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Veröffentlicht am 15.09.2016

Gefühlvoll und berührend

Das Traumbuch
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Die Erzählung des Romans „Das Traumbuch“ von Nina George kommt seinem Titel in wunderschön geschilderten Szenen nach. Einer der Protagonisten verliert sich in seinen Gedanken in Welten zwischen dem Jenseits ...

Die Erzählung des Romans „Das Traumbuch“ von Nina George kommt seinem Titel in wunderschön geschilderten Szenen nach. Einer der Protagonisten verliert sich in seinen Gedanken in Welten zwischen dem Jenseits und dem Dasein. Er gleitet scheinbar schwerelos durch seine Erinnerungen und fiktive Zukunftsszenen, auf dem Cover synonym dargestellt durch die Möwe.

Der 13jährige Sam, hochbegabt und Synästethiker, möchte endlich seinen Vater Henri kennenlernen. Ohne das Wissen seiner Mutter lädt der in London lebende Junge ihn deshalb zum Vater-Sohn-Tag der Schule ein. Der ehemalige Kriegsberichterstatter ist auf dem Weg zum Treffen als er von einer Brücke springt um ein Mädchen aus der Themse zu retten. Sein Einsatz hat Folgen, denn aufgrund eines Schwächeanfalls im Anschluss an die Rettung taumelt er und wird von einem Auto erfasst. Er fällt ins Koma.

Sam ist nicht der einzige Besucher am Krankenbett. Auch Eddie, die frühere Freundin von Sams Vater, erfährt von dessen Unfall. Sie ist erstaunt als man ihr mitteilt, dass Henri sie in einer Patientenverfügung dazu bestimmt hat, über ein mögliches Abschalten der Maschinen zu entscheiden die ihn am Leben halten, wenn er einmal genau in die Lage kommen sollte, in die er sich jetzt befindet.

Der Lebensweg dieser drei Menschen die im Krankenhaus aufeinander treffen war in der Vergangenheit und ist auch jetzt wieder so miteinander verknüpft, dass Entscheidungen die einer von ihnen getroffen hat beziehungsweise treffen wird zu Konsequenzen auch für die anderen führt. Die Geschichte ist nach Tagen eingeteilt, die ab dem Zeitpunkt des Unfalls zählen. Von Kapitel zu Kapitel wechselt die Perspektive zwischen den drei genannten Charakter, wobei jede in der Ich-Form erzählt. Die Autorin hat mit der Erzählweise eine gute Wahl getroffen, denn so erfährt der Leser mehr über die inneren Auseinandersetzungen der Person.

Henri, Sam und Eddie erzählen einiges aus ihrem bisherigen Leben. Schritt für Schritt offenbaren die gemeinsamen Erlebnisse von Henri und seiner Freundin die Beziehung der beiden zueinander. Henri schildert aber auch wie es dazu kam, dass er zu seinem Sohn und dessen Mutter keinen Kontakt mehr hatte.

Der Leser begegnet in diesem Roman drei sehr unterschiedlichen Menschen, die über große Gefühle und Einfühlungsvermögen verfügen. Sam hat als Synästetiker eine ganz besondere intensive Wahrnehmungssicht. Henri erlebte als Kriegsreporter schon einiges Leid in der Welt, doch der Verlust seines Vaters hat ihn besonders getroffen. Die Verlegerin für Phantastik Eddie steht gerade vor der großen Entscheidung über das ihr anvertraute Leben während zu Hause ihr neuer Freund auf sie wartet.

Nina George, die in diesem Buch den eigenen schweren Verlust eines Menschen verarbeitet, schreibt gefühlvoll über die ganz großen Empfindungen, die das Leben zu bieten hat und die den Leser tief berühren. Die Geschichte stimmt nachdenklich und bleibt auch nach dem Lesen noch im Kopf. „Das Traumbuch“ ist ein Roman den ich sehr gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Sommerlich leichte Lektüre

Inselträume
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„Inselträume“ von Sandra Lüpkes ist der bereits dritte Band einer Folge von Büchern der Autorin, die auf einer kleinen Nordseeinsel spielen und sich rund um die Protagonistin Jannike Loog drehen. Ich habe ...

„Inselträume“ von Sandra Lüpkes ist der bereits dritte Band einer Folge von Büchern der Autorin, die auf einer kleinen Nordseeinsel spielen und sich rund um die Protagonistin Jannike Loog drehen. Ich habe die ersten beiden Bände nicht gelesen, aber überhaupt kein Verständnisproblem beim Lesen gehabt. Um es vorweg zu nehmen: dieses Buch hat genau das, was ich mir von einer sommerlich frischen Lektüre vorstelle, bei der man glaubt, die salzige Luft zu riechen und das Meer rauschen zu hören. Demzufolge trägt das Buch seinen Titel zu Recht.

Das kleine Hotel von Jannike gleich neben dem Leuchtturm läuft überraschend gut, die Sommermonate sind ausgebucht. Verantwortlich hierfür sind sicher auch ihr Freund Mattheusz und seine Familie, die guten Geister des Hauses. Doch Jannike fehlt zu ihrem großen privaten Glück noch der nächste Schritt und der richtige Moment scheint sich einfach nicht einzustellen. Ihr Geschäftsführer Danni und sein Lebenspartner haben derweil einen Pflegesohn in ihren Haushalt aufgenommen. Dennis ist der Sohn einer guten Bekannten aus Hürth und straffällig geworden. Statt Jugendstrafe erhält er die Möglichkeit auf der Insel eine Ausbildung zum Fachangestellten im Bäderbetrieb zu machen. Aber als ein Feuerteufel beginnt auf der Insel sein Unwesen zu treiben, scheint er aufgrund seiner Vergangenheit bei einigen Bewohnern prädestiniert zum Täter. Dabei hat er sich gerade ein erstes Lob für sein Engagement im Zusammenhang mit dem Inselduell verdient. Auch Jannike konnte für das Schwimmteam des Wettbewerbs gewonnen werden. Wer wird das Duell gewinnen? Wird man Dennis als Feuerteufel überführen können? Und wird Jannike ihren Traum von einer weiteren gemeinsamen Zukunft mit Mattheusz weiter träumen können?

Das Cover nimmt den Leser mit auf den Weg zum Leuchtturm, neben dem das Hotel liegt. Die Nachsaison hat begonnen und entsprechend ist der Gästestrom schon abgeflaut, da bleibt endlich wieder Zeit um sich all den Dingen zu widmen, die während der stressigen vergangenen Wochen liegen geblieben sind, denkt Jannike. Leider kommt immer wieder etwas dazwischen. Und unerwartete Situationen erfordern spontane Entscheidungen mit Konsequenzen die nicht immer abzusehen sind. In der Schilderung der Ereignisse wird man dabei bestens unterhalten. Missverständnisse in Worten und falsch verstandenes Verhalten sorgen für weiteres großes Lesevergnügen. Dabei baut die Autorin von Beginn an auch Spannung auf und bis zum Schluss fiebert man, welche Antworten es auf die oben gestellten Fragen geben wird.

Im Roman trifft man auf viele liebenswerte und einigen Lesers auch bereits bekannte Figuren, aber auch auf einige weniger sympathische sowie mehrere undurchschaubare Charaktere. Die Beschreibung der Umgebung ist voller Zuneigung für ein Inselleben beschrieben und weckt den Wunsch, dort seinen Urlaub zu verbringen. So ist das Buch ideal als Strandlektüre geeignet oder zum Lesen und dabei vom nächsten Inselurlaub träumen zu Hause.

Das Buch macht Lust darauf, auch die vorigen Bände zu lesen. Das Ende schreit förmlich nach einer Fortsetzung. Ich würde mich freuen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Fiktive Geschichte über eine wahre Begebenheit

Im unwahrscheinlichen Fall
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Das Buchcover deutet es bereits an, was im Buch „Im unwahrscheinlichen Fall“ von Judy Blume so Unglaubliches geschehen könnte: ein Flugzeug rast über Hausdächer hinweg und im Anschluss daran, hier nicht ...

