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Veröffentlicht am 07.08.2023

Großartig komponierter Thriller, nicht nur für Freunde des Blues und Gitarrenliebhaber wärmstens zu empfehlen.

Vintage
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Story, Figurenentwicklung, Spannung und musikalische Background-Information: Hier stimmt einfach alles!

Der dritte Roman von Grégoire Hervier, geboren in der beschaulichen Kleinstadt Villeneuve-Saint-Georges ...

Story, Figurenentwicklung, Spannung und musikalische Background-Information: Hier stimmt einfach alles!

Der dritte Roman von Grégoire Hervier, geboren in der beschaulichen Kleinstadt Villeneuve-Saint-Georges am Rande von Paris, ist für mich eine grandiose Entdeckung. Rund um die legendäre Gibson-Gitarre »Moderne«, vor der niemand wirklich weiß, ob Ende der 50er-Jahre wirklich ein Prototyp gebaut wurde, entwickelte er einen famosen Thriller über 400 Seiten, die einen fesseln, von der ersten bis zur letzten Gitarren-Saite.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gibson_Moderne

Worin besteht das Geheimnis dieses Schriftstellers? Er schreibt in der Ich-Form, sein Held ist Musikjournalist und arbeitet zur Aushilfe in einem Pariser Musikgeschäft mit angeschlossener Werkstatt. Anstatt mit Fachwissen zu erschlagen, führt Grégoire Hervier uns Leser ganz unprätentiös in die Welt der Gitarrenliebhaber ein, lässt die Saiten erklingen. Buchseite und Buchseite ein exzellenter Pageturner, der am Ende jedes überschaubaren Kapitels mit dezentem Pageturner zum Weiterlesen verlockt.

Sicherlich, es gibt grässliche Schocker und Morde in diesem Buch, schließlich ist es ein Thriller. Und der Autor spart auch nicht mit Gesellschaftskritik. Satire wird bei ihm großgeschrieben. Darüber hinaus ist »Vintage« streckenweise eine akademisch-historische Abhandlung über die Geschichte des Blues vom Memphis bis zum Mississippi-Delta. Und es zeigt, wie man elektrische Gitarren herstellt, wie man die stimmt, ihrem Klang mit elektrischen Verstärkern und einer Vielzahl zusätzlicher Tools moduliert, verfeinert und verzerrt – bis einem buchstäblich die Ohren rausfliegen beim Lesen dieses von Diogenes wie gehabt in hoher Qualität und zugleich handlichem Format veröffentlichten Werks.

Die Kunst des Autors? Ein Geheimnis, genau wie die von ihm erfundene Geschichte rund um den legendären Prototyp der Gibson-Moderne. Vielleicht spielt eine Rolle, dass der Witz des Erzählers niemals gestelzt wirkt, dass selbst die abartigsten Figuren der Erzählung derart liebevoll geschildert werden, dass es eine Freude ist. Und ganz sicherlich gehört es zu den Geheimnissen des Autors, stets den Leser im Blick zu haben.

»Vintage«, ein Roman über die Welt der Blues-Musik, den man gelesen haben muss, der sich wunderbar als Geburtstags-, Urlaubs- oder Weihnachtsgeschichte eignet. Empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Der Riss durch den Menschen und die Gesellschaft - tiefgehende philosophische Analyse und Visionen für eine mögliche Heilung.

Der integrale Mensch
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Habilitation aus dem Jahr 2000 im neuen Fachgebiet transdisziplinäre Sozialökonomie

Mit dem als Titel und Paradigma gewählten Begriff des "Integralen Menschen" knüpft Hosang neben Bahro an visionäre Vordenker ...

Habilitation aus dem Jahr 2000 im neuen Fachgebiet transdisziplinäre Sozialökonomie

Mit dem als Titel und Paradigma gewählten Begriff des "Integralen Menschen" knüpft Hosang neben Bahro an visionäre Vordenker wie Fichte, Marx, Aurobindo, Gebser u.a. an. Die zentrale These geht davon aus, dass es für ein würde-, sinn- und freudvolles Überleben der Spezies Mensch vor allem darauf ankommt, die Denken und Handeln lähmenden Spaltungen in und um sich bewusst zu integrieren.

Dies betrifft nicht nur die Spaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften sondern auch die zwischen Erkenntnis, Liebe und Arbeit, zwischen Wirtschaft und Ökologie, Gesellschaft und Gemeinschaft, Individuum und Kosmos, Materie und Geist.

