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Veröffentlicht am 13.07.2021

Hochmut kommt vor dem Fall

Die Geschichte eines einfachen Mannes
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REZENSION – Mit seinem im April beim Piper Verlag veröffentlichten Roman „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ ist dem Autor Timon Karl Kaleyta (31) ein überraschendes Debüt gelungen, das zu Recht beim ...

REZENSION – Mit seinem im April beim Piper Verlag veröffentlichten Roman „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ ist dem Autor Timon Karl Kaleyta (31) ein überraschendes Debüt gelungen, das zu Recht beim diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet wurde. Kaleyta porträtiert darin einen sich selbst grenzenlos überschätzenden jungen Mann, der, liebevoll verwöhnt von seinen Eltern, zwei für das "familiäre Auskommen schuftende Fabrikarbeiter", überzeugt ist, „dass das Leben ein Geschenk ist, ein fröhliches Spiel“, ohne für dessen Erfolg selbst etwas leisten zu müssen.
Seine Schulnoten waren ausgezeichnet, ebenso seine Studienabschlüsse. Zu keinem Zeitpunkt macht sich der Erzähler Gedanken um die Zukunft, „so mühelos war mir stets alles zugeflogen“. Er ist sicher, „dass mir etwas Besonderes innewohnte“ und dass das Schicksal noch Großes mit ihm vorhat. Statt nach dem Studium der Soziologie eine der ihm angebotenen seltenen Anstellungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bochumer Universität anzunehmen, lebt der „einfache Mann“ fortan mit den Mitteln eines Studiendarlehens sowie auf Kosten seines Freundes Sebastian oder seiner Freundinnen Neomi und Soyoung. Er nutzt schamlos das Vertrauen seiner Eltern, Freunde und Mitmenschen aus, ohne je einen Gedanken daran zu verschwenden, dieses Vertrauen auch rechtfertigen zu müssen.
Völlig überraschend wird der „einfache Mann“ ein hoffnungsvoller Texter und Sänger, „ein bewunderter und von allen verehrter Musiker“, wie er sich selbst vormacht. Alles gelingt ihm ohne Ehrgeiz, ohne Plan und Ziel. Arbeiten lässt der Mann „mit den weichsten Männerhänden der Welt“ lieber seinen Freund Sebastian und die Band-Mitglieder. Anfangserfolge lassen ihn leichtsinnig und hochmütig werden. Als sich seine Freundin Soyoung überraschend von ihm trennt („Es gibt nämlich noch andere Menschen als Dich auf der Welt“), erkennt er nicht seine ihr zugefügte Kränkung, sondern sieht nur eine „Befreiung“ von hinderlicher Verpflichtung. Der „einfache Mann“ glaubt eine große Karriere vor sich und ist überzeugt, sich erfolgreich von den „verstopften Lebensentwürfen“ seiner Arbeiter-Eltern, seiner einstigen Mitschüler und Mitstudenten entfernt zu haben.
Doch dann kommt es, wie wir Leser es längst erwartet haben: In seinem Briefkasten landen „eine ganze Reihe unbezahlter Rechnungen, Mahnungen, Zahlungsaufforderungen“. Prompt sieht der Egozentriker nicht die Schuld bei sich, sondern bei allen anderen: „Was hatte ich der Welt nur getan, dass sie mich derart strafte?“ …. „Alles war letztlich Sebastians Schuld.“ Völlig verschuldet, ohne Verbindung zu den von ihm in seiner Arroganz brüskierten Freunden und Eltern, landet der „einsame, mittelloser Mann von bald 35 Jahren“ plan- und ziellos zur Untermiete in einem kleinen fensterlosen Zimmer im Berliner Osten. „Ein Neuanfang konnte es unmöglich gewesen sein, dafür fehlte mir die Perspektive.“ Erst viel zu spät erkennt er seine Situation „als Ausweis eines gescheiterten und in jeder Beziehung an die Wand gefahrenen Lebens“.
Autor Kaleyta lässt seine Leser mit seinem Erzähler, der an seinem Missgeschick unschuldig zu sein glaubt und letztlich für seine Selbstüberschätzung und Ignoranz hart bestraft wird, mal mitleiden, mal über ihn lachen, mal sich über dessen Hochmut entsetzen. Es ist diese Mischung unterschiedlicher Gefühle die den in schlichtem, unaufdringlichem Erzählton verfassten Roman so eingängig macht, gelegentlich auch tief berührt. „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ ist ein lesenswertes, in seiner Handlung absolut überzeugendes Debüt. Vergleicht man den Lebensweg des Autors mit der Geschichte seines Protagonisten – beide haben in Bochum Soziologie studiert, beide sind Songtexter –, fragt man sich unweigerlich, wie viel Autobiographisches von Timon Karl Kaleyta in seinem ersten Roman steckt.

