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Christina19

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2024

Ein kleines Gesamtkunstwerk in unverwechselbarem Schreibstil

Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
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Stell dir vor, es gäbe einen Raum, in dem du eine Variante deines Lebens unter all den Möglichkeiten, die dir die Zukunft bietet, für 10 Minuten ausprobieren darfst. Gefällt dir, was du siehst, loggst ...

Stell dir vor, es gäbe einen Raum, in dem du eine Variante deines Lebens unter all den Möglichkeiten, die dir die Zukunft bietet, für 10 Minuten ausprobieren darfst. Gefällt dir, was du siehst, loggst du es ein. Magst du es nicht, kannst du direkt eine andere Version testen.
Als Fatih 1994 mit seinen Freunden im Weinberg zusammensitzt, kommt ihm genau diese Idee eines Anproberaums.
Saša Stanišić erzählt vom Grübeln an den Kreuzwegen einer Biografie und von Entscheidungen über die eigene Zukunft.

Nachdem ich das Buch mit dem langen und sperrigen Titel in der Buchhandlung entdeckt habe, war ich neugierig darauf, was sich dahinter verbirgt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir der Autor bis dato kein Begriff war – gut, dass sich das nun geändert hat, denn mit Sicherheit war dieses nicht das letzte Buch von Saša Stanišić, das ich gelesen habe.
„Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ ist eine Sammlung mehrerer Kurzgeschichten. Wir lernen Dilek kennen, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat und nun seit Jahren als Reinigungskraft arbeitet. Wir erfahren von Georg, dessen Sohn Paul ihn mühelos beim Memory schlägt. Außerdem ist da auch Gisel, die ihre Tage nach dem Tod ihres Mannes recht einsam verbringt und mit ihrer Zeit oft nichts anzufangen weiß. Alle Kurzgeschichten sind fein miteinander versponnen und ergeben ein kleines Gesamtkunstwerk.
Ganz angetan bin ich von der Sprache, in der Stanišić erzählt. In meinen Augen besitzt er einen unverwechselbaren Schreibstil, mit dem er es schafft, seine Figuren zum Leben zu erwecken und die Handlung Wirklichkeit werden zu lassen. Beschreibungen wie die „beruflich diverse(n) Badeenten“, außergewöhnliche Vergleiche und die trockene Ehrlichkeit mancher Protagonisten haben mich an etlichen Stellen schmunzeln lassen.
Mit seinem Werk zeigt der Autor auf, dass es sich lohnt, für eine gute Zukunft schon heute ein guter Mensch zu sein: Wie wir handeln und welche Entscheidungen wir treffen, beeinflusst unser persönliches Glück. Bedeutsam ist außerdem, wie wir auf unser Leben blicken. Sehe ich das Glas also halbleer oder halbvoll? Kurzum: Jeder Mensch hat sein Leben und sein persönliches Glück selbst in der Hand – man muss sich dessen nur bewusst sein.

Veröffentlicht am 23.05.2024

Ein Buch schon für die ganz Kleinen

Ein kleines Geheimnis – Spiel mit mir und ich verrat es dir!
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"Ein kleines Geheimnis" richtet sich an die ganz Kleinen. Obwohl das Lesealter ab 2 Jahren angegeben ist, denke ich, kann man das Buch auch schon mit so manchem Einjährigen ansehen. Es besteht aus stabiler ...

"Ein kleines Geheimnis" richtet sich an die ganz Kleinen. Obwohl das Lesealter ab 2 Jahren angegeben ist, denke ich, kann man das Buch auch schon mit so manchem Einjährigen ansehen. Es besteht aus stabiler Pappe und hat sehr kurze Texte. Darin geht es um ein Eichhörnchen, das Kinder zum Mitmachen auffordert. So soll das Tier beispielsweise zwischen Bäumen gesucht werden, es sollen Seifenblasen zum Platzen gebracht und in die Hände geklatscht werden. Zur Belohnung erfährt das Kind am Ende ein Geheimnis des Eichhörnchens. Aufgefallen ist mir auf einer Seite, dass das Eichhörnchen ein Stück Himbeertorte frisst. An dieser Stelle hätte ich es für besser befunden, mit Haselnüssen oder anderen Nüssen/Früchten etwas aufzuzählen, was tatsächlich auf dem Speiseplan des Tieres steht. Die Illustrationen sind ansprechend gestaltet und die Seiten nicht zu überfrachtet.

