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Veröffentlicht am 21.03.2019

Wunderbare Sprache - wenig greifbare Charaktere

Die zehn Lieben des Nishino
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Das Buch "Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß" von der Autorin hat mich vor Jahren sehr berührt. Deshalb habe ich mich für das neue Buch der Autorin entschieden. Aber diesmal war ich nicht ...

Das Buch "Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß" von der Autorin hat mich vor Jahren sehr berührt. Deshalb habe ich mich für das neue Buch der Autorin entschieden. Aber diesmal war ich nicht ganz so begeistert. Zum einen liegt dies sicherlich daran, dass ich sehr hohe Erwartungen hatte. Die sprachlich übrigens komplett erfüllt wurden.
Zum anderen lag es aber auch daran, dass diesmal keine richtige Geschichte erzählt wird. Sondern es sich eigentlich um einzelne Geschichten handelt. Sie werden von immer anderen Erzählerinnen erzählt. Der Zusammenhang ist, dass immer über den gleichen Protagonisten erzählt wird. Über Nishino. Er ist der Geliebte, Angehimmelte oder auch nur vielleicht geliebte Mensch der erzählenden Frauen.

Trotz (oder gerade wegen?) der vielen Erzählperspektiven kam ich als Leser dem Protagonisten nicht näher. Es wird nicht chronologisch erzählt - aber ich denke, das ist nicht das Problem. Sondern eher, dass ich mich in der schönen Sprache und in der Sichtweise der erzählenden Person verloren habe. Und danach erst einmal Pause machen musste.
Also für mich definitiv kein Buch zum schnell durchlesen, obwohl es ein relativ schmales Buch ist.

Sondern eher wie ein Band mit Geschichten. Hin und wieder eine Geschichte genießen, verarbeiten oder darüber nachdenken - und dann irgendwann die nächste Geschichte lesen.


Veröffentlicht am 27.12.2018

Scheitern Ehen an gesellschaftlichen Umbrüchen?

Fast schon ein ganzes Leben
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Birgit und Paul wachsen in der DDR auf, lernen sich während ihres Studiums der Ökonomie kennen, verlieben sich, heiraten und bekommen ein Kind.

Beide haben sehr unterschiedliche Zukunftsvorstellungen. ...

Birgit und Paul wachsen in der DDR auf, lernen sich während ihres Studiums der Ökonomie kennen, verlieben sich, heiraten und bekommen ein Kind.

Beide haben sehr unterschiedliche Zukunftsvorstellungen. Paul ist eigentlich zufrieden mit dem Leben in der DDR. Er will die bestehenden Verhältnisse verbessern - und verzweifelt in seinem Beruf in der Materialwirtschaft oft an mangelnden Lagerbeständen. Birgit dagegen will ".. schicke Klamotten. Reisen überallhin..." (S. 146). Sie will ein westliches Leben - allerdings nur aus Konsumgründen - nicht aus politischer Überzeugung. Und obwohl sie Ökonomie studiert hat, will sie beleibe nicht selbst etwas dafür tun, dass es ihr wirtschaftlich gut geht. Nein, Paul soll es richten. Er soll Karriere machen. Sie arbeitet nur halbtags. Und treibt dafür den Sohn zu schulischen Höchstleistungen an.
Diese Einstellung von Birgit hat mich - als in Westdeutschland aufgewachsene Frau - doch sehr verwundert. In Westdeutschland gab es viele solcher Frauen. Aber ich dachte immer, in der DDR wären die Frauen emanzipierter gewesen.

Im ersten Teil des Buches wird sehr anschaulich das normale Alltagsleben einer kleinen Familie zwischen Arbeit, mangelnden Konsumgütern und privatem Glück gezeigt. Danach kommt die Zeit der Wende. Und Birgit und Paul geraten in einen Konsum- und damit auch Glücksrausch. Aber als Leser wird einem schon ein wenig mulmig - schließlich weiß man, dass sich die Wünsche und Träume vieler Ex-DDR-Bürger nicht erfüllt haben. Und auch Birgit und Paul geraten in ernsthafte finanzielle Probleme. Und ihre Ehe steht vor dem Scheitern....

Die Frage könnte daher sein, ob das Paar an den gesellschaftlichen Umbrüchen gescheitert ist - oder an von Anfang an unterschiedlichen Zukunftsvisionen. Für mich persönlich waren es ganz klar die unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Aber das kann man sicherlich unterschiedlich sehen - und diskutieren.

