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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.10.2019

Interessante Einblicke in das Leben auf der ISS – wenn man bis dahin durchhält

Die lange Reise
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Samantha Cristoforetti ist eine von wenigen Frauen in einem außergewöhnlichen Beruf: Astronautin. In den Jahren 2014/2015 durfte sie an einer ISS-Mission teilnehmen und über diese besondere Erfahrung und ...

Samantha Cristoforetti ist eine von wenigen Frauen in einem außergewöhnlichen Beruf: Astronautin. In den Jahren 2014/2015 durfte sie an einer ISS-Mission teilnehmen und über diese besondere Erfahrung und die langjährige akribische Vor-bereitung berichtet sie in diesem Buch.

Man kann das Buch gedanklich in zwei Abschnitte teilen: der erste (und weit größere) Abschnitt befasst sich mit ihrer Aus-bildung, dem Auswahlverfahren für angehende Astronauten und der Vorbereitung auf den Raumeinsatz. Der zweite (kürzere) Teil beschreibt ihre Zeit auf der ISS. Hier muss ich sagen, im ersten Teil wurde meine Geduld etwas auf die Probe gestellt. Denn Frau Cristoforetti berichtet sehr detailliert über alle möglichen Simulationen, Trainingseinheiten und Manöver, die es immer und immer wieder zu üben galt, bis man sie quasi blind beherrscht. Mir schwirrte irgendwann der Kopf vor lauter technischer Details, aber es wurden mehr und mehr Trai-ningseinheiten akribisch genau beschrieben. Bis etwa Seite 300 geht das so – das war mir wirklich zu viel. Ohne Frage, eine solche Vorbereitung ist notwendig und wichtig für einen Einsatz im Weltall. Natürlich muss jeder Handgriff sitzen und so einstudiert sein, dass man auch im Ernstfall einen kühlen Kopf bewahrt. Das sehe ich vollkommen ein. Aber für den „einfachen Leser“ wird das mit der Zeit wirklich anstrengend (zumindest ging es mir so).

Ich war neugierig auf den Bericht vom ISS-Alltag, von der un-gewöhnlichen Lebenssituation und vor allem auch darauf, wie man als Mensch mit Gefühlen, Ängsten und dem Leistungsdruck umgeht. Diese Erwartung wurde aber nur teilweise erfüllt.

Zunächst mal: wer bis Seite 300 durchhält, wird mit interes-santen Fakten über die ISS-Mission belohnt. Es ist wirklich spannend zu lesen, wie der Arbeitstag eines Astronauten auf der ISS aussieht, wieviel persönlichen Freiraum man aufgeben muss, wieviel Medienaufmerksamkeit man ausgesetzt ist, aber auch, welche Experimente mit welchen Zielen im All durchgeführt werden. Dieser Teil des Buches hat mir sehr gut gefallen und den würde ich auch mit 5 Sternen bewerten.

Was mir aber zu kurz kam, war die menschliche Seite. Frau Cristoforetti scheint im Allgemeinen ein sehr rational denken-der Mensch zu sein. Ängste scheint sie kaum zu kennen. Mich hätte noch viel mehr interessiert, wie man eine Erfahrung wie den Sojusflug zur ISS oder zurück reflektiert, welche Gedanken einem durch den Kopf gehen, wenn man zusammengekrümmt in der Sojuskapsel sitzt und weiß, es könnte in ein paar Sekunden auch alles vorbei sein und man könnte seine Familie und Liebsten nie wieder sehen… bei ihr liest es sich alles wie ein einziges Abenteuer auf dem Spielplatz Astronautenbasis oder Raumstation. Vielleicht ist es einfach ihr Wesen, dass ihr Gedanken übers Scheitern oder über Risiken scheinbar nie in den Kopf kommen (da bin ich wohl ganz anders gestrickt). Aber mir war der Bericht dadurch zu „glatt“.

Meine Empfehlung kann ich daher eher für den zweiten Teil des Buches ab ca. Seite 300 geben, wo absolut interessante Einblicke ins Leben auf der Raumstation ISS gegeben werden. Der erste Teil ist mir zu ausschweifend geraten, auch wenn mir bewusst ist, dass diese lange Vorbereitung absolut notwendig ist für „Die lange Reise“. Daher meine geteilte Meinung und im Ganzen 3 Sterne.

Veröffentlicht am 25.08.2019

Der mondäne Charme der Geschichte ist bei mir leider nicht ganz angekommen

Die Perlenvilla
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Als mitreißendes und schillerndes Sommerbuch wird dieser Roman im Klappentext angepriesen. Und ja – natürlich kom-men einem bei den Worten Cote d’azur und Cannes sofort Bilder in den Kopf, in denen sich ...

