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Veröffentlicht am 08.07.2017

Unterhaltsam, launig und auf jeden Fall ungewöhnlich

Das Tigermotiv
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Mit langatmigen und allzu blumigen Beschreibungen hält sich Remy Gubler nicht auf. Der Schweizer Autor spickt seine Kriminalgeschichte rund um Ermittler Reto Caviezel und Hugo Hügli lieber mit Aussagen, ...

Mit langatmigen und allzu blumigen Beschreibungen hält sich Remy Gubler nicht auf. Der Schweizer Autor spickt seine Kriminalgeschichte rund um Ermittler Reto Caviezel und Hugo Hügli lieber mit Aussagen, Begriffen und Redewendungen, die im Rest des deutschsprachigen Raums eher unbekannt sind. Hügli, als Logiker und Mentalist bezeichnet, ist lange mit Reto befreundet und hat ihm schon bei anderen Fällen ausgeholfen, auch wenn er selbst nicht bei der Polizei ist. Die gemeinsamen „Brainstorming“-Gespräche sind überaus unterhaltsam zu lesen.

In „Das Tigermotiv“ soll Hugo seltsamen Ereignissen in einer Klinik dezent auf der Grund gehen. Er spricht mit Patienten, Leitung und Pflegepersonal und stößt neben einem „Tiger-Wahn“, der unter den psychisch ohnehin instabilen Insassen, um sich greift, auf einen Selbstmordversuch und damit zusammenhängendem
Mobbing. Scheinbar ist auch das Personal geistig nicht so gefestigt wie das nötig wäre. Als klar wird, dass sich hinter den Vorgängen noch größere Dinge verbergen und auch noch eine Leiche gefunden wird, stößt Reto dazu und die beiden Herren entwirren Beziehungen und Seilschaften, die weit über die Klinik hinausgehen.

Neben langen Formulierungen verzichtet der Autor auch auf viel Vorgeplänkel. Er lässt dem Leser die Zeit, nach und nach selbst Zusammenhänge zu erkennen, die Charaktere kennenzulernen und zu entdecken, wer warum mit wem in Beziehung steht. Zu Beginn ist das ungewohnt, weil sehr viele Namen auftauchen und nicht schon vorher klar ist, was diese Person denn nun macht und zu welcher Gruppe sie gehört.

Dass am Ende nicht jedes kleine Detail aufgeklärt wird (werden darf) stört nur kurz. Auch das Tigermotiv selbst verliert an Bedeutung. Der wahre Star dieses Buches sind die Idiomatik, die darin erblühenden Charaktere und der pointierte, humorvolle, manchmal ironische Schreibstil - für Freunde des unterhaltsamen, launigen und ungewöhnlichen Krimis sicher zu empfehlen.

Veröffentlicht am 02.07.2017

Charmante Charaktere und eine gut verständliche Story

Madame le Commissaire und das geheimnisvolle Bild
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Dieser Frankreich-Krimi ist der vierte in der Reihe um Isabelle Bonnet, die „Madame le Commissaire“ in einem kleinen, fiktiven, südfranzösischen Dörfchen. Das klingt zwar beschaulich, aber Erinnerungen ...

Dieser Frankreich-Krimi ist der vierte in der Reihe um Isabelle Bonnet, die „Madame le Commissaire“ in einem kleinen, fiktiven, südfranzösischen Dörfchen. Das klingt zwar beschaulich, aber Erinnerungen an ihre berufliche Vergangenheit als Terror-Bekämpferin und andere Ereignisse kosten ihr immer die verdiente Ruhe.

Dieses Mal bringt Rouven Mardrinac, reicher Kunstsammler und Stiftungs-Besitzer sowie Isabelles langjähriger Freund, einen Fall ins Rollen: Er entdeckt ein gefälschtes Gemälde und dazu gleich eine brisante Botschaft. Die Ereignisse überschlagen sich. Entführung, Freiheitsentzug, Kunstfälschung, falsche Gutachten, undurchsichtige Kunsthändler und ein verschwundener Maler werden von Isabelle und ihrem Assistenten, dem liebenswert-verschrobenen Apollinaire, in mühevoller Kleinarbeit ermittelt und in Beziehung gesetzt.

