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Veröffentlicht am 21.08.2017

Sklaven und Menschenrechte

Underground Railroad
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Sie besitzt nichts und hat keinerlei Rechte, nicht einmal über ihre eigene Person darf sie bestimmen: Cora lebt als Sklavin in dritter Generation auf der Randall-Farm in Georgia. Ihr Alltag ist geprägt ...


Sie besitzt nichts und hat keinerlei Rechte, nicht einmal über ihre eigene Person darf sie bestimmen: Cora lebt als Sklavin in dritter Generation auf der Randall-Farm in Georgia. Ihr Alltag ist geprägt von harter Arbeit auf den Baumwollfeldern, Gewalt, Furcht. Doch das junge Mädchen ist stark, die Misshandlungen haben sie noch nicht gebrochen. Und so vertraut ihr der Leidensgenosse Caesar einen Fluchtplan an, um gemeinsam ihrem trostlosen Dasein zu entkommen. Eines Tages ist es wirklich soweit; gemeinsam mit ihrer Freundin Lovey und Caesar gelingt ihr die Flucht. Es wird ein langer, gefährlicher Weg in die Freiheit, den nur einer von ihnen überlebt.
Beeindruckend realistisch schildert Colson Whitehead das Martyrium der Sklaven auf den Plantagen. Erschreckend wirkt die Denkweise eines Großteils weißer Zeitgenossen Coras; die weiße „Herrenrasse“, ihre Auslegung der Menschenrechte (festgelegt 1776 in den „Virginia Bill of Rights“) und die Rechte, die sie für sich selbst daraus ableiten, befremden uns. Auf mitreißende Art versteht es der Autor, den Leser in Coras Geschichte zu verwickeln und ihn auf ihre entbehrungsreiche und gefahrvolle Flucht mitzunehmen. Er hat ihr Schicksal, eingebunden in die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Mitte des 19. Jahrhunderts, überzeugend und authentisch ausgearbeitet. Der Roman wirkt „rund“.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Arbeit der „Underground Railroad“, eines gut organisierten Netzwerkes von Fluchthelfern für entlaufene Negersklaven, das bis 1865 erfolgreich funktionierte, als imposante menschliche Leistung; denn auch die Helfer setzten ihr Leben aufs Spiel, wenn sie als solche erkannt oder denunziert wurden. Der Name „Underground Railroad“ diente als Symbol; die Helfer agierten unter Decknamen wie „Stationsvorsteher“ oder „Schaffner“, die seit Bestehen der ersten Eisenbahnlinien aus diesem Bereich entlehnt wurden. Doch der Autor lässt die „Underground Railroad“ wortwörtlich, als tatsächliche Maschinerie, existieren in einer Zeit, in der an eine echte Untergrundbahn, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht zu denken war. Ich habe sie als eine Art Verfremdungseffekt verstanden, der das Thema des Romans aus seinem historischen Kontext löst und zeitübergreifend werden lässt; Vergleiche zu früheren Ereignissen, aber auch zu ganz aktuellen Thematiken werden herauf beschworen. Die Verfolgung und Entrechtung von Menschen, Rassismus, Ausbeutung, Folter gehören leider nicht nur der Vergangenheit an. Überall in unserer modernen Welt finden sich Beispiele.
Ein anspruchsvolles Buch, das den Leser aufrüttelt und dem Leid Verfolgter in der Welt wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil werden lässt.

Veröffentlicht am 14.08.2017

"Kein anderer fühlt mit deinem Herzen..."

Kneipengrab
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… heißt es in einem Vers, der recht gut Nina Bongartz´ großes Problem beschreibt. Sie selbst empfindet sich als eine ganz normale Frau in den mittleren Jahren, die ihrem Beruf in der Kleinstadt Kaarst ...


