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Veröffentlicht am 01.03.2025

Wie fühlt es sich an, wenn die böse Stimme in deinem Kopf immer lauter wird? – besonders, erschütternd, tieftraurig und urkomisch

Gute Gründe
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Yael hat da „diese Sache“ gemacht und damit sich und ihre Schwester in ein Vakuum befördert. Die beiden waren sich nie nah, aber im Angesicht dessen, was da fast geschehen wäre, ändert sich Vieles. Die ...

Yael hat da „diese Sache“ gemacht und damit sich und ihre Schwester in ein Vakuum befördert. Die beiden waren sich nie nah, aber im Angesicht dessen, was da fast geschehen wäre, ändert sich Vieles. Die Leserin / der Leser begleitet in diesem Roman die außergewöhnlich intensive Reise von Yael und weiterer denkwürdiger Charaktere.

Im Folgenden finden sich mögliche Trigger und Spoiler für die Handlung des Buches. Es werden keine Details verraten, aber womöglich doch mehr als anhand des Klappentextes erwartet.

Mir fehlen noch immer ein wenig die Worte. Ich habe noch nie so ein Buch gelesen, so viele Ambivalenzen erlebt, die doch so stimmig waren, so gelacht oder geschmunzelt, um im nächsten Moment wieder tieftraurig oder nachdenklich zu sein und umgekehrt. So viele kluge Sätze und so viele dumme Entscheidungen. Das Buch ist inhaltlich mächtig, immerhin geht es um menschliche Urängste wie Tod und Trauer, aber auch Depression und Selbstmord. Und gerade deshalb hat es mich auf eine Art abgeholt und bewegt, wie es bislang nur wenige Bücher vermocht haben.

Die Hauptfigur Yael nimmt die Leserin / den Leser dabei mit auf eine wahnsinnig sprunghafte Reise durch ihre Erlebens- und Gedankenwelt. Mir hat dieses Stilmittel sehr gefallen, da es sofort nah- und greifbar gemacht hat, wie es in Yaels Kopf zugehen muss. Kaum ist ein Gedanke, eine körperliche Empfindung da, schießt von der Seitenlinie eine Erinnerung hinein oder ein Musikstück triggert lange zurückliegende Gefühle. Sicherlich kommt der Stil nicht bei allen Leser:innen gut an.

Die Menschen, die Yael in einer schwer nachvollziehbaren Situation Halt geben, sie begleiten und ihr dabei ermöglichen, wieder zu sich zu finden, sind ebenso liebenswert wie die teils sehr verpeilte Katzenliebhaberin Yael selbst. Gespickt mit diversen Anspielungen und Insider-Kommentaren aus den Kontexten Judentum, Mode, Literatur und auch australischem Lokalkontext, die ich zu großen Teilen überhaupt nicht verstanden habe, geht es traurig-zuversichtlich in so etwas, das eine Perspektive sein könnte.

„Gute Gründe“ ist ein in mehrfacher Hinsicht total verrücktes und sehr, sehr liebenswertes, großartiges Buch, weil es eben gerade Menschen zeichnet. Mit all ihren schönen und weniger schönen Facetten, in all ihrer Angst und Menschlichkeit. Und gerade das macht es aus. Wir sind alle Menschen.

Außergewöhnlich. Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 09.02.2025

Kraftvolle Erzählung über Schuld und Scham und die Kraft der Offenbarung

Der Morgen nach dem Regen
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Johanna liebt ihren Job bei den Vereinten Nationen, der sie regelmäßig in von Krieg, Katastrophen und Terror gezeichnete Regionen der Welt verschlägt. Nicht weniger liebt sie ihre Tochter Elsa, welche ...

Johanna liebt ihren Job bei den Vereinten Nationen, der sie regelmäßig in von Krieg, Katastrophen und Terror gezeichnete Regionen der Welt verschlägt. Nicht weniger liebt sie ihre Tochter Elsa, welche sie für genau diese Einsätze regelmäßig über Wochen bei ihrem Vater in New York zurücklässt. Über die Jahre entfremdet sich Johanna immer mehr von ihrer Familie, die scheinbar reibungslos ohne sie zu funktionieren begonnen hat, und trägt zudem ein dunkles Geheimnis in sich, das sie beinahe zerstört.