Doch damit nicht genug, darf Isabelle sich nach Anweisung ihres Mentors und Chefs bei der police nationale noch um einen anderen Fall kümmern. Ein Politiker brach beim Joggen zusammen und starb. Zuletzt leitete er einen Ausschuss, mit dem er wohl anderen auf die Füße trat und so möglicherweise nicht ganz zufällig starb.

Mit Charme und Liebe zum Detail flechtet der Autor die beiden Geschichten ineinander, trennt sie wieder und lässt den Leser nebenher raten, wie denn die Zusammenhänge aussehen könnten. Zwischen klassischer Ermittlungsarbeit und actionreichen, überraschenden Szenen kommen auch die französischer Küche und das detailreich beschriebene Dorfleben gut zur Geltung.

Mit der von Männern umworbenen, toughen Isabelle und dem schrulligen und manchmal praktisch veranlagten Apollinaire hat der Autor hier ein Ermittlerpaar geschaffen, das auch ganz alleine jeden Fall, jede Geschichte tragen und lösen könnte. Auch an die südfranzösische Atmosphäre und passende Ausdrücke ist gedacht, leider gibt es die eine oder andere Szene im Buch, mit der ich nicht ganz warm wurde. Nicht immer ist Isabelles Verhalten und sind ihre Methoden für mich nachvollziehbar.

Alles in allem ist der Fall – sind die Fälle – aber verständlich und ohne große Logiklücken. Dass nicht jedes Detail erklärt wird, birgt wunderbaren Diskussionsstoff.

Veröffentlicht am 09.05.2017

Eintauchen in eine sehr kranke Psyche

Der Näher
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Ein äußerst seltenes medizinisches Ereignis inspirierte Rainer Löffler wohl zu diesem Thriller, in dem er tief in die kranke Psyche des Täters eintaucht. Dieser terrorisiert die Gegend um den deutschen ...

Ein äußerst seltenes medizinisches Ereignis inspirierte Rainer Löffler wohl zu diesem Thriller, in dem er tief in die kranke Psyche des Täters eintaucht. Dieser terrorisiert die Gegend um den deutschen Ort Gummersbach. Immer wieder verschwinden Frauen und tauchen nicht mehr auf, geklärt werden diese Fälle von der örtlichen Polizei nie. Fallanalytiker Martin Abel wird dorthin zwangsversetzt, um die „einfachen“ Fälle zu klären oder Däumchen zu drehen. Wie nicht anders zu erwarten, findet er zufällig eine der vermissten Frauen. Doch die Leiche ist nicht alleine.

Teilweise verstörend und bizarr ist dieser Thriller, wenn abseits der Ermittlungen auch der Täter zu Wort kommt, näher beleuchtet wird. „Verstehen“, wie er so wurde, wie er aktuell ist, kann wohl niemand wirklich. Die Enthüllung seiner Identität überrascht, hatte doch nicht einmal Abel alles erkannt. Dieser Überraschungseffekt am Ende täuscht auch über den einen oder anderen groben Zufall und die doch sehr grausamen Schilderungen aus dem Leben des „Nähers“ hinweg.

Wer sich von Nebenhandlungen, die nicht notwendig gewesen wären und offensichtlichen falschen Fährten nicht gestört fühlt, darf sich mit diesem Psychothriller auf der sicheren Seite wissen und den Nervenkitzel auch voll auskosten. Mit Spannung weiß der Autor umzugehen, die bleibt das ganze Buch über hoch und kann auch nicht durch sehr blutige Passagen gemildert werden.

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  • Spannung
Veröffentlicht am 05.05.2017

Spurensuche in Vergangenheit und Gegenwart

Die unbekannte Schwester
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Wunderbaren leisen, humorvollen Lokalkolorit lässt Theresa Prammer in ihren Wien-Krimi, den dritten der Reihe um Carlotta Fiore, einfließen. Angefangen von herrlich typischen Namen, über den guten alten ...

Wunderbaren leisen, humorvollen Lokalkolorit lässt Theresa Prammer in ihren Wien-Krimi, den dritten der Reihe um Carlotta Fiore, einfließen. Angefangen von herrlich typischen Namen, über den guten alten Schilling bis zu spontanen Ausdrücken („ma!“) bietet das Buch eine schöne Atmosphäre, in die der Leser eintauchen darf. Passend zu Prammers eigener Theater-Vergangenheit ist auch Carlotta, Tochter einer berühmten Opern-Diva, die Bühne nicht fremd. Wenngleich die Neo-Polizistin gerne einfach nur ihre Arbeit machen möchte und es nicht erträgt, erkannt zu werden.

