Profilbild von DetlefKnut

DetlefKnut

Lesejury Star
offline

DetlefKnut ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit DetlefKnut über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.07.2021

Von Kabul ins Rheinland

Tanz zwischen zwei Welten
0

Die von Mariam T. Azimi in Form eines Romans erzählte Geschichte hat mich zu Einblicken geführt, deren so detailreiche Situationen mir in dieser Weise neu waren. Dafür muss man wahrscheinlich ganz persönlich ...

Die von Mariam T. Azimi in Form eines Romans erzählte Geschichte hat mich zu Einblicken geführt, deren so detailreiche Situationen mir in dieser Weise neu waren. Dafür muss man wahrscheinlich ganz persönlich mit solch einer Situation der Migration ausländischer Mitbürger zu tun haben.

Die Protagonsitin dieses Romans ist Wana, die aus Afghanistan stammt. Ihre Eltern flohen mit ihr aus der Heimat, als noch die Russen gegen die Taliban dort kämpften. Vor der Wende in Deutschland. Ihr Vater hat sich damals mit seiner Familie entzweit, weil er besser dort bleiben und kämpfen sollte anstatt nach Deutschland zu gehen.

Als Kind empfand Wana noch beim Zusammenwachsen der beiden Deutschlands ein Wir-Gefühl, was dann aber schnell kaputt gemacht wurde. Spätestens, als ihre Schwester Nila von „wir“ und „die Deutschen“ sprach, hatte Wana begriffen, dass es Menschen verschiedener Klassen gibt. Aber sie wusste nicht, zu welcher dieser Klassen sie selbst gehörte. Mit afghanischen Traditionen, die ihre Mutter verteidigte und pflegte, kam sie nicht klar. Sie fühlte sich modern und deutsch, wurde von den Deutschen wegen ihres Aussehens aber nicht akzeptiert. Es war und ist ihr anzusehen, dass sie Migrantin ist.

Mariam T. Azimi beschreibt die Entwicklung eines jungen Mädchens bis zum Erwachsenwerden. Die Verhältnisse innerhalb einer Familie zwischen Großeltern, Eltern und Kindern werden genauso in das Thema einbezogen wie die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gesellschaften, wie die der afghanischen und die der deutschen.

Diese Konflikte werden von Mariam T. Azimi mit wohlgeformten Sätzen und sicherlich aus ihrer ganz persönlichen Perspektive geschildert. Dabei wird dem Leser klar, dass das Festhalten an alten Traditionen auf der einen Seite und der Aufbruch in die Moderne, westliche Gesellschaft einen unverrückbaren Konflikt darstellt, der in jeder Einwandererfamilie, aber nicht nur dort, in mehr oder weniger ausgeprägter Form vorkommt.

Bei der Protagonsitin führten diese Konflikte zu Depressionen, aus denen sie sich langsam zu befreien scheint. Sie ist bis zum Schluss auf der Suche nach sich selbst und ihren Platz in der Gesellschaft.

Notwendigerweise arbeitet Mariam T. Azimi mit Rückblenden. Um die Verhaltensweisen in der heutigen Zeit plausibel darstellen zu können, ist die Kenntnis des Geschehens in der Vergangenheit unbedingt notwendig.

Mich hat dieser Roman sehr beeindruckt, weil ich viel Neues über das Innere einer Einwandererfamilie gelernt habe. Es waren Ereignisse, die mir unter die Haut gingen, die darüber nachdenken lassen, warum so mancher Einwanderer zum Messer greift und wild um sich schlagend andere Menschen verletzt und tötet.

Ein empfehlenswerter Roman mit sehr viel Feingefühl.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2021

Veröffentlicht am 03.06.2021

James Lee Burke und sein Dave Robicheaux

Dunkle Tage im Iberia Parish
0

Auch dieser Roman von James Lee Burke ist ein weiterer Hardcore-Kriminalroman um den Polizisten Dave Robicheaux. In diesem Roman ist Dave Robicheaux tatsächlich Polizist, und zwar im Iberia Parish Sheriffs ...

