Profilbild von Archer

Archer

Lesejury Star
online

Archer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Archer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.07.2023

Der unscheinbare Mister Sattisway

Der seltsame Mister Quin 2
0

Mister Sattisway, der kleine, reiche, ältere Mann, ist nicht einmal mehr verwundert, wenn er in der Welt der Reichen, Schönen und Künstler auf seinen Bekannten Mister Quin trifft. Denn dieser taucht immer ...

Mister Sattisway, der kleine, reiche, ältere Mann, ist nicht einmal mehr verwundert, wenn er in der Welt der Reichen, Schönen und Künstler auf seinen Bekannten Mister Quin trifft. Denn dieser taucht immer dann auf, wenn Sattisway selbst spürt, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Dabei muss es sich nicht unbedingt um Mord und Totschlag handeln. Auch Betrugsmaschen werden aufgeklärt, Dramen bemerkt und zur Kenntnis genommen, boshafte Intrigen vereitelt. Und so schnell und unbemerkt Mister Quin auftaucht, so schnell verschwindet er meistens auch wieder. Seltsam ist er, in der Tat. Er ist dafür da, den kleinen Sattisway aufmerken zu lassen, Dinge ans Licht zu bringen, während er selbst eher im Schatten agiert.

Im Gegensatz zu dem, was im Klappentext behauptet wird, sind weder Mister Sattisway noch Mister Quin Detektive, schon gar keine Privatdetektive. Der kleine Snob Mister Sattisway wäre sicherlich zutiefst entsetzt, hielte ihn jemand dafür. Ich mochte beide Charaktere noch immer, aber ich hätte es lieber gehabt, wenn wirklich eher wieder echte Kriminalfälle gelöst wurden wären anstatt sich auf die Tragödien des Menschseins zu konzentrieren und mir gefällt auch die Richtung, in die die Identität des Mister Quin gedrückt wird, nicht richtig. Der Sprecher ist noch immer einzigartig gut geeignet für diese Geschichten.

Veröffentlicht am 20.07.2023

Ben's cooking

Chef's Kiss
0

Ben Cook hat soeben das College mit einem Abschluss in Literatur in der Tasche und zieht mit seinen besten Freunden in eine WG. Er braucht dringend einen Job, am besten einen, der gut bezahlt wird und ...

Ben Cook hat soeben das College mit einem Abschluss in Literatur in der Tasche und zieht mit seinen besten Freunden in eine WG. Er braucht dringend einen Job, am besten einen, der gut bezahlt wird und in dem er seine Fähigkeiten fürs Schreiben ausleben kann. Doch es ist wie verhext - egal, was er tut, niemand will einen Anfänger einstellen. Da stolpert er plötzlich bei einem Restaurant über eine Stellenanzeige, auch für Quereinsteiger. Und nicht nur das: Einer der Köche dort ist Liam, Liam mit seinem muskulösen Körper, den Tattoos, dem freundlichen Lächeln. Ben versucht sich als Koch und macht das gar nicht schlecht. Doch da sind immer noch seine Eltern, die sich für ihren Sohn etwas anderes wünschen, sowohl als Job als auch in einer Beziehung.

Wir haben hier eine sehr süße Geschichte vorliegen, bei der fast alle Charaktere megatolerant sind. Einerseits gefällt mir sehr gut, dass es so einen Zusammenhalt unter den (neuen und alten) Freunden gibt, andererseits gibt es da kaum Potenzial für Konflikte, und der Konflikt, der dann mal war, verpuffte ziemlich schnell. Ähnlich ist es auch mit den Eltern, da wäre weitaus mehr drin gewesen. Alles in allem ist es jedoch wirklich schnuckig gezeichnet und erdacht. Homophobe Personen sollten natürlich Abstand davon halten. Im Endeffekt ist das Buch genau so cute, wie es das Cover mit rosa Schweinchen andeutet: What you see is what you get.

Veröffentlicht am 04.07.2023

Die Verborgenen

Emily Wildes Enzyklopädie der Feen
0

Emily Wilde ist Professorin, Gelehrte, Forscherin und führende Expertin für Feen, die gerade die erste Enzyklopädie über dieses "kleine" Volk verfasst. Ihre neueste Forschung führt sie deshalb allein mit ...

Emily Wilde ist Professorin, Gelehrte, Forscherin und führende Expertin für Feen, die gerade die erste Enzyklopädie über dieses "kleine" Volk verfasst. Ihre neueste Forschung führt sie deshalb allein mit ihrem großen irischen Wolfshund Shadow an den Polarkreis, in das abgelegene Dorf Hravsnik. Dort will sie weiteren Legenden über die höfischen und gemeinen Feen nachgehen. Nach ersten Erfolgen - unter anderem trifft sie auf einen jungen Brownie, der an einem Bach lebt - trifft unverhofft ihr Kollege, akademischer Rivale und auch bester Freund Wendell Bumbleby ein. Einerseits ist er eine große Hilfe, andererseits bringt er Emily zur Weißglut. Ähnlich geht es ihr auch mit ihren Gefühlen für den gleichzeitig charmanten wie auch undurchsichtigen Mann. Doch dann stolpert Emily über einen mächtigen Feenkönig und um aus dessen Fängen unbeschadet zu entkommen, braucht sie nicht nur Wendells, sondern auch die Hilfe der Dorfbewohner ...

Zugegeben, Emily ist auf ihre Art eine interessante Person. Sie ist keine, die irgendwo Anschluss braucht oder beim Anblick eines hübschen Gesichts dahinschmilzt. (Was gut ist, denn ihr begegnen jede Menge gutaussehender Elfenadlige.) Andererseits ist sie manchmal furchtbar anstrengend und man kann sich schon fragen, ob sie einfach von Natur aus undankbar und unsozial ist, oder ob sie nicht schon direkt Aspergerzüge aufweist. Das führt schon zu gelegentlichen amüsanten Gesprächen mit Wendell. Allgemein ist Wendell ein mega Gegenpart, der die trockenen Anmerkungen von Emily wunderbar auflockert. Insgesamt hat mir die Geschichte schon gefallen, auch wenn sie manchmal etwas zu trocken war und gelegentlich auch zu ein wenig Langatmigkeit neigte. Die Sprecherin hat den Job absolut hervorragend gemeistert und auch der Sprecher, der mal für zwei Kapitel den Part von Wendell übernehmen durfte, war solide. Alles in allem ist das Buch nicht unbedingt ein Highlight, aber durchaus interessant und sollte es zu einem Nachfolger kommen, wäre ich auch wieder interessiert, die beiden RivalenSchrägstrichFriendstolover bei weiteren Abenteuern zu begleiten.

Veröffentlicht am 04.07.2023

Sing, Muse!

A Thousand Ships – Die Heldinnen von Troja
0

Was für ein Durcheinander: Eine schöne Frau lässt sich von einem schönen Mann verführen, der die Macht einer Göttin hinter sich hat. Der Mann, Paris, nimmt die Frau, Helena, mit zu sich nach Hause, Troja. ...

Was für ein Durcheinander: Eine schöne Frau lässt sich von einem schönen Mann verführen, der die Macht einer Göttin hinter sich hat. Der Mann, Paris, nimmt die Frau, Helena, mit zu sich nach Hause, Troja. Und dann segeln 1000 Schiffe los, um Menelaos' Frau zurückzuholen: Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Oder? Wir kennen nur die Sicht der Männer. Wir hörten von dem listigen Odysseus, den heldenhaften Achill, Trojas Verteidiger Hektor. Aber was ist mit den Frauen? Ist wirklich Helena die Schuldige an der zehnjährigen Belagerung und dem anschließenden Massaker? Warum hörte niemand auf Kassandras Warnungen? Was passierte mit der Königin von Troja, ihrem Hofstaat, den Bewohnerinnen? Die Männer verloren ihr Leben, die Frauen alles andere.

Mit dieser Geschichte erhalten sie alle eine Stimme. Hekabe, die anstrengende Königin. Polyxema, Andromache, Penelope (okay, sie war Griechin, aber auch sie hat unter der laaaaangen Abwesenheit ihres Mannes leiden müssen. Haynes schafft es, uns hautnah miterleben zu lassen; an der Dummheit von Trojas Verteidigern, am Feuer, an der Angst, der Verzweiflung der Frauen. Dabei wird die Handlung nicht stringent erzählt, aber wie schon bei Medusa richtet sich zum Schluss alles zusammen, fügt sich zu einem Gesamtbild. Das ist zwischendurch ein bisschen irritierend, nichtsdestotrotz entsteht ein Bild aus Trauer und Hoffnung, der Stärke und auch dem Mut all dieser Frauen, die meistens immer nur eine Randnotiz im großen Geschehen der Mythen und Vergangenheit sind. Einmal ans Licht geholt, können sie nie wieder vergessen werden.

Veröffentlicht am 25.06.2023

Be- und enthauptet

STONE BLIND – Der Blick der Medusa
0

Als die unsterblichen Gorgonen eines Tages ein menschliches Baby vor ihrer Tür finden, ist ihnen beinahe sofort klar, dass es sich dabei um ihre Schwester handeln muss. Sie nehmen sie auf und kümmern sich ...

Als die unsterblichen Gorgonen eines Tages ein menschliches Baby vor ihrer Tür finden, ist ihnen beinahe sofort klar, dass es sich dabei um ihre Schwester handeln muss. Sie nehmen sie auf und kümmern sich um Medusa; zum ersten Mal in ihrem Leben lernen sie Angst kennen. Nämlich darum, dass jemandem, den man liebt, etwas passieren kann. Medusa entwickelt sich zu einer hübschen, sympathischen und mitfühlenden jungen Frau. Das bleibt auch Poseidon nicht verborgen, der sie ausgerechnet im Tempel seiner Nichte Athene vergewaltigt. Diese ist nicht nur auf ihn wütend und sie rächt sich furchtbar an Medusa: Sie verwandelt sie in ein Monster mit Schlangenhaaren und tödlichen Blick. Und dann ist da noch Perseus, der von einem König auf eine unmögliche Mission geschickt wird ...

Wir alle wissen, dass es hier kein Happy End für Medusa gibt. Trotzdem ist diese Geschichte kein alter Abklatsch uns bekannter Mythologie. Obwohl Medusa, dafür, dass sie die Titelperson ist, recht wenig Raum zum Erzählen bekommt, lässt sich doch ein gutes Bild von ihr zeichnen. Selbst als sie schon zu dem Monster wird dank der rachsüchtigen Göttin, bleibt sie im Inneren die freundliche Person, die lieber an andere als an sich selbst denkt. Und auch, wenn es irritiert, dass sie nur wenig erzählt, entspinnt sich eine runde Geschichte um sie, mit einem besonderen Kniff. Die Autorin gibt vielen Persönlichkeiten aus der Mythologie eine kurze, eigene Stimme und anhand deren Handlungen, Taten und Gedanken erkennt man schnell, wer hier das Monster, wer die wahren Helden sind. Das Buch erscheint durch die kurzen Kapitel und Sprünge durch Gegenden und Personen manchmal etwas fahrig, aber zum Schluss findet man den Faden, der einen durch das Labyrinth all dieser Tittle-Tattle-Einschübe führt. Nicht jedermanns oder -fraus Sache, aber absolut nicht uninteressant für LeserInnen, die sich darauf einlassen können.