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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.05.2020

Detailliert wie eine Dokumentation

Jahre des Jägers
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Wieder ein Roman, welcher gerne als Krimi oder Thriller bezeichnet wird, aber eigentlich viel mehr als dieses Genre beinhaltet. Es ist ein dermaßen fundamentaler Roman über den Drogenhandel, den Drogenkrieg ...

Wieder ein Roman, welcher gerne als Krimi oder Thriller bezeichnet wird, aber eigentlich viel mehr als dieses Genre beinhaltet. Es ist ein dermaßen fundamentaler Roman über den Drogenhandel, den Drogenkrieg und dessen Globalisierung, dass man fast schon meint, eine Dokumentation vor sich zu haben.

Hauptfigur ist der Drogenfahnder Art Keller. Der Roman beginnt mit seiner letzten Schlacht in diesem Milieu. Anders als eine Schlacht kann man seine Einsätze kaum bezeichnen. Endlich hat er den Drogenbaron geschlagen, den er mehrere Jahrzehnte gejagt hat. Nun will er aussteigen und sein Leben etwas ruhiger angehen lassen. Eigentlich ist schon alles dafür geregelt. Doch dann tritt ein Politiker auf ihn zu und bietet ihm den Posten des Chefs der obersten Drogenbehörde DEA an. Das ist die Chance für Keller, die Drogen auf andere Art zu bekämpfen. Effektiver als zu seiner „Soldaten“-Zeit, mit einer neuen Struktur der DEA.

Winslow beleuchtet dieses Thema so umfassend und vielschichtig, wie man es selten präsentiert bekommt. Dazu in einer solch spannenden und dramatischen Weise, dass der Roman einem unter die Haut geht wie kein anderer. Er ist aufgeteilt in mehrere Bücher bzw Teile, die jeweils aus mehreren Kapiteln bestehen. Die verschiedenen Stränge werden teils wie eigene, geschlossene Geschichten gelesen. Sie sind vom Setting her sehr unterschiedlich. Einige sind im alltäglichen US-amerikanischen Business angesiedeltt, andere Szenen spielen ausschließlich im mexikanischen Orten innerhalb der Kartelle, von denen es reichlich gibt und die sich gegenseitig bekriegen. Eine gemeinsame Front gegen die mexikanische oder US-Behörden gibt es nicht. Wiederum andere Geschichten spielen in den Startsgefängnissen und Hochsicherheitstrakten, von denen aus so manche Drogenboss sein Kartell führt.

Winslow schafft es, wohl die Brutalität in diesen Bevölkerungsgruppen als auch das friedliebende Miteinander darzustellen. Zu jeder Schattenseite gibt es auch eine leuchtende Seite.

»Jagd des Jägers« ist der dritte Band einer Trilogie dieses Bestsellerautors, die sich mit dem amerikanisch-mexikanischen Drogenkrieg befasst. Die vorhergehenden beiden Bände muss man nicht zwingend gelesen haben, um auch den letzten Band verstehen zu können. Ein Roman, der tief unter die Haut geht.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

Veröffentlicht am 17.05.2020

Wenn die Gängster dazwischen funken

Die Schuld der Väter
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Mit »Die Schuld der Väter« hat es James Lee Burke erneut geschafft, mich in seinem Bann zu ziehen. Und wieder habe ich etwas Neues am Stil entdeckt.

Eine 16 jährige Schülerin ist vergewaltigt und mit ...

Mit »Die Schuld der Väter« hat es James Lee Burke erneut geschafft, mich in seinem Bann zu ziehen. Und wieder habe ich etwas Neues am Stil entdeckt.

Eine 16 jährige Schülerin ist vergewaltigt und mit einer Schrotflinte erschossen worden. Schnell gerät ein junger Musiker wegen seiner Fingerabdrücke in den Verdacht. Doch Dave Robicheaux zweifelt an dessen Schuld und ermittelt weiter. Nach einem Gespräch mit der Großmutter des Musikers führen Spuren in die Vergangenheit und auf einen ehemaligen Plantagenaufseher. Hier kommt die Schuld der Väter ins Spiel. Erst recht, nachdem die Tochter eines Mafiosos getötet worden war. Robicheaux hat alle Hände voll zu tun, die unwillkommene Jagd der Gangster nach einem Täter Einhalt zu gebieten.

