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Veröffentlicht am 15.08.2018

Drei Frauen, drei Schicksale, eine Geschichte

Der Zopf
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Kurzmeinung:
Drei Frauen auf drei Kontinenten und drei sehr unterschiedliche Leben. Ein Buch voller Frauenpower, dass von interessanten und bewegenden Schicksalen erzählt und mich trotzdem irgendwie nicht ...

Kurzmeinung:
Drei Frauen auf drei Kontinenten und drei sehr unterschiedliche Leben. Ein Buch voller Frauenpower, dass von interessanten und bewegenden Schicksalen erzählt und mich trotzdem irgendwie nicht erreichen konnte.



Meine Meinung:
Drei Fauen auf drei Kontinenten. Eigentlich haben sie nichts miteinander zu tun. Dennoch werden ihre Geschichten nach und nach miteinander verflochten. Wie die drei Stränge eines Zopfs.

Es gibt Smita, eine Dali -eine Unberührbare, die in Indien dafür kämpft, dass ihre Tochter Bildung bekommt und es einmal besser hat, als sie selbst.
Dann gibt es Giulia in Sizilien, die versucht, die Perrückenfabrik ihrer Familie vor dem Bankrott zu retten.
Und die erfolgreiche Anwältin Sarah aus Montreal. Sie hat es geschafft, die gläserne Decke zu durchbrechen und ist Partnerin in einer angesehenen Kanzlei. Ständig muss sie sich beweisen und gegen männliche Kollegen durchsetzen. Um das zu erreichen, hat sie für sich eine strikte Trennung von Arbeit und Privatleben etabliert. Doch bald muss sie nicht nur ihre drei Kinder vor ihren Arbeitgebern verbergen, sondern auch eine schlimme Krankheit. Doch sie ist fest entschlossen, sich davon nicht in die Knie zwingen zu lassen.

Eigentlich eine sehr schöne Geschichte mit viel Potential. Trotzdem -so richtig erreichen konnte mich die Geschichte nicht. Die Schilderungen waren mit stellenweise zu knapp und zu oberflächlich.
Wirklich berührt haben mich Smitas Abschnitte. Es ist wirklich unvorstellbar, was die Frauen in Indien erleiden müssen. Und erst recht, wenn sie einer niedrigen Kaste angehören. Eine Frau ist dort nichts wert. Um einen Mann zu bestrafen, wird seine Frau oder Schwester vergewaltigt. Öffentliche Vergewaltigungen sind eine rechtlich anerkannte Strafe für bestimmte Vergehen von Frauen. Einfach absolut schrecklich und barbarisch und für mich unvorstellbar.
Auch Sarahs Abschnitte haben interessante Seiten. Sie hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Natürlich ist die Stellung der Frau in Kanada nicht mit der in Indien zu vergleichen. Dennoch gibt es auch für Sarah Schwierigkeiten. Als Frau muss sie in ihrem Beruf immer doppelt so viel Leisten, um sich gegen ihre männlichen Kollegen durchzusetzen. Sie beschreibt sehr anschaulich das Dilemma, dass sie hat, wenn sie für ihre berufliche Ambitionen lange Arbeitstage in Kauf nehmen muss und dafür wenig Zeit für ihre Kinder hat. Wie es sie zerreißt. Und das für ihre beiden Exmänner das nicht mal eine Frage war, sondern die Care Aufgaben ganz automatisch der Mutter zugefallen sind, obwohl beide Elternteile im selben Job arbeiten. Das alles sind Themen, an denen ich persönlich natürlich viel näher dran bin. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) war Sarah die Figur, die mich am wütendsten gemacht hat und mit deren Entscheidungen ich die größten Probleme hatte. Ich konnte ihre Haltung oft nicht nachvollziehen und das hat mich beim Lesen manchmal echt fuchsteufelswild gemacht.
Also auf dieser Ebene hat das Buch schon etwas in mir ausgelöst, gleichzeitig sind mir die Charaktere aber auch sehr fremd geblieben.

Oh, vollkommen verliebt bin ich aber übrigens in das wunderschöne Cover. Wie genial ist das bitte? Dafür gibt es definitiv ein paar dicke Pluspunkte! <3


Fazit:
Der Zopf von Laetitia Colombani wurde von vielen ja ganz überschwänglich gelobt. Ich kann mich dieser Begeisterung nicht so ganz anschließen.
Ich mochte es sehr, dass hier drei Frauen und ihr Schicksal im Mittelpunkt stehen. Und das (ausnahmsweise mal) ohne, dass sich ihr Handeln und ihre Gedanken um einen Mann drehen. Ein Buch voller Frauenpower. Das finde ich echt super.
Die Geschichten sind auch echt ganz nett und teilweise auch erschütternd. Sollten sie zumindest sein. Aber irgendwie hat das Buch nicht so richtig was in mir ausgelöst. Ich wurde nicht so richtig warm damit und konnte mich auch vielleicht nicht so sehr darauf einlassen. Am Ende hat mir auf jeden Fall das gewisse Etwas gefehlt.