Mir hat die Sprache des Buches sehr gut gefallen, diese bildhafte Sprache. Und auch das episodenhafte Erzählen hat mir meist gut gefallen. Nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass mir zwischendurch eine Episode fehlte. Und am Ende war es mir zu viel an Handlung in zu gedrängter Form.

Was mir an dem Buch nicht gefallen hat, waren die Protagonisten. Birgit als verhindertes Luxusweibchen war so gar nicht mein Fall - solche Frauen sind mir ein Graus. Und Paul? Er lässt sich von Birgit einspannen - auch nicht gerade ein Held.

Aber ob einem als Leser die Protagonisten eines Buches sympathisch sind oder nicht, ist kein Maßstab für die Qualität eines Buches.

Daher empfehle ich diesen Roman als Zeitzeugnis des alltäglichen Lebens in der DDR und in der Zeit nach der Wende.

Veröffentlicht am 28.11.2018

Literarischer Krimi mit leider ein paar Längen

Der Zorn der Einsiedlerin
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Vor Jahren habe ich einmal eine Verfilmung eines Adamsberg-Krimis von Fred Vargas gesehen und war sofort angetan von der einzigartigen Atmosphäre und vom schon sehr eigenen Kommissar Adamsberg.

Danach ...

Vor Jahren habe ich einmal eine Verfilmung eines Adamsberg-Krimis von Fred Vargas gesehen und war sofort angetan von der einzigartigen Atmosphäre und vom schon sehr eigenen Kommissar Adamsberg.

Danach hatte ich einige Bücher der Reihe gelesen und ich mochte den Ermittlungsstil und das Team von Adamsberg, auch Brigade genannt.

Diesmal - anscheinend war die Pause zu lang - habe ich mich schwerer getan, in die Geschichte hereinzukommen. Und zwischendurch hatte das Buch einige Längen. Es gab Mitglieder der Brigade, die mir noch unbekannt waren und deren Handlungen ich zunächst nicht so gut verstehen konnte. Und es gab einige Sackgassen in der Ermittlung, die mir ein wenig die Freude am Lesen genommen haben. Aber wie Vargas ihren Kommissar im Buch sagen lässt: Auch Magellan ist in einige geschlossenen Buchten oder Flussmündungen gesegelt, bevor er die Passage an der Südspitze von Südamerika gefunden hat.

Was mir aber wie immer bei Vargas gut gefallen hat, sind der literarische Touch des Schreibstils und die schrägen Charaktere, die das Buch bevölkern. Jeder im Ermittlungsteam hat einen anderen Spleen - und auch Adamsberg ist alles andere als ein einfacher Mensch - obwohl sein verzwicktes Liebesleben diesmal nicht Thema war.

Der Fall selbst war interessant konzipiert: Eine Reihe von Männern stirbt in Südfrankreich nach dem Biss einer Einsiedlerspinne. Obwohl diese Bisse eigentlich nicht tödlich sein können. Adamsberg beginnt auf eigene Faust zu ermitteln - obwohl es eigentlich keinen Fall gibt. Und er entdeckt immer mehr Zusammenhänge zwischen den Toten. Und es sterben weitere Menschen. Und dann entdeckt Adamsberg noch eine Geschichte in seiner eigenen Vergangenheit, die ihm zeigt, warum ihn die Geschichte um Einsiedler und Einsiedlerspinnen sofort dermaßen in den Bann gezogen hat.

Insgesamt hat mich dieses Buch motiviert, die letzten (mir fehlenden) Bände der Adamsberg-Reihe noch zu lesen.

Veröffentlicht am 04.09.2018

Düstere Familiengeheimnisse in einer mondänen Villa am Genfer See

Summer
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Eine mondäne Villa am Genfer See. Eine Bilderbuchfamilie. Der Vater erfolgreicher Anwalt, die Mutter schlank und schön, die Tochter der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Ausschweifende Parties, Nur ...

Eine mondäne Villa am Genfer See. Eine Bilderbuchfamilie. Der Vater erfolgreicher Anwalt, die Mutter schlank und schön, die Tochter der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Ausschweifende Parties, Nur der Sohn des Hauses fällt aus dem Rahmen: Gehemmt, kaum Freunde, Schulprobleme. Alles andere als der Stolz der Familie.


Und dann verschwindet die Tochter des Hauses, mit 19. Und die Familie zerbricht innerlich daran. Und die Freunde sind weg. Und der Sohn, Benjamin, kann den Verlust der Schwester nicht verwinden, obwohl er es irgendwann schafft, ein Studium zu absolvieren und einen Beruf zu ergreifen.

24 Jahre später, Benjamin ist inzwischen 38, wird er durch ein Detail wieder an die Zeit damals erinnert. Und Benjamin begibt sich in eine Spurensuche in der Vergangenheit. Wird er das Rätsel um das Verschwinden seiner Schwester Summer lösen?

Dieses Buch erzählt in vielen Rückblenden und Fragmenten in einer sehr bildhaften Sprache von den Erinnerungen und Bewältigungsstrategien eines Bruders, dessen Schwester plötzlich verschwand. Wasser, Schlingpflanzen, Düsternis und Schatten spielen bei diesen Bildern eine große Rolle. Ist Summer im Genfer See ertrunken? Oder warum träumt Benjamin immer diese Wasser-Träume? Und warum kann er sich nur teilweise an den Tag des Verschwindens erinnern? Warum hat er die Stelle, an der Summer verschwand, zunächst nicht wieder erkannt?

Die Geschichte hat für mich einen düsteren Sog entwickelt. Es war auf eine gewisse Weise spannend. Aber ein Krimi ist das Buch nicht. Eher das Psychogramm einer Familie, bei der einiges nicht in Ordnung ist. Erzählt in einer sehr bildhaften Sprache - wobei es auch manchmal ein wenig zu viel an bildhafter Sprache gab. Zwischendurch hatte man das Gefühl, dem Geheimnis nie auf die Spur zu kommen vor lauter Wasser-Assoziationen.

Ich habe das Buch am Bodensee gelesen - nicht am Genfer See. Aber auch am Bodensee war der See oft düster, verhangen und in ein geheimnisvolles graues Licht getaucht. Die perfekte Kulisse für dieses sprachlich anspruchsvolle Buch, das viele düstere Aspekte zeigt. Aber auch den Weg eines Traumatisierten hinaus ins Leben.

Veröffentlicht am 09.08.2018

Irgendwie hatte ich mehr erwartet...

Das weibliche Prinzip
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Meg Wolitzer ist mit "Die Interessanten" bekannt geworden. Und ich war damals sehr begeistert von diesem Buch, das die Lebenswege von College-Freunden beschreibt.

Deshalb hatte ich mich sehr ...

Meg Wolitzer ist mit "Die Interessanten" bekannt geworden. Und ich war damals sehr begeistert von diesem Buch, das die Lebenswege von College-Freunden beschreibt.

Deshalb hatte ich mich sehr auf den neuen Roman von Meg Wolitzer gefreut. Und wurde ein klein wenig enttäuscht. Aber vielleicht waren meine Erwartungen auch zu hoch?

Das Thema "Feminismus" steht diesmal im Vordergrund. Das ist eigentlich für mich persönlich ein interessantes Thema. Leider fand ich die Protagonisten in diesem Roman meist nicht interessant.

Greer z.B. ist eine schüchterne aber intelligente Studentin. Eigentlich wollte sie nach Yale - aber ihre Kiffer-Hippie-Eltern haben das mit dem Stipendium nicht hinbekommen. Also landet sie auf einem mittelmäßigen College. Dort lernt sie bei einem Vortrag Faith Frank kennen, eine Ikone des Feminismus. Und später wird Greer für Faith arbeiten - und dabei bemerken, dass es auch im Kampf für den Feminismus immer wieder Entscheidungen gibt, die grenzwertig sind.

Greers Freund Cory, den sie schon seit der Kindheit kennt, studiert in Princeton, ihn erwartet eine große Karriere. Doch manchmal kommt es anders. Und die Beziehung zu Greer beginnt zu kriseln.

Und da ist noch Zee, eine Kommilitonin von Greer aus dem College. Sie ist Aktivistin, lesbisch und sucht einen eigenen Weg, ihre Ziele im Leben zu erreichen.

Mich konnte irgendwie keiner der Protagonistin so richtig erreichen. Am meisten mit gelitten habe ich zwischendurch mit Cory - nachvollziehen konnte ich seine Handlungen aber irgendwie nicht.
Und auch die anderen Personen blieben mir merkwürdig fremd. Und die - für mich - sehr theoretische Art, sich für Verbesserungen einzusetzen. Es ging mehr um Geld, Events, Tagungen. Wahrscheinlich realistisch. Aber als Roman war es nicht mein Ding.

Lesen lässt sich das Buch aber gut und flüssig - Wolitzer schreibt sehr gut.
Und ich werde nicht aufgeben und mich nochmals mit dem Buch beschäftigen: Meg Wolitzer kommt im Oktober zu einer Lesung nach Köln. Ich werde hingehen. Und danach das Buch eventuell noch einmal lesen - mit mehr Hintergrund gefällt es mir dann vielleicht besser.