Profilbild von Cassandra2000

Cassandra2000

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Cassandra2000 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Cassandra2000 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2022

Licht im Dunkel

Im Dunkel-Retreat
0

Die Heilpraktikerin Saskia John beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem „inneren Kind“, leitet Familienaufstellungen und hat schon mehrere Dunkelretreats unternommen. Dieses Buch ist eine Dokumentation ...

Die Heilpraktikerin Saskia John beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem „inneren Kind“, leitet Familienaufstellungen und hat schon mehrere Dunkelretreats unternommen. Dieses Buch ist eine Dokumentation ihres letzten vierwöchigen Fasten-Dunkel-Retreats. Die Autorin blieb 26 Tage in völliger Dunkelheit, erhielt täglich für eine Stunde Besuch ihrer hellsichtigen Betreuerin Gertrud und hatte noch dazu eine 57-köpfige Gruppe, die sich energetisch auf das Experiment einstimmen wollte.

Für mich, die ich schon einige Meditationsretreats gemacht habe und dabei eine Ahnung bekommen habe, was alles möglich ist, las sich der Bericht intensiv und sehr fordernd. Ich war oft direkt berührt und konnte durch die eindringlich- akkurate Beschreibung gut mitfühlen, mitgehen, eintauchen. Saskia Johns innere Reise führt in eine Tiefe und Höhe, die mir nicht wirklich zugänglich ist, aber beim Lesen in Ansätzen erfahrbar wurde. Das war sehr inspirierend. Irgendwann möchte ich das auch einmal machen.

Es leuchtet mir unmittelbar ein, dass Ruhe, Dunkelheit und das Fehlen jeglicher Ablenkung gerade in unseren Zeiten ein kostbares Feld sind, in dem wir uns selbst begegnen und heilen können.

Dem authentischen Buch wünsche ich viele begeisterte Leser*innen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.08.2022

Irischer Landei-Punk

Snowflake
0

Debbie, gerade achtzehn geworden, wächst auf einer heruntergekommen Milchfarm in Irland auf. Ihre Mutter leidet an einer schweren psychischen Störung, ihr Onkel, ebenfalls sehr eigen, ist funktionierender ...

Debbie, gerade achtzehn geworden, wächst auf einer heruntergekommen Milchfarm in Irland auf. Ihre Mutter leidet an einer schweren psychischen Störung, ihr Onkel, ebenfalls sehr eigen, ist funktionierender Alkoholiker mit Hang zum Intellektuellen. Als Debbie im Trinity College in Dublin angenommen wird für ein Literaturstudium, stellt sie sich mit viel Kopfkino, Ängsten und natürlich mit dem ganzen Kindheitsgepäck der Herausforderung. Permanent macht sie sich klein, hält sich für dümmer, hässlicher und uncooler als alle anderen. Also eigentlich völlig normal. Wer hat sich in diesem Alter nicht für eine niemals dazugehörende, hoffnungslose Außenseiterin gehalten? Der Reiz des Romans liegt nicht im Thema. Diese Geschichte wurde tausendfach erzählt. Es ist die Mischung aus naiv, ehrlich, oberschlau, empfindsam und hardboiled, die mich in einen Bann gezogen hat. Die Figuren sind allesamt eine Spur überdreht, too much, superskurril, aber es steckt in jeder eine echte, atmende Person mit wahren Gefühlen. Debbie, die alles andere als dumm ist, hütet ein echtes Trauma und weiß, dass sie sich ihrer Familiengeschichte stellen muss. Ich fand es berührend, dass ihr Aufbruch auch für alle anderen Veränderung bringt. Nicht zur heilen Welt und mitnichten wird alles gut. Aber besser. Mit Aussicht auf echtes Glück. Ein toller Erstling einer sehr begabten jungen Autorin.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2022

Eine echte Powerfrau

Matrix
0

Die junge Marie, aus einer königlichen Vergewaltigung entstanden, nicht verheiratet werden, sie entspricht so gar nicht den herrschenden Schönheitidealen. Viel zu groß, zu kräftig, ein langes Gesicht, ...

