Profilbild von Aennie

Aennie

Lesejury Profi
offline

Aennie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Aennie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2024

Auf ein Neues mit Leclerc!

Bedrohliche Provence
0

Niemals geht man so ganz… und schon gar nicht, wenn man in den Ruhestand geht, und vor allem nicht, wenn man Albin Leclerc ist. Offiziell nur noch als Berater der Polizei tätig, ist er aber immer noch ...

Niemals geht man so ganz… und schon gar nicht, wenn man in den Ruhestand geht, und vor allem nicht, wenn man Albin Leclerc ist. Offiziell nur noch als Berater der Polizei tätig, ist er aber immer noch mittendrin im Geschehen und greift nach bestem Wissen und Gewissen ein, wenn es ohne ihn doch nun mal nicht gehen will… Bereits zum 10. Mal wird Leclerc als Ermittler tätig, diesmal kommt er einem Bekannten zu Hilfe, dessen Nicht mit ihrem Freund tot aufgefunden wurde. Die beiden waren zuletzt in Afrika für die Organisation médecins sans frontières tätig und die Umstände sind unklar und werden auch nicht durch das Auffinden zweier weiterer Leichen erhellt. In der Folge taucht Leclerc in einen wahren Sumpf ein, aus dem es sich wieder hinaus zu winden gilt. Selbstverständlich speilen auch Leclercs Umfeld, sein Privatleben und nicht zuletzt der allseits beliebte Mops Tyson eine gewichtige Rolle und machen den 10. Band dieser reihe zu einer runden Sache!
Fazit: nicht der spannendste und nicht der innovativste Krimi auf dem Markt, aber solide Lese-Unterhaltung mit bewährten Charakteren und Settings, macht einfach Spaß.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.06.2023

Die Schatten bleiben

City of Dreams
0

Egal, wie schnell Danny Ryan rennt, oder wie weit - die Vergangenheit ist schneller. Selbst wenn er sich manchmal so fühlt, als hätte er sie abgehängt, steht sie dann doch an der nächsten Ecke. Es scheint ...

Egal, wie schnell Danny Ryan rennt, oder wie weit - die Vergangenheit ist schneller. Selbst wenn er sich manchmal so fühlt, als hätte er sie abgehängt, steht sie dann doch an der nächsten Ecke. Es scheint einfach keinen Weg aus der „Familie“ heraus zu geben, egal ob in L.A. oder Las Vegas – Providence, Rhode Island „Dogtown“ ist überall…
Dabei hatte er es wirklich vor. Nach dem Tod seiner Frau Terri wollte Danny Ryan mit allem abschließen, neu anfangen, heraus aus den Strukturen der irisch-italienischen Dualität an der Ostküste sein Glück im Westen suchen. Hinderlich ist dabei nüchtern betrachtet natürlich, dass er seinen Ausstieg mit einem Betrug an der Mafia ermöglicht hat – und auch seine Entourage weiterhin an seiner Seite ist. Und Unauffälligkeit ist nun nicht gerade die Stärke des Einzelnen. So sieht sich Danny nicht vor dem großen Neubeginn mit seinem Sohn in Kalifornien und Nevada, vielleicht mit einer neuen Liebe, friedlich, in der Sonne, sondern gefangen in alten Strukturen und Abhängigkeiten. Das organisierte Verbrechen, das FBI, alte Verbündete und neue Feinde lassen sich nicht so einfach abschütteln und Danny muss erkennen, dass auch die Traumfabrik an der Westküste für ihn nicht das Ziel darstellen wird.
Ich hatte mit dem ersten Band der Trilogie so meine Problemchen. Winslows Stil war mir zu nüchtern, zu berichtend und nicht fesselnd genug. Trotzdem hat mich dieser zweite Band sehr interessiert und ich muss tatsächlich feststellen, dass er eine ganz andere Faszination auf mich ausübte und ich viel schneller in der Geschichte angekommen bin und diese auch mit Spannung verfolgt habe. Zwar fehlt mir noch immer so ein bisschen die Ausführlichkeit der Sprache und vieles ist mir zu knapp, kalt und verkürzt formuliert, aber ich nehme dies nun als den individuellen Ton dieses Autors wahr und fand es letztendlich in meiner Bewertung dann für die Geschichte passend.
Fazit: es hat sich gelohnt, auch den zweiten Band zu lesen, denn nun bin ich tatsächlich gespannt, welchen Weg, Danny Ryan im abschließenden Band versucht, für sich zu finden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2022

