Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau
Es heißt ja immer, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau stehe. Bei den Churchills traf das offenbar tatsächlich zu. Auch wenn Clementine Churchill, geborene Hozier, durchaus selbst mit ...
Es heißt ja immer, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau stehe. Bei den Churchills traf das offenbar tatsächlich zu. Auch wenn Clementine Churchill, geborene Hozier, durchaus selbst mit den Anforderungen gehadert hat, die das Amt ihres Mannes und die Erziehung der Kinder mit sich brachte, so war sie eine der eher wenigen Frauen, die sich aktiv einbrachten und nicht nur schmückendes Beiwerk an der Seite ihres Ehegatten waren.
Bereits 1908, als Winston und sie heiraten, merkt Clementine, dass er von ihr nicht erwartet, das Heimchen am Herd zu geben, sondern ihn zu unterstützen und – was damals sehr ungewöhnlich war – ihn auch in politischen Fragen zu beraten. Winston ist ein Visionär, der sich nicht weniger auf die Fahnen geschrieben hat, als in die Geschichtsbücher einzugehen als großer Politiker. Deshalb erwartet er, dass seine Frau ihn dabei bedingungslos unterstützt.
Und das kommt ihrem Wesen zupass, denn Clementine ist eine tatkräftige Frau, die sich weder scheut ihre Meinung zu vertreten noch, mit den Waffen einer Frau zu agieren, um ihre Ziele zu erreichen.
Marie Benedict schreibt über Clementine Churchill aus der Ich-Perspektive. Damit sind die Leser*innen sehr nah dran an der Person und ihren Gedanken. Das ist bei einer Biografie grundsätzlich ein kluger Schachzug, allerdings war Clementine eine Art „Naturgewalt“, die sich nicht über mangelndes Selbstbewusstsein beklagen konnte – und so gerieten mir manche Gedanken, die sie in diesem Buch äußert, etwas zu selbstgefällig. Ich bekam den Eindruck, dass Clementine von sich glaubt, die einzige zu sein, die Winston Churchill auf der politischen Bühne in die richtige Richtung lenken kann und dass seine Karriere allein ihr Verdienst ist.
Sicherlich, Churchill scheint kein einfacher Charakter gewesen zu sein und erwartete das gleiche Arbeitspensum, das er sich auferlegte, auch von anderen. Da konnten nicht viele mithalten. Selbst Clementine bemerkt, dass sie sich ab und zu Auszeiten gönnen muss, um den Anforderungen gerecht werden zu können und baut diese dann auch konsequent in ihr Leben ein. Dennoch erschien sie mir in vielen Situationen etwas hochmütig und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Frau hätte mögen können, wenn ich ihr tatsächlich einmal begegnet wäre. Ich ziehe meinen Hut vor der Leistung, die sie im Hintergrund des politischen Gefüges erbracht hat, wie sie unermüdlich für die Karriere ihres Mannes gekämpft hat – aber sie wird mir leider nicht als sympathisch in Erinnerung bleiben.
Ein wenig schade fand ich, dass das Buch mit dem Ende des 2. Weltkriegs relativ abrupt endet. Natürlich, es war der größte Verdienst von Winston und Clementine, diesen Frieden maßgeblich mitgestaltet und damit quasi die Welt gerettet zu haben. Es setzt auch grundsätzlich damit einen schönen Schlusspunkt unter den größten und anstrengendsten Kampf, den die beiden in der politischen Karriere Churchills ausfechten mussten. Dennoch hätte mich interessiert, wie ihr Leben danach weiter verlaufen ist – denn immerhin lebte sie danach noch mehr als 30 Jahre und ihr Mann noch 20. Leider findet sich dazu noch nicht einmal eine Erwähnung im Nachwort.
Insgesamt finde ich, dass dieses Buch einen wichtigen Beitrag leistet, um die Weltgeschichte differenzierter zu betrachten und auch die Menschen im Hintergrund großer Namen wahrzunehmen – denn in der Regel ist der Erfolg eines Einzelnen aufgebaut auf ein Netzwerk vieler, die ihn oder sie unterstützen. So auch bei den Churchills, die es zudem auch geschafft haben, durch alle Stürme des Lebens hindurch immer ein liebendes Paar zu bleiben. Ich möchte dieses Buch allen ans Herz legen, die sich für die Geschichte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessieren.