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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Mann, eine Frau, ein Alligator und der Hahn

Albert muss nach Hause
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Elsie und Homer sind ein junges Ehepaar, das im trostlosen Coalwood, Westvirginia lebt. Homer ist Bergarbeiter, wie alle Männer in der Umgebung im Bergwerk arbeiten und sterben. Elsie möchte eigentlich ...

Elsie und Homer sind ein junges Ehepaar, das im trostlosen Coalwood, Westvirginia lebt. Homer ist Bergarbeiter, wie alle Männer in der Umgebung im Bergwerk arbeiten und sterben. Elsie möchte eigentlich nur weg von hier - und möglicherweise auch von Homer. In ihrem Haushalt lebt noch ein Alligator namens Albert, der Elsie von ihrer alten Flamme zur Hochzeit geschenkt wurde. Irgendwann wird es Homer zu viel und er stellt ein Ultimatum: der Alligator oder ich. Widerstrebend gibt Elsie nach und sie beschließen, Albert nach Hause, zurück nach Florida zu bringen. Es wird ein Roadtrip, auf dem sie Bankräubern, Schriftstellern und Kommunisten begegnen, Serienkillern, Alkohol- und Diamantenschmugglern, guten Menschen, bösen, irgendwas dazwischen. Es wird eine Reise der Erkenntnisse - und was hat eigentlich der Hahn in der Geschichte zu suchen?

Ich bin wirklich zerrissen, was diese Geschichte angeht. Einerseits ist sie wie eine Art Tom Sawyer und Huckleberry Finn 2.0 in erwachsen, andererseits fehlt mir die Wärme, welche diese Bücher ausstrahlten. Und damit komme ich hier zum entscheidenden Punkt, was mir sehr oft diese Geschichte, die teilweise auch etwas vom Baron Münchhausen an sich hatte, extrem vergällt hat: Elsie. Elsie ist neben Homer und Albert (und dem Hahn!) die Hauptperson der Geschichte, und ich habe sie mit Inbrunst verabscheut. Ich konnte diese Frau auf den Tod nicht ausstehen. Sie hat jung geheiratet, ok. Aber eigentlich liebt sie ihren Mann nicht, denn sie liebt den Traum, den sie von einem anderen Mann hat(te). Und sie macht Homer das Leben wirklich zur Hölle. Der Kerl ist grundanständig, versucht ihr wirklich, alles recht zu machen, reißt sich für sie den Arsch auf und alles, was er jemals zurückbekommt, ist Kälte und Undankbarkeit. Ich finde es gut, dass Elsie sagt, sie will sich selbst verwirklichen, aber was auch immer sie tut, tut sie gar nicht aus diesem Grund, sondern weil sie einfach Homer eine reindrücken will. Homer hat sicher seine Fehler, aber dass er seine Frau schlecht behandelt, gehört nicht dazu. Das hat mich so oft so geärgert, dass ich vieles nicht richtig genießen konnte, obwohl das Buch eigentlich Spaß hätte machen können. Zum Schluss dachte ich nur noch: Jetzt hast du immer einen auf Rebell gemacht, um zum Schluss dann doch nur eine Hausfrau in einem dreckigen Kohlenest zu werden? Armselig. Und an Homers Stelle hätte ich mich lieber für Albert als diese Frau entschieden. Wenn das Liebe ist, ist das keine Liebe, die ich jemals kennenlernen möchte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Hölle liegt im Meer

Hell-Go-Land
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Hell-go-land haben die Engländer diesen Felsen im Meer genannt, als sie anfingen, ihn im II. Weltkrieg zu bombadieren. Geht zur Hölle, haben sie gesagt, und sie hatten immerhin ihr Ziel für ein paar Jahrzehnte ...

Hell-go-land haben die Engländer diesen Felsen im Meer genannt, als sie anfingen, ihn im II. Weltkrieg zu bombadieren. Geht zur Hölle, haben sie gesagt, und sie hatten immerhin ihr Ziel für ein paar Jahrzehnte geschafft, die Insel war unbewohnbar. Doch mittlerweile gibt es wieder 1000 bis 1500 Einwohner, von den Touristen im Sommer gar nicht zu reden. Hier ist Anna Krüger aufgewachsen, und sie ging fort, als ihr etwas Furchtbares passierte. Heute, als Polizistin, kehrt sie zurück - nur um mit einem makabren Päckchen begrüßt zu werden: Wer schickt ihr einen menschlichen Daumen? Und warum? Während die Winterstürme es unmöglich machen, vom Festland die Kripo mit anständiger Ausrüstung zu schicken, müssen Anna und ihre beiden neuen Kollegen einen Wettlauf gegen die Zeit starten, denn irgendwo wird ein Mensch gefoltert und nach Ablauf von elf Tagen wird dieser Mensch tot sein. Doch Anna hat nicht nur mit den Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen, sondern auch mit Migräne und Grippe, nicht die besten Voraussetzungen für eine Ermittlung.