Das Buchcover deutet es bereits an, was im Buch „Im unwahrscheinlichen Fall“ von Judy Blume so Unglaubliches geschehen könnte: ein Flugzeug rast über Hausdächer hinweg und im Anschluss daran, hier nicht im Bild, stürzt es ab. Der Roman basiert auf einer wahren Begebenheit am Beginn der 1950er Jahren als innerhalb von wenigen Wochen drei Flugzeuge auf die Kleinstadt Elizabeth (New Jersey, USA) stürzten und dabei auch Häuserzeilen getroffen wurden. Die Autorin ist in ebendieser Stadt aufgewachsen und hat die Tragödien dort als Jugendliche selbst erlebt.

Miri Ammerman ist 14 Jahre alt als das erste Flugzeug über Elizabeth abstürzt. Obwohl sie ohne Vater aufwächst ist sie von der Liebe ihrer Familie, die aus ihrer Mutter Rusty, ihrer Großmutter Irene und ihrem Onkel Henry besteht, umgeben. Auch bei der Familie ihrer allerbesten Freundin Natalie ist sie gern gesehener Gast. Auf einer Party lernt sie den ungefähr zwei Jahre älteren Mason kennen, der im örtlichen Waisenheim aufwächst. Für ihn stellen sich bei Miri Gefühle ein, die sie bisher noch nicht kannte.

Doch der Absturz der Flugzeuge verändert alles. Bereits das erste Unglück bringt Kummer und Leid über die Bewohner, aber vor allem die Angst davor, dass ein weiterer Absturz geschehen könnte, was dann auch tatsächlich passiert. Die zweite Katastrophe vergrößert die Angst und bringt Tote und Verletzte unter den Einwohnern Elizabeths mit sich. Auch Miri kennt Freunde und Bekannte, die jemand Nahestehenden verloren haben. Der Gedanke eines Umzugs wächst in den Köpfen vieler Bewohner. Das Umfeld in dem Miri lebt ändert sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch. Miris Erwartungen an die Zukunft werden in Frage gestellt.

Der Roman ist die Geschichte einer Kleinstadt. Dementsprechend gibt es neben der Protagonistin sehr viele fiktive Charaktere. Damit der Leser den Überblick nicht verliert, liegt dem Buch eine Karte mit den wichtigsten Personen bei. Die nummerierten Kapitel sind unterteilt in Abschnitte, die verschiedene Figuren in den Fokus setzen. Die Perspektivenwechsel erfolgen in kurzen Abständen. Der Name der jeweiligen Figur, die dann im Mittelpunkt steht, betitelt den folgenden Text. Diese ständigen Wechsel steigern die unterschwellig beim Lesen empfundene Angst der Einwohner von Elizabeth. Am Ende der Kapitel findet sich jeweils ein kurzer Zeitungsausschnitt. Die Autorin hat darin den damals üblichen Schreibstil aufgegriffen und die Abstürze, aber auch einige überregional interessante Themen von 1951/52 verarbeitet.

Judy Blume greift in ihrem Roman ein Stück Zeitgeschichte auf, das längst in Vergessenheit geraten ist, für die Bewohner der kleinen US-amerikanischen Stadt aber in den 1950er Jahren eine große Veränderung brachte. Die Autorin hat die Details sehr gut recherchiert und rund um die realen Fakten eine sehr interessante fiktive Geschichte geschaffen. Sie baut Verbindungsbrücken zwischen ihren Charakteren, so dass deutlich wird, wie sehr die Unglücke die gewachsene Gemeinschaft der Bewohner verändert. Als Jugendliche war sie selber Teil davon und sie schafft es, ihre eigenen Gefühle zur damaligen Zeit in ihre Geschichte einfließen zu lassen und dem Leser zu vermitteln. Ihre Figuren agieren authentisch. Sie erweckt den Alltag der damaligen Zeit gekonnt zum Leben.

Neben den Flugzeugabstürzen und der daraus resultierenden Angst und Trauer schreibt Judy Blume aber auch im Fall Ihrer Protagonistin Miri über das Heranwachsen in einer Gemeinschaft mit Regeln und Werten und der ersten Liebe. Für die Familie war es wichtig, dass der zukünftige Schwiegersohn oder die zukünftige Schwiegertochter in Religion und Herkunft den Erwartungen entspricht. Demzufolge wurde darauf bereits bei der Auswahl der Freunde geachtet, die der Sohn oder die Tochter trafen. Die Autorin stellt Miri in Form ihres Onkels Henry einen Charakter zur Seite, der sie lehrt für ihre Meinung und Ansichten einzustehen, auch wenn dabei negative Konsequenzen zu erwarten sind.

