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Veröffentlicht am 09.03.2022

Der angenehme Schreibstil ist wohltuend und das Gärtnern hat Auffordeungscharakter

Querbeet ins Glück
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„Querbeet ins Glück“ ist der erste Roman unter dem Pseudonym Lisa Kirsch einer bekannten Autorin, die in Berlin lebt, wo auch der Roman spielt. Titel und Cover verweisen darauf, dass die Protagonistin ...

„Querbeet ins Glück“ ist der erste Roman unter dem Pseudonym Lisa Kirsch einer bekannten Autorin, die in Berlin lebt, wo auch der Roman spielt. Titel und Cover verweisen darauf, dass die Protagonistin im Laufe der Geschichte ihre Leidenschaft fürs Gärtnern entdeckt. Die Herzchen wirken romantisch und vermitteln schon beim in die Hand nehmen des Buchs gute Laune.
Madita Wunderlich, kurz Maddie genannt, ist 32 Jahre alt und gerade nach Berlin-Neukölln gezogen, weil sie in der Bundeshauptstadt endlich eine Hauptrolle als Musicaldarstellerin erhalten hat. Das hat sie sich in den vorigen Jahren hart erarbeitet. Sie eine eifrige Schreiberin von Listen, beispielsweise hält sie jeden Abend fest, was den Tag schön gemacht hat.
Als ihre Vermieterin und gleichzeitig Wohnungsnachbarin auf der Treppe schwer stürzt übernimmt Maddie von ihr die Arbeit in einem Gemeinschaftsgarten. Anfangs ist sie skeptisch, ob ihr neben den Proben für die Premiere genug Zeit für die neue Aufgabe bleibt. Angeleitet von dem charmanten Moritz, kurz Mo gerufen, und seinem siebenjährigen Sohn Elias, der lieber Elvis heißt, fühlt sie sich zunehmend nützlich im Garten und verbringt immer mehr Zeit dort. Aber dann kommt es nicht nur zu Spannungen bei den Arbeiten mit dem Ensemble, sondern auch zu existenziellen Sorgen in der Kleingartensiedlung.
Maddie hat das Gemüt der freundlichen Frau von nebenan. Sie sorgt immer wieder für Verwunderung, wenn sie neuen Bekanntschaften von ihrem ungewöhnlichen Beruf erzählt. Konsequent hat sie auf eine Hauptrolle hingearbeitet und dazu viel Zeit aufgewendet. Daran ist ihre letzte Beziehung gescheitert. Als sie Mo kennenlernt und sich gefühlsmäßig mehr daraus zu entwickeln scheint, bleibt sie betont auf Abstand. Auch Mo hat seine Gründe dafür, sich nicht eilfertig auf eine Beziehung mit ihr einzulassen.
Die Geschichte wird von Maddie in der Ich-Perspektive geschildert. Lisa Kirsch ist eine authentische Darstellung der inneren Auseinandersetzung und Verarbeitung der eigenen Zweifel von Maddie über ihre Liebe zum Job und der neuen Neigung zum Gärtnern und zu Mo gelungen. Die Autorin lässt viel Wärme einfließen in der Beschreibung der verschiedenen Aufgaben, die es über die Wochen hinweg in der Gartensiedlung zu erledigen gibt. Liebevoll angereichert hat sie die Erzählung mit einigem staunenswertem und nützlichem Wissen, auch über die Aufzucht der besonderen Hühner in der Anlage.
Obwohl der Roman locker und leicht erzählt ist, bekommt er Tiefgang durch die kontroverse Diskussion verschiedener Probleme von Maddie, Mo und den Gemeinschaftsgärtnern. Lisa Kirsch stellt verschiedenen Ansichten zu bestimmten Themen dar, indem sie geschickt Nebenfiguren einbaut, die eine weitere Meinung vertreten, was das Lesen abwechslungsreicher gestaltet.
Lisa Kirsch nahm mich in ihrem Roman „Querbeet ins Glück“ als Leserin über die Höhen und Tiefen im Leben der Protagonistin Maddie mit. Sie zeigt, wie Zusammenarbeit im gemeinsamen Tun funktionieren kann. Es gelingt ihr schwelende Konflikte auf eine realistische Art zu lösen. Der angenehme Schreibstil ist wohltuend und das Gärtnern hat Aufforderungscharakter. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 21.02.2022

Chancen und Probleme im übernommenen Leben eines Anderen

Das gekaufte Leben
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Der Roman „Das gekaufte Leben“ von Tobias Sommer beschäftigt den Lesenden mit der Frage, ob es möglich ist, sich nicht nur das Haus einer anderen Person zu kaufen, sondern auch deren Arbeitsstelle anzutreten ...

Der Roman „Das gekaufte Leben“ von Tobias Sommer beschäftigt den Lesenden mit der Frage, ob es möglich ist, sich nicht nur das Haus einer anderen Person zu kaufen, sondern auch deren Arbeitsstelle anzutreten und deren Platz unter Freunden und im Vereinsgeschehen einzunehmen. Sein Protagonist Clemens Freitag ist Mitte 30, lebt in Berlin und hat bisher wenig Erfolg im Leben gehabt. Seine Eltern sind vor zwanzig Jahren verstorben. Ihr Erbe hat er bisher nicht angetastet. Als auf einer Verkaufsplattform der ihm völlig unbekannte Götz Dammwald sein Leben anbietet, ergreift er die Möglichkeit und ersteigert es sich. Es steht ihm nichts im Weg, das ihn aufhalten könnte, innerhalb weniger Tage in einem kleinen Ort im Osten Deutschlands in das Leben des Anbieters zu schlüpfen.

Freitag ist selbst überrascht wie gut und schnell er sich in seine neue Umgebung einlebt. Von allen Seiten wird er herzlich aufgenommen und erfährt fast nur Gutes über Dammwald, was ihn zum Grübeln über die Tatsache führt, dass dieser sein Leben im Ort aufgegeben hat. Es warfen sich dadurch einige Fragen auf: Welche Faktoren müssen gegeben sein, damit man gerne dort lebt, wo man sich niedergelassen hat. Was führt dazu, dass man woanders wohnen möchte oder sogar wer anders sein will?

Immer tiefer lässt der Autor seine Hauptfigur in das soziale Gefüge des Orts eindringen. Mit jeder Situation nimmt Freitag mehr von den Stimmungen auf, dadurch dass er auf Hinweisen in den Gesprächen mit seinen Mitmenschen achtet. Er beginnt diese auf veschiedene Weise auszulegen. Langsam erhält die glatte Oberfläche des gesellschaftlichen Zusammenhalts erste Risse. Es kommt zu einigen schauerlichen Situationen, die Tobias Sommer authentisch vorstellbar beschreibt.

Während er noch an dem Augenscheinlichen zweifelt und durch gewisse Begebenheiten aufgewühlt nach dem Grund für den Verkauf durch Dammwald sucht, wird Freitag von den guten Zusprüchen aus seinem Umfeld auf eine lange vermisste emotionale Höhe gehoben. Ich fand es interessant zu verfolgen, welche Gefühle bei ihm die Oberhand gewinnen und ob er im übernommenen Leben sich dauerhaft zurechtfindet, denn in den letzten Jahren hat Freitag es nicht geschafft über seinen Schatten zu springen. Immer noch bemitleidet er sich selbst aufgrund des frühen Verlusts seiner Eltern, was ihn bisher auf gewisse Weise ausgebremst hat. Unterschwellig spürte ich eine subtil aufgebaute Spannung.

Tobias Sommers Roman „Das gekaufte Leben“ basiert auf einer Idee auf, die nicht nur real denkbar ist, sondern die von ihm auch so schon zur Kenntnis genommen wurde. Der Autor bezieht etwaige Probleme und Chancen in seine Erzählung mit ein. Dank seiner Fähigkeit, sich in seinen Protagonisten Clemens Freitag hineinzuversetzen und dessen Gefühle nachvollziehbar zu beschreiben wurde die Geschichte für mich glaubhaft. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 30.01.2022

Der zweite Band der Senfblütensage - insgesamt berührender als der erste

Die Senfblütensaga - Wege des Schicksals
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Der historische Roman „Wege des Schicksals“ von Clara Langenbach, einem Pseudonym der Autorin Olga A. Krouk ist der zweite Teil der „Senfblütensaga“. Im Mittelpunkt steht die in Metz lebende Familie Seidel, ...

Der historische Roman „Wege des Schicksals“ von Clara Langenbach, einem Pseudonym der Autorin Olga A. Krouk ist der zweite Teil der „Senfblütensaga“. Im Mittelpunkt steht die in Metz lebende Familie Seidel, die ein Fuhrunternehmen betreibt, das aktuell vom Schwiegersohn Antoine weitergeführt wird.
Die Geschichte spielt in der brisanten Zeit von 1914 bis 1918. Der Sohn des Hauses, Carl Seidel, hat sich inzwischen eine Produktionsstätte für Senf in der Stadt aufgebaut. Seine Verlobte Emma hat ihr Wirtschaftsstudium abgeschlossen und möchte ihr Können in seinem Unternehmen einsetzen. Eine prachtvolle Hochzeit der beiden ist geplant. Doch dann bricht der Erste Weltkrieg aus, was in Metz, das von den Deutschen seit vielen Jahren annektiert ist, sofort zu einer gesellschaftspolitisch angespannten Situation führt.
Emma hat sich ganz von ihren Eltern gelöst, die für sie ein Leben an der Seite eines gutsituierten Ehemanns vorgesehen hatten. Gerne würde sie noch selbstbewusster durchs Leben gehen, aber die Autorin zeigt ihre innere Zerrissenheit. Es ist nicht leicht sich selbst treu zu bleiben, wenn man vom Umfeld nur in der klassischen Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter gesehen wird. Außerdem trägt der Krieg mit den vielen Heeresangehörigen, die in die Stadt gespült werden, seinen Anteil daran, dass man gelegentlich mit einer gewissen Begierde von Männern in der Öffentlichkeit angesehen wird.
Ihr Verhältnis zu Carl, seinen Eltern und seiner Schwester ist ebenfalls von Spannungen gekennzeichnet. Es fällt Emma schwer loszulassen und sich in die Familie Seidel zu integrieren, obwohl ihre zukünftigen Schwiegereltern sie mit offenen Armen empfangen. Mit Carls Schwester Louise und deren Mann Antoine verbindet sie eine mit Problemen belastete Vergangenheit, die im ersten Teil der Serie dargestellt wurde.
Im vorliegenden Band beschreibt Clara Langenbach die Schwierigkeiten, mit denen Emma, ihre Freunde und ihre zukünftige Schwiegerfamilie während des Kriegs zu kämpfen haben. Obwohl sie zu denjenigen gehören, die über ausreichend Geldmittel verfügen, haben sie mit der Rationierung von Lebensmitteln und der Beschlagname kriegswichtiger Materialien zu kämpfen.
Mit Metz hat die Autorin sich einen interessanten Handlungsort ausgesucht, denn die in Lothringen liegende Stadt bildete den wichtigsten Vorposten des Deutschen Reichs im Westen. Die politischen Fakten bindet sie gekonnt in die Geschichte ein. Für Carls Unternehmen wird das Militär zu einer tragenden Säule, denn die bisherigen guten Beziehungen mit französischen Handelspartnern werden verboten.
Auch diesmal wieder bildet die wahre Geschichte von Otto und Frieda Frenzel, die mit ihrer Senfproduktion in Düsseldorf die Marke „Löwensenf“ etabliert haben, den Hintergrund der Ereignisse, die Clara Langenbach zugunsten eines noch mitreißenderen Hergangs des Geschehens fiktionalisiert hat. Die Figuren handeln in diesem Setting realistisch und vorstellbar. Eine Stärke des Romans ist es, dass jede von ihnen sich weiterentwickelt und ihr Denken und Handeln anpasst, nachdem die entsprechende Charaktere sich gefühlsmäßig mit der bestehenden Situation auseinandergesetzt hat. Ich habe den ersten Band gelesen und denke, dass die Vorkenntnisse daraus zwar nicht dringend erforderlich sind, aber das Lesevergnügen steigern können.
Der Roman „Wege des Schicksals“ von Clara Langenbach beschreibt die von den Kriegsereignissen der 1920er Jahre in der lothringischen Stadt Metz bestimmte Geschichte der Familie Seidel und ihrer zukünftigen Schwiegertochter Emma Bergmann. Es ist eine Erzählung von Liebe, Hass, Verlust, Verrat und voller Hoffnung. In den schwierigen Zeiten stehen die Familienangehörigen füreinander ein, obwohl sie sich bemühen ihre Selbstbestimmtheit nicht zu verlieren. Insgesamt finde ich diesen zweiten Teil der Senfblütensaga etwas stärker und noch berührender als den ersten. Daher freue ich mich schon auf den abschließenden Band und empfehle das Buch gerne weiter.

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Veröffentlicht am 20.01.2022

Hulda Gold im Widerstreit ihrer Gefühle zwischen Liebe und Beruf

Fräulein Gold: Die Stunde der Frauen
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Der vierte Band der Serie rund um die Hebamme Hulda Gold „Fräulein Gold – Die Stunde der Frauen“ von Anne Stern spielt im historischen Berlin im September und Oktober des Jahrs 1925. Wichtige politische ...

Der vierte Band der Serie rund um die Hebamme Hulda Gold „Fräulein Gold – Die Stunde der Frauen“ von Anne Stern spielt im historischen Berlin im September und Oktober des Jahrs 1925. Wichtige politische und kulturelle Ereignisse arbeitet die Autorin in die Erzählung ein. Obwohl ich alle Teile kenne, denke ich, dass man das Buch problemlos auch ohne Vorkenntnisse der anderen Ausgaben lesen kann. Im Mittelpunkt stehen diesmal die Probleme von Frauen, die schwanger sind und über die Zukunft ihres Babys entscheiden müssen, denn nicht immer kommt die Schwangerschaft erwünscht oder zur passenden Zeit.
Hulda Gold ist inzwischen leitende Hebamme der Frauenklinik Mitte. In der vorderen Klappe des Buchs findet sich eine Karte von Berlin zur damaligen Zeit auf der einige Handlungsorten des Romans eingezeichnet sind. Die Karte enthält oben links eine Vergrößerung, die einen Ausschnitt Berlins zeigt. In diesem Gebiet wird sich eine Tragödie abspielen, die für die Protagonistin große Bedeutung hat.
Der Prolog wirft, wie bei allen Hulda Gold Romanen ein Rätsel auf. Er spielt 1869 und nimmt Bezug auf eine Liebesgeschichte, die später zu einem Verbrechen in betuchten Kreisen führt. In dieser gut situierten Schicht verkehrt Hulda neuerdings aufgrund ihrer Liaison mit dem jungen Arzt Johann Wenckow. Doch immer noch kann sie ihre langjährige Beziehung zu Karl nicht ganz vergessen. Als Leserin erfuhr ich, welchen Weg im Leben er inzwischen gewählt hat.
Zwar wird Johann von Hulda zu bestimmten Aktivitäten, zu seinen Eltern oder Freunden begleitet, doch ihr gefällt der Umgangston in der oberen Gesellschaftsschicht nicht. Stattdessen fühlt sie sich in Schöneberg wohl, wo sie seit vielen Jahren zur Untermiete wohnt. In ihrem Beruf ist es ihr gleich, aus welchen Kreisen die Frauen kommen, denen sie bei der Entbindung hilft. Die Hebamme erkennt, dass Geld allein nicht glücklich macht, wenn man sich stattdessen in einer Rolle voller Konventionen und Erwartungen zu bewegen hat.
Als leitende Angestellte hat Hulda sich einige Privilegien erarbeitet. Durch das Vertrauen, dass die Ärzte in sie haben, darf sie manchmal bestimmte Verrichtungen in Eigenverantwortung übernehmen. Sie ist immer auf dem neuesten Stand und probiert gerne mal Geburtstechniken aus von denen sie gehört oder in ihrer Ausbildung erfahren hat, natürlich immer zum Wohl der Frauen. Darauf ist sie stolz. Sie steht im Widerstreit ihrer Gefühle zwischen Liebe und Beruf, den sie in der Ehe mit Johann aufgeben muss, wenn er es so will.
Immer deutlicher wird ihr die Verzweiflung von Frauen, die aufgrund des § 218 BGB nicht selbst über ihre Schwangerschaft entscheiden können. Anne Stern zeigt beispielhaft auf, dass Frauen auch in anderen Bereich von Entscheidungen abhängig sind, die Männer für sie treffen. Wie im dritten Band tritt das Verbrechen, zu dessen Aufklärung Hulda beiträgt, im Vergleich zur täglichen Arbeit von ihr und den Schilderungen über die Beziehung zu Johann in den Hintergrund.
Im vierten Band der Romanreihe „Fräulein Gold“ von Anne Stern las ich über eine Protagonistin, die im Leben angekommen zu sein scheint, weil sie in ihrem Job Erfüllung findet und in einer festen Beziehung glücklich ist. Doch im Verborgenen ahnt Hulda, dass eine Verbindung zwischen Arbeit und Liebe schwierig sein wird, wenn es zu einer Ehe käme. Die Autorin schildert die Ereignisse realistisch und vorstellbar. Der Schluss wartet mit einer unerwarteten Wendung auf. Gerne empfehle ich auch diesen Teil der Serie an Lesende historischer Romane.

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Veröffentlicht am 19.01.2022

Schuldig oder nicht, das ist hier die Frage

Perfect Day
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Im Thriller „Perfect Day“ von Romy Hausmann stehen in mehrfacher Hinsicht Gefühle im Mittelpunkt. Sie sind es auch die die Protagonistin Ann nicht ruhen lassen und antreiben, um die Unschuld ihres Vaters ...

Im Thriller „Perfect Day“ von Romy Hausmann stehen in mehrfacher Hinsicht Gefühle im Mittelpunkt. Sie sind es auch die die Protagonistin Ann nicht ruhen lassen und antreiben, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Die Musik des Songs „Perfect Day“, gesungen von Lou Reed und veröffentlicht 1972, löst bei Ann Erinnerungen an einen schönen Sommertag vor 17 Jahren aus. Doch der Text sorgt bei ihr durch die letzten Liedzeilen für Furcht.
Es ist Heiligabend im Jahr 2017 als die Welt für Ann zusammenbricht. Wie aus dem Nichts steht ein Einsatzkommando der Polizei anstelle des erwarteten Pizzaboten vor der Tür und verhaftet ihren Vater, einen angesehenen Professor der Philosophie und Anthropologie. Er wird angeklagt, in den vergangenen Jahren fast jährlich ein kleines Mädchen ermordet zu haben, immer auf die gleiche Weise. Die 24-jährige Germanistikstudentin Ann, die in Berlin lebt, kann das nicht glauben, denn ihr Vater hat sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter immer gut um sie gekümmert. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, er ist für sie ihr Zuhause.
In ihrem Thriller verarbeitet die Autorin die verschiedensten Emotionen, die Ann bei ihrer Suche nach Beweisen erfährt. Es ist ein Wechselbad der Gefühle für die Protagonistin. Neben der Liebe zu ihrem Vater vermischen sich Wut über seine Verhaftung, Trauer über ihre Hilflosigkeit und Angst vor der Wahrheit. In ihren Gedanken kehrt Ann häufiger zu schönen, aber auch manchen verstörenden Erinnerungen zurück.
Neben den von Ann erzählten Ereignissen im Jahr 2017 fügt Romy Hausmann Abschnitte ein, die mit „Wir“ überschrieben sind und von einer unbekannten Figur erzählt werden, die offensichtlich ein Kind in ihrer Gewalt hat. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig. Diese Einfügungen steigern die Spannung nochmals. Für eine Anhebung der Spannungskurve sorgen außerdem Einschübe, die im Jahr 2021 spielen und offensichtlich ein Verhör des Täters darstellen. Beide Einschiebsel lassen völlig offen, ob Anns Unschuldsvermutung über ihren Vater richtig ist und sorgen für einen Lesesog.
Gelegentlich gaukelte die Autorin mir eine Scheinwelt vor, in die sich Ann aufgrund ihrer aufgewühlten Stimmung begibt. Ihre Vorstellungen waren erschreckend. Ich war erleichtert, darüber zu lesen, dass Ann bei ihren Ermittlungen nicht ganz auf sich allein gestellt ist. Denn als Tochter eines vermutlichen Mörders erfährt sie zunächst, dass sich Freunde und Bekannte von ihr abwenden. Bald stellt sich heraus, dass es gefährlich sein kann, Ann zu unterstützen. Romy Hausmann hat dazu einige überraschende Wendungen eingebunden.
Von Beginn an ist es schwierig zu entscheiden, ob man den Vater von Ann für schuldig hält oder nicht und das ist selbstverständlich ganz im Sinne der Autorin. „Perfect Day“ von Romy Hausmann baut zunehmend Spannung auf und hält sie bis zum Schluss, auch durch den besonderen Schreibstil und unerwartete Entwicklungen. Sehr gerne empfehle ich den Thriller weiter.

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