Die Familie ist alles

Die Familie
0

Erst im Laufe der Jahre verstehen Sofia Colicchio und Antonia Russo, was das bedeutet. Was die Familie ist, die sich nicht nur auf die eigene Wohnung beschränkt. Warum es so viele Männer mit Pomade im ...

Erst im Laufe der Jahre verstehen Sofia Colicchio und Antonia Russo, was das bedeutet. Was die Familie ist, die sich nicht nur auf die eigene Wohnung beschränkt. Warum es so viele Männer mit Pomade im Haar gibt, die sich sonntags um den Esstisch drängen – was ihre Väter im Familiengeschäft tun, und warum die Menschen im Viertel Angst vor ihren Vätern zu haben scheinen und neu gewonnene Freundinnen am nächsten Tag plötzlich nicht mehr auf dem Schulhof mit ihnen spielen, sondern Abstand halten. Sie leben fast in einem Paralleluniversum und klammern sich lange Jahre fest aneinander, so unterschiedlich sie auch sind. Sofia, die temperamentvollere, aufbrausende, mit dem Aufblitzen der Gefahr in den Augen und dem ungesunden Vergnügen an der Möglichkeit Rache zu üben und die stillere, introvertiertere Antonia, die einerseits Sofia am Boden hält, aber andererseits ohne den „Aktivposten“ an ihrer Seite vollkommen unsichtbar würde. Sinnbildlich stehen beide Mädchen für ihre Väter, für ihre Mütter, für die Stellung innerhalb der Familie und damit für alles, was ihnen zustößt, wie sich ihre Charaktere entwickeln, welche Männer sie wählen und welchen Weg ihr Leben nimmt. Die Familie und die Tatsache in sie hineingeboren worden zu sein, bedeutet für diese beiden unendlich viel mehr, als es für jeden anderen bedeutet, der wirklich nur eine Familie aus Bluts- und angeheirateten Verwandten um sich schart.
Naomi Krupitsky ist ein Mafia-Roman der ganz anderen Art gelungen. Aus der Sicht von Frauen zu schreiben, die eigentlich außen vor sind, am besten nicht zu viel wissen, in der Küche verschwinden und ansonsten nicht zu viele Fragen zum Geschäftlichen stellen sollten, ist denke ich ungewöhnlich. Das Ganze jedoch noch früher anzusetzen mit zwei kleinen Töchtern, die ihren gesamten Lebensweg noch vor sich haben, der jedoch von Geburt an ein so hohes Maß an Prädestination aufweist, finde ich noch um einiges spannender. Der Fokus liegt daher auch nicht auf den Geschäften, der Gewalt und der generellen Kriminalität der mafiösen Strukturen, sondern auf dem Bewusstwerden der eigenen Position in diesem Gefüge, der Stellung der Väter, der Realisierung dessen, was diese tun, die (Ohn-)Macht der Mütter und schlussendlich dem eigenen Umgang damit. Der Roman liest sich flüssig und man bleibt als Leser die ganze Zeit über nah am Geschehen und mitten in der Geschichte. Sofia und Antonia sind so unterschiedlich, dass man auch im Laufe des Lesens immer mal wieder die Favorisierung wechselt, mal kann man die eine, mal die andere mehr verstehen oder mit ihr fühlen. Es ist ein richtiger „Familienroman“, ohne all das was man eindimensional mit diesem Schlagwort verbinden würde – Romantik, vielleicht sogar Kitsch, Familiengeheimnisse, Menschen, die sich gegen andere verbünden, ein Unglück, das alles ändert. All das gibt es hier nicht im üblichen Sinne und doch ist der Roman voll davon – außer dem Kitsch, den sucht man zurecht vergeblich.
Fazit: volle Punktzahl für eine innovative Idee und die angenehme Erzählweise, kleiner Abzug für kleine Logikfehler oder Ungenauigkeiten, die mich einfach beim Lesen ärgern, wenn ich darüber stolpere: plötzlich ist Saul nicht mehr 15 als er immigrierte, sondern 21, Julia muss ein selten geniales Kind sein, da sie mit gerade mal sechs Jahren die National Geographic liest und noch so ein zwei Kleinigkeiten in dieser Richtung. Fällt nicht super schwer ins Gewicht, mir aber auf.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.03.2022

