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Veröffentlicht am 10.03.2022

Wem kann man vertrauen?

Vertrauen
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In Dror Mishanis neuem Roman bekommt Inspektor Avraham zwei neue Fälle auf den Tisch, die zunächst nach den üblichen Bagatellfällen aussehen. Ein Baby wird in einem Café in der Nähe eines Krankenhauses ...

In Dror Mishanis neuem Roman bekommt Inspektor Avraham zwei neue Fälle auf den Tisch, die zunächst nach den üblichen Bagatellfällen aussehen. Ein Baby wird in einem Café in der Nähe eines Krankenhauses ausgesetzt. Die Überwachungskamera hat die Frau gefilmt, und so kann sie schnell gefunden und befragt werden. In dem anderen Fall geht es um einen Touristen, der in Tel Aviv in einem Hotel absteigt und schon am nächsten Morgen spurlos verschwindet. Zwei Männer, die sich als Verwandte ausgeben, holen seine Koffer ab und halten sich verdächtig lange in dem Zimmer auf. Später wird man den Mann tot im Wasser finden – mit Spuren von Misshandlungen. Ist er einfach nur ertrunken oder war es ein Verbrechen? Nachdem Avi die Tochter des Toten befragt hat, führen Spuren zum Mossad. Da wundert es nicht, dass der Inspektor schon bald bei seinen Ermittlungen ausgebremst wird und Drohungen erhält. Letztlich lässt sich Avi aber nicht einschüchtern und macht weiter, weil er die offizielle Version einer Abrechnung im Drogenmilieu nicht glaubt. Das Ende ist in diesem Fall offen, so dass der Leser mit einer Fortsetzung rechnet.
Im Fall um das aufgrund einer späten Abtreibung mit schwerwiegenden Problemen geborenen Frühchen durchschaut der Inspektor die zahllosen Lügen der Mutter einer minderjährigen Schwangeren und sorgt für die strafrechtliche Aufarbeitung. Hier gibt es sogar etwas wie ein versöhnliches Ende einer privaten Tragödie, die auch mit dem Konflikt zwischen Juden und Arabern zu tun hat.
Mir hatte der vor ein paar Jahren veröffentlichte Roman “Drei“ gut gefallen, und ich war deshalb sehr gespannt auf das neue Buch. Ich habe es gern gelesen, fand es aber insgesamt weniger gelungen. Vor allem hat mich der Handlungsstrang um das ausgesetzte Baby nicht besonders gefesselt. Dennoch werde ich sicher auch künftig Mishanis Romane im Auge behalten.

Veröffentlicht am 04.03.2022

Ungleiche Partner

Unser wirkliches Leben
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Die junge Anna ist dabei, ihren Traum zu verwirklichen. Sie hat ein Stipendium für eine Ausbildung an einem Londoner Konservatorium und teilt sich ein Zimmer mit ihrer besten Freundin Laurie in einem ...


Die junge Anna ist dabei, ihren Traum zu verwirklichen. Sie hat ein Stipendium für eine Ausbildung an einem Londoner Konservatorium und teilt sich ein Zimmer mit ihrer besten Freundin Laurie in einem schäbigen Haus mit übergriffigen, neugierigen Vermietern. Um finanziell über die Runden zu kommen, kellnert Laurie in einer Hotelbar, und Anna singt dort an mehreren Abenden der Woche Jazz. Eines Abends lernt sie dort den gutaussehenden, deutlich älteren Max kennen, einen reichen Banker aus der City. Er lädt sie in teure Restaurants und in sein schickes Loft ein. Anna ist beeindruckt, aber sie ist auch verliebt, will ihn unbedingt für sich gewinnen. Max manipuliert sie, genießt seine Macht, wenn sie ihm erlaubt, mit ihr zu machen, was er will. Sie erfährt fast nichts über sein Privatleben, weiß nicht, ob ihre ungleiche Beziehung überhaupt eine Zukunft hat oder ob er nicht vielmehr zu seiner Familie zurückkehrt, wenn er behauptet, beruflich unterwegs zu sein. Gleichzeitig wird der Druck, stimmlich und schauspielerisch Höchstleistungen zu erbringen, immer größer. Anna wird von Selbstzweifeln und Panikattacken geplagt, und ihre Stimme versagt ihr den Dienst. Der Leser sieht, dass nicht nur Erkältungen und verqualmte Räume eine Gefahr für die Stimmen der Sänger darstellen, sondern auch psychische Probleme und Konflikte aller Art wie die mit den Rivalinnen im Konservatorium. Anna muss sich Geld von Max leihen, um sich die Teilnahme an diversen Vorsingen leisten zu können und wird dadurch nicht nur immer abhängiger von Max, sondern in den Augen der anderen zu einer Frau, die sich von ihrem Liebhaber aushalten lässt.
Der Roman ist interessant von der Thematik her, vor allem wegen der kenntnisreichen Einbeziehung der Musik, aber er hat durchaus Längen, weil sowohl die musikalische Ausbildung als auch Annas schwierige Beziehung in großer epischer Breite dargestellt werden. Wer daran keinen Anstoß nimmt, kann dennoch Freude an dem Buch haben.

