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Veröffentlicht am 27.02.2020

Jahre des Terrors

Rote Kreuze
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Rote Kreuze - Sasha Filipenko

Vor einigen Jahren habe ich Solschenizyns Archipel Gulag schockiert abgebrochen. Streckenweise fühlte ich mich hier wieder daran erinnert. Denn auch in diesem Roman eines ...

Rote Kreuze - Sasha Filipenko

Vor einigen Jahren habe ich Solschenizyns Archipel Gulag schockiert abgebrochen. Streckenweise fühlte ich mich hier wieder daran erinnert. Denn auch in diesem Roman eines jungen weißrussischen Schriftstellers geht es zum großen Teil um die dunkelsten Kapitel russischer Geschichte.

Alexander, auch Sascha genannt, zieht mit seiner kleinen Tochter in die Nachbarschaft der über 90jähirgen Tatjana. Diese leidet unter Alzheimer und scheint nur darauf gewartet zu haben, jemandem ihre dramatische Lebensgeschichte erzählen zu dürfen. Sie hat vor vielen Jahrzehnten im Strudel des stalinistischen Terrors alles verloren und lebt nun sehr einsam.

Ein ganzes Leben und ein knappes Jahrhundert geschichtliche Hintergründe in nicht einmal 300 Seiten. Und gerade damit hat sich der Autor meiner Meinung nach etwas übernommen. Vieles wird quasi im Zeitraffer betrachtet, wirkt auf mich möglichst schnell abgehandelt.
Sascha ist im Prinzip nur Statist, damit so etwas wie ein Dialog stattfinden kann. Seine Geschichte hat nämlich weder mit der Tatjanas etwas zu tun, noch mit der russischen Geschichte.
Generell wirken sehr viele Situationen arg gestellt und unglaubwürdig, nur dazu da, Tatjanas Geschichte weiterzuerzählen. Erzähltechnisch fand ich diesen Roman oft sehr ungeschickt vorangetrieben. Dazu kommen mir viel zu viele Unterbrechungen, verschiedene Zeitstränge, Wechsel zwischen Tatjana und Alexander, Einschübe von vielen Textdokumenten. Das alles stört den Lesefluss enorm und schafft unnötige Distanz zu den Figuren.

Dabei ist Tatjanas Geschichte wirklich lesenswert und berührend. Der Autor erzählt mit einer nüchternen Distanz, die mich anfangs eher störte, im Verlauf war ich darüber allerdings sehr froh, denn nur diese Distanz macht dieses Schicksal überhaupt erträglich zu lesen.

Wie ein roter Faden durchziehen diverse rote Kreuze die Geschichte, das hat mir gefallen.
Es ist wichtig über die Gräuel der Zeit zu schreiben und zu lesen. Besonders angesichts der Tatsache, dass das russische Regime bis heute darüber schweigt. Trotzdem hätte ich mir hier mehr Seiten, mehr Raum für Erklärungen und Kennenlernen der Figuren gewünscht. Vieles wirkt zu schnell abgehandelt, Alexanders Geschichte nimmt zusätzlich Platz weg. Da wünschte ich mir doch die dicken, opulenten russischen Klassiker zurück.

Insgesamt fand ich die Geschichte sehr interessant, jedoch literarisch nicht gut umgesetzt. Schade.
3 Sterne


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Veröffentlicht am 20.02.2020

Der Palast

Das Haus der Frauen
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Das Haus der Frauen- Laetitia Colombani

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Haus in Paris, ein Frauenhaus, ein Palast, der allen verzweifelten, geflohenen, misshandelten Frauen Zuflucht bietet.

Die ...

Das Haus der Frauen- Laetitia Colombani

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Haus in Paris, ein Frauenhaus, ein Palast, der allen verzweifelten, geflohenen, misshandelten Frauen Zuflucht bietet.

Die ehemals erfolgreiche Anwältin Solene steht nach dem Selbstmord eines Klienten vor dem Aus ihrer Karriere. Um sich selbst wieder aufzubauen, hilft sie den Frauen im "Palast" beim Schreiben ihrer Briefe. Vom Beschwerdebrief wegen ein paar Euro, über die Bitte um ein Autogramm, bis hin zum Brief an den in Afrika zurückgelassenen Sohn. Solene erhält nach und nach immer mehr Einblicke in die Schicksale dieser Frauen und schöpft daraus wieder Kraft für sich selbst.

In einem zweiten Handlungsstrang begleiten wir Blanche, die unter widrigsten Umständen 1926 für ebendieses Frauenhaus gekämpft hat und es aufgebaut hat.
Interessant fand ich, dass es dieses Frauenhaus, eines der ersten überhaupt, wirklich gab und gibt, ebenso wie seine furchtlose Gründerin Blanche Peyron.

