„Es scheint schon so unendlich lange her zu sein, dass unsere Welt noch in Ordnung war. Wie selbstverständlich wir diesen Zustand immer hingenommen haben, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, es könnte einmal anders sein.“
Für Erik Thieben bricht von einem Moment auf den anderen sein gesamtes Glück auseinander, nachdem ihn seine Verlobte Joanna nicht mehr erkennt und ihn schlimmer noch als einen Einbrecher ansieht, der ihr gewiss nach dem Leben trachtet. Mühsam setzt er die Puzzleteile des letzten gemeinsamen Jahres für Joanna zusammen, doch ihre Abneigung treibt ihn an den Rand der Verzweiflung. Auch die verschwundenen Möbel aus der gemeinsamen Wohnung geben ihm Rätsel auf und als ihn sein Chef Gabor auch noch aus einem großen Deal ausschließen möchte, gerät Erik an seine Grenzen. Wer will sein Leben so nachhaltig zerstören und vor allem warum? Als er nur knapp einem Terroranschlag entkommt, beschließt er unterzutauchen und seinen vermeintlichen Tod vorzutäuschen. Doch seine Widersacher sind ihm dicht auf den Fersen und haben bald schon Joanna im Visier …
Sowohl Ursula Poznanski, als auch Arno Strobel gehören zu meinen Lieblingsautoren, die mich mit ihren Büchern bereits oft und umfassend begeistern konnten, so dass ich mir von ihrer ersten schriftstellerischen Kooperation einiges versprochen habe. Tatsächlich ist ihnen mit „Fremd“ auch ein äußerst spannender, mitreißender Psychothriller gelungen, der gerade durch seinen Aufbau etwas Neues initiiert: Ein Mann, eine Frau und zwei gegensätzliche Perspektiven. Wem schenkt man Glauben? Wer lügt und aus welchem Grund? Oder gibt es da etwas, was man so noch gar nicht vermutet hat?
Doch was mich auf den ersten Seiten des Buches gereizt hat, verlor über die Länge der Geschichte etwas an Glanz. Besonders die Strukturierung ließ es nicht zu, zu viel über den Täter und seine Motive zu offenbaren. So dass ich nach gut zwei Dritteln der Geschichte immer noch nicht den blassesten Schimmer hatte, welche Motive hier vorliegen. Und das hat mich dann schon irgendwie genervt. Ebenso im Sand verlaufen ist die psychologische Komponente des Thrillers, der hier streckenweise ein echtes Beziehungsdrama war aber nicht mehr der erhoffte Nervenkitzel. Dennoch versteht sich das Duo ganz prächtig darauf eine erzählenswerte Geschichte zu entwerfen, die den Leser trotz mehrerer Kritikpunkte an den Text bindet und ihn zum Weiterlesen animiert.
Fazit: Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen Gemeinschaftsroman, den man auch als solchen erkennt. Man liest ihn als begeisterter Anhänger von Spannungsliteratur zwar gerne, er bleibt aber hinter anfänglichen Erwartungen zurück. Insbesondere die spärliche Auflösung der Ereignisse konnte mich nicht überzeugen, während der Lesefluss stets vorhanden war. Hier hätte ich definitiv schon ab der Hälfte des Buches eine dritte Erzählebene eingebaut, nämlich die des Täters, der seine Handlungen für den unbeteiligten Dritten offenbart. So blieb einiges ungesagt und wohl nicht sehr nah an der Realität. Dennoch ein lesenswerter Thriller, der sich sicher auch als Einsteigerroman ins Genre eignet, weil er weder grausam, noch blutig, noch abstrakt ist. Ganz im Gegenteil, man hofft inständig, dass einem selbst derartiges niemals widerfahren mag.