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Veröffentlicht am 16.05.2021

Eine ungewöhnliche Kindheit

Der Junge, der das Universum verschlang
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Die Geschichte um eine Familie in Darra, einem verarmten Arbeiterviertel von Brisbane, setzt etwa 1985 ein. Die Brüder Eli, 12 und August Bell, 13 leben mit ihrer Mutter im Haus des Stiefvaters Lyle unter ...

Die Geschichte um eine Familie in Darra, einem verarmten Arbeiterviertel von Brisbane, setzt etwa 1985 ein. Die Brüder Eli, 12 und August Bell, 13 leben mit ihrer Mutter im Haus des Stiefvaters Lyle unter sehr schwierigen Bedingungen. Lyle Orlik verdient seinen Lebensunterhalt als Heroinhändler, die Mutter ist drogenabhängig und hat den Vater, einen Alkoholiker, Jahre zuvor verlassen, nachdem dieser bei einem Autounfall absichtlich oder im Suff seine kleinen Söhne fast getötet hätte. Der beste Freund der Jungen ist der verurteilte Mörder Arthur „Slim“ Halliday, der durch mehrere Ausbrüche aus dem berüchtigten Boggo Road-Gefängnis berühmt geworden ist. Eines Tages rächt sich der örtliche Drogenboss an Lyle für eigenmächtige geschäftliche Aktivitäten, und die Mutter der Jungen kommt ins Gefängnis. Die Jungen leben deshalb einige Jahre bei ihrem Vater.
In diesem ganz besonderen Coming-Of-Age-Roman gibt es außer den ungewöhnlichen Protagonisten sehr viel Gewalt, auch häusliche Gewalt gegen Frauen, und eine Menge Grausamkeiten in teilweise übertrieben drastischen Szenen. Für den Leser ist es vor allem interessant zu sehen, welche Strategien die Jungen entwickeln, um diesen Sumpf zu überleben und unbeirrt ihre Ziele zu erreichen. Eli schafft den Sprung in eine Karriere als Journalist, indem er als Praktikant bei einer lokalen Zeitung erst anderen in untergeordneter Stellung zuarbeitet, dann den großzügigen Wohltäter der Gemeinde als das enttarnt, was er ist: ein grausames Monster an der Spitze des Drogenkartells. Es gibt aber nicht nur menschliche Abgründe in diesem Roman, sondern auch die erste Liebe Elis zu einer deutlich älteren Journalistin und seine enge Bindung an seinen sehr speziellen Bruder August, der ihn beschützt. Große Teile der Geschichte sind nicht erfunden, sondern entsprechen den Erlebnissen des Autors. Lediglich die etwas gewöhnungsbedürftigen mystischen Elemente um August, seine prophetische Vorausschau und seine kryptischen mit den Fingern in die Luft geschriebenen Botschaften sind nicht einer realistischen Darstellung verpflichtet.
Mir hat das Buch gut gefallen. Wenn man sich eingelesen hat, ist das eine sehr lohnende Geschichte vom anderen Ende der Welt.

Veröffentlicht am 24.02.2024

Es ist nicht einfach, ein Mensch zu sein

Ein falsches Wort
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Im Mittelpunkt von Vigdis Hjorths Roman steht Bergljot, die älteste Tochter einer Familie mit vier Kindern. Sie wird in verschiedenen Phasen ihres Lebens gezeigt und schildert immer wieder das zentrale ...