Jahre später ist es Elsa, die am Boden ist und ausgerechnet bei ihrer Mutter den Halt sucht, den sie ihr während ihrer Kindheit nie geben konnte oder wollte. Eine emotionale Reise in persönliche Verletzungen, Schuldzuweisungen und die Untiefen, was Scham und Schuld diesen beiden Frauen und ihrer Beziehung angetan haben, nimmt ihren Lauf...

Melanie Levensohn zeichnet in ihrer Erzählung eine kraftvolle Geschichte über eine Frau, die trotz ihrer Familie nicht nur ihrem Job, sondern ihrer Berufung nachgeht. Johanna ist eine starke Frau, die im Versuch, ihren Traum zu leben und dennoch ihre Tochter zu schützen, unglaublich viele Fehler begeht.

Ähnlich geht es Elsa, die, tiefverletzt durch die vermeintliche Ablehnung ihrer Mutter, immer durch höchste Leistungen zu glänzen und Liebe zu erlangen versuchte, bis gar nichts mehr ging.

In nahbarer Sprache zeichnet die Autorin eine schmerzhaft zerstörte Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die sich doch umso mehr brauchen in einer für beide sehr schweren Zeit.

Die Erzählung hat an einigen Stellen ihre Längen, zum Ende hin konnte ich das Buch aber nicht mehr aus der Hand legen und habe Tränen geweint. Wie sehr vermeintliche Schutzmechanismen das Gegenteil bewirken und uns in eine Abwärtsspirale aus Scham und Schuld stürzen können, zeichnet dieses Buch meisterhaft auf. Ebenso kraftvoll allerdings auch, wie der Kreislauf durchbrochen werden kann.

Ein gewichtiger Roman, der vielen Frauen mit hohen beruflichen Ambitionen und Familie aus der Seele sprechen dürfte.

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Veröffentlicht am 17.01.2025

Temporeicher Thriller mit hochaktuellem Thema

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Im Internet geht plötzlich ein verstörendes Gewaltvideo viral und die Gesellschaft spaltet sich. Für Ermittlerin Yasira Saad beginnt damit die wohl härteste Ermittlung ihrer Karriere.

Die Geschichte, ...

Im Internet geht plötzlich ein verstörendes Gewaltvideo viral und die Gesellschaft spaltet sich. Für Ermittlerin Yasira Saad beginnt damit die wohl härteste Ermittlung ihrer Karriere.

Die Geschichte, die Marc-Uwe Kling hier zeichnet, ist so brandaktuell und verstörend wie sie nur sein kann. Wer tut so etwas? Warum finden sich keine Spuren zum Opfer oder zu den Tätern? Ein Verwirrspiel mit vielen politischen und gesellschaftlichen Nuancen leitet die Leserin / den Leser temporeich durch eine packende Story.

Auch sprachlich ist es Kling gelungen, mich komplett abzuholen. Ich liebe seinen Stil! Ganz ungewohnt zwar in diesem spannungsgeladenen Kontext (ich kannte bislang nur seine Kinderbücher), aber hervorragend!

Zwei Makel möchte ich dennoch anführen:

1. Das Ende des Buches. Vermutlich scheiden sich daran die Geister. Einerseits habe ich eine gute Vorstellung für das Warum dahinter, andererseits wurmt es mich doch ganz gehörig.
2. Die Ausstattung des Buches. Der dicke Pappumschlag wirkt billig und ist sehr anfällig für Beschädigungen an den Ecken. Unser Exemplar ist zwei Mal gelesen, wir gehen super pfleglich mit unseren Büchern um, und das Exemplar sieht trotzdem schon ziemlich durch aus :-/ Das ist bei einem Kaufpreis von 19,99 Euro doch eine Enttäuschung.

Nichtsdestotrotz, inhaltlich eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 04.01.2025

Starker und hochemotionaler Thriller mit packenden Wendungen

Happy End
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Isa lebt im reinsten Glück mit ihrer kleinen Familie. Ein absolutes Idyll umgibt die ehemalige Architektin - bis ihr kleiner Sohn Ben entführt wird und die heile Fassade verheerende Risse bekommt.

Meine ...

Isa lebt im reinsten Glück mit ihrer kleinen Familie. Ein absolutes Idyll umgibt die ehemalige Architektin - bis ihr kleiner Sohn Ben entführt wird und die heile Fassade verheerende Risse bekommt.