Als mitreißendes und schillerndes Sommerbuch wird dieser Roman im Klappentext angepriesen. Und ja – natürlich kom-men einem bei den Worten Cote d’azur und Cannes sofort Bilder in den Kopf, in denen sich das azurblaue Wasser an großen Segelyachten reibt… Diese Bilder versucht auch Rachel Rhys in ihrem Buch heraufzubeschwören. Doch bei mir kam der Zauber leider nicht ganz an – und ich kann noch nicht mal recht benennen, woran das lag.

Die Story selbst ist eine, die für solche Sommergeschichte typisch ist, auch wenn sie komplett historisch angesiedelt ist: eine junge Frau aus der Nähe von London erfährt von einer überraschenden Erbschaft in Südfrankreich, macht sich auf den Weg zur vererbten Villa und – voila! – entdeckt ihre Selbstbestimmtheit und findet ein neues Leben. Alles nichts Neues in solchen Büchern. Umso mehr habe ich auf einen au-ßergewöhnlichen Akzent gewartet, mit dem die Autorin auf-wartet, um ihre Geschichte zu etwas Besonderem zu ma-chen. Die Besonderheit könnte vielleicht der etwas überdrehte Schriftsteller Sully sein, der gerade in der Villa wohnt, als Erbin Eve dort ankommt. Oder die berühmte Schauspielerin Gloria, mit der sich Eve anfreundet. Aber leider reißen diese beiden für mich die Geschichte nicht aus ihrer Vorbestimmtheit heraus.

Eve als Figur blieb mir über das gesamte Buch hinweg zu blass und ich fand sie manchmal irgendwie… fad. Ich hätte mir noch mehr Einblick in ihr Seelenleben gewünscht, um sie besser verstehen zu können. Ja, es wird angedeutet, dass sie in ihrer Ehe gefangen ist und sich wünscht, aus dem Schatten ihres bestimmenden Gatten heraustreten zu können (was ihr mit der Fahrt von England an die französische Küste erstmals möglich erscheint).Dennoch hätte ich Eves Entwicklung gern näher miterlebt. An mehreren Stellen heißt es „Sie war selbst überrascht, wo sie den Mut für diese Äußerung/Handlung hernahm.“ Aber mit dieser kurzen Andeutung hatte es sich dann auch schon.

Insgesamt waren mir die Figuren etwas zu stereotyp. Der Schriftsteller und die Schauspielerin waren als extravagante Künstler und Lebemenschen dargestellt – das typische Bild eben. Die Familie des Verstorbenen waren und blieben miss-trauisch gegenüber Eve, bis sich kurz vor Schluss in einem recht furiosen (und fast kriminalistischen) Finale alle Fragen klärten. Und natürlich so ziemlich alle Handlungsstränge ein Happy End fanden, was mir persönlich ein wenig zu viel war. Gerade in einer Zeit wie 1948, als so viele Menschen vom Krieg gezeichnet und innerlich zerrissen waren, hätte ich mir für die Charaktere mehr Tiefgang und innere Kontroversen gewünscht –und dass am Schluss sich nicht so ziemlich alles für so ziemlich alle in Wohlgefallen auflöst. Das hätte die Geschichte irgendwie authentischer gemacht.

Dennoch ist das Buch für laue Sommerabende oder für den Urlaub empfehlenswert. Es muss ja nicht immer der erhobene Zeigefinger oder die Lektüre mit Tiefgang sein. Wer das nicht erwartet, wird sicherlich nicht enttäuscht. Mir plätscherte die Geschichte zu sehr dahin und ich wurde mit den Charakteren auch nicht recht warm. Aber das muss ja nicht jedem Leser so gehen.

Veröffentlicht am 12.08.2019

Der 1. Weltkrieg ist in den Köpfen immer präsent

Als wir im Regen tanzten
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„Als wir im Regen tanzten“ ist der zweite Teil eines histori-schen Epos über die Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Im ersten Band „Was wir zu hoffen wagten“ (den ich allerdings nicht gelesen habe) wird die Zeit ...

„Als wir im Regen tanzten“ ist der zweite Teil eines histori-schen Epos über die Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Im ersten Band „Was wir zu hoffen wagten“ (den ich allerdings nicht gelesen habe) wird die Zeit vor Ausbruch des Krieges und die Zeit unmittelbar danach thematisiert. In dieser Fortsetzung stehen die Jahre 1928/29 im Vordergrund.