Im Mittelpunkt von Vigdis Hjorths Roman steht Bergljot, die älteste Tochter einer Familie mit vier Kindern. Sie wird in verschiedenen Phasen ihres Lebens gezeigt und schildert immer wieder das zentrale Ereignis ihrer Kindheit, als ihr übergriffiger Vater ihr Gewalt antat. Dieses Geheimnis hat nicht nur ihre Kindheit zerstört, sondern ihr ganzes Leben überschattet. Sie konnte nur mit Freunden oder Psychotherapeuten in ihrer jahrelangen Therapie darüber sprechen. In ihrer Familie war das Thema tabu. Als sie doch darüber sprechen wollte, glaubte man ihr nicht und bezichtigte sie der Lüge. Eine besondere Rolle spielte dabei ihre Mutter, die sie nie beschützt hatte und lediglich die Schande und das endgültige Scheitern ihrer Ehe fürchtete. Die Mutter war einst eine Schönheit und sieht mit zunehmendem Alter in ihrer eigenen Tochter eine Rivalin. Der Vater ignorierte die Tochter seit diesen Übergriffen und ließ sich auf kein Gespräch ein. Irgendwann kommen auch Erbschaftsstreitigkeiten hinzu, weil der Vater keine gerechte Verteilung seines Besitzes ermöglicht hat. Die Familie ist tief gespalten, und Bergljot hat nur den ein Jahr älteren Bruder Bard auf ihrer Seite, nicht aber die beiden deutlich jüngeren Schwestern Astrid und Asa und erst recht nicht die Mutter. Bergljot begreift, dass auch 23 Jahre nach dem Bruch mit der Familie keine Versöhnung möglich ist. Sie kann einen Neuanfang versuchen, vergessen wird sie nie.
Vigdis Hjorths Roman ist zwar Fiktion, enthält aber autobiografische Elemente, denn auch sie wurde Opfer eines übergriffigen Vaters, und die Veröffentlichung ihres Buches führte zu Streit in der Familie und zur Gegendarstellung ihrer Schwester Helga in Form eines Romans. Hjorths zentrale Botschaft besagt, dass genauso viel Schaden angerichtet wird, wenn einem nach solchen Erfahrungen nicht geglaubt wird, wie durch das Trauma selbst. Das Buch ist wichtig, aber nicht einfach zu lesen. Das liegt an der schwierigen zeitlichen Zuordnung von Handlungselementen in dieser Geschichte, vor allem aber an den unzähligen, zum Teil wörtlichen Wiederholungen von immer denselben Ereignissen und Gedanken. Das mag für die Protagonistin ein Mittel zur Bewältigung des Traumas sein, für den Leser ist es jedenfalls nicht besonders spannend und wirkt auf die Dauer geradezu lähmend. Mir hat “Ein falsches Wort“ nicht besonders gefallen.

Veröffentlicht am 22.10.2023

Das Verschwinden der Joconde

Die Erfindung des Lächelns
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Auf "Die Erfindung des Lächelns", den neuen Roman von Tom Hillenbrand, war ich sehr gespannt. Da geht es um den Diebstahl von einem, wenn nicht dem teuersten Gemälde der Welt im Jahr 1911. Schon der Titel ...

Auf "Die Erfindung des Lächelns", den neuen Roman von Tom Hillenbrand, war ich sehr gespannt. Da geht es um den Diebstahl von einem, wenn nicht dem teuersten Gemälde der Welt im Jahr 1911. Schon der Titel signalisierte mir, dass dieser Roman anders ist als alle Bücher des Autors, die ich kenne. Hinzukommt, dass der Klappentext den Leser in die Irre führt. Der Roman, den ich nicht als packenden historischen Kriminalroman um den Raub der Mona Lisa von Leonardo Da Vinci empfunden habe ist sehr anstrengend zu lesen und weitschweifig erzählt. Der Leser muss sich hier durch die Seiten regelrecht durchbeißen und ab und zu auch ein Wörterbuch zur Hand nehmen, weil Begriffe und Wörter auftauchen, die unbekannt sind. Den damaligen Zeitgeist fängt der Autor hingegen hervorragend ein. Paris als kulturelles Zentrum am Ende der Belle Epoque hat mich ebenfalls überzeugt. Die Figuren wie der Maler Pablo Picasso oder der Dichter Guillaume Apollinaire und die Ausdruckstänzerin Isadora Duncan gefallen mir in ihrer Darstellung sehr gut, und auch Persönlichkeiten wie Aleister Crowley oder Igor Strawinsky machen das Buch interessant. Allerdings reicht mir das nicht, um von dem Roman begeistert zu sein, hingegen gefallen mir die Xavier Kieffer-Krimis von Tom Hillenbrand sehr. Der Autor spricht eine Vielzahl von Themen an, die wenig oder gar nichts mit der Aufklärung des Diebstahls zu tun haben. Darunter leiden der Lesefluss und die Spannung. Ich habe zwar keinen Thriller erwartet, aber etwas mehr Spannung hätte dem Roman nicht geschadet. Schade.