Meine Mutter war so begeistert von diesem Buch, dass ich es auch lesen musste - trotz anfänglicher Skepsis, ob die Story nicht doch zu abgedroschen ist. Das Buch ist hervorragend geschrieben, wobei es für mich etwa 200 Seiten brauchte, bis die Spannung so richtig Fahrt aufnahm. Ab diesem Moment gab es aber kein Halten mehr. Der Sog, der sich um Isa und ihren kleinen Sohn Ben bildet ist so dicht und voll von Wendungen - wenigen vorausahnbaren, häufig komplett überraschenden - dass dieser Thriller ein echtes Glanzstück seiner Zunft ist!

An zahlreichen Stellen wird mit subtilen Andeutungen und Verdachtsmomenten gearbeitet, hier und da auch mit offenen Anschuldigungen. Wie sich die Story am Ende auflöst, war für mich in dieser Brisanz schockierend und überraschend.

Ein klein wenig Abzug gibt es meinerseits für die stark glorifizierende Rolle der Mutter (das ist absolut Geschmackssache; für mich war es an einigen Stellen einfach too much heile Welt, wenn Isa in diese Rolle schlüpfte) sowie für die sehr ausufernde und verbal überbordende Schlussszene mit den Bösewichten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in solch einer Situation ernsthaft noch solche Dialoge in so einer Länge möglich sind.

Abschließend ein definitiv sehr empfehlenswertes Buch für Freunde und Freundinnen nervenaufreibender Spannung!

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Veröffentlicht am 22.12.2024

Bewegende Erzählung aus Zeiten im Umbruch

Damals waren wir frei
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Mina ist ein sympatischer Freigeist, wächst in Geborgenheit bei ihren Eltern in der DDR auf. Doch eines Tages hört sie durch Zufall mit an, wie ihre geliebte Mutter eine unglaubliche Lebenslüge beichtet, ...

Mina ist ein sympatischer Freigeist, wächst in Geborgenheit bei ihren Eltern in der DDR auf. Doch eines Tages hört sie durch Zufall mit an, wie ihre geliebte Mutter eine unglaubliche Lebenslüge beichtet, die auch Mina den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht.

Die Story und das Cover haben mich sofort angesprochen, Mina und der Tanzpalat haben mein Herz im Sturm erobert. Die beschriebene Stimmung, hin- und hergerissen zwischen Ost-Alltag, dem unbändigen Wunsch frei sein zu wollen und dabei in einem System eingesperrt zu sein, das sich die meisten Menschen gar nicht ausgesucht haben, erzeugt ein konstantes Spannungsfeld. Diese "Natürlichkeit im Widerspruch" findet sich auch an einigen Stellen bei den Protagonisten dieses Buches wieder. So liebt Mina einerseits die Atmosphäre der Nacht und die durchtanzten Nächte sehr, zugleich weiß sie aber auch um die Erschöpfung, die so ein Leben gegen den natürlichen Rhythmus birgt. Ihre Mutter fand vor Jahren die Liebe ihres Lebens und doch nie den Mut, sich zu ihr zu bekennen, sowie ihr altes Leben und ihre Rolle darin infrage zu stellen.

Sprachlich leicht begleitet die Leserin / der Leser Mina und ihre Familie auf der Suche nach sich selbst und durch Zeiten des Umbruchs. An manchen Stellen fand ich die Satzstellung etwas sperrig, dem allgemeinen Lesefluss und der -freude hat das keinen Abbruch getan. Mehrere Passagen des letzten Drittels waren von Gänsehaut begleitet: Der Abschied von tragenden Charakteren der Geschichte war ebenso bewegend wie das Ende von Minas Suche oder der Mauerfall, der so viele Menschen in Ost und West nach Jahrzehnten der Trennung wiedervereint hat.

Ein wenig gehadert habe ich mit den sehr gefälligen und fast ausnahmslos positiven Wendungen in dieser bewegten Geschichte. Es lief stellenweise schon zu selbstverständlich gut, um noch glaubwürdig zu sein. Aber vielleicht ist dieses Buch genau deshalb ein kleines Bollwerk an Positivität und Zuversicht. Es kann eben doch alles gut werden und es darf auch mal einfach alles gut werden, wenn wir es nur zulassen.

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