Cover-Bild Das Mädchen auf dem Eisfeld
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 28.01.2019
  • ISBN: 9783446262034
Adelaïde Bon

Das Mädchen auf dem Eisfeld

Bettina Bach (Übersetzer)

Als sie neun ist, spricht ein Mann sie im Hauseingang an und missbraucht sie. Sie schafft es, ihren Eltern davon zu erzählen, sie gehen zur Polizei. Sie lächelt weiterhin, was ist schon passiert, sie wächst in einer privilegierten Familie auf – doch nichts kann die Leere füllen, den Selbsthass betäuben, den sie in sich spürt und mit enormer Energie zu verbergen versucht. Erst als erwachsene Frau bringt sie den Begriff Vergewaltigung mit dem Erlebnis in Verbindung, das sie so perfekt von sich abgekapselt hat und das doch ihr Leben so radikal bestimmt. Und erst jetzt kann der Prozess der Heilung wirklich einsetzen. Hochreflektiert und mit starken Bildern macht Adélaïde Bon die Unermesslichkeit einer solchen Verletzung erfahrbar.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.07.2019

Erschütternd, bewegend, lesenswert

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Als die Protagonistin neun Jahre alt ist, wird sie von einem fremden Mann im Treppenhaus ihres Elternhauses missbraucht. Sie vertraut sich ihren Eltern an, sie erstatten Anzeige, ihr Leben geht weiter. ...

Als die Protagonistin neun Jahre alt ist, wird sie von einem fremden Mann im Treppenhaus ihres Elternhauses missbraucht. Sie vertraut sich ihren Eltern an, sie erstatten Anzeige, ihr Leben geht weiter. Scheinbar unbeschwert. Jahrelang. Sie geht jahrelang zur Therapie, das schon, doch gleichzeitig ist die extrovertiert, studiert Schauspiel, ist der Mittelpunkt jeder Gesellschaft, lacht, quasselt, tanzt, flirtet. Das traumatische Erlebnis hat keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Scheinbar. Denn in ihrem Inneren sitzen Quallen, die mit ihren Tentakeln nach ihr greifen, sie umfangen, festhalten, ihr den Atem rauben. Und da ist dieser Ort, auch in ihrem Inneren. Dort steht sie, „klein und verloren und frierend, in einer immensen weißen Wüste, wartet. Diesen Ort nennt sie ‚mein Mädchen auf dem Eisfeld‘, ahnt aber nicht, dass das Mädchen noch lange dort ausharren muss“.

Erst über zwanzig Jahre später wird der Täter gefasst und vor Gericht gestellt. Sie erkennt, dass sie bei weitem nicht die Erste und erst recht nicht die Einzige ist, die ihm zum Opfer fiel. Sie erkennt nach und nach - die Erinnerung will sich erst viele, viele Jahre später einstellen, langsam, bruchstückhaft, ein Mosaik der Angst -, dass der vermeintliche Missbrauch eine Vergewaltigung war. Sie erkennt, dass sie nicht alleine ist. Und sie erkennt, dass Heilung möglich ist. Allen Umständen zum Trotz.

Adélaïde Bon schildert das, was sie selbst als Kind erlebt hat, mit einer Kraft, die mir schier den Atem raubt. Die Abspaltung, die Dissoziation, die ein solches Trauma nach sich zieht, drücken sich unmissverständlich und unmittelbar in der wechselnden Erzählperspektive aus. Da ist zunächst von der namenlosen „sie“ die Rede, dann tritt, ganz zaghaft und vereinzelt, „Adélaïde“ namentlich in den Vordergrund, und schlief, anfänglich vereinzelt, dann immer häufiger, „ich“. Die Sprache ist klar und sachlich, zugleich berührend und poetisch.

