Cover-Bild Der letzte Satz
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19,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 128
  • Ersterscheinung: 03.08.2020
  • ISBN: 9783446267886
Robert Seethaler

Der letzte Satz

Roman
Gustav Mahler auf seiner letzten Reise – das ergreifende Porträt des Ausnahmekünstlers. Nach „Das Feld“ und „Ein ganzes Leben“ der neue Roman von Robert Seethaler.

An Deck eines Schiffes auf dem Weg von New York nach Europa sitzt Gustav Mahler. Er ist berühmt, der größte Musiker der Welt, doch sein Körper schmerzt, hat immer schon geschmerzt. Während ihn der Schiffsjunge sanft, aber resolut umsorgt, denkt er zurück an die letzten Jahre, die Sommer in den Bergen, den Tod seiner Tochter Maria, die er manchmal noch zu sehen meint. An Anna, die andere Tochter, die gerade unten beim Frühstück sitzt, und an Alma, die Liebe seines Lebens, die ihn verrückt macht und die er längst verloren hat. Es ist seine letzte Reise.
"Der letzte Satz" ist das ergreifende Porträt eines Künstlers als müde gewordener Arbeiter, dem die Vergangenheit in Form glasklarer Momente der Schönheit und des Bedauerns entgegentritt.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.08.2020

Die letzte Reise eines wahren Künstlers

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Für mich ist es sehr schwierig für Robert Seethalers Roman "Der letzte Satz", in dem es um die letzte große Reise und das Leben des Dirigenten Gustav Mahlers geht, Worte zu finden. Es ist ein sehr dünnes ...

Für mich ist es sehr schwierig für Robert Seethalers Roman "Der letzte Satz", in dem es um die letzte große Reise und das Leben des Dirigenten Gustav Mahlers geht, Worte zu finden. Es ist ein sehr dünnes und recht luftig gesetztes Buch. Es sind die Gedanken und der Rückblick auf das Leben eines der berühmtesten jüdischen Komponisten, Dirigenten und Wegweisers des musikalischen Theaters der Spätromantik. Gustav Mahler lebte von 1860 bis 1911 und gehörte womöglich zu den bekanntesten österreichischen Künstlern seiner Zeit. Robert Seethaler hat sich nun an sein Leben herangewagt und einen sehr melancholischen letzten Blick gewährt.

"Es fühlt sich an, als hätte ich gerade erst angefangen, dabei ist es schon wieder zu Ende. So ist es also mit dem Sterben, dachte er. Stillhalten und warten."

"Der letzte Satz" erzählt von Malers Schiffsreise von New York nach Europa. Sein Körper schmerzt, seit jeher wurde sein Leben von Krankheiten geprägt, doch nun scheint es dem Ende entgegen zu gehen. An Deck des Schiffes erinnert er sich an die Höhepunkte seines Lebens, sinniert über die letzten Jahre, den Tod seiner Tochter Maria, die Schwierigkeiten mit seiner Frau Alma und denkt an seine Tochter Anna, die gerade ein Deck unter ihm beim Frühstück sitzt.

"... ich kann es nicht mehr hören. Ich habe es satt. Deine Launen. Deine Krankheiten. Dein Benehmen in Gesellschaft. Deine Wutausbrüche, deine Eifersucht, deinen grenzenlosen Egoismus. Ich habe mich in ein Kind verliebt, aber eine Frau braucht mehr als ein Kind an ihrer Seite!"

Für mich ist es sicherlich nicht das beste Buch Seethalers. Ich hatte bereits bei dem Vorgänger "Das Feld" so einige Bedenken und irgendwie setzte sich das mit seinem neuen Roman fort. Es ist ein wie gewohnt recht ruhiges Buch. Klare, direkte Worte umsäumt von sehr poetischen Gedanken. Das Leben, der Tod, die Trauer, ja, auch die Melancholie spielen bei Seethaler immer eine große Rolle und nachdem er bei "Das Feld" den Toten Gehör verschaffte und sie damit quasi wieder ein Stück weit zurückholte, geht es gerade hier um das nahende Ende. Doch was aus dieser Idee entstand ist dann irgendwie eher mau. Die Schiffsfahrt eines alten, an einer Herzmuskelentzündung leidenden Mannes, der punktuell auf sein Leben, die Liebe und sein Wirken zurückblickt und doch irgendwie schon längst aufgegeben hat. Und natürlich (wie sollte es auch anders sein) hat er auch Freud getroffen und versucht bei ihm Lösungen zu finden. Man hätte aus der Biografie Mahlers so viel herausholen, sich der Bedeutung der Musik nähern und den Herausforderungen seines Lebens stellen können, doch irgendwie bleibt für mich am Ende gerade mal das Bild eines ehemals aufgeregt zappelnden Künstlers und seinem wackeligen Holzgestell, der mit dem Alter zwar ruhiger, aber auch ungeduldiger und leidgeprägter wurde, und die Aussage: „Man kann über Musik nicht reden, es gibt keine Sprache dafür. Sobald Musik sich beschreiben lässt, ist sie schlecht.“

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Veröffentlicht am 11.08.2020

Zwischen Bleiben und Gehen

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Was stimmt nicht mit Seethalers melancholischem Mahler-Romänchen „Der letzte Satz“? Dass er nur 120 Seiten hat, auf denen luftig großer Durchschuss den Zeilen viel Platz lässt, ist es nicht, denn die Erzählung ...