Zum einen geht es um die Schauspielerin Recha und den Regisseur Willi, die sich als Kollegen wunderbar ergänzen, allerdings als Paar immer mehr entfremden. Zum anderen spielt Felice eine Hauptrolle – sie ist Anwältin und hat sich in einer männerdominierten Zeit als berufstätige Frau durchgesetzt. Sie hat es nicht leicht, sich immer wieder zu behaupten – aber das Hauptaugenmerk liegt in diesem Buch auf ihrer privaten Situation. Sie hat die beiden Töchter ihrer Schwester aufgenommen, als diese nicht in der Lage war, ihre Kinder zu betreuen. Seit mehreren Jahren leben die Kinder bei Felice und sie liebt sie wie ihre eigenen. Ihrer Ansicht nach hat sie die Mädchen gerettet, da ihre Schwester sie nicht angemessen erziehen könnte. Als sich die Situation ihrer Schwester bessert und sie darauf besteht, ihre Kinder wieder zu sich zu nehmen, entbrennt Felices Kampfgeist und sie versucht alles, um die Mädchen wieder zu sich zu holen.

Wer wie ich den 1. Band nicht kennt, wird keine Probleme haben, das Buch als eigenständigen Roman zu lesen. Allerdings wird in diesem 2. Teil unheimlich oft auf einen Film von Willi Bezug genommen, der teilweise das komplette Geschehen im Buch (immernoch) beeinflusst.

Dadurch hatte ich leider auch mitunter das Gefühl, dass sich die Story nicht vorwärts bewegt und es immer und immer wieder um diesen Film und seine Handlung (das Geschehen im belgischen Ypern im 1. Weltkrieg) geht. Sehr oft kehrten die Gedanken der Protagonisten zu diesem Film zurück, immer wieder wurden Szenen ausführlich geschildert und ihre Bedeutung interpretiert… das machte das Buch für mich vor allem in den ersten zwei Dritteln reichlich zäh. Gedanklich habe ich es mitunter mit dem vielbeschriebenen „süßen Brei“ verglichen, der irgendwie immer mehr wird und kaum noch zu bändigen ist.

Das hat mir leider das Lesen dieses Buches nicht wirklich leicht gemacht. Natürlich spielen der 1. Weltkrieg und seine Auswirkungen eine zentrale Rolle in diesem Buch. Dennoch bin ich damit nicht so recht warm geworden. Am Anfang ging mir die Handlung viel zu langsam voran, erst im letzten Drittel empfand ich sie wirklich als mitreißend. Die Figuren konnten mich nicht in ihren Bann ziehen, blieben für mich leider blass und meinem Herzen fern. Deshalb kann ich trotz des wichtigen Themas und der interessanten Epoche nur 3 Sterne vergeben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Geschichte
  • Figuren
Veröffentlicht am 30.06.2019

Wichtiges Thema - etwas schwierig verpackt

Das Geständnis der Frannie Langton
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Auf dieses Buch bin ich durch zwei Dinge aufmerksam geworden: erstens, das wunderschön gestaltete Cover, das die Geschichte einer jungen Farbigen suggeriert und mich deshalb neugierig gemacht hat. Und ...

Auf dieses Buch bin ich durch zwei Dinge aufmerksam geworden: erstens, das wunderschön gestaltete Cover, das die Geschichte einer jungen Farbigen suggeriert und mich deshalb neugierig gemacht hat. Und zweitens der Klappentext, der die Story grob umreißt und einen „aufwühlenden historischen Kriminalroman“ verspricht.

Nun, ich denke Sara Collins hat sich hier wirklich an ein großes und wichtiges Thema gewagt, das zwar im historischen Gewand daherkommt, aber sicher immer noch an einigen Stellen auch in heutiger Zeit seine Relevanz hat.

Die junge farbige Frannie Langton wird aus den britischen Kolonien nach England geholt. Sie hat, was für ein Dienstmädchen zur damaligen Zeit ungewöhnlich ist, einen hohen Bildungsgrad. Eine Farbige, die lesen und schreiben kann? Das ist den Menschen höchst suspekt und als ihre Arbeitgeber ermordet werden, sind alle schnell dabei, die junge Frau zu verdächtigen. Das Ergebnis: Frannie wird des Mordes angeklagt.

In Form eines Tagebuchs schreibt sie ihre Lebensgeschichte auf und erzählt vom Alltag in den Kolonien und wie es dazu kam, dass ihr Bildung zuteil wurde – was erst einmal erstaunlich klingt, hat einen überaus bizarren Hintergrund, da sie für Forschungszwecke benutzt, oder eher ausgenutzt wurde. Ich konnte kaum glauben, dass es so etwas tatsächlich gegeben hat, aber ich gehe davon aus, dass die Recherchen der Autorin hier sehr genau und detailliert waren.