So schön immer Morde, voraussichtliche Morde oder Verbrechen allgemein auf einem abgeschiedenen Fleck sind, es gibt meistens ein Problem: die Verdächtigen sind überschaubar. So auch hier und einem erfahrenen Krimileser ist sehr schnell klar, wer hinter der ganzen Sache steckt. Zu eindeutig ist das Verhalten des Täters, zu speziell sind die Dinge, die eben nur er tun kann. Da nützt es auch nichts, einen Nebenstrang mit einer neugierigen Putzfrau zu entwerfen, die einem Verbrechen auf der Spur zu sein scheint (wobei mir diese Nebenhandlung meistens sogar interessanter vorkam als der eigentliche Fall). Als eher störend empfand ich auch die ständigen "mysteriösen" Andeutungen, was Anna damals passiert ist (wiederum: einem erfahrenen Krimileser ist das sofort klar) und ihr ewiger Kampf mit der Migräne nervt irgendwann einfach nur noch. Gut gefiel mir der Schreibstil und die Idee an sich, doch die Umsetzung war teilweise zu langgezogen und offensichtlich.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Mann, der verschwindet

Vierundzwanzig Stunden
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Als Arthur Costello als einziges Erbe seines vermögenden Vaters den heruntergekommenen Leuchtturm erhält, ahnt er nicht, dass sich im Inneren eben jenes Gebäudes ein Geheimnis verbirgt. Ein Geheimnis, ...

Als Arthur Costello als einziges Erbe seines vermögenden Vaters den heruntergekommenen Leuchtturm erhält, ahnt er nicht, dass sich im Inneren eben jenes Gebäudes ein Geheimnis verbirgt. Ein Geheimnis, das ihn dazu zwingen wird, die nächsten vierundzwanzig Jahre in jeweils vierundzwanzig Stunden abzuhandeln. Er wird seinen Großvater aus der Psychiatrie befreien, eine Frau kennen- und liebenlernen, sich ständig in neuen und manchmal gefährlichen Situationen wiederfinden und am Ende ... wird er am Ende alles gewinnen oder alles verlieren?

Eigentlich eine spannende Sache. Für jedes Jahr seines Lebens stehen ihm nur genau vierundzwanzig Stunden zur Verfügung (außer den letzten paar, aber darauf gehe ich jetzt nicht ein). Was macht man also in diesen vierundzwanzig Stunden? Versucht man, das ganze Leben zu packen und so viel wie möglich draus zu machen? Dass Arthur zunächst verwirrt ist, ist logisch. Und dass er Antworten sucht und das manchmal auch den ganzen Tag dauert, genauso. Aber später, so fand ich, hat er viel Zeit verschwendet mit sinnlosen Eifersüchteleien und einer Art, die ihn ziemlich unsympathisch machte. Irgendwie dachte er die meiste Zeit wirklich immer nur an sich. Ja, er hat's schwer, aber dass es eigentlich seine Familie viel schwerer hat, weil die das ganze Jahr erleben, während er immer nur einen Tag hat ... Das finde ich viel schwerer. Zwischendurch wird der Roman interessant, denn Musso hat viel Zeitgeschichte verpackt, aber auch da hätte man viel mehr draus machen können meiner Meinung nach. Stattdessen wiederholt er sich zu viel, verbringt viel Zeit damit, Essen zu beschreiben oder seinen Protagonisten in immer wieder ähnliche Situationen zu verfrachten. Das hat zwischendurch gelangweilt, und um ehrlich zu sein, das Ende hat mich enttäuscht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Brot und Liebe

Die kleine Bäckerei am Strandweg
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Das ist das richtige Buch für verregnete Nachmittage, kalte Abende oder Nächte, in denen ihr frustriert seid, weil ihr weder einen Schweinsbraten noch Schokolade im Haus habt. Geeignet, weil man völlig ...

Das ist das richtige Buch für verregnete Nachmittage, kalte Abende oder Nächte, in denen ihr frustriert seid, weil ihr weder einen Schweinsbraten noch Schokolade im Haus habt. Geeignet, weil man völlig das Gehirn abschalten und sich berieseln lassen kann. Also kommt mit nach Cornwall.

