Profilbild von Dajobama

Dajobama

Lesejury Star
offline

Dajobama ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dajobama über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.11.2021

Lucy und William

Oh, William!
0

Oh William! – Elizabeth Strout

Dies war mein erster Roman von Elizabeth Strout und – ja, der Schreibstil ist auf jeden Fall sehr eingängig und angenehm lesbar.

Lucy Burton blickt auf ein langes Leben ...

Oh William! – Elizabeth Strout

Dies war mein erster Roman von Elizabeth Strout und – ja, der Schreibstil ist auf jeden Fall sehr eingängig und angenehm lesbar.

Lucy Burton blickt auf ein langes Leben zurück. Davon und insbesondere von ihrer Ehe mit ihrem ersten Mann William und den gemeinsamen Töchtern erzählt sie hier. Obwohl sie und William seit Jahrzehnten geschieden sind, verbindet die beiden eine intensive Freundschaft. Ein Leben lang haben die beiden sich gegenseitig begleitet. Als William nun Hilfe benötigt, ist es natürlich Lucy, die er darum bittet.

Es sind keine großen Geschehnisse, von denen hier erzählt wird. Vielmehr sind es die alltäglichen Sorgen und Schicksalsschläge um die es hier geht. All die kleinen Versäumnisse und Verletzungen, die man sich in einer Ehe gegenseitig zufügt. Sowohl Lucy als auch William haben Narben aus der Kindheit davongetragen, die wiederum ihre spätere Beziehung beeinflussten. Doch wie so oft sieht man die Verbindungen und Hintergründe erst später – zu spät.

Die Sprache ist sehr eindringlich, als würde Lucy vor einem sitzen und ihre Geschichte erzählen. So nah. Es herrscht eine melancholische Grundstimmung und es ist berührend, wie nahe sich Lucy und William stehen. Die beiden gehen sehr liebevoll miteinander um. Das ist schön zu lesen, aber auch traurig, denn die Geschichte steckt voller verpasster Gelegenheiten.

Elizabeth Strout hat eine wunderbar warmherzige Art und Weise, ihre Figuren zu zeichnen. Sensibel und verständnisvoll lotet sie Abgründe menschlicher Seelen aus, und was diese für unsere Beziehungen bedeuten.

Eine sehr ruhige Geschichte, quasi die Rückschau auf ein teils gemeinsames, teils getrenntes Leben, die von einer poetischen Sprache und der melancholischen Atmosphäre lebt.

Hat mir sehr gut gefallen! 4 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2021

Affäre

Alles Begehren
0

Dies ist ein guter Roman, trotzdem hätte ich ihn beinahe abgebrochen. Der Schreibstil ist angenehm und fesselnd, der Aufbau raffiniert und toll gemacht. Es ist vielmehr die Handlung selbst, die mich richtiggehend ...

Dies ist ein guter Roman, trotzdem hätte ich ihn beinahe abgebrochen. Der Schreibstil ist angenehm und fesselnd, der Aufbau raffiniert und toll gemacht. Es ist vielmehr die Handlung selbst, die mich richtiggehend abgestoßen hat. Es gibt zwei Zeitebenen: 1985 und 2003. 1985 trifft der glückliche Familienvater Callum zum ersten Mal auf die schöne Studentin Kate. Die sexuelle Anziehung ist immens - und natürlich erliegt er ihr. Und das obwohl seine Ehefrau, die er sehr liebt mit dem dritten gemeinsamen Kind hochschwanger ist. Natürlich dauert es nicht lange, bis die Sache auffliegt. 2003 begegnen sich Callum und Kate erneut. Und - es ist zum Haare raufen - es passiert wieder genau das gleiche wie bereits vor siebzehn Jahren. Der hormongesteuerte Ehemann schaltet sein Hirn aus und stürzt sich erneut ins Verderben. Es ist wirklich grausam mitanzusehen, bzw zu lesen, wie man sich sein Leben und das seiner Familienmitglieder derart selbst zerstören kann. Als Leser fragt man sich, warum eigentlich? Genau das ist wohl die Intention der Autorin. Man beginnt zu überlegen, welche Gründe glücklich verheiratete Personen dazu verleiten, eine Affäre zu beginnen. Ist es tatsächlich einfach die sexuelle Anziehung, oder der Reiz den Neuen? Wie bereits erwähnt, war ich ein paarmal kurz davor, dieses Buch abzubrechen. Es hat mich einfach zu sehr aufgewühlt. Schließlich bin ich aber doch bei der Stange geblieben. Die Autorin erzählt nämlich wirklich toll. Auch einige interessante Nebenfiguren wollte ich mir nicht einfach so entgehen lassen. Also gefallen hat mir diese Lektüre eigentlich nicht, trotzdem hat sie mich sehr beschäftigt und auch beeindruckt. Deshalb trotz allem 4 Sterne von mir!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.11.2021

Djamila und Geoffroy

Die wärmste aller Farben
0

Die wärmste aller Farben – Gregoire Delacourt

Dieser Roman beschäftigt sich für seine gut 250 Seiten mit ziemlich vielen großen Themen. Die Geschichte beginnt recht politisch – und bleibt es auch. Die ...

Die wärmste aller Farben – Gregoire Delacourt

Dieser Roman beschäftigt sich für seine gut 250 Seiten mit ziemlich vielen großen Themen. Die Geschichte beginnt recht politisch – und bleibt es auch. Die Gelbwesten-Proteste in Frankreich sind ein Ventil durch das Pierre Luft ablassen kann. Denn zuhause läuft es längst nicht mehr gut. Die Ehe ist am Ende. Die Schuld daran gibt er dem autistischen Sohn Geoffroy, mit dem er einfach nicht zurecht kommt. Alleine dieser Teil der Handlung ist so tieftraurig und voller verpasster Gelegenheiten.