Ebenso passend darf Lotta, wie sie meist genannt wird, im Burgtheater ermitteln. Jegliche (witzig wie treffende) Bemerkungen zu Schauspielern und ihrem Umfeld darf sich die Autorin natürlich erlauben. Der aktuelle Fall dreht sich um einen vermeintlichen Selbstmord und als nach und nach weitere Personen entweder verschwinden oder auch unter mysteriösen Umständen sterben, suchen Lotta und Kollege Konrad nach dem „Mittelpunkt“. Wer ist die Person, um die sich alles dreht? Nur so können die Taten in Beziehung zueinander gesetzt werden. Auch die beiden Polizisten bleiben nicht verschont und müssen die eine oder andere physische und psychische Schramme verkraften.

Die Handlung ist grundsätzlich gut verständlich und auch logisch und ein einfach ein spannender Krimi. „Leider“ ist sie stark mit Lottas Vergangenheit verknüpft. Natürlich wird auch das genauer angesprochen und aufgelöst, dennoch könnte ich mir vorstellen, dass die Umstände um Lottas und Konrads Vergangenheit etwas schwierig zu verdauen sein könnten. Man muss die beiden vorangegangen Bücher nicht gelesen haben, aber es könnte häufigeres Stirnrunzeln vermeiden. Ich kannte den Beginn von Band 2 und das hat mir geholfen, mir die Zusammenhänge schneller vorstellen, mich wieder erinnern zu können. Diese Zusammenhänge, diese Geschichte in der Geschichte, sind auch das Ungewöhnliche an dieser Krimi-Reihe, lassen die Bücher aus der großen „Krimi-Masse“ herausstechen.

Veröffentlicht am 31.03.2017

Zu viel fasten kann tödlich sein, nicht zu fasten auch

Fastenopfer
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So wie Bücher gewissermaßen die Handschrift ihres Autors tragen (auch wenn ja schon lange alles gedruckt wird), so tragen – wie erfahrene Krimileser wissen – auch Morde immer die Handschrift des Mörders. ...

So wie Bücher gewissermaßen die Handschrift ihres Autors tragen (auch wenn ja schon lange alles gedruckt wird), so tragen – wie erfahrene Krimileser wissen – auch Morde immer die Handschrift des Mörders. Dies macht sich der Autor hier trefflich zunutze, als er einen etwas skurrilen Mord in eine sonst doch eher beschauliche Kleinstadt im Allgäu platziert.

In Altötting passiert diese Tat, der Verwalter des „Tilly-Benefiziums“, einer Stiftung, wird erstochen in der Kapelladministration, seinem eigenen Büro, gefunden. Nicht nur bei Morden ist Anton Leiss-Huber kreativ, auch was die Figuren in seinem Lokalkrimi angeht: der Tote hieß Rainer Schutt-Novotny. Und obwohl doch gerade Fastenzeit ist, hat er wahrscheinlich eine ordentliche Henkersmahlzeit genossen. Bis auf Geistliche interessiert sich im Ort aber ohnehin niemand so genau für das Fastengebot.

Doch nicht nur Schutt-Novotny und seine Ablebensumstände sind eigen, auch der ermittelnde Kommissar Max Kramer ist ein leicht skurriler Charakter, seinem doch relativ langweiligen Namen zum Trotz. Er frönt der Leberkäsesemmel und seine ehemalige Liebe, die Novizin Maria Evita, kann von Schokolade nicht genug bekommen. Inoffiziell natürlich. Ebenso inoffiziell ermittelt sie an Max‘ Seite.
Leiss-Huber schafft es, seinen Humor durch das ganze Buch hindurch zu halten und rutscht nicht in „halb-lustige Erzählerei“ ab, was leider auch oft passiert, wenn ein Regionalkrimi lustig sein soll.
Zudem war ich selbst schon öfter in Altötting, was hier zum Lesegenuss auf jeden Fall beiträgt. „Fastenopfer“ macht unbedingt Lust auf seinen Vorgängerband, „Gnadenort“.