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Veröffentlicht am 20.11.2020

Die Unschuldigen

Die Unschuldigen
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Die Unschuldigen – Michael Crummey
Das war mal wieder ein herausragendes, ganz besonderes Leseerlebnis – auf gewisse Weise ein Highlight!
Neufundland, um 1800. Nach dem Tod der Eltern bleiben zwei Kinder, ...

Die Unschuldigen – Michael Crummey
Das war mal wieder ein herausragendes, ganz besonderes Leseerlebnis – auf gewisse Weise ein Highlight!
Neufundland, um 1800. Nach dem Tod der Eltern bleiben zwei Kinder, Ada und Evered, alleine in einer kleinen Hütte in einer Bucht zurück. Beinahe komplett von der Zivilisation abgeschlossen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten führen sie das harte, entbehrungsreiche Leben ihrer Eltern weiter, um ihr Überleben zu sichern.
Mit einer starken, eindringlichen Erzählstimme führt Crummey seine Leser durch mehrere Jahre im Leben der Geschwister. Sie kämpfen ums Überleben, leiden Not und sind doch mit ihrem armseligen Dasein zufrieden. Es darüber hinaus eine bedeutende Zeit in ihrem Leben, denn sie werden erwachsen. Sie wissen nur das, über das Leben, über Liebe und alles was dazugehört, was die Eltern ihnen darüber erzählt haben – und diese waren sehr schweigsam. Ada und Evered sind so überzeugend unschuldig dargestellt, in ihrer geschwisterlichen Liebe zueinander. Unschuldig und menschlich.
Diese fundamentalen Themen vor der Kulisse des wilden Kanadas machen den Roman zu einem kraftvollen, außerordentlich berührenden Leseerlebnis. Mich konnte es vollkommen überzeugen. Mit Sicherheit ein Buch, das länger im Gedächtnis bleibt. 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 20.11.2020

Mit tollen Experimenten

Niemals den roten Knopf drücken 1, oder der Vulkan bricht aus
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Niemals den roten Knopf drücken…. – Kati Naumann
Ein freches, experimentierfreudiges Kinderbuch (eigentlich Egons Forschertagebuch!) ab etwa 8 Jahren ganz im Stil von Greg. Auf witzige Art und Weise bringt ...

Niemals den roten Knopf drücken…. – Kati Naumann
Ein freches, experimentierfreudiges Kinderbuch (eigentlich Egons Forschertagebuch!) ab etwa 8 Jahren ganz im Stil von Greg. Auf witzige Art und Weise bringt es auch Lesemuffel ans Buch. Schon das Cover hat die Aufmerksamkeit meiner Kids geweckt: jeder der drei hatte sofort erstmal den Finger auf diesem roten Knopf, den man ja keinesfalls drücken soll…..
Egon und sein bester Freund Jojo forschen was das Zeug hält. Dabei geht allerdings regelmäßig ordentlich etwas schief. Lustiges Chaos ist garantiert, denn eine Katastrophe jagt die nächste. Die beiden Forscherjungs mit ihrem klassischen „Feindbild nervige kleine Schwester“ sprechen die Zielgruppe voll an und erleichtern den Einstieg in dieses Leseerlebnis.
Ansprechende Illustrationen im Comic-Stil und ein paar nette Extras runden das Ganze ab. So ist vorne im Buch ein Morsealphabet abgebildet und am Ende gibt es noch die Anleitung für Experimente zum Nachmachen.
Sohnemann war begeistert, ist des Öfteren in lautes Lachen ausgebrochen. Die Experimente haben funktioniert. Also alles in allem ein rundum gelungenes Kinderbuch. 5 Sterne von uns.

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Die Wälder Kanadas

Das Flüstern der Bäume
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Das Flüstern der Bäume – Michael Christie
Es gibt diese Bücher, die einen als Leser einfach fesseln und nicht mehr loslassen. Und irgendwann hört man dann auf, Handlungen und Entwicklungen zu hinterfragen ...

Das Flüstern der Bäume – Michael Christie
Es gibt diese Bücher, die einen als Leser einfach fesseln und nicht mehr loslassen. Und irgendwann hört man dann auf, Handlungen und Entwicklungen zu hinterfragen – man liest einfach und will nicht mehr aufhören damit. Das hier ist so ein Exemplar, das mich schlicht gefangen genommen hat. Ich habe einige negative Rezensionen hierzu gelesen und ja, manche der Argumente sind nicht von der Hand zu weisen, aber: ich sehe das anders.
Dies ist ein groß angelegter Familienroman vor der Kulisse von Kanadas sterbenden Wäldern. Denn tatsächlich beginnt die Geschichte in der Zukunft 2038 – ein Schreckensszenario, das „große Welken“ hat einen überwältigenden Teil des Baumbestandes der Erde vernichtet. Ungewöhnlich wie dystopisch startet dieses Werk, nur um dann immer weiter in die Vergangenheit zurückzugehen. Über hundert Jahre und vier Generationen zurück bis 1908. Christie hangelt sich dabei am fiktiven Stammbaum seiner Figuren entlang – von der Weltwirtschaftskrise bis zur Umweltkatastrophe in der Zukunft. Er bleibt aber immer sehr nahe am Baumthema. Ganz offensichtlich liegen dem Autor diese sehr am Herzen.
Christie schafft es, dass der Leser zu fast allen Figuren einen gewissen Draht aufbaut, deren Beweggründe verstehen kann, mit ihnen leidet, auch wenn die Auswirkungen ihrer (fehlerhaften) Handlungen oft dramatisch sind. (Fast) alle sind von Grund auf gut, nur scheint die Familie Greenwood regelrecht vom Pech verfolgt zu sein. Die poetische, nachdenkliche, ja, durchaus oft übertrieben dramatische Sprache tut ihr übriges. Es liegt eine große Traurigkeit über dem ganzen Roman. Es wimmelt nur so vor verpassten Gelegenheiten und von vergeudeter Lebenszeit. Dazu kommt, dass durch den Aufbau des Romans einiges bereits vorweggenommen wird und dem Leser wehmütig bewusst ist, dass kurze Momente des Glückes nicht von Dauer sein können. Auch das ist ein geschickter Schachzug des Autors. Der Leser durfte bereits in die Zukunft sehen, lernt sämtliche Familienmitglieder in den verschiedenen Generationen kennen. Das ist etwas, was den Protagonisten selbst leider nicht vergönnt ist. Von ihnen hat niemand das gesamte Bild. So eng sie alle mit den Bäumen verbunden sind, selbst haben sie leider keine Wurzeln.
Dieses Werk ist geschickt aufgebaut, überzeugt durch eine wehmütige Grundstimmung und das Baumthema. Anspruchsvoll, aber dennoch absolut fesselnd, mit tollen Protagonisten. Ein tolles Leseerlebnis, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird! 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Überleben im Wilden Westen

Tage ohne Ende
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Tage ohne Ende - Sebastian Barry

Dieser Western-Roman hat mir beinahe den letzten Nerv geraubt. Er ist sperrig geschrieben, die Erzählweise oft abgehakt, die Figuren sind nur am Fluchen. Mehr als einmal ...

Tage ohne Ende - Sebastian Barry

Dieser Western-Roman hat mir beinahe den letzten Nerv geraubt. Er ist sperrig geschrieben, die Erzählweise oft abgehakt, die Figuren sind nur am Fluchen. Mehr als einmal tat ich mich schwer damit, wieder in die Geschichte zurückzufinden. Trotzdem habe ich diesem Roman 5 Sterne gegeben. Warum?

Allein schon die Handlung ist etwas Besonderes, beschreibt sie doch die turbulente Zeit der Indianerkriege. Ein Thema, das ich noch nicht oft literarisch verarbeitet gelesen habe. Der Ire Thomas McNulty erzählt Jahre nach den geschilderten Ereignissen aus der Ich-Perspektive. Bereits als Kind in der irischen Heimat vom Hungertod bedroht, besteigt er als einziger Überlebender seiner Familie ein Schiff nach Amerika. Auch dort schlägt er sich mehr schlecht als recht durch, bis er schließlich mit seinem Freund und Liebhaber John Cole bei der Armee landet. Dort kämpfen sie Seite an Seite, egal wo und gegen wen. Oft wissen sie nicht mal, worum es überhaupt geht. Sie haben bereits zu viel Leid gesehen, als dass ihnen Blutvergießen und Gemetzel etwas anhaben könnten. Entsprechend lakonisch ist der Erzählton.
„Wenn’s um Gemetzel und Hungersnot geht, darum, ob wir leben oder sterben sollen, schert das die Welt nicht im Geringsten. Bei so vielen Menschen hat die Welt es nicht nötig.“ (Klappentext)
Trotzdem oder gerade deshalb kriecht dem Leser das nackte Entsetzen in die Glieder.
"Dann standen wir alle keuchend da, kalter Schweiß strömte über erschöpfte Gesichter, unsere Augen glitzerten, unsere Beine zitterten, so wie man's bei Hunden sieht, wenn sie Lämmer gerissen haben." Seite 39

Man leidet mit den Soldaten mit, die teils unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen, ohne Rücksicht auf Verluste. Noch mehr fühlt man mit den dahingemetzelten Indianern, liest von dem fürchterlichen Kreislauf aus Rache und Vergeltung, der kein Ende zu nehmen scheint. Dabei hat jede Partei Anteil an der Schuld. Barry erzählt relativ wertungsfrei.

Immer wieder entwickelt sich ganz tolles Kopfkino, wie ein guter Western eben. Aber ohne jede Beschönigung. Die Sprache ist wie die Handlung derb, es gibt Flüche am laufenden Band. Daran sollte man sich nicht stören, es ist auf jeden Fall sehr passend und authentisch. Nur gut, dass sich hinter vielen dieser grausamen Krieger durchaus sanfte Kerle verbergen. Auch sie sind Opfer der Umstände und kämpfen ihrerseits täglich ums Überleben. Der unerschütterliche Optimismus des Protagonisten macht die Schilderungen erst erträglich.

Meine Begeisterung hat sich tatsächlich erst im Nachgang eingestellt. Ein sehr besonderer, lesenswerter Roman, der neben all den Gräueln auch eine Portion Wildwest-Romantik bietet. Leider hat dieses Werk bisher viel zu wenig Beachtung gefunden. Auch deshalb von mir 5 Sterne.

Gerade eben habe ich festgestellt, dass offenbar bereits eine Fortsetzung „Tausend Monde“ bei Steidl erhältlich ist. Wandert gleich mal auf die Wunschliste!


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Veröffentlicht am 10.09.2020

Island mit Cowboy-Hut und Mauser

Kalmann
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Kalmann - Joachim B. Schmidt

Kalmann ist ein wirklich ganz besonderer Protagonist. Er ist "Experte für Gammelhai und die großen Fragen des Lebens " (Klappentext)
Dabei ist er ziemlich langsam im Kopf, ...


Kalmann - Joachim B. Schmidt

Kalmann ist ein wirklich ganz besonderer Protagonist. Er ist "Experte für Gammelhai und die großen Fragen des Lebens " (Klappentext)
Dabei ist er ziemlich langsam im Kopf, manchmal drehen sich die Rädchen auch rückwärts, was ihn unberechenbar macht. Aber er hat ein gutes Herz und einen praktischen Verstand. Von seinem Großvater hat er ein Fischerboot übernommen, mit dem er auf Haifang geht um daraus Gammelhai herzustellen. Ansonsten fühlt er sich für sein isländisches Fischerdorf Raufarhövn verantwortlich. Mit Sheriff-Hut und Mauser zieht er durch die Gegend. Die Dorfbewohner kennen und schätzen ihn.
Eines Tages findet er tatsächlich eine Blutlache im Schnee. Doch kein Grund zur Sorge, Kalmann hat alles im Griff. Es wird sich schon alles finden. Mehr oder weniger unfreiwillig gerät er mitten hinein in die Ermittlungen in einem Vermisstenfall.

Ehrlich gesagt, bin ich beeindruckt und begeistert. Vom Autor und von Kalmann. Von diesem Roman mit Krimihandlung, bei dem einfach das Gesamtpaket passt.
Der Schauplatz Island und vor allen Dingen die tollen Beschreibungen sind schon mehr als lesenswert. Der Autor ist gebürtiger Schweizer, 2007 nach Island ausgewandert. Er weiß also, wovon er schreibt und das merkt man. Das Dorf Raufarhövn existiert tatsächlich und auch die thematisierte Problematik der Fangquoten in kleinen Fischerdörfern.
Der Protagonist Kalmann hat eine herzerwärmende Art und Weise seine Umgebung zu betrachten und darüber nachzudenken. So macht er sich als Haifischfänger und gelegentlicher Polarfuchsjäger durchaus Gedanken darüber, ob seine Opfer wohl Angst oder Schmerzen empfinden. Er denkt wie ein Kind und der Leser hat ungefiltert Zugang zu diesen Überlegungen und Erinnerungen.
"Er (Großvater) erklärte mir, dass man zu keiner Zeit Kinder für Haifischköder gebraucht habe, früher nicht und auch sonst, weder behinderte, noch unartige, noch rothaarige, einfach überhaupt keine Kinder, doch wenn man unbedingt aus einem Idioten Haifischköder machen wolle, dann aus Róbert, diesem Ochsenhoden!" (Seite 101)

Dabei versucht der Autor nichts zu beschönigen. Er spricht die Schattenseiten der Behinderung an, erzählt von Hänseleien und Selbstverletzungen. Aber vor allem hebt er die Herzenswärme und Menschlichkeit Kalmanns hervor.

Ein besonderer Protagonist mit teilweise unkonventionellen Ansichten, was für einen ganz speziellen Lesegenuss sorgt. Ich bin begeistert, gerne mehr davon! 5 Sterne

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