Veröffentlicht am 18.05.2024

Ein vielschichtiger Roman über die Abläufe und Rassismus in der Literaturbranche

Yellowface
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Athena Liu hat alles erreicht, wovon ihre Freundin Juniper Hayward nur träumen kann: Ihr Debütroman wurde zum Bestseller und machte sie zu einer der bekanntesten Autorinnen des Landes. Alle weiteren Werke, ...

Athena Liu hat alles erreicht, wovon ihre Freundin Juniper Hayward nur träumen kann: Ihr Debütroman wurde zum Bestseller und machte sie zu einer der bekanntesten Autorinnen des Landes. Alle weiteren Werke, die sie nachlegte, wurden von Publikum und Kritikern mit Spannung erwartet und mit Begeisterung aufgenommen.
Als Athena bei einem tragischen Unglück ums Leben kommt, sieht Juniper ihre Chance gekommen. Sie nimmt Athenas gerade vollendetes und bislang unveröffentlichtes Manuskript an sich und bringt es unter ihrem Künstlernamen Juniper Song auf den Markt. Juniper wird für das Buch gefeiert und genießt allen Ruhm, bis erste Zweifel an der Autorenschaft auftauchen…

„Yellowface“ ist das erste Buch, das ich von Rebecca F. Kuang gelesen habe. Ihren Schreibstil mochte ich auf Anhieb. Die Sätze lassen sich angenehm lesen und die Handlung ist spannungsvoll aufgebaut.
Die Geschichte gewährt einen tiefen Einblick in die Literaturbranche. Thematisiert wird alles von der Zusammenarbeit zwischen Autoren und ihren Agenten über die Korrekturen mit den Lektoren, umfangreiche Werbekampagnen bis hin zu Vorschüssen und Tantiemen.
Die Charaktere sind mitunter facettenreich ausgearbeitet. Vor allem zur Protagonistin hatte ich dadurch beim Lesen ambivalente Gefühle: Einerseits habe ich mit ihr mitgefiebert, oft auch mit ihr gelitten. Andererseits empfand ich ihre Taten an vielen Stellen als niederträchtig, sie selbst bisweilen als narzisstisch und arrogant. Juniper selbst stellt sich zwar an einigen Stellen die Frage, ob ihr Handeln vertretbar ist, zeigt schlussendlich aber doch immer wieder eine verfälschte Selbstwahrnehmung, die mich beim Lesen förmlich kopfschüttelnd zurückließ. Genau diese Figurencharakterisierung hat für mich aber den Reiz der Geschichte ausgemacht – hier gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern auch viele Grautöne.
Während der Roman anfangs vor allem ethisch-moralische Bedenken zum Diebstahl geistigen Eigentums thematisiert, wird aus der Angelegenheit rasch eine Debatte über die Herkunft von Autoren. Die sozialen Medien spielen bei dieser Hetzjagd eine große Rolle. Darf eine weiße Frau ein Buch über asiatische Geschichte veröffentlichen? Wer darf überhaupt worüber schreiben? Und wie viele Autoren mit Migrationshintergrund „braucht“ ein Verlag, um bei seinem Publikum als weltoffen und tolerant zu gelten, mit Diversität werben zu können und dabei glaubwürdig zu wirken?
Moral, Rassismus, Missgunst und Rache gepaart mit Rebecca F. Kuangs Talent zum Schreiben sind die Zutaten für „Yellowface“. Zurecht wurde dieser vielschichtige Roman in den vergangenen Wochen so hochgelobt!

Veröffentlicht am 09.05.2024

Niedliches Kinderbuch mit wichtiger Botschaft zu Natur- und Umweltschutz

Der Recyclosaurus
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Matti ist der größte Dinosaurier-Fan aller Zeiten. Als ein Dino aus einem seiner Bilder eines Nachts zum Leben erwacht, geht für den Jungen ein Traum in Erfüllung. Er füttert sein neues Haustier und muss ...

Matti ist der größte Dinosaurier-Fan aller Zeiten. Als ein Dino aus einem seiner Bilder eines Nachts zum Leben erwacht, geht für den Jungen ein Traum in Erfüllung. Er füttert sein neues Haustier und muss dabei feststellen, dass der Dino am liebsten Plastik mag. Mattis neuer Freund wächst schnell und lässt sich schon bald nicht mehr vor seinen Eltern verstecken. Da der Platz zuhause nicht mehr ausreicht, zieht der Dinosaurier zuerst auf einen Tierschutzhof und reist später in die ganze Welt, wo er den Plastikmüll der Menschen frisst.