Veröffentlicht am 14.02.2022

Die Suche nach einem grausamen Serienmörder

Fuchsmädchen
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In einem Kalksteinbruch auf einer schwedischen Insel wird eines Tages die Leiche eines schwangeren jungen Mädchens gefunden. An ihrem Suizid besteht schon bald kein Zweifel mehr, denn eine Überwachungskamera ...


In einem Kalksteinbruch auf einer schwedischen Insel wird eines Tages die Leiche eines schwangeren jungen Mädchens gefunden. An ihrem Suizid besteht schon bald kein Zweifel mehr, denn eine Überwachungskamera hat die letzten Augenblicke ihres Lebens aufgezeichnet. Dann werden in kurzen Abständen weitere Leichen gefunden. Diese Menschen sind alle auf die gleiche Weise brutal mit einem Jagdmesser ermordet worden. Sanna Berling und ihre neue Kollegin Eir Peddersen ermitteln in alle Richtungen. Sanna glaubt an einen Zusammenhang zwischen dem Selbstmord und den Morden – ihr Vorgesetzter nicht. Das Mädchen hatte eine grausige Fuchsmaske getragen. Als die Ermittler in der Wohnung einer Ermordeten ein Foto finden, das sieben Kinder mit unterschiedlichen Tiermasken zeigt, unter anderem der Fuchsmaske, ist der Zusammenhang nicht mehr zu leugnen. Ganz verschiedene Menschen werden verdächtigt, weil sie Jahre zuvor mit einem Ferienlager für Kinder zu tun hatten. Im Lauf der Geschichte gibt es Hinweise, dass nicht nur die sieben Tiere für die sieben Todsünden stehen, sondern dass es im Lager seltsame Praktiken, Teufelsaustreibungen, Scheinhinrichtungen und unappetitliche Schlacht- und Blutspiele gegeben hat. Die Auflösung kann man schon wegen zahlreicher Handlungsumschwünge nicht erraten, auch wenn man vielleicht irgendwann ahnt, wer die Morde begangen hat.
Nach dem überschwänglichen Lob auf dem Cover war ich sehr gespannt auf den Roman. Er ist spannend, gar keine Frage, aber mir gefällt die blutige Gewaltorgie nicht, die der Geschichte um Bestrafung für schwere Schuld und Rache zugrunde liegt. Die Charakterisierung der Figuren, vor allem der beiden Ermittlerinnen ist dagegen gelungen. Beide sind wie so oft in skandinavischen Krimis und Thrillern beschädigte Persönlichkeiten: Sanna kämpft mit den Dämonen der Vergangenheit und wird nicht mit ihrem großen Verlust fertig, Eir hat Schwierigkeiten, ihre Wut zu kontrollieren und wird schnell gewalttätig. Außerdem kümmert sie sich um ihre drogenabhängige Schwester. Was mich noch stört, sind die sprachlichen Fehler, die das Lesevergnügen beeinträchtigen.
Fazit: Maria Grund erzählt eine düstere Geschichte mit zahlreichen Grausamkeiten. Der Roman ist für sensible Leser eher nicht geeignet.

Veröffentlicht am 08.02.2022

Keine Chance im Leben ohne Geld

So reich wie der König
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Abigail Assors erster Roman “So reich wie der König“ hat sie in Frankreich sofort sehr bekannt gemacht. Im Mittelpunkt steht die bildschöne 16jährige Französin Sarah, deren Mutter einige Jahre vorher ...