… heißt es in einem Vers, der recht gut Nina Bongartz´ großes Problem beschreibt. Sie selbst empfindet sich als eine ganz normale Frau in den mittleren Jahren, die ihrem Beruf in der Kleinstadt Kaarst nachgeht. Doch ihre Umwelt sieht sie in einem anderen Licht; ihr Verhalten ist noch immer beeinflusst vom gewaltsamen Tod ihres Bruders. Als Andreas, der Mörder ihres Bruders, nach fünfunddreißig Jahren aus der Haft entlassen wird, scheint Nina völlig am Boden zerstört; sie kann dem ehemaligen Freund die Tat nicht verzeihen. Zeitgleich wird ein ebenso alter Fall wieder aufgerollt: Ninas beste Freundin war kurz vor dem Mord an Alex verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Während Nina versucht, ihre Erinnerungen mit neuen Erkenntnissen in Einklang zu bringen, geschieht ein neuer Mord…
Psychologisch sehr geschickt schildert die Autorin aus der Rückschau zwei schicksalsträchtige Ereignisse, die Ninas Leben beeinflussen. Stück für Stück trägt sie die Puzzleteile zusammen, die schließlich ein klares Bild des einstigen Geschehens ergeben.
Gut nachvollziehbar und „echt“ erscheinen die einzelnen Charaktere. Die lebendige Beschreibung des Handlungsortes und seiner Eigenschaften sorgt ebenfalls für Authentizität. Spannend geschrieben und mit viel Lokalkolorit - ein rundum gelungener Krimi!

Veröffentlicht am 15.06.2017

Atemlose Spannung ...

Der Näher
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… zieht sich auch durch den dritten Thriller aus Rainer Löfflers Feder. Zum Inhalt: In Gummersbach werden zwei schwangere Frauen vermisst gemeldet. Abschiedsbriefe scheinen Hinweise auf ein freiwilliges ...

… zieht sich auch durch den dritten Thriller aus Rainer Löfflers Feder. Zum Inhalt: In Gummersbach werden zwei schwangere Frauen vermisst gemeldet. Abschiedsbriefe scheinen Hinweise auf ein freiwilliges Verlassen ihrer Familie zu geben. Was zunächst wie ein Routinefall aussieht und von Kriminalhauptkommissar Borchert auch als solcher behandelt wird, entwickelt sich nach und nach zu einem komplexen Mordgeschehen. Selbst für den neu hinzugezogenen Fallanalytiker Martin Abel gilt es, eine harte Nuss zu knacken. Und ihm ist sehr schnell klar: ihm bleibt nicht viel Zeit.
Spannend, rasant, atemlos: in schwungvollem Stil, durchzogen von Sarkasmus, schwarzem Humor und besonders bildhaften Darstellungen, verwickelt der Autor seinen Leser in eine Serie von Entführungen und bestialischen Morden. Löffler spart dabei nicht mit detaillierten und äußerst brutalen Beschreibungen, so dass teilweise recht drastische Bilder vor dem geistigen Auge entstehen: ein Thriller, der seinen Namen wahrlich verdient. Auch mit dem Seelenleben des Täters macht er uns nach und nach vertraut. In diesen Abschnitten, die sich mit dem aktuellen Geschehen abwechseln, erfährt man wesentliche Details über Kindheit und Intentionen des Mörders. Die Identität des Täters allerdings bleibt bis fast zum Schluss verborgen. Abels Ermittlungen werden zu einem Wettlauf mit der Zeit, bei dem der Autor den Lesern kaum eine Verschnaufpause gönnt.
Kurz: Ein echter Thriller für Leser, die über gute Nerven verfügen.

Veröffentlicht am 21.05.2017

Empfehlung für Erstleser

Petronella Apfelmus - Überraschungsfest für Lucius
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Welch ein Glück, wenn man gute Freunde hat! Das erfährt die kleine Hexe Petronella wortwörtlich am eigenen Leib, als ihr bei den Vorbereitungen zu einer Überraschungsparty ein grässliches Missgeschick ...