Der dreizehnjährige Geoffroy hat aufgrund seines Autismus unzählige Besonderheiten. Beispielsweise begreift er die Welt in Farben. Mit Gleichaltrigen kommt er daher kaum zurecht. Doch eines Tages lernt er auf dem Schulhof Djamila kennen und zwischen den beiden entwickelt sich nicht nur eine tiefe Freundschaft sondern sogar eine zarte Liebesgeschichte. Doch Djamila kommt aus einer muslimischen Familie und fühlt sich von deren strengen Regeln eingeengt.

Ein weiterer Erzählstrang begleitet Geoffroys Mutter Louise, die sich von ihrem Mann Pierre im Stich gelassen fühlt und auf der Suche nach ein wenig Zärtlichkeit ist. Besonders interessant ist dies auch, da Louise beruflich auf der Palliativstation Patienten auf ihrem letzten Weg betreut.

Das sind eine Menge schwere Themen und tatsächlich liegt mir dieses Buch noch etwas im Magen. Es ist poetisch schön, aber auch tieftraurig und melancholisch. Der Autor hat einen ganz wunderbaren Schreibstil, der einen zu fesseln vermag.

Die Charaktere sind sehr vielschichtig dargestellt, so dass man jeden von ihnen irgendwo auch verstehen kann, sogar den gewalttätigen Protestler. Zudem entwickeln sie sich alle im Lauf der Handlung weiter – nur nicht immer in die gleiche Richtung.

Nachdem ich das Buch zugeklappt hatte, war ich sehr niedergeschlagen und aufgewühlt. Aber ich war auch sehr beeindruckt von der schriftstellerischen Leistung des Autors und der Sprachgewalt, mit der er diese Geschichte erzählt.

4 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.11.2021

Julia und Aaron

Neuanfang in Harper Landing
0

Das ist eine wunderbare Liebesgeschichte zwischen Julia und Aaron im beschaulichen Ort Harper Landing. Außerdem spielen ein Labrador-Welpe und ein Baby eine wichtige Rolle. Trotz eines ernsten Hintergrundes ...

Das ist eine wunderbare Liebesgeschichte zwischen Julia und Aaron im beschaulichen Ort Harper Landing. Außerdem spielen ein Labrador-Welpe und ein Baby eine wichtige Rolle. Trotz eines ernsten Hintergrundes ist dies eindeutig ein Wohlfühlroman. Zwischen den Bewohnern von Harper Landing herrscht großer Zusammenhalt. Julia und Aaron sind beides große Symathieträger, das macht den Einstieg leicht. Die Geschichte wird in wechselnden Perspektiven erzählt. Die Sprache ist angenehm und locker-leicht. Ich mochte die Geschichte und auch den Ort und seine Bewohner sehr. Die Handlung kommt trotz einiger Spannungsbögen ohne das ganz große Drama aus. Im Großen und Ganzen eine sehr unterhaltsame Lektüre. 4 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2021

Spektakuläre Erzählweise

Das Archiv der Träume
0

Das Archiv der Träume – Carmen Maria Machado

In diesem autobiographischen Roman verarbeitet die Autorin ihre Erfahrungen in einer queeren toxischen Beziehung.

Das Auffälligste an diesem Werk ist mit ...

Das Archiv der Träume – Carmen Maria Machado

In diesem autobiographischen Roman verarbeitet die Autorin ihre Erfahrungen in einer queeren toxischen Beziehung.

Das Auffälligste an diesem Werk ist mit Sicherheit der Erzählstil. Frau Machado erzählt ihre Erlebnisse in der Du-Perspektive. Der Grund dafür ist mir auch nach Beendigung des Buches nicht so ganz klar. Vielleicht verschafft es ihr größere Distanz. Auf jeden Fall ist das außergewöhnlich, ja auch gewöhnungsbedürftig. Die Kapitel sind kurz und knackig (großer Pluspunkt). Es ist eine seltsame Erzählweise. Nicht chronologisch, es wird auch keine Spannung aufgebaut. Dass diese Beziehung toxisch ist und irgendwann ein Ende haben wird, ist von Anfang an klar. Die Autorin springt zwischen den Themen, schreibt teilweise metaphorisch. Es ist wie ein Puzzle, das man erst zusammenfügen muss. Aber dabei – und das ist ganz wichtig – schafft Frau Machado es dennoch, einen gewaltigen Lesesog zu erzeugen. Sie schreibt experimentell, aber eindeutig hervorragend. Man will einfach immer weiterlesen.

Thematisch ist dieser Roman ein harter Brocken. Die junge bisexuelle Carmen lernt eine Frau kennen (tatsächlich bin ich mir nicht sicher, ob der Name überhaupt fällt…. Sie wird immer die Frau aus dem Traumhaus, oder „sie“ genannt). Nach kurzer Zeit entwickelt sich diese Beziehung ins toxische. Es sind seelische Misshandlungen, um die es hier geht. Es ist bedrückend, diese Entwicklung zu beobachten. Begleitend weist die Autorin auf bekannte Beispiele in Film und Musikszene hin.

Es ist offensichtlich, wie wichtig es Frau Machado ist, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von toxischen Beziehungen in queeren (insbesondere lesbischen) Beziehungen gegenüber heterosexuellen Verbindungen herauszustellen. Tatsächlich hab ich vor dieser Lektüre keinen Gedanken an dieses Thema verwendet.

Eine wirklich bedrückende, erhellende Leseerfahrung. Und die Erzählweise ist ziemlich spektakulär. 4 Sterne und eine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere