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Veröffentlicht am 08.11.2017

Babylon

Babylon
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Da nimmt man sich endlich vor eine Party zu geben, ist tierisch nervös und völlig mit der Planung überfordert, da man vorher noch nie eine Party veranstaltet hat, und dann endet diese auch noch im folgenschweren ...

Da nimmt man sich endlich vor eine Party zu geben, ist tierisch nervös und völlig mit der Planung überfordert, da man vorher noch nie eine Party veranstaltet hat, und dann endet diese auch noch im folgenschweren Chaos und man wird selber in ebendieses hineingezogen.
Elisabeths Gäste sind eine bunte Mischung aus allen gesellschaftlichen Schichten und kommen immer besser miteinander ins Gespräch, je mehr Alkohol fließt. Die Zungen lösen sich, Witze werden gerissen und Anekdoten aus dem Alltag zum Besten gegeben. Jean-Lino, der Nachbar von oben, erzählt von einem Vorfall in einem Restaurant, wo seine Frau Lydie den Kellner gefragt hat, ob das Hühnchen, welches auf der Speisekarte gelandet ist, ein gutes Leben in Freilandhaltung geführt hat. Er fand die Frage seiner Frau belustigend, schämte sich aber auch für ihre immer wieder ausgelebten Aktivitäten hinsichtlich des Tierschutzes. Lydie hingegen findet diese kleine Wiedergabe der Geschehnisse alles andere als amüsant und fühlt sich von ihrem Ehemann angegriffen. Die Stimmung ist vorläufig dahin, die Gäste werden Zeugen einer verbalen Auseinandersetzung des Ehepaares, welches kurze Zeit später die Party verlässt. Einige Gläser Sekt und Schnaps später wird die Stimmung wieder locker, es wird gegessen und sich unterhalten, bis die Gäste nach und nach die Festlichkeiten verlassen und sich auf den Heimweg begeben.
Elisabeth und ihr Mann räumen nur das Nötigste weg, gehen ins Bett und werden durch das Klingeln an der Haustür aus ihrem Schlaf gerissen. Jean-Lino steht vor ihrer Tür und gesteht beiden, dass er seine Frau Lydie umgebracht hat und nun nicht weiß was er tun soll. An eine nächtliche Ruhe und ein paar Stunden erholsamen Schlaf ist nun gar nicht mehr zu denken.

Yasmina Reza greift wieder einmal nach einer Alltagssituation, mit ganz gewöhnlichen Menschen als Hauptdarsteller, und lässt diese in einer Tragikomödie enden. Wie auch schon in ihrem Roman „Gott des Gemetzels“ lässt sie die Situation langsam und gekonnt eskalieren, zieht die Hauptprotagonisten immer tiefer in einen Strudel aus Diskussionen, einer vorherrschenden Ratlosigkeit, absurden Ideen und einer belustigenden Darbietung. Gespickt mit einigen Hintergrundinformationen zu den Akteuren erwartet den Leser ein gutes, aber nicht herausragendes Buch. Amüsant und kurzweilig ist es hingegen in jedem Fall. Doch fehlt hier m.E. das gewisse „Etwas“, welches die groteske Story mitreißend erscheinen lässt. Die Autorin hätte das Buch ruhig ein wenig furioser und mit ein wenig mehr Biss schreiben können.

Veröffentlicht am 25.06.2017

Zwei Kugeln Glück mit Sahne

Zwei Kugeln Glück mit Sahne
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Aurora hat den Entschluss gefasst ihre Eisdiele in Maratea zu verkaufen. Die Eisdiele ist schon seit langem in Familienbesitz und Aurora hat sie von ihrer verstorbenen Mutter Perla geerbt, doch irgendwie ...

Aurora hat den Entschluss gefasst ihre Eisdiele in Maratea zu verkaufen. Die Eisdiele ist schon seit langem in Familienbesitz und Aurora hat sie von ihrer verstorbenen Mutter Perla geerbt, doch irgendwie muss sie diesen riesigen Schuldenberg, den ihr Ehemann verursacht hat, abbezahlen. Ihr fällt keine bessere Lösung ein, als ein Verkauf der sehr gut laufenden „Casa del Gelato“. So beschließt sie in ihren malerischen Heimatort zu reisen und den dort noch lebenden Familienmitgliedern ihre Entscheidung mitzuteilen. Ihr Vater Gino und ihre Tante Olivia reagieren ausgesprochen gelassen, doch sie haben einen Bitte an Aurora. Sie soll einige Tage in der Gelateria arbeiten, um noch ein letztes Mal den Duft des Gelato und die Atmosphäre der Räumlichkeiten zu verinnerlichen. Aurora sagt spontan zu und weiß hier noch nicht welche Veränderungen, überraschende Entscheidungen und emotionalen Handlungen sie in den nächsten Tagen erwarten werden.

Wer nach einem leichten und ein wenig kitschigen „Wohlfühlbuch“ mit viel Amore, viel Gelato und liebevoll gezeichneten Charakteren sucht sollte zu „Zwei Kugeln Glück mit Sahne“ greifen. Der Schreibstil des Romans ist sehr flüssig und die Atmosphäre des kleinen italienischen Städtchens kann man förmlich riechen. Auch die Zwischenkapitel, in denen jeweils eine Eissorte vorgestellt wird, finde ich ausgesprochen gut und originell. Bemängeln muss ich an dieser Stelle leider die Vorhersehbarkeit der ganzen Geschichte. Nach nur wenigen Kapiteln weiß der Leser, der ein wenig seine Phantasie spielen lässt, wie die Story voranschreiten wird. Ich habe immer wieder zwischendurch auf überraschende und unerwartete Wendungen gehofft, die der Story ein wenig mehr Brisanz und Aufregung verleihen, aber da kam leider nichts. Die Story ist meiner Ansicht nach eine wenig zu perfekt konstruiert, zu sehr "heile Welt".

Wenn man sich als Leser einfach berieseln lassen möchte, dann ist diese lockere Lektüre für einen Strandtag an der italienischen Küste allerdings empfehlenswert.

Veröffentlicht am 15.02.2017

Dinge, die vom Himmel fallen

Dinge, die vom Himmel fallen
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Zufälle passieren immer und überall. Manchmal verwundern sie uns in ihrem Vorkommen und ihrer Intensität, manchmal nehmen wir sie nur nebenher wahr und beschäftigen und nicht weiter mit ihnen. Bei ungewöhnlichen ...

Zufälle passieren immer und überall. Manchmal verwundern sie uns in ihrem Vorkommen und ihrer Intensität, manchmal nehmen wir sie nur nebenher wahr und beschäftigen und nicht weiter mit ihnen. Bei ungewöhnlichen und einschneidenden Zufällen fragen wir uns oftmals, ob hier nicht eher das Schicksal seine Finger im Spiel hatte und hinterfragen dieses – egal ob im positiven oder negativen Sinne.
Das Buch „Dinge, die vom Himmel fallen“ strotzt nur so vor Zufällen oder gar schicksalhaften Begebenheiten. Da verliert die kleine Saara ihre Mutter auf tragische Weise als diese von einem Eisbrocken, der urplötzlich vom Himmel fällt, im Garten erschlagen wird. Ihre Tante Annú gewinnt gleich zwei Mal im Lotto und ein Brieffreund ebendieser wird mehrere Male von einem Blitz getroffen und überlebt erstaunlicherweise.
Das in drei Abschnitte eingeteilte Buch ist nicht allzu dick, aber dafür inhaltlich sehr intensiv. Die im Vordergrund stehenden Protagonisten polarisieren aufgrund ihrer teils konfusen, aber auch liebenswerten Art. Die in sich gekehrte Saara ist eine Einzelgängerin. Sie hat keine Freunde, erscheint einem sehr isoliert und hat außergewöhnliche und gar beängstigende Gedanken. Annú hadert mit ihrem Lottogewinn und sucht nach einer Bestätigung dafür, dass sie trotz allem noch „normal“ ist und nicht zu den Freaks dieser Welt gehört und Pekka, ihr Bruder und Saaras Vater, verfällt in eine tiefe Depression, die der Verlust seiner geliebten Frau heraufbeschworen hat. Außerstande sich um seine Tochter zu kümmern, lebt diese in ihrer eigenen Welt und gibt schon sehr erwachsen Acht um ihren Vater.
Die finnische Autorin hat einen ganz eigenwilligen Schreibstil, der harsch, melancholisch und doch auch märchenhaft ist. Eine bizarre Mischung vieler Themen, über die man sich im Nachhinein regelrecht den Kopf zerbrechen kann. Nach Beendigung der Lektüre war ich zunächst sehr verwirrt und enttäuscht, doch je länger ich über das Gelesene nachdenke, desto mehr Tiefe entwickelt das Buch und so merke ich, dass es mich immer noch beschäftigt und zum Nachdenken bewegt. Es sind all die verstörenden Szenen und Gedanken, die generelle Frage nach der Suche nach Glück und Hoffnung und einzelne Risikokalkulationen, die mich zum Grübeln bringen. So irritierend die Zufälle in dem Buch auch sein mögen, so können unterschiedlichste Zufälle doch tagtäglich unser Leben in neue Bahnen lenken.
Mir haben allerdings der drastische Perspektivenwechsel, der manchmal zu sperrige Schreibstil und die mitunter grotesken Gedankengänge der Protagonisten die Lektüre erschwert.