Welch ein Glück, wenn man gute Freunde hat! Das erfährt die kleine Hexe Petronella wortwörtlich am eigenen Leib, als ihr bei den Vorbereitungen zu einer Überraschungsparty ein grässliches Missgeschick passiert. Die Zwillinge Lea und Luis sind rechtzeitig zur Stelle, um Petronella aus ihrer misslichen Lage zu helfen - und so das Geburtstagsfest für den Hirschkäfer Lucius zu retten.
Mit dieser zauberhaften Geschichte voll Schwung und Fantasie lädt die Autorin ihre kleinen und großen Fans zu einem neuen Abenteuer der liebenswerten Apfelhexe ein, bei dem Freundschaft und Teamarbeit im Mittelpunkt stehen. Als für Erstleser bestens geeignet erweisen sich der klare Aufbau des Buches, die angemessen kurzen Kapitel und die deutlich große Schrift. Die ebenfalls kurz gehaltenen, unkomplizierten Sätze und ein kindgerechtes Vokabular ermuntern Grundschüler/innen ab 7 Jahren zum Selberlesen und „zaubern“ Erfolgserlebnisse. Aber auch die Jüngeren haben ihren Spaß an der Lektüre, wenn die Eltern sie vorlesen. Zahlreiche ausdrucksstarke Bilder der Illustratorin Sabine Büchner ergänzen auf harmonische Weise Städings Geschichte. In fröhlichen Farben, großzügig in den Text integriert, sorgen sie für zusätzliches Vergnügen bei den kleinen Betrachtern - und für eine amüsante Lesepause.
Mein Fazit: Sabine Städing und Sabine Büchner haben ein wirklich schönes Buch gestaltet, das Kindern sicher einen Anreiz zum Selberlesen bietet.

Veröffentlicht am 22.03.2024

Munyal ...

Die ungeduldigen Frauen
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… Geduld - im westlichen Kulturraum als Tugend und Weisheit gepriesen - wird in Kamerun viel ausufernder interpretiert. Munyal bedeutet für die Frauen hier ein völliges Sich-Zurücknehmen, bis zur ...


… Geduld - im westlichen Kulturraum als Tugend und Weisheit gepriesen - wird in Kamerun viel ausufernder interpretiert. Munyal bedeutet für die Frauen hier ein völliges Sich-Zurücknehmen, bis zur totalen Unterwerfung unter den Willen eines Mannes. Erst ist es der Vater, später der Ehemann, der über Wohl und Wehe der Frauen bestimmt.
In ihrem Roman lässt Djaili Amadou Amal drei unterschiedliche junge Frauen zu Wort kommen, die ihre Schicksale erzählen. Da ist zum einen die siebzehnjährige Ramla, die immerhin eine Schule besuchen durfte und davon träumte, Apothekerin zu werden, bevor sie zwangsverheiratet wird. Ihre Halbschwester Hindou wird an demselben Tag verheiratet wie sie. Wie unglücklich beide sind, kümmert niemanden: es ist das Schicksal der Frau, wie eine Sklavin einem Mann zu gehören - so, wie es der Islam verlangt.
Die dritte Frau ist Safira, bereits verheiratet mit Alhadji und nicht begeistert davon, dass er sich Ramla als Zweitfrau genommen hat. Sie empfindet sie als ernsthafte Konkurrentin um Alhadjis Gunst; denn in der weiblichen Gemeinschaft kursiert derSpruch: „Für eine Frau gibt es keinen schlimmeren Feind als eine Frau!“ Anstelle von Solidarität und gegenseitiger Hilfe wird so eher Misstrauen und sogar Hass untereinander genährt, was es wiederum dem männlichen Anspruch auf Besitz leicht macht, sich zu behaupten.
In klaren, nüchternen Worten erzählt die Autorin vom Schicksal der Frauen. Sie zeichnet ein eindrucksvolles Bild von Leben und Gebräuchen in Kamerun. Amal, die sich auch privat gegen die Unterdrückung von Frauen engagiert, liegt besonders die Situation der Mädchen und Frauen am Herzen, die nicht über ihr eigenes Leben bestimmen dürfen.
“Wer geduldig ist, bereut es nicht" sagt man in Kamerun. Nach der Lektüre dieses Romans habe ich da meine Zweifel.

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