Abigail Assors erster Roman “So reich wie der König“ hat sie in Frankreich sofort sehr bekannt gemacht. Im Mittelpunkt steht die bildschöne 16jährige Französin Sarah, deren Mutter einige Jahre vorher in Marokko gestrandet ist, nachdem ihr Partner mit ihrem Geld verschwunden ist. Seitdem kann sie nur überleben, indem sie sich prostituiert. Auch Sarah setzt ihre Schönheit in ihrem gutsituierten Bekanntenkreis ganz bewusst ein, um nicht zu hungern und anständige Kleidung zu besitzen. Sie besucht eine französische Schule, wo niemand von ihrer Armut wissen darf.
Eines Tages lernt sie Driss kennen, dessen Familie sehr reich ist. Obwohl sein Äußeres ausgesprochen unattraktiv ist, beschließt Sarah, dass sie ihn heiraten wird. Driss lässt sich von ihr verführen, und sie werden ein verliebtes Paar. Driss ist sogar bereit, die Autorität seines Vaters herauszufordern und sich den Wünschen seiner Familie zu widersetzen.
Assor zeigt ein Porträt von Marokko in den 90er Jahren, wo nur Geld zählt und Macht verleiht. Es ist ein autokratischer Polizeistaat mit einem starren, völlig undurchlässigen Sozialsystem. Die junge Sarah durchschaut sehr genau, wie diese Gesellschaft funktioniert und verfolgt dennoch ihren Plan, gesellschaftlich aufzusteigen. Der Roman ist keine leichte Kost, vor allem wegen der detaillierten Darstellung sozialer Ungerechtigkeit und der exzessiven Gewalt gegen jeden, vor allem gegenüber Frauen. Weitere Themen sind Homosexualität, Antisemitismus und Drogen. Mir hat das Buch nicht besonders gut gefallen, weil mir beide Charaktere vollkommen unsympathisch waren: Sarah, die es auf das Geld von Driss abgesehen hat und nicht begreift, dass Reichtum nicht automatisch glücklich macht, worauf sie ein Dienstmädchen aufmerksam macht. Driss gibt sich der Illusion hin, er könne die Autorität seines Vaters in Frage stellen und dennoch von seinem Geld profitieren. Der Leser ahnt früh, dass für sie eine bittere Erkenntnis unausweichlich ist und freut sich, in einer demokratischen, etwas gerechteren Gesellschaft zu leben.

Veröffentlicht am 31.01.2022

Porträt einer verlorenen Generation

Der letzte Sommer in der Stadt
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Der junge Leo Gazzarra zieht von Mailand nach Rom, um bei einer Zeitung zu arbeiten. Bald wechselt er zum Corriere dello Sport. Er hat nie viel Geld, findet aber Freunde, die ihm eine Wohnung leihen und ...


Der junge Leo Gazzarra zieht von Mailand nach Rom, um bei einer Zeitung zu arbeiten. Bald wechselt er zum Corriere dello Sport. Er hat nie viel Geld, findet aber Freunde, die ihm eine Wohnung leihen und einen alten Alfa Romeo schenken. Vor allem zieht er mit ihnen durch die Bars, lernt jede Menge Frauen kennen und trinkt zu viel Alkohol. Er liebt Bücher, möchte selbst Schriftsteller werden oder einen Film drehen. Stattdessen lässt er sich ziellos treiben, statt seinen Tagen Struktur zu geben und sein Leben sinnvoll zu planen. Immer wieder macht er Versuche, sein Leben zu ändern, vor allem seinen Alkoholkonsum zu reduzieren, aber ohne nennenswerten Erfolg. Eines Tages lernt er bei einer Party die sehr attraktive, exzentrische Arianna kennen. Sie wird die Liebe seines Lebens, aber sie ist so wenig greifbar wie die Stadt, die er so sehr liebt.

Calligarichs 1973 erschienener Roman weist deutlich autobiografische Züge auf, denn sein Autor ging einen ähnlichen Weg wie der Ich-Erzähler Leo Gazzarra. Der Roman wurde gefeiert und zum Kultbuch ernannt, dann aber schnell wieder vergessen. Mich hat das Buch nicht begeistert, und es ist für mich schwer nachvollziehbar, was diesen Roman zum Meisterwerk macht. Die Identifikation mit den Figuren fällt schwer. Einzig das Porträt von Rom in den 70er Jahren mit seinen imposanten Bauwerken und der speziellen Atmosphäre bleibt mir positiv im Gedächtnis genauso wie die Beschreibungen des Meeres als Sehnsuchtsort des Protagonisten, aber das reicht mir nicht so ganz.