In diesem Roman hat mir ganz besonders die Komplexität gefallen. Es wird nicht nur an einem, zwei oder drei parallenen Strängen oder Verbrechen ermittelt. James Lee Burke eröffnet ganz viele Stränge, die jeder ein massiven Konflikt beinhalten, der gelöst werden will.

Mit Faszination habe ich mich auf das miese Wetter in New Iberia eingelassen und versucht, meine eigenen Theorien bestätigt zu bekommen. Aber es sollte nicht sein. Die Verstrickungen mit der Vergangenheit und die verschiedenen Gangsterszenen in Louisiana bieten so viele Möglichkeiten an Verdächtige. Hinzu kommt ein ominöser Obdachloser, der behauptet Robicheaux in Vietnam gerettet zu haben. Außerdem schafft sein Freund Clete Purcel zusätzlich Unruhe in die Ermittlungen. Cletes Liebesleben scheint ihn momentan besonders herauszufordern.

Zwar bekommt Robicheaux auch in diesem Roman wieder sein Fett weg, habe es wird dennoch gezeigt, dass es auch für ihn ein normales Leben gibt. Dies geschieht über seine Frau Bootsi und seine Tochter Alafair. Er unternimmt etwas mit ihnen gemeinsam.

Während Burke gelegentlich, aber besonders in anderen Romanen, vom Sonnenuntergang in Louisiana schwärmt, zieht in diesem Roman die meiste Zeit ist sehr schlechtes Wetter bei diesen Ermittlungen heraus. Ein wiederkehrendes Moment: Blitz, Donner, Regen! Dies zieht sich durch den gesamten Roman, so dass man als Leser meint, man müsse vielleicht einen Regenschirm beim Lesen aufspannen.

»Die Schuld der Väter« ist ein fulminanter Roman, mit dem man sich bestens in den hintersten Sessel der Wohnung zurückziehen und ihn genießen kann.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Spannende Nebenhandlungen!

Zum Greifen nah
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Durch den Pendragon Verlag habe ich hardboiled Thriller »Zum Greifen nah« kennengelernt, bei dem die Spannung an so vielen Enden angepackt wird, dass man einfach mit fortgerissen wird. Sara Cross ist als ...

Durch den Pendragon Verlag habe ich hardboiled Thriller »Zum Greifen nah« kennengelernt, bei dem die Spannung an so vielen Enden angepackt wird, dass man einfach mit fortgerissen wird. Sara Cross ist als Sheriff eine neue Protagonistin für mich. Bislang kannte ich von Wallace Stroby nur die Gangsterin Crissa Stone.

Mit einem Notruf fordert ein Sheriff Kollegen zur Verstärkung an. Sara am nächsten dran. Ihr Kollege Billy hat bei einer Fahrzeugkontrolle einen Afroamerikaner erschossen. Er schwört, dass der Tote eine Waffe in der Hand hatte. Im Kofferraum von dessen Wagen befindet sich eine Kiste voller Waffen. Alle Aussagen von Billy scheinen plausibel. Ein Problem ist allerdings, dass Sara mal mit Billy ein Paar gewesen war. Allerdings hatten sie sich schon vor einigen Monaten getrennt.

Als Leser erfährt man parallel von der Beauftragung eines Killers. Dieser soll das Geld holen, welches ihr Kurier zusätzlich zu den den Waffen transportieren sollte. Damit sollte ein großer Drogendeal finanziert werden. Von dem Geld war allerdings in den Medien nie die Rede, obwohl die Tötung des Afroamerikaners dort schon eine beachtliche Rolle spielte.

Damit weiß der Leser eine Menge mehr als die agierende Figuren und darf gespannt sein, wie die es ausgeht. Kommt es zu einem Drogenkrieg? Ich habe bereits oben darauf hingewiesen, dass es mehrere Spannungselemente gibt. Zwei davon kommen aus einer eher ungewöhnlichen Richtung: Der von der Drogengang angeheuerte Killer, der auch das Geld zurückbringen soll, hat Krebs. Eigentlich sollte er sich einer OP und anschließenden Therapie unterziehen. Und auch der sechsjährige Sohn von Sheriff Sara Cross hat Krebs. Auch hierüber erzeugt Stroby ein Spannungselement, denn Sara ist allein wegen Billy bereits in Stress und muss sich eigentlich noch viel mehr um ihren Sohn kümmern. Werden beide, Killer und Sohn, am Ende des Romans gesund werden? Es sind also zwei Figuren, auf denen der Leser gespannt sein darf.

Strobys Stil gefällt mir sehr. Knallharte Schlägereien und Schießereien neben gefühlsbetonten Elementen, die auf die Tränendrüse drücken und sogar für einen Killer Mitleid hervorrufen können. Gibt es sowas? Verrückt, aber fantastisch!

Ein solcher Kriminalroman ist immer eine Empfehlung wert!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

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Veröffentlicht am 29.04.2020

viel zu früh zu Ende

Wenn das Schlachten vorbei ist
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Mit dem Lesen des neuen Romans vom amerikanischen Schriftsteller Thomas Coraghessan Boyle schafft man sich einen der ungewöhnlichsten, aber tatsächlich existierenden Konflikte auf den Hals. Das Thema des ...

Mit dem Lesen des neuen Romans vom amerikanischen Schriftsteller Thomas Coraghessan Boyle schafft man sich einen der ungewöhnlichsten, aber tatsächlich existierenden Konflikte auf den Hals. Das Thema des Buches, das Ökosystem der Erde, ist zugleich der Konfliktstoff, den Boyle hier bearbeitet. Denn es treffen zwei Gruppen aufeinander, die zunächst einmal pauschal als „grün“ bezeichnet werden. Naturschützer vs. Tierschützer. Oder andersherum gefragt: Wie viel Tierschutz ist gestattet, ohne die Natur zu gefährden? Die Frage stellt sich nicht? Und was ist, wenn sich Ziegen auf einer Insel so ungebremst vermehren, dass die einzigarte Fauna und Flora durch den unstillbaren Drang des Fressens und den Exkrementen der Tiere vernichtet wird? Dürfen die Ziegen dann getötet werden, wie vor einigen Jahren auf den Galapagos-Inseln geschehen?
Doch zunächst der Reihe nach. Der Roman ist in zwei Teile untergliedert und spielt an der Südküste Kaliforniens. Die Naturschutzbehörden bemühen sich, die Inseln Anacapa (im ersten Teil) und Santa Cruz (im zweiten Teil) in ihren ursprünglichen Naturzustand zu versetzen. D. h. die dort durch Schiffe vor Jahrhunderten eingeschleppten fremden Tierarten, im ersten Teil sind es Ratten, im zweiten Schweine, müssen beseitigt werden, damit die heimischen Arten wieder zu ursprünglicher Blüte gelangen. Die Naturschutzbehörden werden personifiziert in der Biologin Alma Boyd Takesue, die zwar keinem einzigen Tierchen als Individuum ein Haar krümmen kann, für Ihre Ziele aber das Schlachten tausender Tiere für notwendig erachtet. Ihr Gegenspieler ist Dave LaJoy, ein erfolgreicher Unternehmer mit mehreren Elektronikläden, der eines Tages den Tierschutz für sich entdeckt hat. In dieser Aufgabe geht er auf, wird fanatisch und schreckt selbst nicht vor Verbrechen zurück, nur um ein einziges Tier zu retten. Beide, Alma und Dave, treffen immer wieder aufeinander, in der Natur, auf Veranstaltungen, oder vor Gericht. Erbittert versuchen beide, ihre Standpunkte hart zu verteidigen. Jeder für sich ist eine extrem widersprüchliche Figur. Da wird es z. B. sehr interessant, als Dave, der sich gerade einen neuen Rasen im Garten hat legen lassen mit Waschbären auf seinem neuen Rasen konfrontiert wird. Der mit dem Anlegen des Rasens beauftragte Gärtner ist erst zu einer Ausbesserung des Rasens bereit, wenn LaJoy die Waschbären entfernt. Gute Frage. LaJoy kommt in Nöten. Ist ihm sein Rasen wichtiger als es die Waschbären sind?
Die Geschichten um die beiden und deren Hintergrund wird in verschiedenen Zeitepochen, die beim Leser zunächst Fragen zurücklassen, erzählt. Außer dem Umstand, dass die Geschehnisse in der Vergangenheit darauf hinweisen, wie das „Ungeziefer“ auf die Inseln gelangt ist, gibt es lange Strecken keine Erklärung für diese kleineren Episoden. Aber keine Angst, die Fragen werden geklärt und je weiter der Leser in der Handlung fortfährt, umso erkennbarer werden die Zusammenhänge. Mich persönlich hat zudem die Erzählweise mit dem ständigen Wechsel in Rückblenden fasziniert. Diese Rückblenden können große Zeiträume bis hin zu mehreren Jahrzehnten genauso umfassen wie das Geschehen in der vorigen Stunde. Während die Handlung in der Gegenwart spielt, wird schon mal eine kleine Zeitspanne von wenigen Stunden übersprungen, um dann anschließend die Lücke erzählerisch in der Vergangenheit zu schließen. Hierfür ist eine sehr filigrane Textarbeit notwendig, an der der Übersetzer Dirk van Gunsteren sicherlich nicht ganz unschuldig ist. Einfach hervorragend.
Für die Erarbeitung dieses Romans bedurfte es eines tiefen Wissens und viel Recherchearbeit durch den Schriftsteller um das ökologische Gleichgewicht der Erde, die Notwendigkeiten der Ressourcenschonung. Allerdings brauchte es auch die überaus gute Erzählweise, um so manche kleine Durststrecke zu überwinden. Denn als Leser klebt man an der Handlung. Boyle jedoch versucht vor allem auf der ersten Hälfte des Buches, all sein Wissen an den Leser weiterzugeben, was für kleine Momente ermüdend wirken kann. Ähnlich auf die Folter gespannt wird der Leser bei der Überwindung zahlreicher Rezepte und man kommt beim Lesen dieser Passagen nicht umhin, eine Wette darauf abzuschließen, ob sich der amerikanische Schriftsteller demnächst in die Reihe der Kochbuchautoren einreihen möchte. Das Interesse an der Geschichte geht dabei aber niemals verloren und so wundert es nicht, dass der Roman schließlich viel zu früh zu Ende ist.
Wer sich bislang noch keine Gedanken um den Erhalt der Erde gemacht hat, kann mit diesem Roman beginnen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012

Veröffentlicht am 29.04.2020

Arglist und Treue ausgewogen miteinander

Die Maurin
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Exotisch, orientalisch, bezaubernd, temperamentvoll, spannend, zärtlich – das sind nur einige Attribute, mit denen man diesen historischen Roman von Lea Korte und/ oder seine Protagonistinnen beschreiben ...

Exotisch, orientalisch, bezaubernd, temperamentvoll, spannend, zärtlich – das sind nur einige Attribute, mit denen man diesen historischen Roman von Lea Korte und/ oder seine Protagonistinnen beschreiben kann. Im Andalusien des 15. Jahrhunderts herrschen erbitterte Kämpfe zwischen den Muslimen und Christen, die nicht spurlos am Leben der Maurin Zahra vorbei gehen. Sie ist Hofdame und Vertraute der Hauptfrau des mächtigen Emirs, ihre Familie gehört zum engeren Kreis der Herrschersfamilie. Die junge Zahra gerät dabei zwischen die Fronten in ein barbarisches Spiel aus Intrigen und Machtkämpfen. Ihre Liebe zu dem christlichen Kastilier Gonzalo bringt sie schließlich in tödliche Gefahr. Aber nicht nur diese Liebe, sondern auch der Umstand, dass sie selbst zu einem Viertel von einer Christin abstammt, sorgt für Ungemach. Ihre Halbgeschwister werden zu erbitterten Feinden der eigenen Familie.
Der 650 Seiten starke Wälzer zeigt ein etwas anderes Mittelalter, als man ansonsten von vielen historischen Roman gewohnt ist. Die orientalische Note auf der iberischen Halbinsel, die über acht Jahrhunderte von dem maurischen Volk beherrscht wurde, lässt beim Lesen scheinbar sanfte orientalische Klänge im Ohr säuseln und an die Märchen von 1001 Nacht denken.
Lea Korte hat die fiktive Handlung geschickt mit den historischen Fakten verbunden. Ihre bildhafte Beschreibung erinnert an die blumenreiche Erzählweise der Orientalen und lässt Bilder aus 1001 Nacht im Kopf entstehen. Über die Handlung hinaus sind die ergänzenden Anmerkungen am Ende des Romans eine sehr gute Hilfe beim Verständnis der historischen Zusammenhänge. So fehlt ein Glossar ebenso wenig wie ein Literaturverzeichnis mit weiterführenden Quellen. Eine Zeitleiste und die beiden Stammbäume der maurischen und der christlichen Herrscherfamilien der damaligen Zeit hilft der Orientierung des Lesers.
„Die Maurin“ ist ein exotisch, faszinierender Roman, der das europäische Mittelalter der iberischen Halbinsel in den Mittelpunkt stellt. Er ist Abenteuer- und Liebesroman zugleich, bei dem Arglist und Treue ausgewogen miteinander spielen. Man darf auf weitere Romane dieser Art von Lea Korte gespannt sein.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011