Der große Minuspunkt des Buches – zumindest für mich – war der Schreibstil. Ich habe mich mit der Erzählweise nur sehr schlecht anfreunden können und habe immer wieder Pausen einlegen müssen, weil mich die Story zwar interessiert hat, aber beim Lesen irgendwie so gar nicht in seinen Bann zog. Frannie ist auch nicht unbedingt ein Charakter, zu dem man sich sofort hingezogen fühlt. Sie ist sehr eigensinnig, stolz (zu Recht!), aber ihre Art das auszudrücken ließ mich irgendwie immer wieder eine gewisse Abneigung empfinden.

Und so bin ich wirklich sehr hin und her gerissen, was dieses Buch angeht. Einerseits finde ich das Thema unglaublich spannend und wichtig, und ich finde es toll von Sara Collins, dass sie als Frau in der heutigen Zeit diese Thematik aufgreift. Dafür ein dickes, fettes Plus. Allerdings konnte ich, wie gesagt, dem Schreibstil so gar nichts abgewinnen und bin eher halbherzig durch die Seiten gesegelt… das fand ich sehr schade. Verdient hat das Buch aus meiner Sicht trotzdem mindestens 3 Sterne, schon allein, weil es Frauen aus dieser Epoche und mit einem solchen Hintergrund eine Stimme gibt.

Veröffentlicht am 24.06.2019

Glänzende Zeiten? Leider nicht ganz – das Flair des alten Ostpreußen fehlt

Königsberg. Glänzende Zeiten
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Ich bin wohl mit etwas falschen Erwartungen an diesen Roman gegangen. Vorgestellt hatte ich mir – vor allem auch, weil die ganze Reihe nach der ostpreußischen Stadt Königsberg benannt ist – ein Buch, das ...

Ich bin wohl mit etwas falschen Erwartungen an diesen Roman gegangen. Vorgestellt hatte ich mir – vor allem auch, weil die ganze Reihe nach der ostpreußischen Stadt Königsberg benannt ist – ein Buch, das das Lebensgefühl und die großartige Landschaft dieser Region in einem historischen Gewand wieder aufleben lässt. Zugegeben, das Buch spielt in der Gegend um Königsberg. Nur für mich war leider viel zu wenig vom ost-preußischen Flair spürbar.

Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Roman ganz eindeutig auf den Figuren und auf den Beziehungen zwischen ihnen, während das Setting – so mein Eindruck – eine absolut untergeordnete Rolle spielt.

Lügen, Eifersucht und Intrigen gibt es genug und diese waren auch interessant zu lesen und zu verfolgen. Aber die Geschichte hätte überall spielen können… ich hätte beim Lesen nicht unbedingt gemerkt, wo es angesiedelt ist, wenn der Titel es nicht verraten hätte. Das fand ich sehr schade.

Denn eigentlich hatte ich mich auf eine Saga mit viel Flair (ähnlich der Ostpreußen-Trilogie von Ulrike Renk) gefreut. Das kam leider nicht so recht rüber, vielleicht auch, weil der Blick nur der Gesellschaftsschicht des Landadels galt. Die Angestell-ten des Gutes mit ihrem viel härteren Leben waren tatsächlich Nebenfiguren mit nur kleinen Rollen und von ihren Sorgen und Nöten wurde im Gegensatz zu denen der Protagonisten wenig bis nichts bekannt.

Dafür kamen die Verwirrspiele um Liebe, Hass und Eifersucht unter den gutbetuchten Herrschaften umso mehr zum Tragen. Ein großer Teil des Buches besteht aus Dialogen, aus Erläute-rungen von Gefühlen gegenüber anderen Personen – wie schon gesagt, der Fokus liegt eindeutig auf dem Beziehungsgeflecht. Wer das mag, wird an dem Buch definitiv seine Freude haben, denn schon allein die Dreiecksgeschichte um Carl, Leonhard und Adela birgt viel emotionalen Sprengstoff. Die weiteren Figuren und die zum Teil tragischen Wendungen tragen außerdem dazu bei, dass dieses Buch recht theatralisch daherkommt.

Mir persönlich fehlte in diesem Roman die Verbindung zwi-schen den Figuren und ihrer Heimat, das im Titel zu vermu-tende Flair einer Ostpreussen-Saga stellte sich leider nicht ein, auch wenn sich das Buch gut lesen ließ und durch viel Dramatik auch bis zuletzt spannend war.