Ein großes feministisches Thema, ein großangelegter Plot mit vielen verschiedenen Frauenschicksalen auf zwei Zeitebenen. Ein riesiges Potential, das meiner Meinung nach nicht ausgeschöpft wurde. Nicht genutzt werden konnte auf den wenigen Seiten. Alle Geschichten werden nur angerissen, keiner der Figuren kommt man wirklich nahe, was ich sehr schade finde. Zudem war mir die Geschichte zu eindimensional. Da wäre viel mehr drin gewesen. So reiht die Autorin ein Schicksal an das nächste, bleibt aber immer nur an der Oberfläche. Dabei gibt es durchaus sehr berührende Momente, die mir dann im Nachhinein aber wieder als zu bemüht erschienen.

"Ein ergreifender Roman über mutige Frauen und ein Plädoyer für mehr Solidarität. " (Klappentext)
Ja, das kann ich schon so unterschreiben. Dennoch hat mich dieser Roman nicht vollends überzeugen können.

Bei mir bleibt ein etwas schaler Nachgeschmack. Ich gebe dafür 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 02.11.2019

Melmoth - die Zeugin

Melmoth
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Melmoth – Sarah Perry

Melmoth, die Zeugin – Ein Roman, passend zu Halloween, irgendwie.

Melmoth, ist der Legende nach eine Frau in schwarz gekleidet, dazu verdammt auf ewig einsam über die Erde zu ziehen, ...

Melmoth – Sarah Perry

Melmoth, die Zeugin – Ein Roman, passend zu Halloween, irgendwie.

Melmoth, ist der Legende nach eine Frau in schwarz gekleidet, dazu verdammt auf ewig einsam über die Erde zu ziehen, auf der Suche nach Gesellschaft. Sie sieht all das Elend dieser Erde und all die Verbrechen der Menschheit.

In verschiedenen Erdteilen, in verschiedenen Jahrhunderten - Melmoth ist Zeugin der größten Verbrechen der Menschheit. Teilweise sind die beschriebenen Szenen wirklich sehr grausam und teilweise schwer zu ertragen. Alles andere als leichte Kost.
Durchzogen mit Fantasy-Elementen wirkte das Ganze auf mich oft eher befremdlich. Bizarr und skurril.

Irgendwas hat das ja, zusammenfassend fand ich dieses Buch aber vor allem seltsam. Einfach nicht unbedingt mein Genre. Insgesamt konnte ich mich auch nicht ganz darauf einlassen. Es waren einige wirklich fesselnde Geschichten und Abschnitte dabei. Dann wieder fühlte ich mich abgehängt.

Positiv möchte ich die gelungene, düster, geheimnisvolle Atmosphäre um Melmoth hervorheben. Das hat schon was Gruseliges.
Teilweise gewöhnungsbedürftig fand ich die häufige direkte Ansprache des Lesers „Schauen Sie!“.
Dieser Roman ist durchaus anspruchsvoll zu lesen. Denn er setzt sich aus verschiedenen Briefen, Zeugenberichten und Erinnerungen zusammen, die immer wieder zurückführen in die Gegenwart, zu Helen nach Prag.
Und Helen hat selbst eine geheimnisvolle Vergangenheit, führt ein selbst auferlegtes, asketisches Leben in Prag. Die Anzeichen für Melmoths Anwesenheit häufen sich. Denn auch Helen hat in ihrem früheren Leben große Schuld auf sich geladen. Nahe kommt der Leser leider keiner der Figuren dieses Werkes, allesamt bleiben sie distanziert, schwer zu fassen.

Dieser Roman hinterlässt ein ungutes, unheimliches Gefühl. Und jede Menge neuer Eindrücke menschlicher Grausamkeit.
Am Ende fand ich die Geschichte an sich doch ein wenig oberflächlich. Allein die Schilderung von Gräueltaten macht noch keinen guten Plot aus. Viele Fragen bleiben offen.
3 Sterne


Veröffentlicht am 12.09.2019

Eine abenteuerliche, wahnwitzige Roadnovel

Alles ist anders
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Alles ist anders – Sobo Swobodnik

Eine abenteuerliche, wahnwitzige Roadnovel.

Die resolute Großmutter (Therese) von Magnus hat noch etwas zu erledigen, bevor sie stirbt. Die Dame hat Durchsetzungsvermögen ...

Alles ist anders – Sobo Swobodnik

Eine abenteuerliche, wahnwitzige Roadnovel.

Die resolute Großmutter (Therese) von Magnus hat noch etwas zu erledigen, bevor sie stirbt. Die Dame hat Durchsetzungsvermögen und so schafft sie es, dass sich der Einzelgänger Magnus mit ihr, Großcousin Landolf (ein Mönch mit Vergangenheit), Hund Arthur und einem Papagei, in einem geliehenen Auto auf den Weg macht. 5000 km durch Osteuropa, bis nach Estland, wo Thereses Ehemann seit Jahrzehnten auf einem Soldatenfriedhof in Narwa begraben liegen soll. Auf dieser langen Fahrt kommen etliche längst vergrabene Gefühle und Streitigkeiten zu Tage.

Der Protagonist Magnus ist zwar meiner Meinung nach nicht sexbesessen, wie der Klappentext behauptet, extrem unsympathisch und unreif ist er dennoch. Auch egozentrisch veranlagt. Vielmehr würde ich ihm ein gestörtes Verhältnis zu weiblichen Brüsten diagnostizieren. Dies ist im Verlauf immer wieder mal Thema und liegt in der Vergangenheit begründet.

Mit dem Schreibstil hatte ich leider so meine Schwierigkeiten. Es herrscht eine ruppige, umgangssprachliche Ausdrucksweise vor. Derb in Sprache und Handlungen. Das mag modern sein, schön sicher nicht.
Der Leser legt mit den Figuren nicht nur per Auto viele Kilometer zurück, die Geschichte wird zusätzlich ständig unterbrochen, durch Rückblenden in die Kindheit von Magnus und Landolf. Damals lag wohl einiges im Argen, was die Persönlichkeiten im negativen formte. Kann man die Kindheit und die Fehler der Eltern für alles verantwortlich machen? Insgesamt ein sehr unruhiger Erzählstil, wobei ich mich auch nicht immer sofort zurechtfand. Dies wurde aber im Verlauf besser.

Teilweise arg übertriebene Szenen, wie in einem Actionfilm, mitunter unrealistisch, einfach drüber. Ach ja, Swobodnik ist Filmemacher…
Doch auch hier fand ich den Autor nicht konsequent. Plötzlich tauchen wieder großartige, beinahe philosophische Stellen auf. Sprachlich ganz grandios.
Besonders was Landolf betrifft. Trotz krimineller Vergangenheit ist er wesentlich sympathischer als Magnus.
Irgendwo passte für mich etwas nicht zusammen.
So bin ich am Ende unschlüssig. Das Talent Swobodniks ist unverkennbar. Stellenweise hat mich der Roman auch wirklich berührt. Dennoch wirkte Vieles auf mich nicht rund, vermutlich wollte der Autor zu viel.




Veröffentlicht am 05.09.2019

Konnte mich leider nicht überzeugen

Die Bücherdiebin
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Die Bücherdiebin – Markus Zusak

Eine Geschichte von Liebe und Hoffnung und unermesslich großer Trauer. Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.

Irgendwie konnte ich den Hype um dieses Buch nicht nachvollziehen. ...

Die Bücherdiebin – Markus Zusak

Eine Geschichte von Liebe und Hoffnung und unermesslich großer Trauer. Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.

Irgendwie konnte ich den Hype um dieses Buch nicht nachvollziehen. Ehrlicherweise hatte ich mich vor der Lektüre nicht mit der Inhaltsangabe befasst. Naja, schon wieder das Thema Judenverfolgung etc. eigentlich hatte ich wenig Lust auf das Thema und hab mich innerlich etwas gewehrt. Und im Prinzip war es dann auch nichts Neues.

Erzählt wird die tragische Geschichte der Liesel Meminger. Ein armes Mädchen, das im Zweiten Weltkrieg bei Fremden aufwächst, ein Jude wird versteckt, die Menschlichkeit wird entdeckt… Leider blieb mir die Sache mit den Büchern zu sehr im Hintergrund, teils auch schwer nachvollziehbar.
Den Erzählstil fand ich sehr lange recht gewöhnungsbedürftig. Denn es ist über weite Teile der Tod selbst, der erzählt und den Geschehnissen oft vorgreift. Was anfangs außergewöhnlich und besonders wirkt, wurde bei mir immer mehr zum Nervfaktor. Insgesamt wirkt das ganze eher wie ein Jugendbuch.

Den Protagonisten kam ich leider nicht wirklich nahe. Nur den Pflegevater Hans Huber, den fand ich toll. Generell fand ich die Figuren arg schwarz -weiß gezeichnet. Entweder gut und edel in jeder Situation oder von Grund auf gemein. Kaum etwas dazwischen.

Sprachlich für mich oft vollkommen drüber. Unpassend und übertrieben, gezwungen poetisch. Viel Seelengerede. Konnte mich leider anfangs kaum überzeugen. Auch der Mittelteil zog sich etwas. Erst das letzte Drittel entwickelt dann für mich einen Sog und berührte mich auch emotional. Für mich gehört das in die Rubrik Jugendbuch.