Veröffentlicht am 03.07.2018

Hat Stärken und Schwächen

Mercy Seat
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Kurzmeinung:
Ein sehr großes Thema: Rassismus, ein Todesurteil aufgrund der Hautfarbe, ein Junge, der seine letzten Tage vor seiner Hinrichtung schildert. Leider konnte das Buch bei mir persönlich nicht ...

Kurzmeinung:
Ein sehr großes Thema: Rassismus, ein Todesurteil aufgrund der Hautfarbe, ein Junge, der seine letzten Tage vor seiner Hinrichtung schildert. Leider konnte das Buch bei mir persönlich nicht das halten, was ich mir von der Geschichte versprochen habe. Wegen des wichtigen Themas und den starken Abschnitten über den Verurteilten ist es aber trotzdem lesenswert.


Meine Meinung:
Ein Buch mit einem unglaublich wichtigem Thema, mit sehr viel Potential. Ich wünschte, ich hätte es mehr mögen können. Aber irgendwie hat es mich nicht so richtig berühren können.
Wills Abschnitte sind mir echt unter die Haut gegangen, aber davon gab es so wenig. Und die anderen Abschnitte haben mir einfach zu oft gewechselt. Ingesamt wird die Geschichte aus Sicht von 9 verschiedenen Personen erzählt. Und das sind mit einfach zu viele Perspektiven, zu viele Wechsel, als das ich da mit jemandem wirklich hätte mitfühlen können. Dadurch sind für mich die Gefühle und Motive der einzelnen Personen manchmal auch zu sehr an der Oberfläche geblieben.

Dieses Buch befasst sich wirklich mit krassen Themen. Todesstrafe. Rassismus. Ein Junge, der aufgrund seiner Hautfarbe sterben muss. Man bekommt Einblicke in seine Gedanken, wie er seine letzten Tage au Erden erlebt. Das ging mir wie gesagt wirklich unter die Haut. Aber man lernt auch viele andere Charaktere kennen. Den Pfarrer, der nicht weiß, wie er dem Jungen und seinen Eltern helfen kann, welchen Rat er geben soll und wie er Trost spenden kann. Die Wutbürger, die nichts haben, außer ihrem Hass. Den Vater, der seinen Sohn im Krieg verloren hat und nicht weiß, wie er es seiner Frau sagen soll. Alles sehr ergreifende Schicksale und bedrückende Ereignisse. Durch die vielen und schnellen Perspektivwechsel ist mir aber trotzdem keine der Personen so wirklich nahe gekommen und die Stimmung kam nicht so richtig bei mir an. Vielleicht war das aber auch ganz gut so. Vielleicht hätte ich die Lektüre anders auch gar nicht ertragen, gerade weil es um so unglaublich bewegende Themen geht.

Sehr gut transportiert hat das Buch aber die (auch teils gespaltene) Stimmung in der Gesellschaft zu der Zeit, und auch die Tatsache, dass trotz so gravierender Ereignisse und diesem schlimmen Schicksal von Will, jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat.


Fazit:
Ein Buch, das mich irgendwie gespalten zurücklässt. Ich habe mich im Vorfeld ein bisschen vor der Lektüre gefürchtet, weil ich Angst vor diesem bewegenden Thema hatte. Angst, dass es mich zu sehr mitnimmt. Dann auch noch vor dem Hintergrund, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. Doch dann ist quasi das Gegenteil passiert: Das Buch konnte mich nur in seltenen Momenten wirklich berühren. Vielleicht war es ganz gut so, weil man so dieses schwierige Thema leichter ertragen konnte. Dennoch: dieses Thema darf wehtun, finde ich. Es darf (und sollte vielleicht sogar) bewegend, aufrütteln und erschüttern.
Durch die vielen Perspektivwechsel und die an der Oberfläche bleibenden Schilderungen wurde da meiner Meinung nach Potential verschenkt.
Dennoch lohnt sich die Lektüre, um sich ein Bild von der gesellschaftlichen Stimmung in den Südstaaten der 1940er zu machen. Um sich mit dem Thema Rassismus und dieser grenzenlosen Ungerechtigkeit zu konfrontieren.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Geschichtliche und technische Fakten verpackt in eine spannende Story.