Veröffentlicht am 20.06.2021

Interessante Biografie mit leichten Schwächen

Der große Kalanag
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REZENSION - „Große Lügner sind auch große Zauberer.“ Diesen Satz Adolf Hitlers hat Autor Malte Herwig (48) seiner im März im Penguin Verlag erschienenen Biografie „Der große Kalanag“ vorangestellt. Auch ...

REZENSION - „Große Lügner sind auch große Zauberer.“ Diesen Satz Adolf Hitlers hat Autor Malte Herwig (48) seiner im März im Penguin Verlag erschienenen Biografie „Der große Kalanag“ vorangestellt. Auch mit dem Untertitel „Wie Hitlers Zauberer die Vergangenheit verschwinden ließ und die Welt eroberte“ weist deutlich auf Ähnlichkeiten zwischen dem politischen „Verführer“ und dem später ebenfalls weltberühmten „Verzauberer“ der Deutschen hin, wenn auch auf ganz unterschiedlicher Ebene. Herwig beschreibt in kleinsten Details das unstete Privatleben und den schillernden Werdegang jenes Helmut Schreiber (1903-1963), der nach zweifelhafter Karriere als Filmproduzent und Amateur-Zauberer unter den Nazis erst in der Bundesrepublik als Berufsmagier zum „größten Magier der Welt“ wurde.
„Helmut Schreiber war ein Meister der Täuschung, auf der Bühne und im wahren Leben“, schreibt Herwig im Nachwort und schildert anhand unzähliger Quellen, wie es Schreiber gelang, seine Nazi-Vergangenheit zu verschleiern. Verleugnen konnte er sie nie, da seine Nähe zu den Größen des Regimes bis hinauf zur Spitze vielfach dokumentiert war. Dieses Quellenmaterial – die Nachweise füllen allein 50 von 480 Seiten – wertete Herwig für sein Buch weidlich aus. Doch genau dies ist eine Schwäche der Biografie über einen Mann, für den sich heute kaum jemand interessiert. Diese Ausführlichkeit langweilt irgendwann. Man möchte dem Autor zurufen „Wir haben verstanden“ und blättert weiter. Herwig kratzt am längst verblassten Ruhm eines Zauberers mit „brauner Weste“, für die sich gleich nach dem Krieg die Öffentlichkeit aus bekannten Gründen nicht interessiert hat und nach der heute, zwei Generationen später, schon gar niemand mehr fragt. Von Kalanag blieb allenfalls sein Nachruhm bei wenigen älteren Leser, die den großen Magier noch selbst erlebt haben oder bei solchen, die der Welt der Magie verbunden sind.