Veröffentlicht am 08.01.2017

Mit meinem ganzen Leben

Mit meinem ganzen Leben
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Rora kehrt mit ihrer kleinen Tochter in ihre Heimatstadt Hastings zurück, da ihr Vater im Sterben liegt und womöglich nur noch wenige Wochen zu leben hat. Das Verhältnis zwischen den beiden ist alles andere ...

Rora kehrt mit ihrer kleinen Tochter in ihre Heimatstadt Hastings zurück, da ihr Vater im Sterben liegt und womöglich nur noch wenige Wochen zu leben hat. Das Verhältnis zwischen den beiden ist alles andere als harmonisch, denn nach dem Freitod ihrer Mutter hat sich der Vater aus dem Staub gemacht und die kleinen Rora musste bei ihrer Großmutter aufwachsen. Sie hat dem Vater nie verziehen, dass er sie mit all dem Schmerz zurückgelassen hat und ist nun sehr skeptisch und zurückhaltend was ihre Zusammenkunft nach all den Jahren angeht. Ihre Tochter tut sich überhaupt nicht schwer mit der Kontaktaufnahme zu ihrem Opa, den sie das erste Mal in ihrem Leben sieht und begegnet ihm mit einem kindlichen Leichtsinn ohne voreingenommen zu sein.

Rora hingegen fühlt sich zunächst nicht wohl in dem Haus, nicht wohl in der Nähe ihres Vaters und sie fürchtet sich vor einer Begegnung mit ihrer Jugendliebe, die sehr intensiv und prägend für sie war, jedoch unglücklich und ad hoc zu Ende ging. Mit der Zeit nähern sich Vater und Tochter jedoch wieder einander an, führen Gespräche, öffnen ihre Herzen und bereuen ihre Fehler, die sie nicht mehr wiedergutmachen können. Begegnungen mit alten Weggefährten bleiben nicht aus, eine neue Liebe tritt in Roras Leben, doch auch die alte Liebe sucht den Weg zu ihr und inmitten eines Gefühlschaos versucht Rora den richtigen Weg für sie uns ihre Tochter im Leben zu finden.

Das Buch „Mit meinem ganzen Leben“ ist sehr intensiv, dramatisch und teilweise etwas überspitzt geschrieben. Es gibt immer wieder Zeitsprünge in die Vergangenheit von Rora, in welcher der Leser all ihr Leid und die Schicksale erfährt, die ihr widerfahren sind. Es gibt natürlich Menschen, die unverhältnismäßig viele Schicksalsschläge erfahren und verarbeiten müssen, jedoch ist die Anhäufung ebendieser in dem Buch doch etwas too much. Aufgrund dessen ist die Stimmung während des Lektüre doch sehr gedrückt und melancholisch. Es erzeugt eine gewisse Grundtraurigkeit, die auf den Leser übergeht, was ich als belastend empfand. Das Buch hat Tiefgang, die Idee gefällt mir und es wird versucht starke und nicht einfache Themen aufzugreifen, doch wurde hier meines Erachtens leider etwas über die Stränge geschlagen.

Veröffentlicht am 21.11.2016

Das Erbe der Wintersteins

Das Erbe der Wintersteins
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Die alte Villa an der Ostsee, mit einer wunderschönen parkähnlichen Anlage und einem Bootshaus, soll vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden, damit die Familie Winterstein diese nach der abgeschlossenen ...

Die alte Villa an der Ostsee, mit einer wunderschönen parkähnlichen Anlage und einem Bootshaus, soll vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden, damit die Familie Winterstein diese nach der abgeschlossenen Renovierung verkaufen kann. Die alte Porzellanmanufaktur der Wintersteins läuft nicht mehr besonders gut und schreibt rote Zahlen. Durch den Verkauf erhofft man sich einen respektablen Geldsegen, der die Firma vor der Pleite bewahren soll. Celine Winterstein, die Tochter des Firmenbesitzers, wird mit der Koordination der Renovierung beauftragt und kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück. Im Bootshaus quartiert sie sich kurz vor Weihnachten ein, wird dort von ihrem Freund Albert, der eigentlich nicht mitkommen sollte, überrascht und trifft sich in den darauffolgenden Tagen mit Architekten, Tischlern und sonstigen Bauarbeitern zur ersten Begehung der Villa. In einem alten Speiseaufzug findet Celine ein Tagebuch ihrer Ururgroßmutter Claire und versinkt beim Lesen in eine Welt vor 100 Jahren, in das Leben von Claire und stößt auf schicksalhafte Familiengeheimnisse. Doch merkt Celine nicht, dass sie sich damit in Gefahr begibt und genaustens beobachtet wird.

In einer stürmischen und winterlichen Nacht findet ein Krämer vor 100 Jahren ein kleinen Baby in einem verunglückten Zirkuswagen und rettet es, indem er es zum nächstgelegenen Hof bringt. Das kleine Mädchen erhält den Namen Klara und wächst fortan auf dem Gut der Wintersteins auf. Sie wächst zu einem fleißigen Mädchen heran, welches bei Wind und Wetter hart arbeiten muss und nur selten die Schule besuchen kann. Als sich nach Jahren herausstellt wer Klaras Vater ist und das sie eigentlich Claire heißt, ändert sich alles für das junge Mädchen. Sie verlässt den Winterstein-Hof, muss sich diverse Unannehmlichkeiten gefallen lassen, erfährt ihre wahre Herkunft und landet letztendlich auf einem Rummel, der ihrem leiblichen Vater gehört. Dieser hält nur leider wenig von seiner leiblichen Tochter und tritt ihr kaltherzig, aggressiv und streng entgegen.

In dem Buch wechseln sich die Kapitel zwischen Gegenwart (Celine) und der Vergangenheit (Claire) ab. Dies sorgt für eine gute Abwechslung in der Story. Der Schreibstil ist angenehm einfach und somit das Buch auch flüssig zu lesen. Einige Charaktere, wie z.B. Claire, sind auf Anhieb sympathisch, während andere Charaktere (z.B. Celine und Albert) blass, naiv und gar unausstehlich rüberkommen.
Ich war, nachdem ich das Buch beendet hatte, leider zunächst ein wenig enttäuscht, da einfach zu viel vorhersehbar war, dadurch meines Erachtens die Spannung gemildert wurde und ich Celines Verhalten oft hinterfragen musste. Für mich persönlich waren die letzten Kapitel die Schwächsten von allen. Die anderen Abschnitte haben mich viel mehr gefesselt und die Story von Claire hat mir sowieso ein bisschen besser gefallen als die von Celine. Die Geschichte von Claire hatte viel mehr Tiefe und mehr Gefühl. Ich habe bei Celine im Nachhinein nicht das Gefühl, dass ich eine tiefe Bindung zu ihr aufbauen konnte und sie war, für ihr Alter, zu einfältig und kindlich in ihrem Verhalten und Denken.
Vielleicht hätten auch zwei oder drei Kapitel mehr dem Buch ganz gut getan, um diverse noch offene Fragen und Familienverhältnisse zu klären. Im Großen und Ganzen habe ich mich jedoch gut unterhalten gefühlt.

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