Die letzten Tage der Nacht
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Kurzmeinung:
Geschichtliche und technische Fakten verpackt in eine bestens unterhaltende Story. Moore entführt uns ins Amerika des 19. Jahrhunderts, mitten in den elektrischen Krieg. Ein Buch voller Technik, ...

Kurzmeinung:
Geschichtliche und technische Fakten verpackt in eine bestens unterhaltende Story. Moore entführt uns ins Amerika des 19. Jahrhunderts, mitten in den elektrischen Krieg. Ein Buch voller Technik, Wissenschaft und Recht, voller Ego und Ehrgeiz, aber auch über Liebe und Loyalität.


Meine Meinung:
Bei "Die letzten Tage der Nacht" handelt es sich um ein gutes Buch -keine Frage. Moore verbindet geschichtliche und technische Fakten mit einer spannenden Geschichte. Eine Vielzahl verschiedener und jeweils ganz eigener Charaktere teilen sich den interessanten Schauplatz. New York im 19. Jahrhundert. Und auch die Themenvielfalt ist beachtlich. Moore erzählt von Ehrgeiz und dem großen Ego großer Männer. Er erzählt von technischem Fortschritt und Erfindergeist, von großen Visionen ebenso, wie von juristischen Feinheiten. Es werden bahnbrechende Ideen reduziert auf eine Klausel im Vertrag.

Der Ton der Erzählung war dabei aber immer auch ein bisschen komisch und hat der Geschichte etwas Leichtes gegeben.

Interessant fand ich auch die Betrachtung der Motive, die die Männer im Zentrum der Geschichte zu ihren Taten getrieben haben. Für den einen war es Macht und Geld, für den anderen Ego und Arroganz, oder der Versuch, eine Frau zu beeindrucken. Und für wieder einen anderen stand einfach der Durst nach Wissen und der Drang, Neues zu entdecken im Vordergrund. Das wurde sehr schön und differenziert dargestellt, allerdings auf eher subtile Weise. Das hat mir gut gefallen.
Ich habe einiges aus diesem Roman lernen können, über die Anfänge der Elektrizität und Generatoren, genauso wie über Patentrecht und juristische Fallen in Verträgen.

Und auch der emotionale Bereich wurde bedient, wie ich fand aber eher halbherzig. Da gab es zwar die Liebesgeschichte zwischen Paul Cravath und XXX, aber die hätte man eigentlich auch weglassen können. Ich hatte eher das Gefühl, die wurde da mit eingebaut, um eben auch das Thema Liebe abzudecken, aber so richtig gut in den Erzählfluss hat es nicht reingepasst. Für mich hatten diese Abschnitte immer eher etwas von einem unnötigen Nebenschauplatz.

Und das bringt mich auch zu meinem größten Kritikpunkt an diesem Buch. Es ist spannend und unterhaltsam geschrieben. Es behandelt interessante Themen, ist lehrreich, bietet einen tollen Handlungsschauplatz. Aber dennoch hat mir etwas gefehlt, weshalb mich die Geschichte nicht vollkommen überzeugt hat. Und das ist die Tiefe. Ich habe das Buch gerne gelesen, aber dann habe ich es zugeklappt und es ist nichts geblieben. Es hat nichts in mir nachgehallt, es hat mich nach dem Lesen nicht weiter beschäftigt.
Vielleicht kann das gar nicht jedes Buch und vielleicht wollte das dieses Buch auch gar nicht. Aber mir ist es einfach negativ aufgefallen, das irgendwie nicht so richtig etwas "bei mir angekommen" ist.

Fazit:
Ein nettes Buch mit einem interessanten Thema. Es hat mich gut unterhalten und ich habe sogar einiges über den Stromkrieg und die technische Entwicklung dahinter lernen können. Dennoch hat mir irgendwie etwas gefehlt und das Buch konnte mich nicht so richtig erreichen und berühren.
Für eine leichte Lektüre zwischendurch ist es aber sehr geeignet.

Veröffentlicht am 07.02.2018

Wichtiges Thema, aber nicht immer gut umgesetzt

Kleine große Schritte
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Kurzmeinung:
Obwohl ich sonst ein großer Picoult Fan bin, kann ich mich dieses Mal der Begeisterung nicht 100%ig anschließen. Zwar ist das Thema sehr wichtig und die Intention sehr gut, die Umsetzung allerdings ...