„Der Recyclosaurus“ ist ein liebevoll gestaltetes Kinderbuch. Schon das Vorsatzpapier begeistert mich mit Kinderzeichnungen von Dinosauriern. Auf den dann folgenden Seiten stechen zuerst die farbenfrohen und kindgerechten Illustrationen ins Auge. Sie sind nicht nur niedlich anzuschauen, sondern stecken auch voller Witz, wenn z. B. die Hinterlassenschaften des Dinosauriers heimlich von Matti in den Töpfen der Zimmerpflanzen entsorgt werden.
Die Geschichte um Matti und seinen Dino ist leicht verständlich in Sätzen formuliert. Die Sprache empfinde ich als ansprechend, ohne zu hochtrabend zu sein. An der einen oder anderen Stelle könnte der Inhalt für meinen Geschmack noch etwas ausführlicher beschrieben sein, z. B. als Mattis Zeichnung zum Leben erwacht.
Der Kern des Buches widmet sich dem Natur- und Umweltschutz. Mit dem „Recyclosaurus“ können schon junge Kinder an das Problem der Umweltverschmutzung durch Plastikmüll herangeführt werden. Richtig klasse finde ich an dieser Stelle zwei Doppelseiten am Ende des Buches, die den Lesern sachlich erklären, wie Erdöl entstanden ist, wofür wir es nutzen und was das eigentliche Problem an Kunststoff ist. Sie geben außerdem einen Überblick darüber, was jeder Einzelne für die Natur tun kann. Schon Kinder können so ermutigt werden, Plastik zu vermeiden und es, wenn seine Verwendung doch unausweichlich ist, richtig zu recyceln.
Ein empfehlenswertes Kinderbuch!

Veröffentlicht am 04.04.2024

Außergewöhnliche Idee, witzige Umsetzung, niedliche Illustrationen

Der Geräuschehändler
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In seinem kleinen Lädchen lagert der Geräuschehändler allerhand Töne und Klänge. Bei ihm raschelt und rauscht, klingelt und summt es. Jeden Tag empfängt er hier besondere Kunden: Der Straßenlaterne ist ...

In seinem kleinen Lädchen lagert der Geräuschehändler allerhand Töne und Klänge. Bei ihm raschelt und rauscht, klingelt und summt es. Jeden Tag empfängt er hier besondere Kunden: Der Straßenlaterne ist es nachts zu still, dem Zirkusclown fehlt Applaus und der Regenwurm sucht noch nach dem richtigen Sound für seine Gartenparty. Mit viel Liebe packt der Händler die passenden Geräusche in Tütchen ab und versucht so die außergewöhnlichen Wünsche seiner Kundschaft zu erfüllen.

„Der Geräuschehändler“ ist ein Kinderbuch mit einer ganz außergewöhnlichen und humorvollen Geschichte. Diese lenkt den Blick auf die Geräusche, Töne und Klänge in unserer Umwelt. Wie klingt beispielsweise Regen? Mal prasseln Tropfen ganz sacht, mal trommeln sie kräftig. Damit werden das Vorstellungsvermögen sowie die Fantasie von Kindern angeregt. Außerdem kann das Buch als Anlass dienen, die Umgebung genauer wahrzunehmen und akustische Reize zu beschreiben.
Witzig finde ich nicht nur die Idee, Geräusche abzupacken und zu verkaufen, sondern vor allem deren Umsetzung. Als Figuren treten Menschen, Tiere, Gegenstände und Weiteres auf, wobei mich vor allem der Trauerkloß überrascht und unterhalten hat. Daneben lädt auch die Handlung an vielen Stellen zum Schmunzeln ein, wenn der Geräuschehändler beispielsweise eine Messerspitze Martinshorn abfüllt und einen ordentlichen Bremsquietscher verpackt, aber von einem Lieferengpass für Autofahrergeschimpfe spricht.
An jedem Wochentag erlebt der Geräuschehändler ein anderes Abenteuer. Durch diese Einteilung in sieben kleine Geschichten besteht die Möglichkeit, täglich nur einen kürzeren Text vorzulesen und den Inhalt später mit der nächsten Geschichte wieder aufzugreifen.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die tollen Illustrationen, die mir wirklich gut gefallen! Diese unterstreichen den Inhalt des Buches perfekt. Sie bezaubern außerdem durch einen besonderen Stil und eine spezielle Farbigkeit. Jule Wellerdiek besitzt damit einen hohen Wiedererkennungswert.

Große Empfehlung für den Geräuschehändler!