Auch dieser Roman von James Lee Burke ist ein weiterer Hardcore-Kriminalroman um den Polizisten Dave Robicheaux. In diesem Roman ist Dave Robicheaux tatsächlich Polizist, und zwar im Iberia Parish Sheriffs Department. Dort kümmert er sich um die alltäglichen Verbrechen, wie Unfälle mit Fahrerflucht, Straßenkriminalität, Handtaschendiebstahl, Alligatoren, die Schweine fressen und so weiter. Ansonsten ist Dave Robicheaux auch als Alkoholiker bekannt, der sich mal Privatdetektiv, mal als Detective beim New Orleans Police Department verdingt. Aber das ist in diesem Roman anders.

Dave Robicheaux erzählt zu Beginn von seiner Zeit bei einem Austauschprogramm der Polizei mit dem Miami Police Department vor zwanzig Jahren. Aber damals war er noch Trinker und musste zusehen, wie ein befreundeter Cop auf der Straße getötet wurde. Er konnte ihm nicht helfen, weil er zu dem Zeitpunkt betrunken war.

Burke holt im vorliegenden Roman die Vergangenheit in die Gegenwart. Dave Robicheaux ist trocken. Doch es ereignen sich einige Sachen rund um seinen Schreibtisch und Streifenwagen, von denen er der Meinung ist, dass sie zusammengehören. Vor allem tauchen Personen im Iberia Parish auf, welche aus Florida stammen und mit dem Tod seines Kumpels damals zu tun hatten. Das stinkt ihm mächtig.

Wie bei den Romanen des in Montana lebenden Schriftstellers Burke üblich, gibt es viel Informationen über das Leben und die Geschichte von Louisiana. Ausgefeilte, dem Handlungsgeschehen angepasste Figurenbeschreibungen lassen die Dialoge in Bildern geschehen. Der trockene Dave Robicheaux von Burke gefällt mir gleich zehnmal besser, obwohl sein Protagonist auch in anderen Romanen sympathisch ist.

Die örtlichen Beschreibungen sind so angenehm zu lesen, dass man Lust darauf bekommt, hier urlaub zu machen. Trotz aller Verbrechen, die in diesen Krimis geschehen. Hier ist mal ein Zitat aus dem Roman, damit ihr einen Eindruck gewinnen könnt, warum ich mich in solchen Beschreibungen so sehr heimisch fühle.

Alles in allem ist auch dieser Roman einer, den ich nicht missen möchte. Interessant, spannend, abenteuerlich und unterhaltsam! Total empfehlenswert!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2021

Veröffentlicht am 28.05.2021

Steph Broadribb lässt ihre Kopfgeldjägerin erneut jagen

Die Jägerin - Übergabe
0

Dies ist der dritte Band, den Steph Broadribb dieser Reihe beigesteuert hat. Bislang gibt es insgesamt vier Thriller um die Kopfgeldjägerin Lori Anderson aus Florida. Drei davon sind auf Deutsch bei Heyne ...

Dies ist der dritte Band, den Steph Broadribb dieser Reihe beigesteuert hat. Bislang gibt es insgesamt vier Thriller um die Kopfgeldjägerin Lori Anderson aus Florida. Drei davon sind auf Deutsch bei Heyne erschienen.

Lori hat nach dem letzten Fall wieder in ein normales Leben zurück gefunden. Sie lebt mit ihrer Tochter Dakota und deren Vater JT zusammen. JT ist immer noch der Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen möchte.

Als Lori ihre Tochter zur Schule bringt, wird sie kurz darauf selbst entführt. Sie wird in die Residenz des Mafiabosses von Miami gebracht. Der geht davon aus, dass Lori seinen Sohn getötet hat. Zur Wiedergutmachung fordert er die Erledigung eines Jobs: Sie soll seinen zweiten Mann aus den Klauen des FBI befreien.

Sein zweiter Mann hat mit dem FBI einen Deal gemacht und will ihn verraten. Der Mafiaboss will aber nicht, dass Lori ihn tötet sondern nur aus den Fängen des FBI befreit und zu ihm bringt. Doch dessen zweiter, noch lebender Sohn hat ganz andere Pläne.

Dieser Roman ist schwer in ein Genre zu fassen, jenachdem, welche Definition man für Thriller oder Krimi heranzieht. Denn eigentlich schickt Steph Broadribb ihre Protagonist nicht auf die Jagd nach einem Bösewicht. Vielmehr wird Lori selbst gejagt. Sie selbst ist das Ziel, nach ihr wird gejagt. Lori ist stets auf der Flucht. Aufgrund des rasanten Tempos würde ich diesen Roman also durchaus das Attribut eines Thrillers zuweisen. Da unterscheidet er sich kaum von dem ersten Band dieser Reihe »Die Jägerin – Auftrag«.