Der Roman ist das erste Buch, das ich von der Autorin gelesen habe. Die reale Geschichte der Tragödie kombiniert mit der fiktiven Handlung zog mich in ihren Bann. In der ersten Hälfte des Buchs verfolgte ich verstört die Abstürze, bevor ich dann in der zweiten Hälfte mit Teilnahme darüber gelesen habe, welche Konsequenzen die einzelnen Personen aus diesen Unglücken gezogen haben. Gerne empfehle ich dieses Buch weiter.

Veröffentlicht am 03.06.2024

Romantischer und aufgrund der zwei Handlungsverläufe ungewöhnlicher Roman

Emmas Herzdilemma
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Die fast 16-jährige Emma empfindet ihr Leben als eintönig. Sie ist die Protagonistin des Jugendromans „Emmas Herzdilemma“ von Stefanie Gerstenberger. Gemeinsam mit ihren Eltern und einem Großvater wohnt ...

Die fast 16-jährige Emma empfindet ihr Leben als eintönig. Sie ist die Protagonistin des Jugendromans „Emmas Herzdilemma“ von Stefanie Gerstenberger. Gemeinsam mit ihren Eltern und einem Großvater wohnt sie in Köln-Lindenlauf. Manchmal hält sie sich nicht an die von Vater und Mutter aufgestellten Regeln. Als sie eine Woche vorm Sommerurlaub der Familie den Hund ihres Opas ausführt, kommt sie am Bode-Park vorbei, in dem der von ihr umschwärmte Oskar mit seinen Freunden Skatebord trainiert. In einem Moment ihrer Unaufmerksamkeit verunfallt der Hund. Emmas Eltern verlangen von ihr, dass sie die Tierarztkosten übernimmt, die sie in der Pension ihrer Tante in Italien erarbeiten soll. Kurz vor dem Abflug hat sie bei Gelegenheit die Fäden in der Hand, den weiteren Verlauf ihrer Ferien zu gestalten.

Mir hat es sehr gut gefallen, dass die Autorin ihrem Roman zwei Handlungsverläufe gibt. Der Ablauf ändert sich in dem Augenblick, in dem Emma das Portemonnaie ihrer Flugbegleitung auf dem Tisch liegen sieht. Nimmt sie es an sich, wird sie nach Italien fliegen, wenn nicht, bleibt sie in Köln. Immer wieder springt die Geschichte von einem Verlauf zum anderen. Damit wurde ich als Leserin dazu angeregt kapitelweise zu überlegen, was mir an Emmas Stelle lieber wäre: die Ferien in Italien mit der Arbeit in der Pension verbringen und den süßen Boy mit der Vespa kennenlernen oder in Köln dem Großvater zur Hand gehen und Oskar im Park beim Skaten zuschauen. Beides beinhaltet die Möglichkeit ein Verhältnis mit dem jeweiligen Jungen anzufangen.

Stefanie Gerstenberger sorgt für unerwartete Entwicklungen in beiden beschriebenen Ereignisabläufen. Dem Roman erhält durch die Einbindung von schwierigen Themen wie beispielsweise erheblichem Alkoholgenuss, Übergriffigkeiten, Scheidung der Eltern und Vertrauen in einer Beziehung an Tiefe. Je nach Geschehnissen tendierte ich mehr dazu, dass Emmas Ferien in Italien ihr besser gefielen im Vergleich zu denen in der Heimat, mal war es andersrum.

Die Covergestaltung gibt dem Buch einen sonnigen sommerlichen Touch. Anhand von Piktogrammen und der Schriftart lässt sich leicht unterscheiden, ob man sich beim Lesen in Italien oder Deutschland befindet. Ich habe das Verhalten von Emma und ihren Freunden und Freundinnen in beiden Erzählungen altersgerecht und realistisch empfunden. Jede von Emmas Handlungen hat Konsequenzen, aber meist kann sie nicht voraussehen, ob diese sich zum Guten hin für sie auswirken oder ob sich daraus etwas von ihr Unerwünschtes ergibt.

Die zwei verschiedenen Enden zeigen schließlich, dass Vieles eine Laune des Schicksals ist. Gerne empfehle ich diesen romantischen und originellen Roman, bei dem man sich amüsieren, aber sich auch an der Seite der Protagonistin Sorgen macht, weiter an alle Jugendlichen ab 12 Jahren, aber ebenso an Erwachsene, die gerne an der Seite der Protagonistin die erste Liebe erleben möchten.

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Veröffentlicht am 06.05.2024

Ein kluges Spiel mit der Frage nach den Konsequenzen unserer Handlungen

Das andere Tal
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In seinem Roman „Das andere Tal“ konfrontiert der gebürtige Kanadier Scott Alexander Howard den Lesenden mit der faszinierenden Frage, was geschehen würde, wenn es mehrere parallele, aber zeitversetzte ...

In seinem Roman „Das andere Tal“ konfrontiert der gebürtige Kanadier Scott Alexander Howard den Lesenden mit der faszinierenden Frage, was geschehen würde, wenn es mehrere parallele, aber zeitversetzte Wirklichkeiten gäbe. Seine Protagonistin Odile, die in der Ich-Form erzählt, soll sich im Alter von 16 Jahren für einen Beruf entscheiden. Sie lebt in einer Stadt im Tal an einem See. Es ist den Bewohnern nicht erlaubt über die Ortsgrenze hinaus nach Osten oder Westen zu reisen, weil sich jenseits davon identische Städte an identischen Seen mit ebensolchen Bergen befinden, von denen Odiles Heimat umgeben ist. Würde Odile in den links- oder rechtsliegenden Ort reisen können, befände sie sich dort zwanzig Jahre früher beziehungsweise später als zu ihrer eigenen Gegenwart.

Odiles Mutter drängt ihre Tochter dazu, sich für eine Stelle beim Conseil zu bewerben, welches darüber bestimmt, wann und für welche Person eine Ausnahme gemacht wird, damit diese unter Bewachung eines der nebenliegenden Täler besuchen darf. Der einzig legitime Grund ist die Suche nach Trost im Trauerfall. Dabei entsteht das Problem, das empfundene Gefühl der Trauernden in Fakten zu fassen. Anfangs läuft der Aufnahmeprozess beim Rat im Sinne von Odilie, doch dann sieht sie in der eigenen Stadt Besucher eines anderen Tals, die sie kennt. Danach kommen ihr immer mehr Fragen in den Sinn, Die ihr wichtigste ist, ob jemand aus ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis bald sterben wird. Damit beginnt eine interessante Auseinandersetzung über das Für und Wider, in den Weltlauf einzugreifen und den Ablauf von Geschehnissen zu ändern.

Der Roman gliedert sich in zwei Teile. Der zweite Abschnitt spielt zwanzig Jahre später als der erste und vertieft das Gedankenspiel zwischen gestern, heute und morgen. Der Autor hat ausgeprägte Kenntnisse in Philosophie und füllt das Geschehen durch einige Wendungen mit immer neuen Fragestellungen an, die er aber nicht immer zur Gänze ausdiskutiert. Harte Strafen dienen als Abschreckung vor Regelverstößen. Körperliche Züchtigung für jedes Vergehen ist in der Schule erlaubt. Die Anliegen des Conseils haben Priorität und sind den eigenen Bedürfnissen unterzuordnen. Das Conseil schürt Angst in der Bevölkerung unter der Behauptung, dass jede und jeder Gefahr läuft, sich selbst auszulöschen als mögliche Folge eines Eingriffs in die Ereignisse. Wachsame Augen sind überall. Eine Selbstverwirklichung ist auf dem engen Raum der Stadt beschränkt ausführbar. Ob eine Flucht Sinn ergibt, wenn am Ziel die gleichen Gegebenheiten herrschen?

Scott Alexander Howards Roman „Das andere Tal“ ist ein kluges Spiel mit der Frage nach den Konsequenzen unserer Handlungen, die nachdenklich stimmt und weiter nachhallt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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