Sehr humorvoll aber ganz und gar nicht oberflächlich
Anfangs war ich skeptisch, denn das Buch wird mit den Romanen von Tommy Jaud verglichen, und damit kann ich so gar nichts anfangen, ebenso wenig wie mit „Fack ju Göthe“, was auch gerne als Vergleich herangezogen ...
Anfangs war ich skeptisch, denn das Buch wird mit den Romanen von Tommy Jaud verglichen, und damit kann ich so gar nichts anfangen, ebenso wenig wie mit „Fack ju Göthe“, was auch gerne als Vergleich herangezogen wird. Aber schon die kurze Leseprobe zeigte mir, dass dieser Roman anders ist. Timo Seidel, der 28-jährige Ich-Erzähler (und chronischer Klugscheißer), verliert seinen Job bei einem Call-Center. Er sieht das anfangs noch recht gelassen, denn er ist der Meinung, da könne ihm seine Freundin Cleo ja sicher verstärkt unterstützen. Leider erfüllt sich diese Hoffnung nicht, denn als Timo nach Hause kommt, ist Cleo gerade dabei, ihn und die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Von jetzt auf gleich ist Timo auf sich gestellt und merkt jetzt erst, wie einfach das Leben an der Seite der sehr gut verdienenden Cleo war.
Im ersten Moment hält man Timo für einen hoffnungslosen und arroganten Egoisten, aber der Schein trügt, und sehr schnell kommt der „wahre Timo“ zum Vorschein, und der hat durchaus seinen Stolz. Mit ungeahnter Energie macht er sich daran, sein Leben umzukrempeln und allein auf die Reihe zu kriegen. Das unverhoffte Angebot, als Aushilfslehrer an einer Abendschule zu arbeiten, kommt wie gerufen. Nach und nach gewinnt Timo neue Sympathien und Erkenntnisse. Mit viel gutem Willen, Empathie, Toleranz und Ehrlichkeit bringt er sein Leben auf die Reihe, und was ich anfangs nicht für möglich gehalten habe: Timo wurde mir mehr und mehr sympathisch, und ich habe ihn gerne bei seinen Unternehmungen begleitet. Es kreuzen auch Menschen seinen Weg, deren Bemerkungen und Verhaltensweisen ihm gegenüber demotivierend und ungerecht sind, aber das steckt Timo relativ gelassen weg. Natürlich kann er das Klugscheißen nicht lassen, aber in einigen Situationen kann ich das durchaus nachvollziehen, denn er hat nicht selten Recht.
Das alles ist locker, kurzweilig und humorvoll erzählt. Und gerade in Sachen Humor konnte die Geschichte bei mir punkten, denn er ist nicht aufgesetzt, plump oder übertrieben, sondern realistisch und manchmal auch ganz schön hintergründig. Daneben gibt es auch einige ernste Situationen, in denen sich Timo durchschlagen muss, und größtenteils hatte er hier mein volles Verständnis.
Sehr amüsant fand ich die Wortkreationen oder -auslegungen, deren Erklärung der Autor in Wörterbuch-Manier immer mal wieder in die Handlung einstreut, die aber ihren Witz eher im textlichen Zusammenhang offenbaren. Da gibt es Begriffe wie der oder die „Gesichtsälteste“, was für eine Person steht, deren Gesicht am ältesten aussieht, ungeachtet des biologischen Alters oder „Fußbodenpeeling“ = das Abschürfen der oberen Hautschicht durch Stürzen oder Fallen und Entlanggleiten auf dem Boden.
Das Buch ist in sich abgeschlossen und hat ein für mich zufriedenstellendes Ende, jedoch mit Aussicht auf einen Folgeband, der inzwischen erschienen ist. Man hat also die gute Möglichkeit, sich auf weitere literarische „Begegnungen“ und „Erlebnisse“ mit Timo einzulassen und zu erfahren, wie sich sein Leben weiterhin entwickelt.