Loris Flucht aber ist extrem spannend und lässt die Seiten nur so durch die Finger gleiten.

Steph Broadribb lässt die Szenen rund um die Protagonistin von Lori selbst in der Gegenwart, Als Leser ist man sozuganen mittendrin, erlebt Loris Ängste, Schmerzen und Freuden zeitgleich und hautnah mit. Die Szenen ohne Lori werden von einem anderen Erzähler in dritter Person geschildert. Das betrifft hauptsächlich das Geschehen um Loris Tochter Dakota und deren Lebensgefährten JT, der selbst ein Kopfgeldjäger ist und von der Mafia gejagt wird, um Lori unter Druck zu setzen.

Zusätzlich erfährt der Leser viel über die Landschaften, wie z.b die Everglades, und wird dort zusammen mit den Figuren Gefahren ausgesetzt.

Für Leser, die gerne die Seiten durch die Finger drehen, ist dieser Roman ein Muss. Er ist actionreiches Kino mit gefühlvollen Momenten genauso wie Mafiosi, die nicht in jedem Moment abgrundtief böse sind. Diesen Roman empfehle ich sehr gerne!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2021

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
Veröffentlicht am 21.05.2021

Kimberly McCreight: Hochspannung vorprogrammiert!

Eine perfekte Ehe
0

Der Roman von Kimberly McCreight ist voller Nervenkitzel. Jedes Umblättern sorgt für neue Fakten und erfordert ein Umdenken beim Leser.

Protagonistin in diesem Roman ist die New Yorker Anwältin Lizzie ...

Der Roman von Kimberly McCreight ist voller Nervenkitzel. Jedes Umblättern sorgt für neue Fakten und erfordert ein Umdenken beim Leser.

Protagonistin in diesem Roman ist die New Yorker Anwältin Lizzie Kitsakis, die einen Anruf von einem alten Studienkollegen bekommt. Der ist eigentlich unendlich reich – Kategorie Jeff Bezoz -, aber er ruft per R-Gespräch aus der berücjtigsten und gefährlichsten Justizvollzugsanstalt, dem Rikers Island in New York, an.

Eigentlich wollte Lizzie ihre Ehe und mit ihren Ehemann Sam, der ein Alkoholiker ist, kitten. Sie hat gar keine Zeit für andere Fälle. Jedoch kommt sie nicht umhin, das Mandat von Zach zu übernehmen, um ihn aus dem Gefängnis zu holen.

Stück für Stück wird man mit den Umständen konfrontiert, warum Zach im Gefängnis ist, warum eine Kaution abgelehnt wurde und und und.

Die Beziehungen zu Freunden, Kollegen, Verwandten und Bekannten werden mit jeder weitteen Seite konkretisiert. Alles, was einmal so harmlos klang, ist plötzlich nicht mehr harmlos, sondern brandgefährlich für die Protagonistin. Plötzlich steht alles auf dem Spiel, aber nicht nur für Lizzie. Kimberly McCreight meistert die verzwickten Konflikte mit einer Eleganz, sodass es pure Freude ist, diesen Verwicklungen zu folgen.

Ich möchte aber gerne hinweisen, dass der Thriller mit all seinen Winkelzügen nicht verworren ist. Im Gegenteil: Man ist sich als Leser zu jedem Zeitpunkt sehr sicher, alles richtig verstanden zu haben. Es ist alles plausibel und man möchte meinen, in der jeweiligen Situation würde man auch so handeln. Doch erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt.

Raffiniert sind die verschiedenen Perspektiven, aus denen Kimberly McCreight die Geschichte erzählt. Da ist zunächst die Sichtweise von Lizzie, die aus der Ich_Perspektiver erzählt wird und das ganze Geschehen der Gegenwart, der aktuellen Handlung beleuchtet. Dann gibt es die Rückblenden aus der Sicht des Opfers, immer von einer dritten Person geschildert. Die Rückblenden beschreiben unterschiedliche Zeiten vor der Tat bzw. vor der von Lizzie geschilderten aktuellen Handlung. Und schließlich gibt es Protokolle einerseits von einer Sicherheitsfirma und andererseits von der Staatsanwältin. Besonders die Protokolle der Zeugenaussagen widersprechen meist allen anderen Sichtweisen und sorgen für noch mehr Spannung beim Lesen.

Hier noch eine Information nebenbei: Als ich das Cover der deutschen Ausgabe dieses Romans betrachtete, dachte ich für einen kurzen Moment, dass es sich bei dem Foto um eines von Nicole Kidman handeln könnte. Aber dann wiederum stellte sich die Frage: Warum sollte der Droemer Verlag solch einen Hollywood-Star auf ein Cover nehmen? Doch dies klärte sich schließlich bei den Recherchen zu meinem Artikel „Top Ladies of Thrill – Nervenkitzel aus den USA„. Dieser Roman wird für Amazon Prime von Nicole Kidman und ihrer Produktionsfirma verfilmt. Wow! Klar!

Ich bin gespannt auf die Verfilmung. Das Buch kenne ich nun ja schon und kann es heiß empfehlen!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2021

Veröffentlicht am 29.04.2021

spannender und großartiger Kriminalroman

Der letzte Grund
0

Diese Kriminalroman von Volker Pesch ist ein Roman mit interessanten Schauplätzen, einer spannenden Handlung und einem gut verarbeiteten Thema aus der deutschen Vergangenheit.

Wenige Tage vor dem Beginn ...

Diese Kriminalroman von Volker Pesch ist ein Roman mit interessanten Schauplätzen, einer spannenden Handlung und einem gut verarbeiteten Thema aus der deutschen Vergangenheit.

Wenige Tage vor dem Beginn der Hanse-Sail in Rostock ist der Zweimaster „Sansibar“ im Hafen versunken. Wie sich herausstellt, gibt es eine männliche Leiche an Bord. Doch es sind aufwendige Taucherarbeiten notwendig, um die Leiche und das Schiff zu bergen. Die Kommissarin Doro Weskamp beginnt mit ihrem Team zu ermitteln. Ihre Wege führen sie zu Schiffseignern, Sponsoren aus der Windkraftbranche und zu Flüchtlingen aus dem Dritten Reich. Dabei geht es auch um das Thema der Kriegsenkel.

Da ich selbst viele Jahre in Rostock gelebt habe und noch über einige Kontakte dorthin verfüge, hat mir das Wiedersehen mit der Hafenstadt an der Ostsee mittels dieses Kriminalromans besondere Freude bereitet. Aber es war nicht das Lokalkolorit, das mich gefesselt hatte. Dafür waren eher das Aufdecken dunkler Geheimnisse und das des Themas Kriegsenkel verantwortlich.

Jedem Leser sei angeraten, das erste Kapitel, welches verwirrend ist, zu überstehen. (Nicht zu überlesen, denn es ist wichtig! Aber auf keinen Fall das Buch aus der Hand zu legen.) Ich verspreche, im zweiten Kapitel geht es dann richtig los. Auch wenn Clemens zwar nicht seine Träume los wird, nimmt der Segler aber im dritten Kapitel schließlich seine Fahrt auf.

Volker Pesch schlägt einen weiten Bogen, angefangen von dem Toten auf dem gesunkenen Schiff über die Reichsbürger, einem rechtsradikalen Polizisten bis hin zu Kunstgemälden, die einst den jüdischen Bürgern gestohlen und bei Gurlitt versteckt worden waren.

Die Figuren, allen voran Doro Weskamp und der Polizeiseelsorger Tom Schroeder, sind von Volker Pesch sehr spannend, sympathisch und so vertraulich angelegt, dass man als Leser meint, sie tatsächlich schon immer persönlich zu kennen. Mich umfing bei ihrem ersten Auftreten in der Handlung eine wohlige Wärme.

Diesen Kriminalroman kann ich mir gut als den Auftakt einer neuen Reihe vorstellen. Einen entsprechenden Cliffhanger hat Volker Pesch bereits platziert.

»Der letzte Grund» ist ein spannender und großartiger Kriminalroman, einer mit sehr interessanten Themen und sympathischen Figuren. Den Namen des Autors sollte man sich merken.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2021