Malte Herwig versucht, den Zauberer Helmut Schreiber politisch in die Nazi-Ecke zu stellen und spricht von dessen „politischer Biografie“. Doch an anderer Stelle widerlegt er genau diese These selbst: „Schreiber war kein Ideologe, kein überzeugte Fanatiker – aber er war ehrgeizig.“ Helmut Schreiber hatte sich schon als 16-Jähriger mit Leib und Seele der Zauberei verschrieben. „Er war eine unglaublich willensstarke Persönlichkeit,“ wird im Buch zitiert. Und: „Wen er gebraucht hat, den hat er gut behandelt. Mit Leuten, auf die er nicht angewiesen war, konnte er elend sein.“ Schreiber war kein politisch denkender Mann, sondern ein skrupelloser Ehrgeizling und Opportunist, der es verstand, die Gegebenheiten und Möglichkeiten seiner Zeit zum persönlichen Vorteil zu nutzen. „[Schreiber] fühlte sich wie ein Alleinherrscher, seit der Magische Zirkel 1936 nach dem Führerprinzip gleichgeschaltet und er als Präsident eingesetzt worden war.“ Regierungen waren für Schreiber beliebig austauschbar. „Schreibers nahezu lückenlose Dokumentation seiner Vorstellungen zeigt auch, wie mühelos der Zauberer aus Deutschland über die Umbrüche der politischen Systeme von 1918 über 1933 und 1945 hinweg schwebte.“
Schreiber scheint sich seiner Nazi-Vergangenheit nicht geschämt zu haben. Er hat sie kurzerhand verdrängt. Sie war für ihn bedeutungslos, eine Episode seines Lebens. Dies zeigt sich wieder nach dem Krieg, als er, während die US-Besatzer noch Material über ihn sammeln, in den britischen Sektor nach Hamburg wechselt in der Annahme, dort schneller an eine Auftrittsgenehmigung zu kommen. Er wollte nur wieder zaubern, egal unter welcher Regierung.
Trotz wissenschaftlicher Akribie gleitet Herwig stellenweise ins Romanhafte: „Die junge Frau …. war pünktlich und gepflegt gekleidet. Sie trug ein hochgeschlossenes Kleid und die braunen Locken zusammengebunden.“ In anderen Passagen lässt der Autor Vermutungen zu, wo ihm Fakten fehlen – wie bei der Frage, warum Ida Ehre den Zauberer 1947 nicht in ihren Hamburger Kammerspielen auftreten lässt. So gibt es manche Möglichkeit zur Kritik. Doch letztlich ist „Der große Kalanag“ die interessante Charakterstudie eines skrupellosen, ehrgeizigen, machtbesessenen Mannes, der es in jeder Situation versteht, seine Mitmenschen mit seiner „freundlich-unschuldigen Art“ zu manipulieren und zu verführen. Hier drängt sich dann wieder der Vergleich mit dem Nazi-Regime auf: „Dem Reiz einer gelungenen Illusion konnte sich niemand entziehen – denn die Menschen wollten getäuscht werden.“