Verstrickung

Vertrauen
0

Eigentlich hat Avi Avraham genug davon, in immer gleichen, unbedeutenden Ermittlungen der Polizei Tel Aviv festzustecken. Er möchte viel mehr etwas bewegen, etwas was die Sicherheit des Landes beeinflusst, ...

Eigentlich hat Avi Avraham genug davon, in immer gleichen, unbedeutenden Ermittlungen der Polizei Tel Aviv festzustecken. Er möchte viel mehr etwas bewegen, etwas was die Sicherheit des Landes beeinflusst, mehr ermitteln, mehr denken, mehr bewirken, als einfach nur Fälle aufnehmen und abhaken. Das man manchmal mit seinen Wünschen etwas vorsichtig sein sollte, wird ihm erst im Laufe seiner Ermittlungen in zweien eben jener unbedeutenden Fälle klar. Ein ausgesetzter Säugling und ein verschwundener französischer Tourist aus einem eher unterklassigen Hotel stellen genau das dar, worauf Avi keine Lust mehr hat. Plötzlich beginnt sich aus dieser Konstellation jedoch eine ganz andere, verstricktere heraus zu entwickeln, die ihn tatsächlich in ganz andere Sphären katapultiert. Er hat es nicht nur mit internationaler Zusammenarbeit mit den Behörden in Frankreich zu tun, sondern auch mit dem Geheimdienst. Und der Mossad macht ihm auf nicht allzu subtile Weise klar, wo seine Grenzen liegen. Avi muss erkennen, dass auch eine herausragendere Ermittlung ihre Nachteile haben kann und plötzlich ganz andere Mitspieler auf den Plan ruft.
Für mich war es das erste Buch des Autors. Ich kenne die Vorgängerbände um Kommissar Avi Avraham demnach nicht (es handelt sich hier um den vierten band einer Reihe), fand das aber auch vollkommen unproblematisch. Für den aktuellen Plot fehlt dem (unwissenden) Leser nichts, was das Verständnis schmälern würde. Die Einschätzung ist immer anders, wenn man die Horizontalhandlung rund um die Geschichte der Ermittler etc. kennt, aber ganz subjektiv kann ich sagen, mir hat nichts gefehlt bzw. auch wurden keine dauernden oder unverständlichen Bezüge auf Vergangenes gestellt, die existenten Referenzen waren in sich nachvollziehbar.
Insgesamt würde ich sagen, ich habe einen unaufgeregten, aber nicht minder spannenden Kriminalroman gelesen. Hier herrscht keine große Effekthascherei vor, die Ereignisse stehen mit ihrer Bedeutungstiefe auch so ausreichend für sich selbst. Der Stil ist demnach auch nicht reißerisch, sondern sehr tiefgründig und anspruchsvoller als der Durchschnittskrimi.
Fazit: sollte an sich drauf einlassen, unterhaltsam und qualitativ ansprechend zugleich!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.02.2022

Held wider Willen und besseren Wissens

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
0

Michael Hartung führt seit Jahren ein Leben ohne besondere Vorkommnisse. Hart ausgedrückt könnte man auch sagen: er ist gescheitert. Wohnt im Hinterzimmer seiner schlecht laufenden Videothek, zur Tochter ...