Was stimmt nicht mit Seethalers melancholischem Mahler-Romänchen „Der letzte Satz“? Dass er nur 120 Seiten hat, auf denen luftig großer Durchschuss den Zeilen viel Platz lässt, ist es nicht, denn die Erzählung von Gustav Mahlers letzter Reise liest sich gewandt und gefällig. Was also hat mich so gestört, das ich mit dieser Rezension fast zwei Wochen schwanger gehen musste? es hat wohl mit diesem Satz zu tun: „Man kann über Musik nicht reden, es gibt keine Sprache dafür. Sobald Musik sich beschreiben lässt, ist sie schlecht.“ (S. 65)

Seethaler schreibt nicht über Musik, sondern über einen Komponisten und Dirigenten. Das macht er sehr gut, es finden sich alle wichtigen Stationen aus Mahlers Leben auf den 120 Seiten - ganz plastisch erscheint das Gerüst dieser außergewöhnlichen Vita, wenn ich sie mit dem zu Rate gezogenen Wikipedia-Artikel vergleiche. Aber Seethaler schreibt nicht - oder nur kaum – über die Musik. Welchen Sinn ergibt es, über einen Musiker zu schreiben, wenn man so wenig über die Musik erfährt? Immerhin, und das sind die m.E. stärksten Passagen, kreist der innere Monolog des moribunden Musikers um das Komponieren. Woher kommt die Musik? Was sieht Mahler, das uns ihn hören macht? Eindrücklich über Mahlers innige Musikwerdung durch die Wahrnehmung sowohl des Äußeren (Vögelgezwitscher u.ä.) wie auch des inneren Genius, des autonomen Schöpfers: „Er hätte die Harmonien seines Körpers komponieren sollen. Und noch vielmehr die Disharmonien.“ (S. 114) Gemeint sind Mahlers instabile Gesundheit, der schwere Verlust der älteren Tochter und das zerrüttete Verhältnis zur viel jüngeren und von einem anderen Genius umworbenen Ehefrau Alma.

Beim Lesen sitzen wir nicht nur mit dem totgeweihten Mahler in seinem Deckstuhl auf der letzten Reise aus den USA nach Europa, gezeichnet von der Herzmuskelentzündung, an der die Ärzte in New York, Paris und Wien verzweifelten (und Mahler selbst auch, und zwar immer wieder in diesem Roman), wir sitzen auch mit ihm in seinen Komponierhäuschen. Hier destilliert Mahler die Natur in seine Musik, und Seethaler erspart uns diese klischeehaften Passagen nicht.

Klischeehaft und wie aus dem Lehrbuch zur Textgestaltung wirken allerdings auch andere Absätze: Man nehme ein Ortsdetail, eine innere Ansicht, einen Vergleich und einen synästhetischen Sinneseindruck – anlässlich des Besuchs bei Siegmund Freud auf Seite 98 klingt das so: „In einem Café tranken sie heiße Limonade mit Honig, dann machen sie einen Spaziergang entlang der Rapenburg-Gracht (Detail!). Mahler erinnerte sich (innere Ansicht!) an das das ölige, flaschengrüne (Vergleich!), unter den Brücken und im Schatten der Boote tiefschwarze Wasser. Es war mitten im Sommer, doch es roch schon nach Herbst, faulig und feucht (Synästhesie!).“ Das ist einerseits perfekt erzählt. Andererseits wirkt es auch mechanisch, lehrbuchhaft und damit platt. Überhaupt erscheint es zum Scheitern verurteilt, alle wichtigen biografischen Details Mahlers auf so wenig Seiten mehr listenartig als listenreich abzuhaken.

Abgesehen davon, dass zu wenig Musik auf diesen 120 Seiten erklingt und zu viel schwarze Galle aus der Melancholie von Mahlers umfassenden Abschied vom Leben, der Welt, der Musik und seiner Frau tropft, muss man freilich auch über den Titel des Buches nachdenken: „Der letzte Satz“.

Mahler lässt die Entstehung seiner neunten Sinfonie und die letzten drei Jahre Revue passieren lässt: Diese neunte wird - wie bei Beethoven oder Bruckner Mahlers letzte sein, mithin der vierte Satz auch Mahlers "letzter Satz". Dieser endet bemerkenswerterweise mit der Spielanweisung "ersterbend" - und genau in dieser elegischen Abschiedsstimmung trifft man lesend Mahler an Bord des Schiffes an. Ich wäre gespannt gewesen, wie Seethaler die Entstehung des letzten Satzes der 9. Sinfonie und das Ersterben Mahlers literarisch konvergieren lässt. Das passiert allerdings nicht, denn die Musik spielt in diesem Roman ja nicht die erste Geige.

Eine andere Spannung aber konstruiert Seethaler, nämlich aus dem letzten Satz, den Mahler in diesem Roman sagt, und dem letzten Satz des Roman schlechthin: „Ich sollte noch ein wenig bleiben“, sagt Mahler auf Seite 118, doch das unerbittliche Ende lautet: „Und das war gut, denn es war Zeit, zu gehen.“ (S. 126)

Diese Spannung zwischen Bleiben und Gehen gelingt Seethaler immerhin durch das Gegenüber von melancholischer Rückschau und Dialog mit dem jugendlichen Decksstewart, der den „Direktor“ bedient und zur interessantesten Nebenfigur wächst.

Mein letzter Satz: „Der letzte Satz“ liefert nicht mehr als der Wikipedia-Artikel zu Gustav Mahler, ist aber deutlich schöner zu lesen.

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