Veröffentlicht am 15.05.2021

Kein Urlaubskrimi, sondern spannende Unterhaltung

Tödliches Capri
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REZENSION – Grausam und in seiner Art spektakulär ist der auf Capri gemeldete Mordfall. Nur Franco De Santis, der erfolgreiche Commissario aus Neapel, wird die Hintergründe aufklären und den Mörder entlarven ...

REZENSION – Grausam und in seiner Art spektakulär ist der auf Capri gemeldete Mordfall. Nur Franco De Santis, der erfolgreiche Commissario aus Neapel, wird die Hintergründe aufklären und den Mörder entlarven können, weshalb ihn Autor Fabio Paretta in seinem dritten, im März beim Penguin Verlag veröffentlichten Band seiner bisher in Neapel spielenden Krimireihe – nach „Die Kraft des Bösen“ (2016) und „Trügerisches Neapel“ (2018) – zur Unterstützung der Inselpolizei auf das angeblich so idyllische Touristen-Eiland schickt. Die Situation, die der Commissario auf Capri vorfindet, ist ebenso rätselhaft wie die wahre Identität des hinter seinem italienischen Pseudonym sich verbergenden deutschen Autors, der seit vielen Jahren als freier Schriftsteller in Italien lebt.
Nun könnte man meinen, der Einsatz auf der Urlaubsinsel wäre für den Commissario eine Erholungspause vom Trubel seiner Heimatstadt. Doch weit gefehlt, zumal dieser Mord an einem jungen Kunststudenten allzu martialisch begangen wurde. De Santis beginnt zu ermitteln, bekommt allerdings bald zu spüren, dass er auf der Suche nach Gerechtigkeit mit der ihm eigenen Ermittlungsmethode „ohne Rücksicht auf Verluste“ sich keine Freunde schafft. Denn öffentliches Aufsehen soll um jeden Preis vermieden werden, ist doch gerade Hochsaison und die Insel voller Touristen. „Capri lebt vom Tourismus, eine Negativschlagzeile, und wir verlieren ein Jahreseinkommen“, warnt ihn gleich zu Beginn sein Insel-Kollege Commissario Moncini. Ohnehin ist schon Unruhe genug, da Graffiti-Sprayer im Ort ihre „Kunstwerke“ hinterlassen haben. Ob auch der ermordete Kunststudent darin verwickelt war? De Santis wird es herausfinden. Doch als er beginnt, seine Ermittlungen auf eine in einem historischen Kloster ansässige Kunstakademie eines bekannten Professorenpaares auszudehnen, droht ihm sogar die Staatsanwältin den Fall zu entziehen, da sie es nicht mit der Oberschicht der Insel verderben will.
Der Commissario bringt durch seine sture Ermittlungsweise nicht nur zusätzliche Hektik auf die Insel, die ohnehin schon durch die Urlaubermassen kurz vor dem Kollaps zu stehen scheint. Auch sein eigenes Leben wird in diesen Tagen immer turbulenter, muss er doch ständig zwischen seinem in Neapel ermittelnden Team und dem Tatort Capri hin- und herpendeln – sofern nicht gerade das Fährpersonal wieder mal streikt. Auch privat erschweren ihm die Frauen sein Junggesellenleben, sei es seine Ex-Frau, seine 17-jährige Tochter Ludovika oder seine neue Geliebte Diana, deren Leben voller Geheimnisse zu sein scheint, die De Santis zusätzlich enträtseln muss.
Von der viel gerühmten Idylle und Schönheit der Insel, auf der vor 2 000 Jahren sogar Kaiser Augustus sich einen Palast bauen ließ, ist in diesem dramatisch bis zur letzten Seite gut strukturierten Krimi nichts zu spüren. Paretta lässt seinen Commissario sich durch die von Urlaubern verstopften Gassen drängen oder ständig im Verkehrschaos stecken. „Menschenmassen wogten hin und her, … Gepäckträger schrien, Touristenführer schwenkten Schilder, ...“. Nein, „Tödliches Capri“ ist gewiss keiner dieser üblichen Urlaubskrimis voller Fernweh, Abendsonne, Meeresrauschen und schmackhafter Fischgerichte. Und doch erfahren wir manches Historische und Atmosphärische über Capri. Eher scheint es, als wolle uns Fabio Paretta vom Besuch der Insel abraten. Irreführend ist zudem, dass keine Ansicht von Capri auf dem Titel zu sehen ist, sondern ein bekanntes Motiv des Fischerdorfes Positano an der Amalfi-Küste – ein Rätsel, das nur der Verlag zu lösen weiß. Nun gut, dann beschränken wir uns eben auf den Roman, dessen Lektüre sich durchaus lohnt, da er sauber recherchiert mit Spannung und zwischen den Zeilen verstecktem Humor gut unterhält.

Veröffentlicht am 13.04.2021

Kein üblicher Ratgeber, sondern eher ein Abenteuerroman

Der Wille entscheidet
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REZENSION - „Der Wille entscheidet. Ein Ex-Kommando-Offizier berichtet“. Dieser selbstbewusst klingende Buchtitel in Verbindung mit dem Coverfoto eines sportlich durchtrainierten Mannes in besten Jahren ...

REZENSION - „Der Wille entscheidet. Ein Ex-Kommando-Offizier berichtet“. Dieser selbstbewusst klingende Buchtitel in Verbindung mit dem Coverfoto eines sportlich durchtrainierten Mannes in besten Jahren mit stechendem Blick wirkt so gar nicht wie ein Buch der Sparte „Ratgeber“. Doch der Untertitel „Krisen bewältigen, Verhandlungen gewinnen“ verweist auf genau dieses Genre. Tatsächlich liest sich das jetzt im Ariston Verlag (Penguin Randomhouse) erschienene Buch des ehemaligen Offiziers des Kommandos Spezialkräfte (KSK), der Elitetruppe der Bundeswehr zur Aufklärung und Terrorbekämpfung, und heutigen Sicherheitsberaters und Krisenmanagers Oliver Schneider (52) eher wie ein Abenteuerroman, weshalb „Der Wille entscheidet“ auch jenen Lesern empfohlen werden kann, die sich sonst nichts aus Ratgebern machen.
„Krisen gehören zum Leben, aber keine ist unlösbar.“ Oliver Schneider ist kein Theoretiker. Er ist ein Mann der Tat und weiß, wovon er spricht. Schließlich hat er sich selbst in den vergangenen 25 Jahren, angefangen 1996 als KSK-Offizier, in weltweiten Einsätzen aus gefährlichsten Situationen in Krisen- und Kriegsgebieten befreien und schwierigste Krisen meistern müssen. So berichtet er im Buch, wie er im Frühsommer 1999 als Leiter eines KSK-Einsatzteams als Vorhut der Nato-Bodenoffensive im Kosovo mit seinen Kameraden plötzlich mitten in einem Minenfeld stand. Ein falscher Schritt und das Team wäre in die Luft geflogen. „Krisen sind wie Minenfelder. Doch wer aufmerksam bleibt, kann Minen frühzeitig erkennen und sie entschärfen“, weiß er seitdem. In seinem Buch schildert er mehrere solcher Erlebnisse, die man sonst nur aus Krimis oder Thrillern kennt.
Nach fünf Jahren beim KSK heuerte Schneider bei einem DAX-Konzern als Krisenmanager an, arbeitete ab 2006 als freier Sicherheitsberater und gründete schließlich 2013 eine eigene Sicherheitsfirma, deren Geschäftsführer er seitdem ist. Heute berät er internationale Unternehmen, trainiert deren Führungskräfte in Sicherheits- und Krisenmanagement und verhandelt im Auftrag seiner Kunden mit Erpressern, Piraten, Kriminellen und Terroristen. Dabei nutzt er seine umfassenden Erfahrungen aus seinen Einsätzen als KSK-Offizier, die er jetzt an seine Leser weitergibt. „Denn die Methoden und Taktiken, die bei Spezialkräften zum Einsatz kommen, sind auch in unserem Alltag anwendbar.“
Die Rahmenhandlung seines mit Unterstützung der Schriftstellerin Shirley Michaela Seul verfassten, eher einem Thriller als einem Ratgeber ähnelnden Buches ist ein Fall aus Schneiders Berufspraxis: Vor der Küste Nigerias wurde der Tanker einer Bremer Reederei von Piraten gekapert und die Hälfte der Besatzung entführt. Die Piraten fordern 400 Millionen Dollar Lösegeld. „Die 'Psychospiele' und Mechanismen in Verhandlungen mit Entführern und Erpressern unterscheiden sich nicht von denen bei alltäglichen Deals.“ Auch bei uns „Normalos“ treten Krisen oft überraschend auf. Aus einer privaten, finanziellen oder beruflichen Krise kann eine Lebenskrise werden. „Doch es gibt immer einen Ausweg“, beruhigt uns Schneider und verrät, was bei Krisen zu tun ist.
Nach jedem Kapitel fasst er die daraus folgenden Erkenntnisse in Merksätzen zusammen. Den Abschluss bildet ein „persönlicher Krisennavigator“ mit Leitsätzen nach den Prinzipien des KSK. Des Autors Fazit: „Krisen zu meistern heißt, Entscheidungen zu treffen. Den Umgang mit einer Krise kann man lernen.“ Dies sollte man allerdings vor einer Krise getan haben – vielleicht durch Lektüre dieses ungewöhnlich spannenden, in seinem Stil völlig andersartigen Ratgebers. Irgendwann trifft es jeden von uns: „Krisen gehören zum Leben.“

Veröffentlicht am 01.04.2021

Krimi mit historischen Hintergrund

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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REZENSION – Ein gewagter Spagat zwischen historischem Tatsachen- und spannendem Unterhaltungsroman ist dem unter dem Pseudonym Lutz Wilhelm Kellerhoff schreibenden Autoren-Trio mit „Teufelsberg“ gelungen, ...

REZENSION – Ein gewagter Spagat zwischen historischem Tatsachen- und spannendem Unterhaltungsroman ist dem unter dem Pseudonym Lutz Wilhelm Kellerhoff schreibenden Autoren-Trio mit „Teufelsberg“ gelungen, dem zweiten Band um den jungen Berliner Kommissar Wolf Heller, im März im Ullstein Verlag erschienen. Die Handlung ist in den Monaten Juli bis November 1969 in Berlin angesiedelt. Es ist die Zeit gesellschaftlichen Umbruchs und Kalten Kriegs, in der die geteilte Stadt im Mittelpunkt politischer Spannungen zwischen Ost und West steht. Es ist die Zeit der Auseinandersetzung zwischen der Kriegs- und der Nachkriegsgeneration, die Zeit der Studentenunruhen und der zunehmenden Radikalisierung der Linken, die Vorstufe zum Terror der Roten Armee Fraktion. Im brodelnden Schmelztiegel Berlin treffen junge sozialistische Revolutionäre auf alte Spießbürger, die bei aller Gegensätzlichkeit im Antisemitismus ideologisch verbunden sind, kritisiert doch die extreme Linke den Staat Israel „wegen der faschistischen Gräueltaten gegen die palästinensischen Araber“ als „die neuen Nazis“.
Der Roman beginnt im Juli 1969 mit der Ermordung der Jüdin Rebecca Hirsch, Ehefrau des Berliner Richters Joachim Hirsch, der schon Morddrohungen radikaler Linker um Dieter Kunzelmann, Gründer der berühmt-berüchtigten Kommune 1, erhalten hat. War der Mord an Rebecca nun politisch und antisemitisch motiviert oder war sie ein weiteres Opfer jenes Serienmörders, der zuvor schon drei Frauen gleichen Alters umgebracht hatte? Kommissar Wolf Heller beginnt zu ermitteln. Gleichzeitig versucht die Amerikanerin Louise Mackenzie, Nichte der Ermordeten, die zeitweilig in der Kommune 1 lebt, nicht nur den Mord an ihrer Tante, sondern auch ein Familiengeheimnis aufzudecken. Im Zuge der Ermittlungen bekommt der Kommissar schließlich Hinweise auf ein geplantes Attentat auf die jüdische Gemeinde, das es zu verhindern gilt: „In Deutschland sterben 25 Jahre nach Auschwitz keine Juden.“
„Teufelsberg“ ist mehr als ein spannender Unterhaltungsroman. Das wird spätestens dann offensichtlich, sobald man sich mit den drei Autoren beschäftigt, die das Pseudonym Lutz Wilhelm Kellerhoff vereint. Martin Lutz (51), Journalist im Investigativ-Team der "Welt-Gruppe", ist beruflich auf das Thema Innere Sicherheit und Kriminalität spezialisiert. Schriftsteller Uwe Wilhelm (64) ist Drehbuch-Autor bekannter TV-Krimis und Verfasser einiger Kriminalromane – zuletzt „Die Frau mit den zwei Gesichtern“ (2020). Der dritte und für diesen Roman wohl wichtigste des Trios ist der Historiker Sven Felix Kellerhoff (50), der sich bereits in vielen Sachbüchern – zuletzt „Eine kurze Geschichte der RAF“ (2020) – mit der jüngeren Geschichte Deutschlands beschäftigt hat.
Kennt man die fachlichen Hintergründe des Autoren-Trios, wird bei der Lektüre offensichtlich, wie jeder sein Spezialgebiet in den Krimi eingebracht hat. Die gesellschaftliche und politische Gesamtsituation wird im Roman gut recherchiert aufgezeigt und auch für Nachgeborene nachvollziehbar, historisch sachlich und doch recht lebendig und durchaus unterhaltsam geschildert. Die verschiedenen Handlungsstränge – das Leben und ideologische Denken der Kommunarden, die Situation jüdischer Mitbürger im Nachkriegsdeutschland, die schwierige Zusammenarbeit von Kripo und Staatsschutz in Berlin bei der Bekämpfung linken Terrors, die Unterwanderung und Agitation durch den sowjetischen Geheimdienst KGB – werden gekonnt zusammengeführt, so dass „Teufelsberg“ letztlich wie aus einer Hand wirkt. Nur beim finalen Showdown zwischen Kommissar Heller und seinem russischen Gegner hat Drehbuch-Autor Uwe Wilhelm leider allzu filmreif übertrieben.