Man muss dieses Buch mit einer Warnung versehen: Es sickert einem ins Bewusstsein. Setzt sich dort fest. Hinterlässt Spuren. Denn Adélaïde Bon lenkt ihren Blick von ihrer persönlichen Geschichte nach außen:

„[...] in den meisten Fällen gibt es bei sexuellem Missbrauch weder menschenfressende Ungeheuer noch Zauberfeen. Die meisten pädokriminellen Straftäter sind ganz reizende Menschen. Verwandte, gute Freunde, Nachbarn, Lehrer, unsere Idole, unsere Elite. Sie sind überzeugend in ihrer Rolle als aufrichtige Männer, ideale Mütter, hart arbeitende Fachleute. In Frankreich, wo etwa jedes fünfte Kind sexuelle Gewalt erlebt, wird nur wenigen von ihnen zugehört und noch seltener werden die Täter vor Gericht gestellt. Seit Jahrhunderten sind Vergewaltigungskultur, männliche Vorherrschaft und Kindesmisshandlung Teil unserer Gesellschaft. Wie viele geschlagene Kinder, wie viele von Angehörigen sexuell missbrauchte Kinder gibt es wohl unter unseren Vorfahren? Wie viele Mädchen wurden zwangsverheiratet, wie viele Frauen Abend für Abend unter dem Deckmantel der ehelichen Pflicht vergewaltigt? Wie viele Ehemänner, wie viele Väter haben sich das Recht herausgenommen, Handgreiflichkeiten als Mittel zum Stressabbau einzusetzen? Die ganze Menschheit ist ein Kind der Vergewaltigung, ein auf dem Eisfeld frierendes, wartendes Kind.“ (S. 146f.)

"Das Mädchen auf dem Eisfeld" ist ein intensives, erschütterndes, wichtiges, bemerkenswertes Buch. Unbedingt lesenswert.

Veröffentlicht am 09.05.2019

„Das Mädchen auf dem Eisfeld“ ist ein aufrichtiges und auch poetisches Buch. In ihrem literarischen Debüt zeigt sich Adelaide Bons große Erzählkunst, von der ihre Leser hoffentlich bald mehr erfahren können

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Adelaide Bon, Das Mädchen auf dem Eisfeld, Hanser Berlin 2019, ISBN 978-3-446-26203-4

Dieses Buch ist mir wie wenige zuvor unter die Haut gegangen. Die 1981 geborene französische Schauspielerin Adelaide ...

Adelaide Bon, Das Mädchen auf dem Eisfeld, Hanser Berlin 2019, ISBN 978-3-446-26203-4

Dieses Buch ist mir wie wenige zuvor unter die Haut gegangen. Die 1981 geborene französische Schauspielerin Adelaide Bon hat in ihrem literarischen Debüt ihre eigene Missbrauchsgeschichte auf eine beeindruckende und bewegende Weise beschrieben, in einem Buch, in dem Gefühle und emotionale Distanz, die direkte Beschreibung eigener Erfahrung (zum Teil in der Ich-Form) und deren nüchterne Analyse eine homogene Mischung bilden, die den Leser von der ersten Seite bis zum Ende an sich bindet und ihn nicht mehr loslässt.

Sie ist gerade einmal neun Jahre alt, als sie von einem fremden Mann am Hauseingang angesprochen wird. Er gibt vor, im Haus als Handwerker etwas reparieren zu müssen. Deshalb will sie nicht unhöflich sein, will ihm den Weg zeigen und wird von ihm im Treppenhaus vergewaltigt.

Ihr Vater spürt sofort, dass etwas nicht stimmt, als er nach Hause kommt und seine Tochter verstört vorfindet. Sie kann es ihm in Ansätzen erzählen, was der fremde Mann mit ihr gemacht hat. Der Vater geht sofort zur Polizei und zeigt den Vorfall an. Doch niemand kann etwas herausfinden.

Adelaide Bon beschreibt die Leere und den wachsenden Selbsthass, die das langsam erwachsen werdende Kind über viele Jahre quälen. Die Eltern sorgen dafür, dass sie über ihre ganze Kindheit und Jugend hindurch in einer Therapie langsam lernt, darüber zu sprechen. Sie beginnt Theater zu spielen und hat erste Beziehungen, doch immer wenn sie versucht mit einem Mann zu schlafen, kehrt der Ekel zurück. Erst als erwachsene Frau bringt sie den Begriff Vergewaltigung mit dem Erlebnis in Verbindung, das sie so perfekt von sich abgekapselt hat und das doch ihr Leben so radikal bestimmt.

