugendliche nach Berlin zurück.
Nicht nur das Leben der Autorin wird sehr interessant aufgearbeitet. Es gibt auch viele Informationen zu den Verhältnissen in der DDR und den jüdischen Zweig der Familie. Ist es anfangs noch schwer, sich in die familiären Verästelungen hineinzufinden, gibt sich das bald, zumal viele Episoden mehrfach wiederholt werden (und damit auch eindringlicher werden). An fehlender Chronologie sollte man auch keinen Anstoß nehmen.
Wer Familiengeschichten mag, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 05.12.2021

Hassnachrichten in den Social Media

Die Nachricht
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Das Buch hat mich wirklich packen können. Es ist so aktuell und nachdenklich stimmt, dass das, was der Protagonistin Ruth widerfährt, jeder/jedem auch passieren könnte. Diese nutzt soziale Medien und erhält ...

Das Buch hat mich wirklich packen können. Es ist so aktuell und nachdenklich stimmt, dass das, was der Protagonistin Ruth widerfährt, jeder/jedem auch passieren könnte. Diese nutzt soziale Medien und erhält einige Jahre nach dem Skiunfalltod ihres Mannes Hassnachrichten, die sich zusehends häufen und inhaltlich immer verletzender werden, sogar an Dritte aus Ruths privatem und beruflichem Umfeld gesandt werden. Statt sie zu ignorieren, will Ruth den Absender aufspüren, verdächtigt auch zwei Personen. Sie, die eigentlich das Opfer ist, findet in ihrer Umgebung kein Gehör, wird sogar als Schuldige gesehen, weil sie nicht unbedingt den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht. Als Leser rätselt man mit, wer wohl der anonyme Beleidiger ist, und fragt sich, wie man sich selbst wohl in solch einer Situation verhalten würde. Interessant ist, wie nach und nach aufgedeckt wird, dass im Leben von Ruth und ihrem verstorbenem Mann so manches im Argen lag.
Sehr empfehlenswert.

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