Nicht die natürliche Um- sondern die zu eng, egozentrisch und abgespalten gedachte Innenwelt des Menschen droht die Erde unbewohnbar zu machen. Ein integrales, im mitfühlenden und mitgestaltenden Menschen gipfelndes Identitätsbewusstsein der nur äußerlich getrennt erscheinenden Dinge könnte ein neues Sein von Mensch und Erde ermöglichen.

2023 für die Hörbuchfassung bearbeitet und eingesprochen von Jürgen G. H. Hoppmann

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Metamoderne Geschichtsschreibung

Diesseits der Mauer
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»Nichts war gut in der DDR«, schrie mich letzte Woche ein alter Bürgerrechtler im äußersten Osten Deutschlands an, als ich auf Katja Hoyers Buch zu sprechen kam. »Höchste Brauenbeschäftigungsrate der Welt? ...

»Nichts war gut in der DDR«, schrie mich letzte Woche ein alter Bürgerrechtler im äußersten Osten Deutschlands an, als ich auf Katja Hoyers Buch zu sprechen kam. »Höchste Brauenbeschäftigungsrate der Welt? Die Frauen mussten arbeiten, sie wurden vom System gezwungen.« Der alte Mann, von Krankheit gezeichnet, erregte sich immer mehr. Seine Pupillen weiteten sich. Als ich auf den großen Anteil von Arbeiterkindern unter den Studenten spracht, sprang er vom Stuhl auf. »Keiner von meinen Geschwistern durfte studieren. Du hast ja keine Ahnung!« Als ich bescheiden entgegnete, dass meiner Mutter aus der DDR kam, ich über Jahrzehnte Cousin, drei Cousinen, Onkel und Tante in Sachsen besucht hatte, schrie er aus Leibeskräften: »Du warst nur West-Besuch, ich habe hier gelebt!« Der gute Mann ballte die Hände zu Fäusten, drohte mit der Polizei und schmiss mich raus.
So wie er haben viele ehemalige DDR-Bürger die Wahrheit über ein Land gepachtet, in dem sie einst lebten – auch wenn sie noch hinter dem Tal der Ahnungslosen lebten, ohne Zugang zu Westfernsehen. Ohne je über den Kirchturm hinaus geblickt zu haben, verteidigen sie ihre Deutungshoheit auf eine Weise, wie es einst ihre schlimmsten Gegner taten. »Die Partei, die Partei, die hat immer recht«, Hymne der SED, bis in den letzten Winkel der Deutschen Demokratischen Republik mithilfe der Staatssicherheit vollstreckt.
Dass hinterwäldlerische Verbissenheit und Rechthaberei unter ehemaligen Bürgerrechtlern jetzt in 2023 nicht nur in der östlichsten Stadt Deutschlands erhalten hat, zeigt die »Fehde der Aufarbeiter«, wie es die SZ tituliert, am Beispiel des einstigen Regimekritikers Rainer Eckert, der in »Getrübte Erinnerungen« seine einstigen Mitstreiter heimtückisch nennt und verleumderisch, der dem Chef der Stasi-Gedenkstätte in Leipzig Platzhirschgehaben vorwirft. Karim Saab, im Westen geboren, mit der Mutter in den Osten gezogen, renitenter Buchhändler in Leipzig, im Frühjahr 1989 Richtung Westen ausgebürgert und jetzt wieder im Osten lebend, bezeichnet Eckert als ins Abseits geratener Insider einer heillos zerstrittenen Aufarbeitungsszene.
https://www.sueddeutsche.de/politik/rainer-eckert-ddr-aufarbeitung-sed-staat-umkaempfte-vergangenheit-rezension-1.6012372