Veröffentlicht am 01.10.2022

Was geschah wirklich während des Sturms?

Der Sturm
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In Jane Harpers neuem Roman geht es um einen verheerenden Sturm und um ein Verbrechen in der Erzählgegenwart. Zwölf Jahre zuvor waren die Freunde Toby und Finn ertrunken, als sie versuchten, Finns Bruder ...

In Jane Harpers neuem Roman geht es um einen verheerenden Sturm und um ein Verbrechen in der Erzählgegenwart. Zwölf Jahre zuvor waren die Freunde Toby und Finn ertrunken, als sie versuchten, Finns Bruder Kieran zu retten. Gleichzeitig verschwand die 14jährige Gabby, Schwester von Olivia Birch. Die Menschen aus dem Ort gaben Kieran die Schuld an dem Tod der Männer genauso wie seine Eltern. Kieran verließ damals die Gegend und kehrt erst jetzt mit seiner Freundin Mia und ihrer kleinen Tochter vorübergehend zurück, um seine Eltern zu unterstützen. Man begegnet ihm noch immer mit Misstrauen und Ablehnung. Dann wird Bronte, eine junge Künstlerin, erwürgt am Strand gefunden. Bei den Ermittlungen hilft auch Detective Inspector Sue Pendlebury aus Hobart, die bald auf Ungereimtheiten bei der damaligen Untersuchung der Todesfälle und des Vermisstenfalls stößt. Ihr und allen Betroffenen ist klar, dass die Wahrheit nie ans Licht gekommen ist, ja sogar bewusst zurückgehalten wurde. Das soll sich jetzt ändern.
Kritiker bescheinigen diesem Roman atmosphärische Dichte und Vielschichtigkeit. Das kann ich nicht nachvollziehen. Dem Thriller fehlt es an Komplexität und durchweg an Spannung. Die Auflösung ist eher dürftig. Von dem Roman einer Erfolgsautorin erwarte ich nicht eine dermaßen weitschweifige, handlungsarme Darstellung, sondern überraschende Wendungen und einen überzeugenden Schluss. Die ersten drei Romane der Autorin haben mir wesentlich besser gefallen, vor allem “The Dry“. Schade.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Mädchenmorde in Louisiana

Das siebte Mädchen
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Der Schauplatz von Stacy Willinghams Roman "Das siebte Mädchen" sind mehrere Kleinstädte in Louisiana. Chloe Davis, 32, arbeitet als Psychologin in ihrer eigenen Praxis. Sie hat selbst psychische Störungen, ...

Der Schauplatz von Stacy Willinghams Roman "Das siebte Mädchen" sind mehrere Kleinstädte in Louisiana. Chloe Davis, 32, arbeitet als Psychologin in ihrer eigenen Praxis. Sie hat selbst psychische Störungen, seit 20 Jahre zuvor in ihrem Ort sechs junge Mädchen spurlos verschwanden. Sie selbst hat der Polizei damals Beweismaterial übergeben und ihren Vater mit ihren Aussagen belastet. Ihr Vater hat damals die Taten gestanden und sitzt seitdem im Gefängnis. Das war das Ende ihrer Familie. Zu ihrem Vater hatte sie nie mehr Kontakt, und ihre Mutter lebt nach einem Selbstmordversuch im Pflegeheim. Jetzt nähert sich nicht nur ihr Hochzeitstag mit Daniel Briggs, sondern auch der Jahrestag der Tragödie, und genau zu diesem Zeitpunkt verschwinden wieder zwei Mädchen und werden tot aufgefunden. Entweder es gibt einen Nachahmungstäter, oder ein Unschuldiger sitzt im Gefängnis. Chloe leidet noch mehr als sonst unter Albträumen und Angststörungen und versucht herauszufinden, was gerade geschieht und was damals wirklich passiert ist. Sie geht entgegen der ausdrücklichen Anweisung der Polizei verschiedenen Verdachtsmomenten nach und begibt sich dabei in Gefahr, weil der Täter sie offensichtlich genau im Blick hat.
Mir hat der Roman nicht besonders gefallen, vor allem nicht die handlungsarme erste Hälfte. Dann nimmt die Zahl der Handlungsumschwünge zu, aber das reicht nicht aus. Ich hatte mir mehr von dem Buch versprochen.