Und als sie dann eines Tages einen Anruf von der Polizei bekommt, die nach vielen Jahren einem Mann auf die Spur gekommen ist, der über die Jahre viele Mädchen so missbraucht hat wie Adelaide muss sie sich darauf vorbereiten. Mit der Vorstellung ihrem Peiniger in einem Prozess tatsächlich gegenüber zu treten, kann die endgültige Heilung einsetzen. Kraftvoll und getragen von einer großen Lebenslust erzählt Adelaide Bon furchtlos und voller Mitgefühl für das Kind und die Heranwachsende, die sie einmal war, von der zerstörerischen Kraft sexueller Gewalt und von der schwierigen und schmerzvollen Rückeroberung ihres Lebens.

„Das Mädchen auf dem Eisfeld“ ist ein aufrichtiges und auch poetisches Buch. In ihrem literarischen Debüt zeigt sich Adelaide Bons große Erzählkunst, von der ihre Leser hoffentlich bald mehr erfahren können.



Veröffentlicht am 14.06.2019

Ein hartes, aber wichtiges Buch!

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In diesem autobiografischen Roman verfolgen wir Adélaide selbst, ab ihrem 9. Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter. Mit 9 Jahren wird sie im Treppenhaus von einem fremden Mann sexuell missbraucht und kämpft ...

In diesem autobiografischen Roman verfolgen wir Adélaide selbst, ab ihrem 9. Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter. Mit 9 Jahren wird sie im Treppenhaus von einem fremden Mann sexuell missbraucht und kämpft ab diesem Zeitpunkt jeden Tag mit den Folgen. Wir begleiten sie bei ihren Kämpfen gegen sich selbst und die Traumafolgestörun-gen bis hin zum Prozess gegen den Täter.
Vorneweg muss ich eine Triggerwarunung aussprechen. Das Buch nimmt keinen Blatt vor den Mund und schildert sehr drastisch sexuellen Missbrauch / sexuelle Gewalt und deren Folgen.
Mich konnte das Buch komplett mitreißen. Ich habe sehr mit Adélaide mitfühlen können, sowohl ihre Schmerzen, als auch ihre Verwirrung über Symptome bis hin zu ihrer bodenlosen Verzweifelung. Dieses Mitgefühl löst die Autorin insbesondere mit dem besonderen Schreibstil des Buches aus. Wir verfolgen Adélaide in drei Perspektiven (sie-Perspektive: alles was mit der Tat und ihren Folgen zu tun hat; ich-Perspektive: die Verbindung zur Gegenwart und allwissende Ergänzungen; du-Perspektive: direkte Ansprache an den Täter), die gleichzeitig auch ihr Gefühlsleben sehr gut widerspiegeln. In der sie-Perspektive ist eine gewisse Distanzierung zum Geschehen sehr spürbar und erhöht damit aber noch die Grausamkeit des Geschehens. Die ich-Perspektive ist an einigen Stellen fast schon eine Erleichterung, ein Aufatmen, dass Adélaide dieses Grauen offensichtlich überstanden hat. Mit der direkten Täteransprache trifft die Autorin den Leser wieder sehr tief in seiner Gefühlswelt - es steigert die Empathie für Adélaide noch mehr.
Auch die Darstellung des Prozesses mit allen Unsicherheiten und dem großen Wunsch nach sozialer Unterstützung waren für mich sehr gut dargestellt. Einziger Kritikpunkt für mich sind die 15seitigen Tatdarstellungen der anderen Opfer während des Prozesses. Sexueller Missbrauch / sexuelle Gewalt sind absolut grausam! Die Grausamkeit wurde für mich durch die vielseitigen ausführlichen Schilderungen nicht verstärkt, es war mir eher nach einigen Seiten zu viel.
Insgesamt aber ein sehr lesenswertes und aufwühlendes Buch, was gleichzeitig ermutigt vor sexuellem Missbrauch nicht die Augen zu verschließen und zu handeln!

Veröffentlicht am 31.03.2019

eine emotionale Biografie

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★★★★☆ (4 von 5 Sterne)

Inhalt:

Als Adélaïde Bon 9 Jahre ist, wird sie von einem fremden Mann in ihrem Hauseingang angesprochen. Sie weiß, sie soll nicht mit Fremden sprechen, dennoch möchte sie nicht ...