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Was Intoleranz, Kleingeistigkeit und die Unfähigkeit betrifft, den Andersdenken mit Respekt zu begegnen, so ist auch diesbezüglich auf die SZ aus München verwiesen werden, Unter dem Titel »Eine ganz kommode Diktatur« wird Katja Hoyers international gefeiertes Buch in den Schmutz gezogen, was sich schon im Untertitel des Artikels andeutet, wenn sie als »ostdeutsche Historikerin« bezeichnet wird. Der westdeutsche Journalist Norbert F. Pötzl, Sohn von Heimatvertriebenen auch Böhmen, testiert der Autorin eine »erstaunlich geschichtsvergessene Auffassung«. Dass die Ostdeutschen nicht aus ihrem Gedächtnis verdrängen, was das Regime verbrochen habe, sei kein unbilliges westdeutsches Ansinnen. Ein elftes Gebot namens »elftes Gebot: Du sollst dich erinnern!«
https://www.sueddeutsche.de/politik/ddr-geschichte-sed-egon-krenz-brd-katja-hoyer-rezension-1.5834330
Bzgl. »elftes Gebot« sei dem Journalisten Pötzl in Erinnerung zu rufen:
Jene »Freie westlicher Welt«, in der er aufwuchs, beherbergte »ganz kommoden Diktatur« wie beispielsweise Portugal und bis 1974 und Spanien bis 1977. Die Niederlande waren bis Mitte der 50er-Jahre brutale Kolonialherren in Vietnam und Indonesien, Belgien gab seine Kolonialherrschaft über den Kongo erst 1960 auf, Frankreichs Schande sind die Kolonialkriege in Indochina und Algerien, dort bis 1962. Die USA, die BRD, Großbritannien und die Schweiz unterstützten das südafrikanische Apartheidsregime bis Mitte der 90er-Jahre. Der von den USA unterstützte chilenische Diktator Pinochet behielt seine Immunität bis zum August 2000. Maßgebliche Unterstützung kam durch die Colonia Dignidad, die Anfang der 60er-Jahre mit finanzieller Unterstützung der Bundeswehr in Chile große Ländereien erwarb, während der Pinochet-Diktatur für Foltermorde im großen Stil verantwortlich, 1991 umbenannt in »Villa Bavaria« als Hommage auf die Förderung durch die BRD, namentlich Franz Josef Strauß. Bis jetzt ist die Entschädigung der Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland und die politische Aufarbeitung nicht abgeschlossen.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/colonia-dignidad-eines-der-groessten-menschenrechtsverbrechen-unter-deutscher-beteiligung-a-ee1f8749-7eb8-4093-923c-1075cdee6494
Klaus Schnellenkamp: Geboren im Schatten der Angst
https://www.lovelybooks.de/autor/Klaus-Schnellenkamp/Geboren-im-Schatten-der-Angst-143959360-w/

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Die Frankfurter Allgemeine behauptet, Katja Hoyer »scheitert an der frappierenden Unkenntnis der Autorin über die realen Verhältnisse im real existierenden Sozialismus«. Okay, nicht nur im tiefen Osten, sondern auch weit im Westen hat man historische Wahrheiten mit Löffeln gefressen,
https://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/katja-hoyers-versuch-einer-anderen-geschichte-der-ddr-scheitert-18991650.html
Der Spiegel tituliert seinen Verriss mit »Einseitig, grotesk verkürzt, faktische Fehler – dieses DDR-Buch ist ein Ärgernis« und dekoriert ihn mit zwei Ossis, die über einen Trabbi-Kofferraum gebeugt dem Betrachter ihre Ärsche entgegenstrecken.
https://www.spiegel.de/impressum/autor-cd7c8ccf-0294-4ea6-9202-a9b182d13a3f
Ähnlich respektlos-primitiv mit »Die Verwirrungen der Talente-Schülerin Rennefanz« ging zehn Jahren zuvor ein im westdeutschen Tübingen studierter Germanist eine ostdeutsche Autorin an.
https://literaturkritik.de/id/18277
Sabine Rennefanz zahlte es ihm und allen anderen Besserwessi-Historikern 2023 in einer großartigen Kolumne heim.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ddr-erziehung-ostdeutsche-haben-kein-trauma-a-05cadee0-36c7-461d-a7b1-9ba2a7bf9bf0
In der Tat, es geht um Deutungshoheit. »Geschichte wird von Siegern geschrieben«, heißt es, und in völliger Unkenntnis historischer Zusammenhänge setzen sich westdeutsche Geschichtsschreiber den Siegerkranz auf – völlig vergessend, dass die Bundesrepublik eine von den Siegermächten »geschenkte« Demokratie war, die erst 1989 durch die Ostdeutschen im Herbst 1989 zur »erkämpfen« und damit wohl verdienten Demokratie wurde. Wie sehr es westlich des Rheins daran gelegen ist, Geschichtsklitterung zu betreiben, zeigt das Projekt »Gedächtnis der Nation«.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/erinnerungen-veraendern-sich-100.htm
Einzig »Der Freitag«, 1990 als Ost-West-Wochenzeitung gegründet und seit 2008 unter den wohlwollenden Fittichen von Jakob Augstein, ist in der Lage, zu differenzieren: »Katja Hoyer schildert vierzig Jahre deutschen Sozialismus aus Sicht derer, die ihn selbst erlebt haben. Dafür führte die Autorin zahlreiche Interviews mit ehemaligen Bürger:innen der DDR aus allen Schichten. Das Ergebnis ist eine neue Geschichte der DDR, die nichts beschönigt, aber den bisherigen Blick auf die DDR erweitert, präzisiert und erhellt.« 2018 wurde »Der Freitag« als »European Newspaper of the Year« ausgezeichnet
https://www.freitag.de/produkt-der-woche/buch/diesseits-der-mauer