Kurzmeinung:
Obwohl ich sonst ein großer Picoult Fan bin, kann ich mich dieses Mal der Begeisterung nicht 100%ig anschließen. Zwar ist das Thema sehr wichtig und die Intention sehr gut, die Umsetzung allerdings fand ich nicht so gelungen.


Meine Meinung:
"Kleine große Schritte" behandelt ein sehr wichtiges Thema –Rassismus– und ich bin froh, dass es geschrieben wurde und viel gelesen wird. Dennoch bin ich nicht so richtig warm mit der Geschichte geworden und ich habe einige Kritikpunkte.
Zum einen würde ich mir gerade zu diesem Thema lieber mehr "own voice" Bücher wünschen. Obwohl Picoult im Nachwort ganz gut beschreibt, dass sie sich der Problematik bewusst ist und was ihre Gründe waren, dieses Buch dennoch zu schreiben:


"Ich schreibe für meine eigene Gemeinschaft –Weiße–, die kein Problem haben, einen Neonazi als Rassisten auszumachen –den eigenen Rassismus aber nicht erkennen." S. 583

Außerdem ist die Übersetzung an mancher Stelle nicht gut gelungen. Zum Beispiel wird in dem Buch sehr oft das Wort "Farbige" verwendet, welches eine Fremdbezeichnung aus der Kolonialzeit ist. Also wird ein rassistisches Wort in einem Anti-Rassismus-Roman verwendet. Da muss man sich schon echt wundern, wie dass dem Verlag passieren konnte. Ich hoffe, dass wird in zukünftigen Ausgaben noch geändert.

Aber auch die gesamte Geschichte hat mir nicht so gut gefallen. Für mich wirkten viele Szenen sehr konstruiert und man konnte genau erkennen, warum diese Handlung gerade nötig ist, um uns einen bestimmtem Aspekt von Rassismus zu erklären. Dadurch wirkte der Roman für mich aber oft unauthentisch und die Personen kamen mir nicht sehr nahe. Da war für mich zu viel erhobener Zeigefinger dabei.
Manchmal fiel es mir aber auch schwer, die Geschichte zu akzeptieren, weil manche Situationen für mich so unvorstellbar waren, dass ich sofort eine gewisse Reaktanz gespürt habe. Ein bisschen "Kann das wirklich so sein, oder ist das nicht etwas übertrieben?" Und genau deswegen finde ich dieses Buch eben trotz meiner Kritikpunkte so wichtig. Denn es hat mich dazu gezwungen, mir immer wieder bewusst zu machen, dass es zwar nicht meine Lebensrealität ist, aber die von vielen anderen Menschen auf der Welt. Und dass auch Ignoranz schon ein Privileg ist.


Fazit:
Insgesamt ist es ein Buch, das man gut lesen kann und gerade für Picoult Zielgruppe (privilegierte, weiße Leser_innen) bestimmt sehr viel Lehrreiches und Denkanstöße enthält. Ich hatte mir aber mehr von dem Roman erhofft und war daher und wegen der angesprochenen Kritikpunkte etwas enttäuscht.


Fun Fact:
Zu dem Buch gibt es auch ein kleines Prequel, "Das Mädchen mit den roten Schuhen", das nur als eBook erschienen ist. Darin wird die Kindheit der Protagonistin Ruth beschrieben wird. Ich finde es eine gute Idee und eine sinnvolle Ergänzung zu der Geschichte.

Den Roman "Kleine große Schritte" gibt es auch als Hörbuch. Von diesem möchte ich euch aber ausdrücklich abraten. Ich habe ein bisschen hineingehört, und immer mal wieder mit dem Roman verglichen. Die Hörbuch- Geschichte ist so stark gekürzt, dass wirklich viele wichtige Szenen fehlen. Der Rest wirkt wie zusammengestückelt und hat für mich auch teilweise nur wenig Sinn ergeben, weil eben wichtige Handlungsstücke weggelassen wurden.

Veröffentlicht am 23.01.2018

Kühle Analyse einer unvorstellbaren Katastrophe

Dann schlaf auch du
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Kurzmeinung:
Das eindringliche Psychogramm einer Nanny. Der Anfang ist gleich ein Schock und so verläuft der Rest des Romans eher antiklimaktisch. Dennoch konnte ich mich dem Sog nicht entziehen und das ...

Kurzmeinung:
Das eindringliche Psychogramm einer Nanny. Der Anfang ist gleich ein Schock und so verläuft der Rest des Romans eher antiklimaktisch. Dennoch konnte ich mich dem Sog nicht entziehen und das Unbehagen wuchs mit jeder Seite mehr. Teilweise hatte die Geschichte aber auch einige Längen.

Meine Meinung:
Über diesen Roman hatte ich im Vorfeld schon sehr viele Meinungen gelesen –und diese gingen sehr auseinander. Das Buch scheinte zu polarisieren und so war ich sehr gespannt, wie es mir gefallen würde.
Die Geschichte beginnt gleich mit einem großen Paukenschlag. Die große Katastrophe –die Nanny hat die beiden Kinder umgebracht. Überall Blut, Panik und die verzweifelten Schreie der Eltern.
Da ist es natürlich klar, dass der Rest des Romans antiklimaktisch verläuft. Die Handlung macht einen Sprung zurück in die Zeit, als das Ehepaar Massé auf der Suche nach einer Nanny sind und ihr Glück kaum fassen können, als sie Louise finden und sie sich als wahrer Engel erweist. Wir erfahren nun abwechselnd aus Miriams und Louises Sicht, wie sich die Dinge entwickeln. Ab und zu gibt es auch Einschübe von anderen Personen, die Louise beschreiben. Die Darstellung von Louise wird auch durch Rückblicke in ihr Leben ergänzt. So entwickelt sich nach und nach das Psychogramm der Nanny, wie ihr Leben verlaufen ist, was sie zu der Person machte, die sie heute ist und was sie schließlich zu der schrecklichen Handlung gebracht hat.
Dies geschieht in leisen Tönen. Nach dem Höhepunkt direkt am Anfang fällt die Geschichte in einen ruhigen Erzählton und erzeugt nach und nach eine subtile Spannung und erzeugt beim Leser ein stetig wachsendes Unwohlsein.
Es ist fast schon gruselig mitzuerleben, wie Louise sich nach und nach "ihr Nest inmitten der Wohnung" bereitet (S. 56) und immer wichtiger wird, wobei man doch als Leser*in weiß, was Schreckliches passieren wird.
Die Spannung baut sich in diesem Roman nicht dadurch auf, dass man nicht weiß, was passiert. Das ist schließlich schon nach dem ersten Satz klar. Die Spannung entsteht durch die Rückblicke und Einblicke, in das Leben. Dadurch, dass man mitverfolgen kann, wie es dazu kam, was Louise hat so eskalieren lassen.

Gleichzeitig gewährt uns "Dann schlaf auch du" einen Einblick in die französische Gesellschaft. In die verschiedenen Schichten. Auf der einen Seite die wohlhabenderen Familien, auf der anderen Seite ihre Nannys, die oft Einwanderer sind, manchmal illegal. Wir lesen von Müttern im Zwiespalt zwischen den Wunsch, bei ihrer Kindern zu sein und dem Bedürfnis nach beruflicher Verwirklichung und Anerkennung. Wir begegnen frustrierten Vätern, die das Familienleben nicht auslastet und gleichzeitig überfordert. Diese vielen verschiedenen Perspektiven haben mir gut gefallen.

Verwirrt war ich allerdings manchmal, wenn diese Perspektiv- oder auch Zeitenwechsel so überraschend kamen. Manchmal mitten im Absatz. Da habe ich dann erstmal ein paar Zeilen gebraucht, um mich neu in der Geschichte zu orientieren. Das hat meinen Lesefluss manchmal gestört.

Das Buch hat von mir außerdem keine bessere Bewertung bekommen, weil es mich trotz der unheilvollen Geschichte nicht wirklich erreicht hat. Die Personen blieben mir immer fremd und distanziert. Zwar hat der Roman mich zwischendurch gefesselt und mich auch in seinen Bann gezogen, aber nachdem die letzte Seite gelesen und das Buch zugeschlagen wurde, blieb nichts zurück. Kein Nachhall, keine Emotionen, die erst noch abklingen müssen.
Vielleicht ist es gut, dass die Geschichte so eine Distanz behält. Vielleicht hätte man mehr Emotionen bei einem Doppelmord an kleinen Kindern auch gar nicht ertragen.
Aber ich hatte mich auf etwas anderes eingestellt, hatte etwas anderes erwartet und deswegen ist meine Bewertung so ausgefallen.


Fazit:
Ein gutes Buch, dass trotz des ungewöhnlichen Aufbaus einen Sog auf die LeserInnen ausübt. Sehr analytisch und kühl gewährt es Einblicke in die Psyche einer Frau –der Nanny– und in das ganze Familiengefüge der Massés. Dennoch bleibt die große Begeisterung bei mir aus, weil mich die Geschichte nicht erreicht hat.