Michael Hartung führt seit Jahren ein Leben ohne besondere Vorkommnisse. Hart ausgedrückt könnte man auch sagen: er ist gescheitert. Wohnt im Hinterzimmer seiner schlecht laufenden Videothek, zur Tochter besteht kein Kontakt, ein Sozialleben spielt sich zwischen dem Kiosk gegenüber und Begegnungen mit Nachbarin Beate ab. Irgendwie war es auch nie anders. Eine große Laufbahn war für ihn in der DDR nicht geplant, ein paar Jahre Stellwerksmeister, dann im Braunkohleabbau, schließlich die Videothek, kurz vor dem Aus. Michael führt sein Leben leidenschaftslos.
Zum 30. Tag des Mauerfalls braucht ein aufstrebender Journalist nun eine Story, jenseits des drögen immer wieder gleichen Berichts zur Wiedervereinigung. So stößt Alexander Landmann auf eine Geschichte, die ihresgleichen sucht: eine Massenflucht in einem S-Bahn-Zug über den S-Bahnhof Berlin-Friedrichstraße. Hauptrolle: Michael Hartung. Der ist vollkommen konsterniert, als der Journalist ihm von seiner Heldentat berichtet. Selbstverständlich an den Zwischenfall kann er sich erinnern, nicht jedoch an seine heldenhafte Rolle in diesem Szenario. Letztlich lockt der finanzielle Anreiz, aber er hält sich vage. Dann jedoch gewinnt die ganze Sache eine aufhaltbare Eigendynamik. Die Story wird ohne weitere Absprache zum Aufmacher, denn auch Journalist Landmann hat sich in eine Situation manövriert aus der es kein Zurück mehr gibt. Die beiden kommen überein: Michael Hartung wird den Helden in dieser Geschichte spielen. Wider Erwarten ist dies jedoch keine Eintagsfliege und nimmt Fahrt auf: plötzlich steht der blasse Michael im Mittelpunkt des Interesses. Nicht nur seine Tochter meldet sich, Journalisten belagern sein Zuhause, Talkshow-Auftritte folgen, sogar eine Einladung zum Bundespräsidenten, er verliebt sich in eine Frau, die er unter normalen Umständen nie getroffen hätte. Sein Leben bekommt eine ganz andere Dynamik und doch steht er auch vor Problemen, die er nie zuvor hatte. Und selbstverständlich werden auch Nachforschungen angestellt, denn genauso selbstverständlich gibt es Menschen, die genau wie Michael Hartung wissen, was tatsächlich geschehen ist. Aber einen Helden vom Podest zu schubsen gibt selten gute Publicity…

„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ erzählt die zugleich anrührende als auch humorvolle Geschichte eines Helden wider Willen. Großartig ist die Darstellung der Dynamik, die eine Sache entwickelt, die unfreiwillig ins Rollen gebracht wurde, und fortan Einfluss auf nicht nur ein, sondern viele Leben hat. Michael Hartung ist der Prototyp des unauffälligen Normalverbrauchers, dessen Leben keinerlei Höhen mehr erfahren wird. Ja, diese eine merkwürdige Episode in der Vergangenheit, hat man ja selbst schon fast vergessen. Doch dadurch kommt letztlich sein Leben in Schwung, was ihm auf irgendeine Weise auch gut gefällt, vieles ändert sich für ihn zum Positiven. Gut dargestellt wird, wie in ihm das Gefühl wächst, ein Fremdkörper in seinem neuen Leben zu sein und das gerade, wenn er sich dieses neue Leben erhalten will, er das demontieren muss, was es erst ermöglicht hat und er die Lüge entlarven muss.
Das alles unterhält, durch den flüssigen Stil der Erzählung, durch den feinen Humor, und berührt gleichzeitig durch die feine Psychologie dahinter. Leichtigkeit und Tiefe besitzen hier eine sehr ausgewogene und stimmige Koexistenz.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere