Die „Sturmlichter“ flackern im Wind...
SturmlichterEine Saga über drei mutige Frauen, die den Konventionen ihrer Zeit entfliehen, verspricht der Klappentext. Und ja, das ist der Roman auch. Ansonsten sollte man auf den Klappentext nicht gar zu viel geben, ...
Eine Saga über drei mutige Frauen, die den Konventionen ihrer Zeit entfliehen, verspricht der Klappentext. Und ja, das ist der Roman auch. Ansonsten sollte man auf den Klappentext nicht gar zu viel geben, denn er ist - mit Verlaub gesagt - nicht gut. Das, was dort als Handlung zusammengefasst wird, setzt die Geschehnisse im Buch in merkwürdige Zusammenhänge - so fragt man sich zum Beispiel, warum sich Torie danach sehnt „mehr als nur Tochter und Ehefrau zu sein“, wenn sie im gesamten Buch nie verheiratet ist. Das abgedruckte Jahr 1914 suggeriert, dass die Handlung genau dann spielt - doch das Buch beleuchtet sowohl Jahre vor als auch weit nach 1914. Kurz - wer nur nach dem Klappentext geht, könnte enttäuscht werden. Vieles was dort steht, passiert übrigens erst in der zweiten Hälfte des Buches.
Es ist ein typischer historischer Frauenroman. Die Mädchen wollen mehr als das, was das Schicksal ihnen zugedacht hat und die Konventionen verlangen. Ihre Wege begleitet man von der Kindheit bis 1926, als sie etwa Mitte zwanzig sind.
Doch nicht jede der drei Figuren bekommt im Text die gleiche Aufmerksamkeit. Den größten Anteil an der Geschichte hat die Pariserin Victoria („Torie“). Diese lernt im Schweizer Internat die Deutsche Clarissa kennen, wobei sich die Mädchen recht früh wieder aus den Augen verlieren. Mia hat eine eigenständige Geschichte. Die Verbindung zwischen den drei Frauen knüpft Maurice. Er ist Victorias Bruder, heiratet später Clarissa, liebt aber Mia. Doch die Wege, die das Buch hier geht, sind sehr verschlungen und von so vielen Zufällen geprägt, dass es auf mich leider sehr konstruiert wirkt. So lernt Clarissa Maurice z.B. nicht über Victoria kennen, sondern begegnet zufällig im riesigen Berlin einem interessanten Mann und findet dann heraus, dass er ausgerechnet der Bruder der Kindheitsfreundin ist. Was für ein glücklicher Zufall! Wie gesagt, ich bin kein Fan solcher Plots, weil es einfach zu unglaubwürdig ist.
Gut gefallen hat mir der Erzählstrang über die Crosière Noire, die von Citroen initiierte Afrika-Expedition (wieviel davon wahr und was Fiktion ist, wird aber leider nicht aufgeklärt, da es kein Nachwort gibt, das die Begebenheiten einordnet). Victoria hat ein Händchen für Motoren und möchte unbedingt mit auf diese Expedition - doch für Frauen ist dort kein Platz. Mehrmals wird sie abgelehnt, obwohl ihre Arbeitsergebnisse als Mechanikerin geschätzt werden. So greift sie zu einem Trick und heuert als Mann bei der Expedition an. Auch da frage ich mich, ob so etwas tatsächlich hätte klappen können - gerade in dem unkomfortablen Umfeld einer solchen Expedition... wäre sie da nicht sofort aufgeflogen? Es geht ja schon damit los, dass sie sich nie einfach an den Wegrand stellen kann um ihren menschlichen Bedürfnissen nachzukommen - wie es wahrscheinlich alle Männer einfach getan haben.
Obwohl ich den Schreibstil sehr genossen habe und es sich flott liest, so wie ein Schmöker eben sein sollte, hat der Plot nicht ganz meinen Erwartungen entsprochen. Zwar habe ich teilweise mit den Frauen mitgefiebert, aber andererseits fand ich die Wendungen zu konstruiert und die Erzählung wirkte auf mich nicht ganz rund. Für meinen Geschmack waren auch zu viele Themen enthalten. Die drei unterschiedlichen Charaktere der Protagonistinnen, Traumata nach dem 1. Weltkrieg, Medizin/Pflege in dieser Zeit, Frauenrechte, Technik/Automobilkonstruktion, die Afrika-Expedition, die Kunstszene in Paris und in Deutschland... hier wäre aus meiner Sicht weniger mehr gewesen, denn so war es schon ein ganz schön turbulentes Potpourri.
Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn das Buch sich nur mit Torie und ihrem Weg als Mechanikerin bis zur Afrika-Expedition beschäftigt hätte. Das hätte die Geschichte mehr fokussiert und man hätte mehr in die Tiefe gehen können. So ist es für mich zwar ein angenehmer Schmöker gewesen, aber kein Buch, das mir im Gedächtnis bleiben wird.