★★★★☆ (4 von 5 Sterne)

Inhalt:

Als Adélaïde Bon 9 Jahre ist, wird sie von einem fremden Mann in ihrem Hauseingang angesprochen. Sie weiß, sie soll nicht mit Fremden sprechen, dennoch möchte sie nicht unhöflich sein. Doch was Adélaïde nicht weiß, dieser Mann will nichts gutes. Mit 9 Jahren wird Adélaïde vergewaltigt. Ihr Vater merkt schnell, dass etwas nicht stimmt, und so vertraut sie sich ihren Eltern an.

Jahre vergehen, wo Adélaïde Bon ihr Leben weiter führt, und das Geschehene in den Hintergrund rückt – doch wie alles Verdrängte, schleicht sich auch dieses Ereignis wieder in den Vordergrund.
Adélaïde Bon fängt an Theater zu spielen und versucht sich nichts anmerken zu lassen, doch wenn sie mit einem Mann schlafen will, kommt die Angst in ihr hoch.
Als sie eines Tages einen Anruf bekommt, scheint das Schicksal es endlich gut mit ihr zu meinen, doch wird sie Frieden finden, wenn sie ihrem Peiniger gegenüber stehen wird ?


Meinung:

Adélaïde Bon schrieb in diesem Buch ihr schlimmes Ereignis, wie sie als Kind von einem fremden Mann vergewaltigt wir. Ihr Leben verläuft auf und ab, sie rutscht ab und fängt sich wieder – doch nie kann sie das schlimme Ereignis von sich schütteln. Mir gefiel sehr gut, die detaillierte Beschreibung, wie die Jahre für Adélaïde Bon waren, wie sie nicht aufgab und trotz schwerer Rückschläge, stark blieb. Ein tragisches Ereignis und eine Kämpferin, die zeigt, dass Menschen mit so einem schrecklichen Erlebnis nicht allein sind und stark sein sollen.



Cover und Titel:

Das Cover und der Titel passen sehr gut zu der Geschichte, denn beides ist mehrfach in die Geschichte mit eingearbeitet. Die Qualle ist symbolisch gemeint, wie sie sich in Adélaïde Bon einnistet und langsam ihre Tentakeln ausbreitet.
Adélaïde ist das Mädchen auf dem Eisfeld – allein und nicht wissend, ob das Eisfeld sie tragen kann, oder sie unter ihrer Last zusammen bricht.


Die Geschichte:
Die Geschichte ist sehr detailliert beschrieben. Man begleitet Adélaïde Bon durch die Jahre nach der Vergewaltigung. Hier hätte ich mir jedoch am Anfang vielleicht eine kleine Warnung gewünscht, denn bei Opfer einer Vergewaltigung, könnten Erinnerungen hoch kommen – wo der Leser etwas vorgewarnt ist, dass dies keine einfache Lektüre ist, sondern detaillierte Ereignisse geschildert werden.


Die Charaktere:

Adélaïde Bon ist eine Kämpferin. Sie ist eine Frau die ihre Stärke zeigt, obwohl sie sich oft durchboxen muss im Leben. Eine Frau, die zeigt, dass man die Hoffnung nicht aufgeben sollte.



Der Schreibstil:

Der Schreibstil ist leicht zu verstehen und gut zu lesen. Das einzige was mir nicht gefiel, ist, das Adélaïde Bon sich in der ersten Hälfte als dritte Person beschreibt, wodurch ich anfangs keinen emotionalen Bezug zu ihr bekam. Kurz vor der Hälfte wechselt sie spontan in die Ich-Form -ich verstehe leider bis jetzt nicht warum-, diese Erzählweise hat mir aber deutlich besser gefallen und ich hätte mir diese von Anfang an gewünscht.




Fazit:

Eine detaillierte und emotionale Biografie, die dennoch viel Stärke ausdrückt. Opfer einer Vergewaltigung sollten sich dennoch im Klaren sein, das Erinnerungen und Emotionen wieder aufgewühlt werden könnten. Doch das Buch macht auch deutlich, dass betroffene nicht alleine sind und nicht den Lebensmut verlieren sollen – und vor allem nicht zu schweigen.
Ich kann dieses Buch wirklich empfehlen.