Polly, die trotz ihres Namens kein Papagei ist, hat gerade so ziemlich alles verloren. Ihre gemeinsame Firma mit ihrem Lebensgefähren, ihren Lebensgefährten, weil der alles ist, nur nicht mehr jemand zum Leben und auch so ein bisschen ihr Lebensmut. Alles, was sie jetzt braucht, ist ein Rückzugsort, und den findet sie auf einer Halbinsel, auf die man nur über einen Damm kommt, der bei Flut überspült ist. Dort mietet sie sich in einem fast abbruchsreifen Haus ein, und um sich abzulenken, fängt sie an, Brot zu backen. Das bringt ihr zwei Dinge: begeisterte Abnehmer ihrer Backkünste und Stress mit ihrer Vermieterin, die zufällig die Besitzerin der einzige Bäckerei im Ort ist. Fast ist Polly, die ja trotz ihres Namens noch immer kein Papagei ist, bereit, die ganze Sache hier abzublasen, als sie Neil kennenlernt, der allerdings noch gar keinen Namen hat, denn der ist im Gegensatz zu ihr zwar auch kein Papagei, aber immerhin ein Papageientaucher. Oder wird mal einer, denn er ist noch fast ein Baby. Mit gebrochenem Flügel. Polly schafft es in der nächsten Zeit, nicht nur seinen Flügel zu heilen, sondern irgendwie auch sich selbst. Und sich in zwei Männer zu verlieben.

Natürlich findet sich in dem Buch genau der Kitsch, den man bei dem Titel, dem Klappentext und dem Cover erwarten darf. Ab und zu habe ich mich auch geärgert, dass die Autorin munter zwischen den Perspektiven herumsprang, wie es ihr gerade in den Sinn kam - ich finde, wenn es keinen auktorialen Erzähler gibt, sollte man bei der Hauptperson bleiben. Aber ok. Das machte sie dadurch wieder gut, dass sie immerhin den Kitsch gern mal witzig verpackte und Polly, die sich oft nicht entscheiden kann, ob sie pubertierender Teenager oder doch schon uralte Frau ist (eigentlich ist sie 32) gelegentlich wirklich witzige Antworten zwischen die Lippen schiebt. Auch gibt es nicht nur rosarote Wattewölkchen zu betrachten, sondern es schmuggelt sich hier und da auch mal ein Blitz oder gar Donner hinein. Und wenn man ganz fest die Augen zukneift, könnte man sogar ein bisschen Kritik darüber lesen, wie schwer es die Fischer in ihrem Job haben und wie wenig Unterstützung sie bekommen bzw. wie wenig sie in ihrem harten Job verdienen. Zusammengefasst: Ein Roman, der durchaus Schokolade ersetzen kann, wenn keine im Haus ist (aber nur wenn es sich dabei um Bitterschokolade handelt). Immerhin bekommt man am Ende auch noch ein paar Backrezepte gratis obendrauf.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zwei Morde, drei Leichen und dann auch noch ein Schwabe!

Ein Mord und zwei Leichen
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Ludwig Wimmer ist pensionierter Fleischermeister und langweilt sich daher ein bisschen. Zusammen mit seiner Enkelin Anna macht er eine Tour ins Altmühltal mit, bei dem Wolnzacher Geschäftsleute lernen ...

Ludwig Wimmer ist pensionierter Fleischermeister und langweilt sich daher ein bisschen. Zusammen mit seiner Enkelin Anna macht er eine Tour ins Altmühltal mit, bei dem Wolnzacher Geschäftsleute lernen sollen, wie das mit dem sanften Tourismus funktioniert. Als nach einem E-Bike-Test die Leute wieder zurück zum Bus kommen, finden sie dort zwei Tote vor und Wimmer samt Enkeltochter befinden sich mitten in einem Kriminalfall (nicht zum ersten Mal). Die beiden Hobbydetektive stürzen sich begeistert in die Ermittlungen, wobei sie dem Ingolstädter Kripoteam immer einen Schritt voraus sind. Während die 13jährige Anna ein digital Native ist und sich um die computergestützten Nachforschungen kümmert, macht es Wimmer auf die altmodische Tour. Er wandert herum und redet mit den Leuten. Dabei kommt so manches über die Toten und auch die Lebenden heraus - so viel, dass sich der Mörder bemüßigt fühlt, ein weiteres Mal zuzuschlagen.

Gut gefallen haben mir die Verwendung der Dialekte, die trotz Wiedererkennungswert (Schwaben/Bayern) für einen Preußen kein Problem darstellten zu verstehen. Auch hat der Autor ausgiebig recherchiert, was die Arbeit der Polizei angeht. Der Fall selbst hat mich nicht packen können, mir schien es, als läge die Hauptsache dieses Buches eher in der Ausarbeitung skurriler und stark überzeichneter Personen. Andere Leser lobten in dieser Hinsicht auch den hohen Humoranteil - der ging völlig an mir vorbei, obwohl ich selten zum Lachen in den Keller gehe. Ich denke, dieser Krimi ist eher was für Leute, die gern Rita Falk lesen und deren Hauptaugenmerk auf den Beziehungen zwischen den einzelnen Personen liegt und weniger für Leser, die lieber einen komplizierten Fall gehabt hätten und den Regioanteil eher nebenbei als angenehmes Schmankerl genießen.