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»Geschichte zerfällt in Bilder, nicht in Geschichten«. Mit diesem Zitat von Walter Benjamin leitete Prof. Dr. Phil Sabine Flach von der Universität Graz 2018 ihre Arbeit „Remembering the Future. Zum Geschichtsverständnis der Metamoderne“ ein,
https://mediarep.org/bitstream/handle/doc/18111/NAVIGATIONEN212113-144FlachI-Watch-That-Worlds-Pass-by.pdf?sequence=1
und 2020 schreibt die Valerie Varga über » Die zwei Zeitalter der Gegenwart«.
https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/5555788/full.pdf
In einem Interview von 2022 schlug der US-amerikanische Kunsthistoriker Moyo Okediji einen Bogen zur Politik, als er bemerkte, dass Metamoderne eine Brücke sei, um Wege der Versöhnung zu finden. Die Probleme würden immer da sein. Aber wir müssen darüber reden auf eine Weise, die es uns ermöglicht, weiterhin im Dialog zu stehen. Denn wenn der Dialog aufhört, beginnt der Krieg.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/rsr.16200?saml
referrer
Die Partei »Alternativet«, gegründet 2013 von einem ehemaligen Kulturminister, hat sich mit »Initiativet« der Metamodernität verschreiben, wozu lebenslange Neugier und sozialer Einfallsreichtum gehören, und ist sowohl im dänischen Parlament als auch im Europaparlament vertreten.
https://initiativet.se/ https://alternativet.dk/politik/vores-politik

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Metamodern könnte der Forschungsansatz der Historikerin Katja Hoyer in ihrem Buch »Diesseits der Mauer: eine neue Geschichte der DDR 1949-1990« bezeichnet werden.
In Guben ist sie aufgewachsen, wie Görlitz eine Stadt ganz im Osten Deutschlands, geteilt durch die Oder-Neiße-Grenze, ab 1980 die polnische Seite für DDR-Bürger unerreichbar. Die Wende erlebte sie als kleines Mädchen, studierte und tat dann das Einzige, was möglich ist, wenn man/frau sich aus dem Dunstkreis des eigenen Nests erheben will, um sich Überblick zu verschaffen: Raus aus die Ferne, raus aus Gesamtdeutschland mit seinem Rechthaber-Mief in Ost und West, auf nach Großbritannien.
“Beyond The Wall” ist der Originaltitel dieses großartigen Buchs. in englischer Sprache verfasst und sorgsam von zwei Übersetzern ins Deutsche übertragen. Katja Hoyer als »ostdeutsche Historikerin« zu bezeichnen, wie es Norbert F. Pötzl in der Süddeutschen macht, ist an sich schon eine Unverschämtheit.
Sie ist im besten Sinne eine europäische Historikerin, die jenen Ansatz der Ganzheitlichkeit, wie es das Metamoderne-Konzept avisiert, in ihren Werken realisiert. Bereits 2021 hat sie sich mit »Blood and Iron: The Rise and Fall of the German Empire 1871–1918« in der englischsprachigen Welt einen Namen gemacht, lebt in Großbritannien, ist Research Fellow am renommierten King’s College London, schreibt u.a. für die Washington Post in den USA. Ausführliche Interview mit ihr gibt es im Grunde nur in englischer Sprache. Hier zwei Empfehlungen:
https://www.youtube.com/watch" target="_blank">https://www.youtube.com/watch?v=sCbM1WiV25o
https://www.youtube.com/watch" target="_blank">https://www.youtube.com/watch?v=cofN_3rhUG4
Es gäbe noch viel zu schreiben über dieses Buch. Ich selbst habe die 592 Seiten aufgrund der vielen kritischen Rezensionen voller Skepsis begonnen, was zunehmender Begeisterung wich nach wenigen Seiten. Ihr Stil, diese Mischung aus großer Erzählkunst und sachlich fundierter Recherche fand ich bislang nur bei Autoren historischer Werke, die durch lange Auslandsaufenthalte ihren Blick geweitet haben:

Jared Diamond: Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften
Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit
Wolfgang Templin: Revolutionär und Staatsgründer. Jósef Piłsudski - Eine Biografie
Radek Sikorski: Das polnische Haus. Die Geschichte meines Landes

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Einfach genial, dieser Thriller, ein echter Klassiker. Kein Wunder, dass François Truffaut daraus einen Film gemacht hat. Gute Literatur im Krimi-Genre: Ein echter Lesegenuss.

Schießen Sie auf den Pianisten
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Im Grunde ist es ganz einfach, eine gute Geschichte zu erzählen: Man konzentriert sich auf die Hauptfigur, um den Lesern die Identifikation zu ermöglichen, und schneidet nach Vollendung der ersten Rohfassung ...

Im Grunde ist es ganz einfach, eine gute Geschichte zu erzählen: Man konzentriert sich auf die Hauptfigur, um den Lesern die Identifikation zu ermöglichen, und schneidet nach Vollendung der ersten Rohfassung so viel überflüssigen Krimskrams (Adjektive, Attribute etc.) weg, wie es nur geht. Das Resultat dann lesenswert.
Nur äußerst selten gelingt es Autoren, einen knappen und zugleich eleganten Stil zu erreichen. Ernest Hemingway ist Meister darin und David Goodis scheint sich ihn als Vorbild genommen zu haben. Einfach genial, wie er Dialoge zwischen den Figuren aufbaut, und in der Erzählform zwischen innerem Dialog und erzählter Zeit wechseln. Dazu kommt die Fähigkeit, Spannung bis zum Höhepunkt zu steigern und eine Auflösung zu präsentieren, zu zugleich logisch und überraschend ist.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Ein fiebernder Thriller, geisternd in der dunklen Geschichte des Blues

White Tears
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Postmoderne Nerds straucheln bei kultureller Aneignung sogenannter Negermusik

Was durchschnittliche Thrillerautoren, die den deutschen Buchmarkt überschwemmen, an literarischer Qualität vermissen lassen, ...

Postmoderne Nerds straucheln bei kultureller Aneignung sogenannter Negermusik

Was durchschnittliche Thrillerautoren, die den deutschen Buchmarkt überschwemmen, an literarischer Qualität vermissen lassen, wird deutlich, wenn man sich »White Tears« des Briten Hari Kunzru zu Gemüte führt. In einem vielhundert Seiten dicken Wälzer führt er den Leser ungeheuer detailreich, mit immer neuen Fachbegriffen, Fakten und Fiktivem in die Welt der Musik ein, mäandert die fein ziselierte Erzählung dahin, steigert sich zu einem furios delirierenden Finale – doch niemals man sich vom Detailreichtum erschlagen, kommt beim Leser Langeweile auf.

Wie macht er das bloß? Im Grunde ist es ganz einfach. Die Qualität eines Schriftstellers zeigt sich in seiner Liebe zur Figurengestaltung, an der Ernsthaftigkeit, mit Sprache umzugehen. Wer es, wie der Romancier, zur Meisterschaft gebracht hat und sein Schreibhandwerk beherrscht, kann souverän mit dem Instrument spielen, gleich einem Popmusiker, der klassische Musik am Konservatorium studiert hat und auf Basis jener Fingerfertigkeit und entsprechend geschultem Gehör die Regeln bricht und uneitel Klangwelten entwirft, die jedermann als Ohrwurm ins Gehör dringen.

Die Story: Hippe weiße Musiker starten durch in der abgefuckten New Yorker Kunstszene, werden reich und berühmt mit Klangcollagen, bei denen sie sich traditioneller schwarzer Sklavenmusik bedienen, werden eingeholt von der grauenvollen Historie des US-amerikanischen Rassismus. Den Autor Hari Kunzru wird die eigene Herkunft motiviert haben, entstammt er doch mütterlicherseits der weißen Kolonialmacht Großbritannien und väterlicherseits der farbigen Kronkolonie Britisch-Indien.

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