Die junge Marie, aus einer königlichen Vergewaltigung entstanden, nicht verheiratet werden, sie entspricht so gar nicht den herrschenden Schönheitidealen. Viel zu groß, zu kräftig, ein langes Gesicht, viel zu eigensinnig und intelligent. Also soll sie aus politischen Gründen in ein unbedeutendes Kloster abgeschoben werden. Sie wird dort die Priorin sein. So ganz ohne Erfahrung und völlig ohne religiöse Neigung, ist das eher ein Affront gegen die dort lebenden Nonnen, die sich verbittert oder devot in ihr Schicksal ergeben haben. Marie, die mit großer Kraft und hoher Intelligenz gesegnet ist, beschließt nach anfänglichem Hader mit ihrem Schicksal, die Klosterleitung anzunehmen.
Sie setzt ihr ganzes Können dafür ein, das Leben der ihr Anvertrauten zu verbessern und diese Frauen, die keine Lobby haben zu beschützen.
Das gelingt ihr weit besser, als es „einer Frau zukommt“ und bald schon müssen sich die Klosterdamen gegen Neid, Anfeindungen, Intrigen und andere Unbill behaupten.
Ich habe das Werk „Matrix“ atemlos gelesen. Die Sprache ist wunderbar poetisch und doch klar. Maries Visionen von großer Kraft. Starke Bilder, starke Frauen. Sie können fast alles selbst, brauchen keine Männer, jede findet eine Platz und sei sie auch noch so beschädigt vom krassen Vorleben in der mittelalterlichen, gnadenlosen Welt. Herzensgüte, Gemeinschaft, Klugheit und Tatkraft gewinnen. Ein besonderes Buch, über echte weibliche Tugenden und über eine herausragende Persönlichkeit. Dass „Hässlichkeit“ und „Unweiblichkeit“ Marie am Ende davor bewahrt haben im Kindbett zu sterben klingt wie ein kosmischer Witz. Nur so konnte sie letztlich ihre Erfüllung finden und ein gutes Leben (fast) nach ihren eigenen Regeln führen. Chapeau.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.07.2022

Diese Zimmermänner!

Beifang
0

Frank ist gescheitert in seinem Leben. Vor allem an seinen Ansprüchen. Die Frau, mit der er einen Sohn zeugte, will schon kurz nach der Empfängnis nicht mehr bei ihm bleiben. Vincent, sein Sohn bekommt ...

Frank ist gescheitert in seinem Leben. Vor allem an seinen Ansprüchen. Die Frau, mit der er einen Sohn zeugte, will schon kurz nach der Empfängnis nicht mehr bei ihm bleiben. Vincent, sein Sohn bekommt eine Bilderbuch-Patch- Nobel-Familie und ist ihm bald entfremdet. Und Frank? Fragt sich noch immer, was er da in dieser unbelebten Berliner „Übergangswohnung“ überhaupt will. Da ist die Liason mit der jungen, schicken Marie. Aber die ist verheiratet und hat eine kleines Kind. Eigentlich klar, dass da nicht mehr geht. Da ist seine Arbeit als Journalist und Drehbuchautor, die er halbherzig und ohne Feuer betreibt. Und dann gibt es noch diese riesengroße, ziemlich schräge Familie väterlicherseits. Zwölf Geschwister hatte der Vater und es gibt nicht viel, was Frank über sie weiß. Noch weniger über den Großvater, der seinem Sohn eine rote Kiste hinterlassen hat. Eben diese weckt nun die Neugier in Frank. Wo soll er auch sonst noch schauen, was mit ihm los ist, wenn nicht in der Vergangenheit.
Eben! Auf nach Beifang. So heißt der wirklich existierende Stadteil von Selm, eher unbekannt und im Ruhrgebiet verortet. Und Beifang ist hier wirklich doppeldeutig. Denn genau wie all die versehentlich ins Netz geratenen Fische, sind auch alle Familienmitglieder irgendwie im Traumanetz der „Zimmermänner“ geraten. Dazuzugehören ist Fluch und Heimat.
Für Frank, der sich immer raushalten wollte aus allem wird klar, dass er genau das nicht mehr tun sollte. Also steigt er hinab in die finsteren Abgründe.
In schöner Sprache, komprimiert und spannend hat der Autor eine Familiengeschichte hingelegt, die fesselt und bewegt. Ich werde sicher noch mehr von ihm lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.04.2022

Leander rules

Einsame Entscheidung
0

Ich mag die Fuseta-Bagage. Die familiäre Komplizenschaft der guten Menschen dieser unauffälligen Kleinstadt, weitab vom mondänen Lissabon und den arroganten Spanienmetropolen. Leander Lost ist Deutscher ...

Ich mag die Fuseta-Bagage. Die familiäre Komplizenschaft der guten Menschen dieser unauffälligen Kleinstadt, weitab vom mondänen Lissabon und den arroganten Spanienmetropolen. Leander Lost ist Deutscher und sein Asperger-Syndrom macht ihn sowieso zum Außenseiter. Aber in Fuseta darf jeder, sofern er das Herz auf dem rechten Fleck hat, sein Plätzchen finden. Cosy Crime auf portugiesisch. Darauf eine Bica.

Es wird viel gegessen und ein bißchen getrunken in Fuseta. Ich bekomme immer Appetit beim Lesen auf mehr. Mehr lesen und Essen und Trinken.

Außerdem fühle ich mich gut unterhalten, bisweilen amüsiert, ich lächle und ich fiebere auch mit. Aber nicht zu sehr. Wirklich aufregend ist der Krimi nicht. Macht nichts. Gefällt mir trotzdem. Der Schreibstil von Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt ist halbironisch, geschliffen und hat Witz.
Dem nächsten Fall des Alemao würde ich auf jeden Fall wieder folgen wollen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere